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Archiv "Krebsfrüherkennung: Kontinuierliche wissenschaftliche Bewertung ist notwendig" (06.04.2007)

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 14⏐⏐6. April 2007 A937

T H E M E N D E R Z E I T

S

eit 35 Jahren werden in Deutschland Krebsfrüherken- nungsuntersuchungen im Leistungs- katalog der gesetzlichen Krankenver- sicherung (GKV) angeboten. In der öffentlichen Diskussion wird der Nut- zen der Früherkennung durch Formu- lierungen geprägt wie „Vorbeugen ist besser als Heilen“ oder „Jeder früh entdeckte Tumor ist ein Gewinn“.

Dabei bleibt häufig unerwähnt, dass neben der potenziell günstigen Wir- kung der Früherkennung auch Ne- benwirkungen und Schäden auftreten können. Diese können durch den Test, die diagnostische Abklärung oder die Therapie bedingt sein oder durch die Aufdeckung einer Erkran- kung, die ohne Früherkennung nie klinisch in Erscheinung getreten wäre (Überdiagnose).

Screening beschreibt vor allem im deutschen Sprachraum ein Pro- gramm, das durch Ansprache aller Personen einer definierten Zielgrup- pe, eine zentrale Koordination, eine strukturierte Organisation und Vor- gaben zur Qualitätssicherung mit re-

gelmäßiger Veröffentlichung der Er- gebnisse gekennzeichnet ist. Scree- ningprogramme unterscheiden sich damit wesentlich vom „opportunisti- schen“ oder „grauen Screening“, bei dem die Initiative zur Untersuchung vom betreuenden Arzt oder der um den Test ersuchenden Person aus- geht. Bis zur Einführung des Mam- mographie-Screenings wurden in Deutschland alle Krebsfrüherken- nungsuntersuchungen ausschließlich

„opportunistisch“ angeboten.

Früherkennungsmaßnahmen rich- ten sich an eine definierte Zielgruppe in der Bevölkerung. Der Test soll die- jenigen identifizieren, die von weite- ren Untersuchungen oder Behand- lungen profitieren. Screeningtests al- lein sind selten geeignet, eine ver- bindliche Diagnose zu stellen. Es werden Personen mit einem begrün- deten Krankheitsverdacht ermittelt, bei denen weitere Untersuchungen indiziert sind.

Krebs-Screeningprogramme ha- ben folgende Ziele:

>Senkung der Krebsmortalität

>sofern möglich, soll neben der Mortalität auch die Inzidenz ge- senkt werden

>Senkung der Gesamtmortalität

>Verbesserung der Lebensqualität Bevor über ein bevölkerungswei- tes Screeningprogramm nachgedacht wird, sollte ein evidenzbasierter Kriterienkatalog aufgestellt werden, zum Beispiel vergleichbar dem des UK National Screening Committee (www.nsc.uk/pdfs/criteria.pdf). Vor der Einführung eines Krebsfrüher- kennungsprogramms sollte die wis- senschaftliche Evidenz für eine Mor- talitätssenkung durch Screening in randomisierten Studien belegt wor- den sein. Bei einigen Zielerkrankun- gen – zum Beispiel dem Kolon- und dem Zervixkarzinom – sollte dieser Nachweis auch die hier mögliche Verminderung der invasiven Krebs- neuerkrankungen einbeziehen. Der Einfluss des Screeningprogramms auf die Lebensqualität sollte zumin- dest auf Stichprobenbasis gemessen werden. Wenn diese Belege fehlen oder aus ethischen beziehungsweise pragmatischen Gründen die Durch- führung einer randomisierten Studie nicht (mehr) möglich ist, wird eine KREBSFRÜHERKENNUNG

Kontinuierliche wissenschaftliche Bewertung ist notwendig

Vor dem Hintergrund knapper werdender Ressourcen im Gesundheitswesen müssen hohe Anforderungen an Screening-Programme gestellt werden.

Klaus Giersiepen, Hans-Werner Hense, Stefanie J. Klug, Gerd Antes, Hajo Zeeb

Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin (BIPS) (Dr. med.

Giersiepen, MPH) Institut für Epidemiolo- gie und Sozialmedizin, Universität Münster (Prof. Dr. med. Hense) Institut für Medizini- sche Biometrie, Epide- miologie und Informa- tik (IMBEI), Klinikum der Universität Mainz (Dr. rer. nat. Klug, MPH, Prof. Dr. Zeeb, MSc) Deutsches Cochrane- Zentrum, Institut für Medizinische Biome- trie und Medizinische Informatik, Universität Freiburg (Dr. rer. nat.

Antes)

POSITIONSPAPIER

Mitglieder der „Arbeitsgruppe Krebs- epidemiologie“ in der Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie und des Deutschen Cochrane-Zentrums haben ein Positionspapier zu Krebsfrüherkennungsmaßnahmen in der „Zeitschrift für ärztliche Fort- bildung und Qualitätssicherung“

(ZaeFQ 1/2007) veröffentlicht. Es ist im Internet abrufbar unter:

www.elsevier.de/zaefq.

Foto:Gerit Godlewsky/Kooperationsgemeinschaft Mammographie

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A938 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 14⏐⏐6. April 2007

T H E M E N D E R Z E I T

D

ie Europäische Union (EU) will den Zugang ihrer Bürger zu medizinischen Einrichtungen außerhalb ihres Heimatlandes ver- einfachen und dafür sorgen, dass die Mobilität innerhalb Europas so we- nig wie möglich durch Barrieren in den nationalen Gesundheitssyste- men behindert wird. Technische Lö- sungen – insbesondere der Telema- tik – können hierzu erheblich beitra- gen. Das EU-Projekt Netc@rds zielt deshalb darauf ab, die grenzüber- schreitende Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen zu erleich- tern. In Versuchsregionen werden zwei Varianten getestet:

1. Die elektronische Umsetzung der europäischen Krankenversicher- tenkarte (EHIC), die zunächst nur als Sichtausweis im Juni 2004 für circa 420 Millionen EU-Bürger ein- geführt wurde.

2. Die Nutzung vorhandener na- tionaler Krankenversichertenchip- karten als grenzüberschreitender An- spruchsnachweis.

Zur Nutzung der elektronischen Zugangsverfahren wird zeitgleich eine europäische Telematikplattform aufgebaut, die Schnittstellen zu den nationalen Kommunikationssyste-

men hat. In Deutschland bei- spielsweise richtet zurzeit die Betriebsgesellschaft gematik für die neue Gesundheitskarte eine entsprechende Telematik-

infrastruktur ein.

Kernelement der europä- ischen Netc@rds-Architek- tur ist der Aufbau von na- tionalen Servern, die die Datenübertragung zwi- schen den EU-Ländern si- cherstellen. Nationale Aufgabe ist die Weiterleitung an die kostenüber- nahmepflichtige Krankenkasse. Mit der Online-Verifikation über diese europäischen Portale wird die Kar- tengültigkeit geprüft. Netc@rds er- probt damit ein zukunftsweisendes Sicherheitsmerkmal, das im derzei- tigen Abstimmungsprozess für ein künftiges europäisches Routinever- fahren eingebracht wird. Eine we- sentliche Voraussetzung ist die In- teroperabilität von Gesundheitskar- ten und Telematiknetzen in Europa, um die Entstehung von neuen tech- nischen Barrieren zu vermeiden.

Den gesetzlichen Projektrahmen geben die europäischen Verordnun- gen EWG Nr. 1408/71 und 574/72 vor. Geregelt ist darin die Inanspruch- nahme von medizinischen Leistungen während eines Auslandsaufenthaltes auf Sachleistungsebene. Von Anfang der 70er-Jahre bis Ende 2005 wurde das europäische Formular E-111 ver- wendet. Die Hauptmerkmale des Ver- fahrens waren die Beantragung bei der heimischen Krankenkasse vor ei- nem Auslandsaufenthalt, die zeitliche Befristung für den Urlaub sowie die Vorlage bei der ausländischen Kran- kenkasse zur Ausstellung eines aus- ländischen Berechtigungsscheins für den Leistungszugang.

EU-PROJEKT NETC@RDS

Gesundheitsleistungen barrierefrei nutzen

Am Projekt zur grenzüberschreitenden Inanspruchnah- me medizinischer Leistungen beteiligen sich inzwischen 15 europäische Länder. 2007 soll die Ersteinführung des Dienstes beginnen.

Abbildung 1:

Die Europäische Krankenversicher- tenkarte hat das alte E-111-Papier- formular, das von 1973 bis 2005

verwendet wurde, abgelöst.

kritische Evaluation der Evidenz durch international besetzte Exper- tengremien empfohlen.

Nach der Einführung eines Scree- ningprogramms ist die kontinuierli- che wissenschaftliche Bewertung der kompletten Untersuchungskette vom Test über die Therapie oder andere Interventionen bis hin zur Todesursa- che essenziell. Es muss dabei ersicht- lich werden, dass der gewünschte Nutzen erreicht wird. Die Bewertung muss die gesamte Screening-Kette umfassen. Eine Nachverfolgung der Zielpopulation bis zur Ermittlung der Todesursache muss möglich sein, nur so kann das angestrebte Ziel der Mortalitätssenkung auch untersucht und belegt werden. Relevante Aussa- gen sind nur möglich mit flächen- deckenden bevölkerungsbezogenen Krebsregistern.

Typische Prozessparameter, wie Verschiebungen zu günstigeren Tu- morstadien zum Diagnosezeitpunkt, sind als Hinweis für die Effektivität zu deuten. Sie sind jedoch nur Cha- rakteristika der ersten Stufe und rei- chen als Beleg für die angestrebte Minderung der Sterblichkeit nicht aus. Im Fokus der Evaluation dürfen deshalb nicht nur Prozessparameter stehen. Die Teilnehmer am Scree- ning-Programm sollten zielgerich- tet, spezifisch und sprachlich ange- messen, neutral und evidenzbasiert über Sinn und Durchführung des Screenings informiert werden. Ne- ben der Erläuterung der Wirksam- keit müssen auch die möglichen Nachteile aufgezeigt werden.

Nicht zuletzt vor dem Hinter- grund abnehmender Ressourcen im Gesundheitswesen müssen hohe Qualitätsanforderungen an Scree- ning-Programme gestellt werden, um einen sinnvollen und ethisch zu rechtfertigenden Mitteleinsatz zu begründen. „Graue“ oder „opportu- nistische“ Screenings sind als un- strukturierte Maßnahmen abzuleh- nen, da sich Nutzen und Schäden hier nicht beurteilen lassen.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2007; 104(14): A 937–8 Anschrift für die Verfasser Dr. med. Klaus Giersiepen, MPH Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin (BIPS)

Linzer Straße 10, 28359 Bremen E-Mail: giersiep@bips.uni-bremen.de

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