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it 9,3 Millionen Gä- sten, so freut sich in diesen Tagen der Deutsche Bäderverband, konnten Deutschlands Heil- bäder und Kurorte 1997 bei- nahe so viel Nachfrage ver- zeichnen wie im Jahr zuvor – trotz der dramatischen Ein- schnitte durch die Gesund- heitsreform. Ein Erfolgs- grund: die „intensiven und umfassenden Marketingmaß- nahmen“. Nur das Flaggschiff vieler Werbefeldzüge, die Kompaktkur, dümpelt der- weil im Windschatten der stolzen Zahl: Sage und schrei-be ganze 2 400 Patienten ha- ben im vergangenen Jahr die Kompaktkur in Anspruch ge- nommen – deutschlandweit.
Optimistisch begonnen
Angedacht war die Kom- paktkur einmal als richtung- weisendes kurpolitisches In- strument mit mehrfach se- gensreicher Wirkung:
1Durch die nur drei- wöchige Kurdauer, verbun- den mit einer Abkehr vom
„Kurlaub“-Charakter der Heilmaßnahme, sollten die
Kassenmittel effizienter ein- gesetzt werden.
1Die Behandlung sollte im Vergleich zur herkömmli- chen Kur indikationsspezifi- scher erfolgen.
1Durch die gruppen- dynamischen Vorteile von Kleingruppen mit maximal 15 Teilnehmern, straffe Ta- gespläne und eine interdis- ziplinäre Gesundheits-Schu- lung der Gruppenmitglieder sollten Prävention sowie Verantwortlichkeit beim Pa- tienten gestärkt werden.
Der Optimismus schäum- te in der Planungsphase teil- weise über. Im Oktober 1994 prognostizierte Rudolf For- cher, Vorsitzender des Wirt- schaftsverbandes Deutscher Heilbäder und Kurorte, im Deutschen Ärzteblatt: „Rund 25 000 Plätze werden wir ab 1995 jährlich anbieten kön- nen.“
An massenhaften Absa- gen (51 Prozent der ausge- wählten Orte meldeten den Totalausfall ihrer geplanten Kompaktkuren) scheiterte eine „begleitende Evaluati- on“ der neuen Kurform, die der Deutsche Bäderverband Ende 1996 bei einem privaten Institut und der Münchner Professorin Sibylle Biefang in Auftrag gegeben hatte. Ganz im Zeichen dieses Alarmsi- gnals traf sich die Branche im Februar zum ersten „Bun- deskongreß Kompaktkuren“
in Bad Füssing. Vertreter von Kurorten, Krankenkassen und Ärzteschaft ermittelten im wesentlichen vier Mängel im System:
1Hausärzte als Vermitt- ler der neuen Kurform sind nach Meinung der Anbieter unzureichend über deren Vorteile informiert oder he- gen tiefsitzende Vorurteile
gegen die „Kompaktheit“ der Maßnahme. Patienten über- nehmen diese Meinung.
1Die logistische und personelle Intensität der Kompaktkur (mit dem Ein- satz von Physio- und Psycho- therapeuten, Ernährungsbe- ratern, Gesundheitspädago- gen) überfordert vor allem kleine Anbieter; von Patien- ten wird diese „ganzheitli- che“ Einspannung mit wenig Freizeit teilweise eher als Be- lastung denn als Bereiche- rung empfunden und abge- lehnt. Auch die im Vergleich zu anderen Kuren höhere Zuzahlung wird kaum akzep- tiert.
1Finden sich dennoch Interessenten, stehen oft nicht schnell und flexibel ge- nug Termine zur Verfügung.
1Manche Kurorte und -anbieter setzen Kompaktku- ren nur deshalb aufs Pro- gramm, weil auch der Nach- barort sie hat („Me-too-Ver- halten“).
Von Kassenseite wird auch noch andere Kritik laut.
So bemängelt Dr. Roland Schnabel vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen Nordrhein eine „unkritische Indikationsausweitung“ und sieht „Zweifel an der Qualität dieser Kompaktkuren auf- kommen“. Die Kassen, so Schnabel, komme die neue Kurform zudem teuer zu stehen: Allein die Kurarzt- pauschale sei im Vergleich zur ambulanten Vorsorgekur rund 85 Prozent höher. Als Regelkur sei das Angebot nicht tauglich.
Dessenungeachtet wollen die meisten Kur-Manager die Kompaktkur weiter ausbau- en. Sie sei „noch in der Pilot- phase“, einigten sich die Teil- nehmer des ersten Bun- deskongresses in Bad Füssing.
Ermutigende Beispiele und positive Reaktionen von Kur- Absolventen wurden vorge- stellt. Letztlich, so Stephan Rubenbauer von der Johan- nesbad-Klinik Bad Füssing, sei es mit der Kompaktkur wie mit einer neuen Buslinie: „Da fahren zuerst auch nur wenige mit, bis sich das rumgespro- chen hat.“ Oliver Driesen A-838 (70) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 14, 3. April 1998
V A R I A HEILBÄDER UND KURORTE