• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Der Aufstand der „Jungärzte“ Bayerns vor 60 Jahren: Essen aus der Armenküche" (02.06.2006)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Der Aufstand der „Jungärzte“ Bayerns vor 60 Jahren: Essen aus der Armenküche" (02.06.2006)"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

S T A T U S

A

A1568 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 22⏐⏐2. Juni 2006

S

o entstand 1946 die

„Arbeitsgemeinschaft der Jungärzte Bay- erns“, die später im Mar- burger Bund aufging: Die meisten aus dem Krieg, Lazarett oder Kriegsge- fangenschaft heimkeh- renden Ärzte fanden in den Krankenhäusern ei- ne Beschäftigung als „un- bezahlte Volontärärzte“

und waren froh darum.

Sie waren meist voll beschäftigt als Stations- ärzte, im Notdienst und Nachtdienst. Einzige Ent- lohnung: die Teilnahme am Mittagessen im Ärz- te-Kasino. Anfang 1946 verfügten das Städtische Gesundheitsamt und die Krankenhausverwaltung München, dass die un- bezahlten Volontärärzte nicht mehr am Mittages- sen teilnehmen dürften.

Das schlug dem Fass den Boden aus! Eine Rücksprache mit den

„unbezahlten Volontär- ärzten“ in allen Münch- ner Krankenhäusern er- gab die gemeinsame Absicht, sich von dem damals in Mün- chen für Arme und Obdach- lose eingerichteten Essen der Armenküche bringen zu las- sen. Und so kam – meist in großen Kübeln – die Mittags- kost in die Krankenhäuser.

Die „Jungärzte“ baten die Chefärzte um Unterbrechung der Visiten, um das warme Essen holen und einnehmen zu können. Das ging einige Tage so – bis über den Ein- spruch der Chefärzte das Städische Gesundheitsamt die Verfügung zurückzog und die

„Jungärzte“ wieder am Kasino- Essen teilnehmen durften.

Kontakte zu den Jungärzten in den Besatzungszonen Das stärkte unser Selbstver- trauen, und wir sahen, dass mit gemeinsamen Anstrengungen doch etwas erreicht werden konnte. So riefen wir schon bald zu mehreren Versamm- lungen in Krankenhäusern auf, zu denen bis zu 400

„Jungärzte“ kamen, und for- derten Verbesserung des Bet-

tenschlüssels, um mehr jungen Ärzten eine bezahlte Anstel- lung zu ermöglichen. Bald gründeten sich auch in ande- ren Städten „Arbeitsgemein- schaften der Jungärzte“, und ich wurde auf einer gemeinsa- men Veranstaltung zum ersten Landesvorsitzenden der „Ar- beitsgemeinschaft der Jung- ärzte Bayerns“ gewählt.

Bei der Bayrischen Lan- desärztekammer erhielten wir einen angestellten Beauftrag- ten der „Jungärzte“. Ich selbst wurde in den Vorstand der Landesärztekammer berufen.

Verständnis und Unterstüt- zung fanden wir im Bayri- schen Staatsministerium des Innern. So konnte bereits 1946 in Bayern manches er- reicht werden: Versicherungs- schutz für unbezahlte Vo- lontärärzte, Auflockerung der Zulassungsbestimmungen,Ver- besserung der Niederlassungs- ordnung, vernünftige Rela- tion von Arzt und Kranken- hausbetten und eine in der aktuellen Situation unum- gängliche Drosselung des Me- dizinstudiums.

Das Ansehen der „Jung- ärzte Bayerns“ und die Zahl ihrer Sympathisanten stiegen noch mal kräftig an, als es ihrem Vorstand gelang, beim Bayrischen Staatsministerium des Innern einen Durch- bruch zu erzielen. Von der Gesundheitsabteilung wurden Richtlinien herausgegeben, die den Krankenhausträgern nahe legten, wenigstens auf 30 Betten einen bezahlten Assistenten und einen be- zahlten Hilfsassistenten ein- zustellen.

Bald zeigte sich, dass auch in anderen Bundesländern solche Arbeitsgemeinschaf- ten der „Jungärzte“ entstan- den, zu denen man schriftlich und telefonisch – was damals wegen der französisch, eng- lisch, amerikanisch und rus- sisch besetzten Zonen nicht einfach war – Kontakt auf- nahm. Und so kam es zu dem Treffen von Abgesandten al- ler vier Zonen in Marburg am 12. und 13. Juni 1947, zur gemeinsamen Abfassung der

„Marburger Resolution“ und zur vorläufigen Gründung des

Marburger Bundes, der dann auf der Tagung vom 2. bis 6. Mai 1948 auf dem von den Münch- nern vorgeschlagenen Berghaus Sudelfeld bei Bayrischzell seine end- gültige eigenständige Or- ganisationsform bekam.

Die Zusammenkunft am 12. und 13. Juni 1947 im Gerichtsmedizinischen Institut war ausschließ- licher Verdienst des früh verstorbenen Dr. med.

Rolf Schlögell, des ehe- maligen KBV-Hauptge- schäftsführers und Präsi- denten der Freien Berufe.

Insgesamt unterzeich- neten 15 Ärzte aus allen Bundesländern – bereit, sich für ihr Recht auf Bezahlung und verbes- serte Bettenschlüssel und für die freie Niederlassung einzusetzen.

Freude über kämpferische Entschlossenheit der Jungen Ein besonderes Anliegen der Bayrischen „Jungärzte“ war es, in der Ärztekammer zu bleiben – und nicht, wie die

„Jungärzte“ in anderen Bun- desländern, Verselbstständi- gung und Loslösung zu for- dern. Einigkeit macht stark – war unser Anliegen und hat sich bundesweit durch- gesetzt!

Es freut die älteren Ärzte, die früher häufig Mitglied des Marburger Bundes waren, dass die junge Generation Ei- nigkeit und Geschlossenheit – 98,4 Prozent stimmten für Streik – zeigt und sich kämpfe- risch für bessere Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen sowie ein deutlich verbessertes Ge- halt einsetzt. Dies hilft ja nicht nur den Krankenhaus- ärzten, sondern vor allem den Patienten durch eine bessere und menschlichere Versor- gung! Dr. med. Dr. phil. Erich Grassl

Der Aufstand der „Jungärzte“ Bayerns vor 60 Jahren

Essen aus der Armenküche

Gemeinsam zum Gipfel – im Mai 1948 wurde in der Nähe von Bayrischzell der Marbur- ger Bund gegründet.

Foto:Kurt Gelsner,Der Marburger Bund

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Auf Einladung des bayerischen Gesund- heitsministeriums besuchten in diesem Jahr auch erstmals russische Ärzte zusammen mit ih- ren moldawischen Kollegen Bayern, um sich über

Eine neue, unkomplizierte Form der Vermittlung von Musikaufführungen für die Freunde von klassischer Musik, Jazz, Folk und Tanzmusik ist seit einiger Zeit über das In- ternet

Während zum Beispiel die 19- bis 35jährigen Frauen das tägli- che Maß durchschnittlich nur um 4 Prozent übersteigen, es- sen gleichaltrige Männer rund 18 Prozent zu viel.. Bei

November sind im Museum für Ostasiatische Kunst (Universitätsstraße 100, 50674 Köln) die Ausstel- lungen „Gesichter Asiens — Historische Fotografien aus dem George Eastman

Jungen Menschen zwischen 18 und 27 Jahren, die von der Jugend- und Wohnungslosenhilfe nicht oder nicht mehr erreicht werden, bietet das CVJM Sozialwerk mit dem Projekt

Wie dem auch sei, aus einer Stu- die des Allensbacher Instituts (sie- he Tabelle) geht hervor, daß die Bevölkerung hierzulande zuneh- mend Naturheilmittel kauft. In den

So hat der stellver- tretende Vorsitzende des Deut- schen Gewerkschaftsbundes, Gerd Muhr, im DGB-Bundesvor- stand für die Bereiche Arbeits- marktpolitik und Arbeitsrecht und

satorische noch finanzielle Hemmnisse (notfalls über- nimmt das Kuratorium für Heimdialyse die Kosten) mehr geben, anderen Pa- tienten diesen „vielleicht größten Fortschritt seit