Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen DER KOMMENTAR
Sozialkonflikt statt
Sozialpolitik
Gerade in letzter Zeit, auch schon vor dem Regierungswechsel, sind lebhafte Diskussionen um die poli- tische Weiterentwicklung der Ge- sellschaft festzustellen, wobei sich die Grauzonen zwischen Kritik und Diskriminierung häufig ver- schieben.
Die Interessenvertretungen wer- den dabei auf eine wundersame Art erkennbar. So hat der stellver- tretende Vorsitzende des Deut- schen Gewerkschaftsbundes, Gerd Muhr, im DGB-Bundesvor- stand für die Bereiche Arbeits- marktpolitik und Arbeitsrecht und Sozialpolitik zuständig, sich in ei- nem Interview der gewerkschafts- eigenen Zeitschrift „Soziale Si- cherheit" noch im Juli 1982 für eine konzeptionelle Sozialpolitik — gegen weitere Diskriminierung un- seres Sozialleistungssystems aus- gesprochen unter dem gleichzeiti- gen Hinweis, daß „wir (DGB-Ge- werkschafter) von unseren Vor- stellungen nichts zurückzuneh- men brauchen, denn an unseren Zielen und Grundsätzen hat sich nichts geändert".
Seit 1969, also seit Anbeginn der DGB-Zeiten Gerd Muhrs, seien schrittweise Bausteine für einen gewerkschaftlichen Sozialplan in dieser Bundesrepublik erarbeitet worden, und es gehe nun um eine Expansion in neue Qualitäten der Sozialpolitik hinein.
Dabei postuliert Gerd Muhr — der neben seinem DGB-Einsatz auch gern international sozialpolitische Ratschläge vor allem in der Inter- nationalen Arbeitsorganisation (ILO), Genf, an Entwicklungslän- der austeilt —, daß Strukturfragen künftig im Vordergrund stünden, vor allem für die Gesundheitspoli- tik und die Alterssicherung, aber auch für die Arbeitsmarktsituation in der Bundesrepublik.
Seine bundesrepublikanischen Vorschläge finden aber bei Insi- dern nicht annähernd den Respekt wie seine weltweiten Ansichten in den Entwicklungsländern. Zur Si- tuation bei uns meint Muhr: „Man braucht ja kein Prophet zu sein, wenn man voraussagt, daß die Auseinandersetzungen in der nächsten Zeit sicher noch zuneh- men werden." Und weiter: „Sicher ist auch bei uns — dies hat der letzte DGB-Kongreß ebenfalls deutlich gemacht — die Konfliktbe- reitschaft gegenüber jenen Partei- en und Gruppen gestiegen, die am laufenden Bande die Sozialpolitik polemisch attackieren, ob es sich hier um die F.D.P. oder um Ärzte oder Zahnärzte handelt."
Allerdings muß Gerd Muhr zuge- ben, daß in diesen Auseinander- setzungen die DGB-Bilanz der letzten Monate — vor allem schon wegen der Konsolidierungsmaß- nahmen des letzten Jahres — nega- tiv gewesen ist.
Gerade der Deutsche Gewerk- schaftsbund ist es, der in den
Essen fassen
Es stimme nicht, wird von zustän- diger Stelle erklärt, daß in einem bestimmten Krankenhaus in letz- ter Zeit viel geklaut worden sei (im Amtsdeutsch: „Presseberichte über vermeidbare Vermögensver- luste durch Diebstähle in beträcht- licher Höhe treffen nicht zu").
Diese Berichte oder Gerüchte be- trafen unter anderem Wäsche, Me- dikamente, Spritzen und Speise- transportbehälter. Gerade bei den
letzteren hat aber die Kranken- hausleitung einen genauen Über- blick: unverändert seit 1978 sind stets etwa 2600 davon im Bestand.
Daß in dieser Zeit 300 dazugekauft wurden, liegt daran, daß die alten
„Aluminium-Transportbehälter"
allmählich ausgesondert werden.
Ist doch klar; heutzutage müssen auch Krankenhäuser sich attraktiv
Selbstverwaltungen der sozialen Sicherung Verantwortung trägt und sich mit seinen Einzel-Ge- werkschaften als eigentlichen Re- präsentanten und Interessenver- treter der Arbeitnehmer und Versi- cherten im Bereich der Sozialpoli- tik fühlt und „Manipulationen" im Wahlrecht dieser Selbstverwal- tung anprangert, wenn er nicht selber Hauptgewinner der Sozial- wahlen ist. Der Deutsche Gewerk- schaftsbund vertritt 30 Prozent der Arbeitnehmer in der Bundesrepu- blik. Um 20 Prozent nur liegt die Wahlbeteiligung bei den Sozial- wahlen, als deren Verlierer Muhr partiell die DGB-Gewerkschaften bezeichnet.
Was will also Gerd Muhr mit sei- nen Attacken auf Verbände, Orga- nisationen — auch der Ärzte und der Zahnärzte? Befürchtet der Deutsche Gewerkschaftsbund sei- ne sozialpolitische Bedeutungslo- sigkeit im System der sozialen Si- cherung künftig so sehr, daß Kon- frontationspolitik zur Strategie wird? Dieter Pohl
machen; für die hohen Pflegesät- ze kann der Patient was Besseres verlangen als die ollen Alu-Näpfe.
Es hebt auch sicher die Stim- mung, fördert die Genesung (und die Hygiene?), und in Zukunft muß man sowieso 5 Mark fürs Essen zuzahlen — also müssen bessere Behälter her, und dann muß auch der Name besser klingen. So ste- hen jetzt also 2600 „Edelstahl-Me- nagen" im Inventar . . .
Österreichische Patienten werden sich sicherlich nur selten zur Be- handlung in diesem Krankenhaus finden, und dann ist hoffentlich das Essen besser als „Truppenver- pflegung"; das bedeutet nämlich im österreichischen Sprachge- brauch das Wort „Menage". — Oder wie wäre es mit einem neuen sozialkritischen Arztroman im un- verfälschten Stationsmilieu: „Wer einmal aus der Edelstahl-Menage frißt"? gb
52 Heft 47 vom 26. November 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe B