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Archiv "Internats-Realschulen: Boom in der Flaute" (25.04.1997)

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en 4. und 5. Juli vergan- genen Jahres haben 29 junge Leute in guter Er- innerung behalten: ausnahms- los alle Kandidaten bestanden an diesen zwei Tagen an der Realschule des Pädagogiums Baden-Baden die mündli- chen Abschlußprüfungen zur Mittleren Reife. Zehn von ihnen erhielten von Schullei- ter Andreas Büchler bei der Abschlußfeier sogar Preise für hervorragende Leistun- gen. Daß das „Betriebsklima“

der internatsinternen Real- schule offenbar nicht gerade schlecht gewesen war, demon- strierte die Revanche der frischgebackenen Ehemali- gen: sie bedachten ihre Klassenleiter mit selbstge- machten Geschenken.

„Früher hatten wir neben dem obligatorischen Gymna- sium an unserem Internat nur eine Berufsfachschule“, erin- nert sich Büchler, der zusam- men mit seinem Bruder in vierter Generation das 1887 gegründete Traditions-Inter- nat leitet. „Aber die paßte durch geänderte Rahmenbe- dingungen nicht mehr ins Konzept. Seit wir die Real- schule haben und dazu noch ein darauf aufbauendes Wirt- schaftsgymnasium, besuchen diese beiden Zweige zusam- men etwa genauso viele Schüler wie das Gymnasi- um.“ Die Heimschüler der Realschule genießen dabei ei- ne ebenso intensive Zusatz- förderung und Hausaufga- benhilfe durch Lehrer und Erzieher, zahlen allerdings auch so viel wie ihre Kamera- den vom Gymnasium: stolze

2 300 DM im Monat für Un- terbringung und Unterricht.

Eine Investition, vor der noch vor wenigen Jahren viele Eltern von Realschul- kindern zurückgeschreckt wären. Wer die finanziellen Kapazitäten dazu hatte, steckte sein Geld bislang eher in die prestigeträchtige Inter- natserziehung der Sprößlinge auf dem Gymnasium.

Das scheint sich zu ändern.

Büchler: „Die Eltern begin- nen einzusehen, daß sie ihr Kind nicht mehr um jeden Preis durch ein Gymnasium prügeln müssen, wenn es auf einer Realschule zufriedener wäre.“

Kein Notnagel

Der Gedanke setzt sich durch, daß von einer Internats- erziehung auch profitiert, wer eher „handfeste“ Berufe im technischen, kaufmännischen oder wirtschaftlichen Bereich anstrebt. „Die Realschule im Internat ist nicht nur ein Not- nagel und schon gar nicht et- was für gescheiterte Existen- zen“, sagt Anneliese Knoop vom Institut für Internatsbera- tung im badischen Bühl: „Sie ist anders, aber nicht unbe- dingt leichter als das Gymnasi- um.“ Oft schaffen Realschul- absolventen nach der zehnten Klasse auch den Sprung auf das internatseigene Gymnasi- um und müssen dann nicht ein- mal ihr gewohntes Umfeld verlassen.

Knoop verzeichnet in den letzten Jahren verstärkte An- fragen nach Häusern, die A-1147 Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 17, 25. April 1997 (63)

V A R I A BILDUNG UND ERZIEHUNG

Internats-Realschulen

Boom in der Flaute

Seit der Arbeitsmarkt den Absolventen von Gymnasien und

Universitäten nicht mehr unbegrenzte Karrierechancen ga-

rantiert, rückt eine oft übersehene Schulform wieder in den Blick-

punkt: die Realschule im Internat. Noch unterhält nur eine

Minderheit der deutschen Internate eigene Realschulen, doch

deren Schüler profitieren von überdurchschnittlicher Förde-

rung – guter Nährboden für „bodenständige“ Berufslaufbahnen.

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ihren Zöglingen nicht nur die klassische Gymnasiallaufbahn bieten können. Die Liste sol- cher Häuser, die die langjähri- ge frühere Leiterin der Inter- natsschule Marienau bei Lü- neburg den Interessenten empfehlen kann, ist eher kurz:

Manchmal sind es, wie im Pädagogium Baden-Baden, 80 Kilometer Fahrt und mehr bis zum nächsten in Frage kom- menden Internat. Denn Häu- ser, in denen die Kinder zwar wohnen, aber als Externe auf nahegelegene öffentliche Schulen geschickt werden, können die typische Intensiv- erfahrung eines Internatsle- bens nicht vermitteln. Knoop:

„Erzieher und Ausbilder an internatseigenen Realschulen sind viel besser motiviert und oft auch befähigt, haben mehr Zeit und mehr Möglichkeiten, mit dem Kind zu arbeiten.“

Viel Aufwand

Der Grund dafür, daß Internats-Realschulen jahr- zehntelang ein Mauerblüm- chendasein gefristet haben, liegt in der Wurzel der Inter- natsgründungen: als Kader- schmieden für den Priester- nachwuchs und die klerikale Elite waren die zunächst meist kirchlichen Institute ei- ner philosophischen, intellek- tuellen und spirituellen Bil- dung verschrieben. Die gym- nasiale Form paßte da weit

besser als eine „profane“, praxisorientierte Ausbildung.

Noch in den 70er Jahren waren Realschul-Internate übel beleumundet: „Es gab eine Phase“, sagt Internatslei- ter Eckhard Liebl von der Theodor-Fliedner-Schule in Düsseldorf, „da haben die Ju- gendämter solche Internate als eine Art billige Alternati- ve zu teuren Plätzen in Erzie- hungsheimen betrachtet. Bei kirchlichen Trägern, die In- ternatsschüler aus allen sozia- len Schichten aufzunehmen bereit waren, stießen sie da- mit auf offene Ohren.“

Die Zeiten haben sich geändert. Die Lernbedingun- gen auf privaten Internats- Realschulen sind oft weit bes- ser als an öffentlichen Gym- nasien. Beispiel Marktbreit:

Die private Leo-Weismantel- Realschule besuchen gut 80 Heimschüler. Zwei der Klas- sen haben nur zwölf Schüler, dafür gibt es aber rund 20 Lehrer und acht Erzieher.

Wöchentlich steht in den Prü- fungsfächern eine Unter- richtsstunde mehr auf dem Stundenplan als an öffentli- chen Schulen. Und zwei Stun- den jeden Nachmittag lernen die Schüler in Kleingruppen unter Aufsicht von Erzie- hern. So viel Aufwand macht Schulleiter Dieter Böhm selbstbewußt: „Wer hier die siebte und achte Klasse ,über- lebt‘, der schafft auch den Rest.“ Oliver Driesen

A-1148 (64) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 17, 25. April 1997

V A R I A BILDUNG UND ERZIEHUNG

Dornier-Stiftung bringt Begabte auf Internate

Begabten Jugendlichen will die neugegründete „Esther und Silvius Dornier Stifung“ eine Chance auf optimale För- derung geben. Der Unternehmer Silvius Dornier stellt dafür zehn Millionen DM zur Verfügung. Von diesem Geld sollen Stipendien für eine der renommierten Internats- schulen Birklehof, Schloß Salem und Schulpforta vergeben werden. Die ersten Stipendiaten wurden am Monatsbeginn bei einer Auswahltagung unter 30 Kandidaten ermittelt.

Nach Einschätzung Dorniers kommt den Internaten ange- sichts der zunehmenden Auflösung traditioneller Famili- enverbände eine wachsende Bedeutung zu. Es gehe bei der Ausbildung von Führungspersönlichkeiten auch um „die Erhaltung unseres kulturellen Erbes und die Stellung unse- res Landes in der Welt“. Zum Stiftungsvorstand zählen auch die Aufsichtsratsvorsitzenden von BMW, Eberhard von Kuenheim, und Ernst Klett AG, Thomas Klett. PT

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A-1149 Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 17, 25. April 1997 (65)

V A R I A BILDUNG UND ERZIEHUNG

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orst, Geschäftsführer ei- nes Reisebüros, und Hei- ke, Inhaberin eines Den- tallabors, machen im Schatten einer Buche letzte Locke- rungsübungen. Dann starten elf Führungskräfte zwischen 36 und 55 Jahren zu einem gemächlichen 45-Minuten- Dauerlauf. Plötzlich ein Pie- pen: der Pulsfrequenzmesser, den alle per Bauchgurt mit sich tragen, zählt bei einem Teil- nehmer über 140 Schläge pro Minute – deutliches Zei- chen für mangelndes Training.

Horst ist nicht der Blamier- te; er trabt ruhig

weiter.

Auch nach der Mittagspause geht die High- Tech-Entlarvung weiter: die Grup- penmitglieder bekommen das ausgewertete Ri- sikoprofil ihres eigenen Blutes zu sehen, von dem ihnen vor dem

Lauf einige Tropfen abge- nommen worden waren. Er- schreckende Cholesterinwer- te machen die Runde.

Szenen eines Gruppen- Outings, das alle Beteiligten gern über sich ergehen lassen.

Schließlich sind sie freiwillig beim „Fit-zum-Führen“-Se- minar des „Instituts für Dia- gnostik und Gesundheits- steuerung“ SKOLAmed in Nümbrecht im Bergischen Land. Von dem zweitägigen Programm, das zwischen theoretischen Gesundheits- Tips, ärztlichen Untersuchun- gen und praktischen Übun-

gen alterniert, erhoffen sich die Manager und Führungs- kräfte Anstöße, die der Se- minartitel verspricht.

Die Anbieter des privaten Instituts treffen mit bedrohli- chen Statistiken („ein Drittel der Todesfälle bei 45- bis 55jährigen geht auf Herz- Kreislauf-Erkrankungen zu- rück“) und verlockenden Aussichten („sich bei Arbeit und Freizeit wohl und lei- stungsfähig fühlen“) zugleich einen Nerv und einen Markt.

Zunehmend versuchen be- sonders Großunternehmen,

ihren Mitarbeitern aus den oberen Etagen den Hüftspeck und die Raucherlunge zu er- sparen – im eigenen Interesse:

Eine Führungskraft kostet ei- nen Arbeitgeber, laut einer SKOLAmed-Studie, pro Tag durchschnittlich knapp über 1 000 DM. Ein akuter Myo- kardinfarkt bedeutet rund 100 Tage Arbeitsunfähigkeit – macht gut 100 000 DM In- farktkosten für die Firma. Zu- sätzlich kalkulierten die Ver- anstalter noch die Teilneh- merkosten für das Präventi- onsseminar (750 DM) und das statistische Risiko, ohne Trai-

Gesundheitserziehung

Leistungsfähig bei Arbeit und Freizeit

Der Herzinfarkt einer Führungskraft kostet ein Unternehmen rund 100 000 DM. Grund genug, solche Kosten abzuwägen gegen mög- liche Ersparnisse durch betriebliche Investitionen in Präventions- Seminare. In den USA gibt es bereits Bonus-Systeme für fitneß- bewußte Manager. Hierzulande kommen als Verhaltens-„Multipli- katoren“ bisweilen auch Betriebsräte in den Genuß der Programme.

Grafik: IAS Karlsruhe

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ning den Infarkt zu erleiden.

Ergebnis: Der „Return on In- vestment“ betrage gut fünf DM für jede ins hauseigene Seminar gesteckte Mark.

Das ist die Sprache, die im- mer mehr Manager verstehen.

Seit Krankheit in Heller und Pfennig ausgedrückt zu wer- den pflegt, bringen die Con- trolling-Abteilungen die Be- triebe auf den Gesundheits- Trip. Die Thyssen Industrie AG bietet ihren Managern die Möglichkeit, an Fitneß-Semi- naren im unternehmenseige- nen Trainingszentrum Wisper-

tal teilzunehmen. Auch die West LB praktiziert in ihrer Akademie Schloß Kricken- beck „Fitness-on-the-Job-Se- minare“. Deren Leiter, Dr.

Rolf Gilbert, stellt bei seinen Schützlingen oft eine „kogni- tive Dissonanz“ fest: das theo- retische Wissen um den Wert der Gesundheit werde erst ak- tiviert, wenn sich schon Krankheitssymptome zeigen.

Solche Symptome bei 6 000 Führungskräften hat das

„Institut für Arbeits- und So- zialhygiene“ (IAS) in Karls- ruhe statistisch ausgewertet:

85 Prozent kamen mit vegeta- tiven beziehungsweise Befin- densstörungen, 75 Prozent mit Fettstoffwechsel-Problemen, 73 Prozent mit Wirbelsäulen- und Gelenkproblemen zum IAS, das zusammen mit der Baden-Badener „Prevent“

GmbH ebenfalls Gesundheits- Checks und Anti-Streß-Pro- gramme anbietet. Auch beim IAS „genießen Wirtschaft- lichkeitsüberlegungen oberste Priorität“. Entsprechend kom- pakt, zwischen einem halben und zwei Tagen, sind die Pro- gramme – Zeit ist Geld.

In den USA ist man wei- ter: zur Gesundheitsförde- rung der Betriebe gehört dort, daß fitneßbewußtes Verhal- ten durch Prämien und Bo- nus-Systeme belohnt wird.

Die Deutschen achten dafür mehr auf Egalität: hier kom- men nicht nur Führungskräf- te, sondern, bei der Thyssen Industrie AG, erstmals auch Betriebsräte in den Genuß von Trainingsprogrammen.

Als Multiplikatoren sollen sie dann ihren Kollegen von der Basis Gesundheitsbewußt- sein „einimpfen“. Peter Tuch

A-1150 (66) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 17, 25. April 1997

V A R I A BILDUNG UND ERZIEHUNG

Referenzen

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