I 205/2004 VOL 9. März 2005 43C Interpellation
0873 Loosli-Amstutz, Detligen (GFL)
Weitere Unterschriften: 7 Eingereicht am: 06.09.2004
Wie lange sollen Ferkel noch leiden?
In der Schweiz werden jährlich rund 1,3 Mio. männliche Ferkel in den ersten Lebenswochen ohne Betäubung, meist durch den Züchter, chirurgisch kastriert. Dies zur Vermeidung des Ebergeruchs im Fleisch, zur Reduktion der Aggressivität und damit einfacheren Haltung der Mastschweine. Ferkel sind die einzigen Tiere, die nach Tierschutzverordnung ohne Betäubung kastriert werden dürfen. Nebst anderen Bestrebungen zur Vermeidung der Kastration (Ebermast, Impfungen) wurden am Departement für Klinische Veterinärmedizin in Bern in den letzten Jahren die technischen Voraussetzungen für die schmerzfreie Kastration erarbeitet. Die Methode ist praxisreif und das Gas offiziell registriert.
1. Ist der Regierungsrat bereit, sich angesichts der neuen Bernischen Entwicklung beim Bund für die gesetzliche Aufhebung der „Schweineexklusivität“ einzusetzen?
2. Gemäss heutigem Recht ist es nur dem Tierarzt resp. der Tierärztin erlaubt, eine Schmerzmedikation bzw. Narkose durchzuführen. Teilt der Regierungsrat die Bestrebungen, dass auch andere fachkundige Leute wie z.B. der Züchter selbst, nach einer entsprechenden Ausbildung Eingriffe und Schmerzmedikation im Rahmen der Ferkelkastration durchführen dürfen?
3. Wenn ja, welche Massnahmen sind zur Legiferierung und Ausbildung vorgesehen?
4. Zeitlicher Rahmen?
Es wird Dringlichkeit verlangt Abgelehnt: 09.09.2004
Antwort des Regierungsrates
Männliche Ferkel, die nicht zur Zucht vorgesehen sind, werden in der Schweiz üblicherweise ohne Schmerzausschaltung kastriert. Der Eingriff wird vorgenommen, weil Eberfleisch einen unangenehmen Eigengeschmack aufweisen kann und daher von einem Teil der Bevölkerung abgelehnt wird. Für den Eingriff fehlen bislang Schmerz ausschaltende Methoden, die in der Praxis problemlos angewendet werden können. Aus diesem Grund erlaubt Artikel 65 der eidgenössischen Tierschutzverordnung weiterhin die
2
Kastration männlicher Ferkel ohne Schmerzausschaltung. Die zulässige Altersgrenze wurde jedoch im Sinn einer Belastungsverminderung auf 14 Tage herabgesetzt. Der Eingriff muss von fachkundigen Personen vorgenommen werden. Ältere Ferkel dürfen nur nach Schmerzausschaltung und unter tierärztlicher Aufsicht kastriert werden.
Zu Frage 1
In der Schweiz wird seit Jahren intensiv an Alternativen zur Ferkelkastration ohne Schmerzausschaltung gearbeitet. Die Forschungen umfassen die Gebiete Ebermast, Impfung gegen Ebergeruch, Unterdrückung der Androstenonbildung, Schmerzausschaltung und elektronische Nase im Schlachthof. Die von der Interpellantin angeführte Berner Entwicklung ist eine Inhalationsnarkose, bei der das Gas den Ferkeln über eine Gesichtsmaske zugeführt wird. Swissmedic hat zwar verschiedene Isoflurane registriert und zugelassen. Die Fragen der Anwendersicherheit bei der Applikation durch Personen ohne tierärztliche Ausbildung sind jedoch noch nicht in zufrieden stellender Weise gelöst. Die Technik kann deshalb vorläufig nicht als praxistauglich eingestuft werden. Nach Ansicht des Bundesamtes für Veterinärwesen (BVET) käme ein Totalverbot der Ferkelkastration dann in Frage, wenn Alternativen vorliegen, die von allen involvierten Kreisen – Produzenten, Tierschutz, Konsumentenschaft – akzeptiert werden können. Die Volkswirtschaftsdirektion wird beim Bund schriftlich vorstellig werden, mit dem Ziel, die Anwendung von alternativen Methoden zu beschleunigen.
Zu den Fragen 2, 3 und 4
Artikel 8 der Tierarzneimittelverordnung vom 18. August 2004 hält fest, dass Tierarzneimittel zur Schmerzausschaltung bei der Frühkastration für den Tierbestand einer bestimmten Person abgegeben werden dürfen, sofern diese Person einen von den Bundesbehörden anerkannten Kurs zur Vornahme solcher Eingriffe besucht. Die Vorschrift tritt am 1. Januar 2006 in Kraft, die Umsetzung ist Angelegenheit der Organisationen und Verbände. Der Schweizerische Bauernverband hat aus diesem Grund im Herbst 2004 ein Projektteam gebildet, das Inhalt und Umfang solcher Kurse ausarbeiten soll. Bereits ist ein erster Pilotkurs in Lämmerkastration für Tierhalter durchgeführt worden. Der entsprechende Pilotkurs für Kälberhalter wird in diesem Sommer abgehalten. Aufgrund der Erfahrungen in diesen Pilotkursen werden die Kursunterlagen fertig erstellt, anschliessend den Bundesämtern für Veterinärwesen und Landwirtschaft zur Genehmigung vorgelegt und ab September 2005 den Organisationen und Verbänden zur Verfügung gestellt.
An den Grossen Rat