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Archiv "Schlußwort" (05.07.1996)

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P O L I T I K MEDIZINREPORT

N

ichterfassung von Infektionen:

Es wird behauptet, daß die Un- tersucher viele nosokomiale Infektionen nicht erfaßt haben.

Richtig ist, daß die Untersucher 89 Prozent aller nosokomialen Infek- tionen sowie 99,3 Prozent aller Pati- enten ohne nosokomiale Infektionen richtig erkannt haben, wie in der Bed- side-Validierung anhand von 200 Pati- enten gezeigt werden konnte. Diese Sensitivitäts- beziehungsweise Spezi- fitätsraten halten jedem internationa- len Vergleich stand.

¿ Design einer Prävalenzstudie – Es wird behauptet, daß eine retro- spektive Untersuchung durchgeführt wurde und daß 3 412 Patienten „sinn- los“ erfaßt worden seien.

Richtig ist folgendes: Unter Prävalenz versteht man den Anteil der Erkrankten an der gesamten Un- tersuchungsgruppe an einem be- stimmten Stichtag. Würde man, wie von Herrn Dr. Zastrow gefordert, ei- nen Teil der Patienten ausschließen (zum Beispiel Patienten mit kurzer Aufenthaltsdauer), so würde dies zu einem systematischen Fehler führen.

Die NIDEP-Studie wurde pro- spektiv durchgeführt: Dies bedeutet, daß Patienten während ihrer Anwe- senheit im Krankenhaus untersucht wurden. Hier besteht ein Unterschied zum Beispiel zur DKG-Studie, bei der ausschließlich retrospektiv nach Ak- tenlage entschieden wurde, ob eine Infektion vorlag oder nicht. Ein be- sonderer Vorzug gegenüber anderen internationalen Prävalenzstudien be- stand darin, daß für die Analyse der Risikofaktoren zusätzlich sechs Tage retrospektiv untersucht wurden.

À Qualifikation der Studienärz- te – Es wird behauptet, daß nur kli- nisch erfahrene Fachärzte in der Lage seien, nosokomiale Infektionen im Einzelfall zu diagnostizieren.

Richtig ist, daß es sich bei den Studienärzten um approbierte, erfah-

rene Ärzte handelte, die geschult und validiert wurden.

Übereinstimmend mit amerika- nischen Untersuchungen fanden sich in der NIDEP-Studie in großen Kran- kenhäusern höhere Infektionsraten als in kleineren. Ursache hierfür ist am ehesten die Zusammensetzung des Patientengutes und nicht, wie be- hauptet, eine geringere diagnostische Kompetenz der ärztlichen Kollegen an kleineren Krankenhäusern.

Á Diagnostik nosokomialer In- fektionen – Es wird behauptet, daß

„Angaben zum diagnostischen Vorge- hen fehlen“.

Richtig ist, daß alle diese Anga- ben exakt in der Studie nachgelesen werden können. Wegen Fehlens deutschsprachiger Kriterien zur Er- fassung von Krankenhausinfektionen wurden die sogenannten CDC-Krite- rien, das heißt die Erfassungskriterien der Centers for Disease Control and Prevention (Atlanta, USA), der größ- ten Krankenhausepidemiologie-Zen- trale der Welt, verwendet. Die Sum- me der Informationen aus klinischer Inspektion, Dokumentation und Mit- teilungen des klinischen Personals wurde zur Diagnose herangezogen.

Damit sollte sichergestellt werden, daß nur tatsächlich vorhandene In- fektionen erfaßt werden und nicht

„maskierte“ mögliche Infektionen.

 Auswahl der Krankenhäuser – Es wird behauptet, daß 25 Prozent der Krankenhäuser nicht nach dem Zufallsprinzip ausgewählt wurden.

Richtig ist, daß alle Krankenhäu- ser repräsentativ ausgewählt wurden.

Dies geschah anhand einer Zufalls- stichprobe, im Anschluß an eine Stra- tifizierung der Krankenhäuser nach Größenklasse und alten/neuen Bun- desländern. Bei Ablehnung eines Krankenhauses wurde selbstver- ständlich erneut nach dem Zu- fallsprinzip ein Krankenhaus aus dem gleichen Stratum gezogen.

Die Variabilität zwischen den einzelnen Prävalenzraten der unter- schiedlichen Strata ist kein Beweis für eine fehlerhafte Auswahl der Krankenhäuser, sondern unterstützt allenfalls die Notwendigkeit, Kran- kenhäuser repräsentativ auszu- wählen.

Es wird behauptet, daß in den neuen Bundesländern kein Kranken- haus der Maximalversorgung teilge- nommen hat.

Richtig ist, daß das Kriterium für die Stratifizierung nicht die Versor- gungsstufe, sondern die Größenklasse gewesen ist. Aus den neuen Bundes- ländern hat sich ein Krankenhaus mit mehr als 1 300 Betten beteiligt.

à Mikrobiologische Diagnostik – Es wird behauptet, daß die mikro- biologische Diagnostik für nosoko- miale Infektionen unabdingbar ist.

Richtig ist jedoch, daß aufgrund der CDC-Kriterien sämtliche nosoko- mialen Infektionen auch ohne mikro- biologische Befunde diagnostiziert werden können. Mit Ausnahme der asymptomatischen Harnwegsinfek- tionen (deren klinische Bedeutung ohnehin umstritten ist). Die Tatsache, daß in kleineren Häusern einerseits häufig kein mikrobiologisches Labor vorhanden ist und andererseits die nosokomialen Infektionsraten dort nur sehr gering sind, muß nicht zwangsläufig bedeuten, daß gerade wegen des Fehlens von mikrobiologi- scher Laboranalysen in kleineren Häusern häufiger nosokomiale Infek- tionen übersehen werden. Mit ande- ren Worten: Das Vorhandensein eines mikrobiologischen Labors führt nicht per se zur besseren Diagnostik, son- dern nur der vernünftige Einsatz der vorhandenen diagnostischen Mög- lichkeiten.

Ä Infektionsraten in anderen in- ternationalen Studien – Es wird be- hauptet, daß die Prävalenzraten in an- deren, nichtdeutschen Studien höher A-1815 Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 27, 5. Juli 1996 (23)

Wie die Hygiene im Krankenhaus zum politischen Zankapfel wurde

Stellungnahme der Studienleiter der NIDEP-Studie

zu dem Beitrag von Dr. med. Vera Zylka-Menhorn (DÄ 21 vom 24. 5. 1996)

(2)

A-1818

P O L I T I K MEDIZINREPORT

(26) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 27, 5. Juli 1996 Die im Artikel „Wie die Hygiene

im Krankenhaus zum politischen Zankapfel wurde“ (DÄ 21 vom 24. 5. 1996) getroffene Feststellung

„tatsächlich wurden viele Infektionen nicht erfaßt“ kann auch nicht durch die Ergebnisse der Validierung ent- kräftet werden. Gerade die Validie- rung erscheint zweifelhaft. Wie bei- spielsweise aus Tabelle drei bis vier der NIDEP-Studie (Nosokomiale In- fektionen in Deutschland – Erfassung und Prävention, Band 56 der Schrif- tenreihe des Bundesministeriums für Gesundheit, Nomos-Verlagsgesell- schaft, Baden-Baden) hervorgeht, wurde der leicht feststellbare Faktor

„Harndrainage“ nur mit einer Sensiti- vität von 87,5 Prozent erfaßt.

Im Rahmen der NIDEP-Studie wurde die Anzahl der Patienten mit mindestens einer nosokomialen In- fektion pro Anzahl der gesamten un- tersuchten Patienten und nicht die Anzahl der nosokomialen Infektio- nen pro Anzahl der untersuchten Pa- tienten berechnet. Alleine diese Kor- rektur würde statt 3,46 Prozent bereits 3,62 Prozent nosokomiale Infektio- nen ergeben (Seite 92).

Einige nosokomiale Infektionen werden nach den CDC-Kriterien nur

bei Vorliegen eines mikrobiologischen Befundes bewertet. Somit ist kritisch anzumerken, daß im Rahmen der NIDEP-Studie nur bei 56,5 Prozent al- ler nosokomialen Infektionen eine mi- krobiologische Untersuchung erfolg- te. Auf Unverständnis stößt die Fest- stellung der Autoren auf Seite 96, wo- nach mikrobiologische Befunde, die am Erfassungstag („Prävalenztag“) noch nicht vorlagen, nachträglich nicht für die Beurteilung berücksichtigt wurden. Die Autoren führen selbst aus: „Bei Harnwegsinfektionen und Sepsis-Fällen kann dadurch die Häu- figkeit der Identifikation derartiger Infektionen beträchtlich erhöht wer- den beziehungsweise umgekehrt we- gen Nichtvorliegens des mikrobiologi- schen Befundes erniedrigt werden.“

¿ Bei der NIDEP-Studie han- delt es sich nicht um eine prospektive Erfassung, vielmehr schreiben die Autoren selbst auf Seite 17: „Nosoko- miale Infektionen wurden am Erfas- sungstag selbst (Tag null) und retro- spektiv an den sechs vorangegangen Tagen (Tage minus eins bis minus sechs) dokumentiert.“ Es wurden also nicht nur die Risikofaktoren sechs Ta- ge retrospektiv, wie in der Stellung- nahme behauptet, analysiert. Da- durch waren die Erfasser aber auf die Angaben in den Patientenunterlagen

oder Aussagen der Ärzte in den Kran- kenhäusern für die Tage minus eins bis minus sechs angewiesen. Insofern ist der Unterschied zum Beispiel zur DKG-Studie nicht erkennbar, da auch in der NIDEP-Studie „retrospektiv nach Aktenlage“ entschieden wurde, ob eine Infektion vorlag oder nicht.

À Die Qualifikation der Stu- dienärzte läßt sich durch die Qualität der Erfassung charakterisieren. So er- hob beispielsweise der Erfasser AK die geringsten Infektionsraten (siehe Abbildungen drei bis zehn). Daher ist den Autoren zuzustimmen, wenn sie auf Seite 120 äußern: „Der während der Studie offenbar gewordene deutli- che Erfassereffekt hat erhebliche Kon- sequenzen.“

Á In der NIDEP-Studie fehlen Angaben zum diagnostischen Vorge- hen, die ohnedies fragwürdig wären, wenn retrospektiv aufgrund der „Ak- tenlage“ die Tage minus eins bis mi- nus sechs einbezogen wurden.

 Bezüglich der Auswahl der Krankenhäuser bestehen weiterhin Zweifel, da die Autoren auf Seite 22 ausführen, daß „gegen Ende der Stu- die weitere fünf Krankenhäuser in die Studie aufgenommen wurden“. Wenn auch die Stratifizierung nach den Größenklassen erfolgte, bestätigen die Autoren auf Seite 86, daß die Prävalenz in Krankenhäusern der Maximalversorgung fast 50 Prozent höher ist.

à Die Anwendung der CDC- Kriterien zur Definition einer nosoko- mialen Infektion setzt voraus, daß ei- ne umfassende mikrobiologische Dia- gnostik erfolgt und nicht – wie in der NIDEP-Studie geschehen – Befunde sogar nicht berücksichtigt werden, wenn sie am Erfassungstag noch nicht vorlagen.

Ä Aufgrund der aufgeführten Mängel, die alle zu einer niedrigeren Schätzung der Infektionsrate führen, ist verständlich, daß keine Vergleiche zu anderen internationalen Studien gezogen werden dürfen. Bezüglich des Vergleiches der Infektionsraten auf Intensivtherapiestationen er- scheint ein weiterer Zweifel ange- bracht, zumal bei einer Rate an Beat- mungspatienten von nur 27,6 Prozent nicht von spezifischen Intensivthera- piestationen ausgegangen werden kann. Dr. med. Vera Zylka-Menhorn liegen. Richtig ist, daß die Prävalenz-

raten in einigen anderen nichtdeut- schen Studien zwar höher liegen, aber wegen des unterschiedlichen metho- dischen Vorgehens weder untereinan- der noch mit den NIDEP-Raten ver- gleichbar sind (Beispiele: Einladungs- prinzip statt – wie bei NIDEP – reprä- sentative Auswahl der Krankenhäu- ser, nicht alle Krankenhausgrößen- klassen statt – wie bei NIDEP – alle Größenklassen).

Aus diesem Grunde ist auch der von den Kritikern durchgeführte Vergleich mit den Daten der EPIC- Studie nicht zulässig, denn hier wer- den bekanntlich hohe Infektionsra- ten von Intensivstationen mit den Raten von Allgemeinstationen ver- glichen. Die in der NIDEP-Studie er- mittelte nosokomiale Infektionsrate für Intensivstationen beträgt 15,3 Prozent und liegt damit im Bereich der Daten der EPIC-Studie, in der

Raten von 9,7 bis 31,6 Prozent ermit- telt wurden.

Prof. Dr. med. Henning Rüden Institut für Hygiene der Freien Universität Berlin

Nationales Referenzzentrum für Krankenhaushygiene Prof. Dr. med. Franz Daschner Institut für Umweltmedizin und Krankenhaushygiene der Albert Ludwigs-Universität Freiburg

Nationales Referenzzentrum für Krankenhaushygiene Prof. Dr. rer. nat.

Martin Schumacher Institut für Medizinische Biometrie und Medizinische Informatik der

Albert Ludwigs-Universität Freiburg

Schlußwort

Referenzen

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