A826 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 13⏐⏐30. März 2007
A K T U E L L
Auch Pflegemaßnahmen, die nicht im Leistungsverzeichnis zur häus- lichen Krankenpflege des Gemein- samen Bundesausschusses (G-BA) enthalten sind, sind künftig im Ein- zelfall zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ver- ordnungsfähig. Der G-BA reagierte mit diesem Beschluss am 15. März in Köln auf die aktuelle Rechtspre- chung, wonach über die Vorgaben des G-BA zu häuslichen Kranken- pflegemaßnahmen hinaus in medi- zinisch begründeten Fällen zusätz- liche Leistungen verordnet werden
können. Als Beispiele für solche Maßnahmen nennt der G-BA spezi- elle Bewegungsübungen oder kon- tinuierliche Blutzuckermessungen.
Auch die Belange von Kindern bei der Verordnung von häuslicher Krankenpflege sollen nach dem G-BA-Beschluss künftig stärker Berücksichtigung finden. Mehr als bisher sollen beispielsweise Anlei- tungs- und Schulungsmaßnahmen zur häuslichen Krankenpflege von Kindern und deren Eltern oder Be- treuungspersonen zulasten der GKV verordnet werden können. TG
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Die Deutsche Gesellschaft für Hu- mangenetik (GfH) warnt vor dem Missbrauch eines neuen pränatalen Tests, mit dem bereits in der ach- ten Schwangerschaftswoche das Ge- schlecht des Ungeborenen bestimmt werden kann. Wie deren Vorsitzen- der, Prof. Dr. med. Peter Propping, gegenüber dem Deutschen Ärzte- blatt erläuterte, bieten kommer- zielle Firmen Untersuchungen müt- terlicher Blutproben in der Früh- schwangerschaft an, die allein die Geschlechtsbestimmung des erwar-
teten Kindes zum Ziel haben. Hier- bei handelt es sich um den hoch- empfindlichen Nachweis kindlicher Y-Chromosomen. Propping: „Da- durch wird eine missbräuchliche Verwendung des Testergebnisses für einen Schwangerschaftsabbruch aus nicht medizinischer Indikation ermöglicht.“ Der Gesetzgeber müs- se das Verfahren verbieten, die GfH lehne pränatale Testverfahren, die keinen medizinischen Zwecken die- nen, ausdrücklich ab, betonte Prop-
ping. zyl
PHARMAMARKETING: GESCHEITERTE TRANSPARENZINITIATIVE
Für die American Medical Association sind Ge- schenke von Pharmafirmen unethisch, wenn der Wert 100 US-Dollar überschreitet. Um die Motivation der Ärzte zu fördern, haben mehrere US-Staaten beschlossen, alle Zuwendungen an Ärzte öffentlich zu machen. Eine Analyse im amerikanischen Ärzteblatt (JAMA 2007; 297:
1216–23) zeigt, dass beide Initiativen geschei- tert sind. Viele Ärzte halten die Empfehlung ih- rer Verbände nicht für bindend, und die Firmen hüten sich in den meisten Fällen, diese Gelder offenzulegen.
In den US-Staaten Kalifornien, West Virginia, im District of Columbia (Hauptstadt Washing- ton), in Maine sowie in Minnesota und in Ver- mont ist die Pharmaindustrie gesetzlich ver- pflichtet, ihre finanziellen Zuwendungen an Ärzte zu veröffentlichen. Doch die Gesetze ha- ben nach Ansicht von Joseph Ross von der
Mount Sinai School of Medicine in New York nicht gefruchtet. Der Mediziner analysierte die öffentlich verfügbaren Daten aus Vermont und Minnesota und stellte fest, dass die Industrie die meisten Spenden (61 Prozent in Vermont) als Geschäftsgeheimnis verschwieg. Zudem war bei den meisten veröffentlichten Angaben (75 Prozent) der Empfänger nicht zu ermitteln.
Zufall oder Verquickung?
In Vermont hat es in einem Zeitraum von drei Jahren unter den 12 227 Zahlungen 2 416 Zahlungen von mehr als 100 US-Dollar gegeben, auf die eine Million von 2,18 Millio- nen US-Dollar Gesamteinsatz entfielen. In Min- nesota waren es 6 238 Verstöße mit einem Volumen von 22 Millionen von 31 Millionen US-Dollar. Einige Ärzte hatten hohe Summen erhalten: In Vermont waren es bis zu
20 000 US-Dollar, in Minnesota betrug die höchste Zahlung fast 1,2 Millionen US-Dollar.
Es handelte sich um Honorare für Vorträge, Be- raterverträge und auch um die Finanzierung von Forschungsvorhaben.
Der New York Times fiel es nicht schwer, den Spitzenempfänger in Minnesota zu ermit- teln: Allen Collins, ein Nephrologe von der Uni- versität von Minnesota, hatte offenbar erfolg- reich Forschungsgelder für die Minneapolis Medical Research Foundation eingeworben.
Collins ist aber auch Vorsitzender der National Kidney Foundation. Diese hatte im Mai 2006 eine Therapie-Leitlinie zur renalen Anämie her- ausgegeben, in der der Hämoglobin-Zielwert auf 11 bis 13 g/dl heraufgesetzt wurde – was eine gesteigerte Verordnung von rekombinan- ten Erythropoetin-stimulierenden Substanzen nach sich zieht. Rüdiger Meyer GESCHLECHTSBESTIMMUNG
Humangenetiker fordern Testverbot
HÄUSLICHE KRANKENPFLEGE
Zusätzliche Leistungen möglich
Kindliche Y-Chromosomen werden bereits ab der achten Woche im Blut der Schwangeren nachgewiesen.
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