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Archiv "Einzelne Ergebnisse der NIDEP-Studie" (24.05.1996)

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D

ie NIDEP-Studie stützt sich auf Untersuchungen an 72 Akutkrankenhäusern im ge- samten Bundesgebiet. Über einen Zeitraum von zehn Monaten wurden 14 966 Patienten beobachtet.

Unter Federführung von Prof. Dr.

Franz Daschner (Institut für Umwelt- medizin und Krankenhaushygiene der Universität Freiburg), Prof. Dr. Mar- tin Schuhmacher (Institut für Medizi- nische Biometrie und Medizinische Informatik der Universität Freiburg) und Prof. Dr. Henning Rüden (Hygie- ne-Institut der Freien Universität Ber- lin) wurden die Daten erstellt.

Laut Staatssekretärin Dr. Sabine Bergmann-Pohl vom Bundesgesund- heitsministerium liefert „die reprä- sentativ durchgeführte Studie erst- mals detaillierte Aussagen zur Häu- figkeit von nosokomialen Infektionen zu einem bestimmten Zeitpunkt (Prävalenz), differenziert nach regio- nalen Einflußfaktoren, nach unter- schiedlichen Fachdisziplinen sowie nach Alter und Geschlecht der Pati- enten“.

Als Ergebnis wurde bei jedem dreißigsten Patienten eine nosokomia- le Infektion vorgefunden, was einer durchschnittlichen Prävalenz von 3,46 Prozent entspricht. „Sie ist damit nied- riger als vielfach befürchtet“, kom- mentierte Frau Bergmann-Pohl das Resultat. Als Konsequenz der NIDEP-Studie erteilte das Ministeri- um der neu gebildeten Kommission für Krankenhaushygiene und Infek-

tionsprävention am Robert Koch-In- stitut schließlich den Auftrag, die be- stehenden Hygiene-Richtlinien „so zu überarbeiten, daß deren Anwendung in der Praxis deutlich erleichtert wird“.

Weitere strengere Vorschriften und Kontrollen seien nicht erforderlich.

Gegen das Einsetzen eben dieser Kommission protestieren alle medizi- nischen Fachgesellschaften sowie die Bundesärztekammer mit einer Reso- lution. Ihre Kritik zielt darauf, daß das Gesundheitsministerium die Hy- gienekommission berufen habe, ohne zuvor ein Votum der zuständigen wis- senschaftlichen Fachgesellschaften eingeholt zu haben. Wie Dr. Hans Ru- dolph (Rotenburg) als Vorsitzender des deutschsprachigen Arbeitskreises für Krankenhaushygiene – eine Ver- tretung von 27 Gesellschaften – be- richtet, „muß befürchtet werden, daß mit der Einsetzung einer politikge- nehmen Expertenkommission ledig- lich politische Ziele verfolgt, ökono- misch unbequeme Richtlinien dage- gen verhindert werden sollen“.

Viele Infektionen wurden nicht erfaßt

Doch nicht nur die Aktionen des Ministeriums erzürnen die Experten, die NIDEP-Studie selbst geriet ins Kreuzfeuer der Kritik. Für zahlreiche Wissenschaftler enthält die Untersu- chung schwerwiegende methodische, fachliche und organisatorische Fehler.

Zu den Kritikpunkten gehören:

lBei der Erhebung handele es sich um eine Momentaufnahme des Erfassungstages mit einer retrospek- tiven Bewertung der vorangegange- nen sechs Tage und nicht – wie von den Verfassern angegeben – um eine prospektive Prävalenzstudie.

Eine nosokomiale Infektion zeigt sich im allgemeinen frühestens zwei Tage nach Aufnahme in das Kranken- haus; Pilzinfektionen manifestieren sich sogar meist erst nach sechs Tagen.

Aufgrund des Designs können bei Prävalenzstudien allerdings Infektio- nen nicht erfaßt werden, wenn der Er- fasser die Patienten am ersten bis zweiten Tag ihres Aufenthaltes sieht.

Von den untersuchten Intensiv- patienten waren 27,8 Prozent erst null bis zwei Tage auf der Intensivstation, somit konnte ein Großteil an Infek- tionen nicht erfaßt werden. Ebenso sinnlos ist laut Prof. K.-D. Zastrow (Humboldt Krankenhaus Berlin) die Erfassung von 3 412 Patienten (22,8 Prozent), die nur bis zu zwei Tagen hospitalisiert waren. Denn aufgrund der bekannten Inkubationszeiten werden innerhalb dieses Zeitraumes keine Infektionen sichtbar. Von insge- samt 14 966 Patienten der NIDEP- Studie haben also 3 412 die Prävalenz- rate deutlich gesenkt.

Für eine aussagekräftige Unter- suchung ist methodisch eine Mindest- hospitalisierungsdauer von drei bis vier Tagen als Einschlußkriterium zu verlangen. Da für den bundesdeut- A-1389 Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 21, 24. Mai 1996 (27)

T H E M E N D E R Z E I T BERICHTE

Expertenstreit über Studie zu nosokomialen Infektionen

Wie die Hygiene im Krankenhaus zum politischen Zankapfel wurde

Zahlenangaben über die Rate an nosokomialen Infektionen beruhen vielfach auf Schätzungen. So kursierte im letzten Jahr in der Publikumspresse die Angabe, daß in Deutschland jährlich 20 000 bis 40 000 Patienten an Infektionen sterben, die sie im Krankenhaus erworben haben. Um derartigen Spe- kulationen zu begegnen, gab das Bundesministerium für Ge- sundheit bereits 1994 eine nationale Studie in Auftrag, die

Licht ins Zahlendickicht bringen sollte. Die sogenannte NIDEP-

Studie kam zu dem Ergebnis, daß die Rate nosokomialer In-

fektionen geringer ist als vielfach befürchtet. Ihre „entwar-

nenden“ Ergebnisse werden jedoch von zahlreichen Wissen-

schaftlern wegen methodischer Mängel kritisiert. Und die me-

dizinischen Fachgesellschaften befürchten den politischen

Mißbrauch der Resultate aus ökonomischen Gesichtspunkten.

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schen Vergleich praktisch ausschließ- lich Inzidenzstudien vorliegen, kann die Entscheidung für die Durch- führung einer Prävalenzstudie nicht nachvollzogen werden.

l Es fehlen Angaben zur Quali- fikation der Studienärzte, die insofern unerläßlich ist, als nur ein klinisch er- fahrener Facharzt unabhängig vom Training der Studienärzte in der Lage ist, Infektionen im Einzelfall zu dia- gnostizieren. Untersuchungen in den Vereinigten Staaten haben gezeigt, daß in Lehrkrankenhäusern die Rate diagnostizierter nosokomialer Infek- tionen (allen voran Mykosen) doppelt so hoch liegt wie in Allgemeinkran- kenhäusern. Wesentliche Ursachen

dafür sind die kompetentere Erfas- sung und sorgfältigere mikrobiologi- sche Überwachung der Patienten.

l Außerdem fehlen Angaben zum diagnostischen Vorgehen: In wel- cher Form wurde jeder Patient vom Studienarzt untersucht – zum Beispiel:

Wurde bei operativen Eingriffen jede Wunde inspiziert oder eine Kontrolle der peripheren und zentralen Zugän- ge vorgenommen? Schon für den be- handelnden Arzt ist die Diagnose ei- ner Krankenhausinfektion häufig pro-

blematisch. Denn die klinischen Zei- chen einer Infektion können aufgrund der Antibiotikaprophylaxe fehlen;

ebenso kann das dominierende Krankheitsbild eine nosokomiale In- fektion maskieren. Für die Moment- aufnahme einer einmaligen Erhebung muß daher – trotz paralleler Auswer- tung des Krankenblattes – mit einer hohen Dunkelziffer unerkannter In- fektionen gerechnet werden.

l Von primär 72 angeschriebe- nen Krankenhäusern erklärten sich nur 54 (75 Prozent) mit der Teilnahme an der Studie einverstanden. Die nachträglich erfolgte Einbeziehung weiterer Krankenhäuser erfolgte nicht nach dem Zufallsprinzip, somit hat

beim restlichen Viertel eine gewisse Selektion stattgefunden. Beispielswei- se nahm aus den neuen Bundesländern kein Krankenhaus der Maximalver- sorgung teil. Die große Variabilität der Prävalenzraten in den untersuchten Einrichtungen demonstriert die Unzu- verlässigkeit einer Verallgemeinerung der erhobenen Prävalenzraten.

l Nur bei 58,5 Prozent der er- faßten nosokomialen Infektionen lag eine mikrobiologische Diagnostik zu- grunde. So erklärt sich auch, daß Ein-

richtungen mit externer mikrobiolo- gischer Diagnostik durchweg niedri- gere Prävalenzraten (1,2 Prozent ver- sus 2,3 Prozent, bei Sepsis 0,27 Pro- zent versus 0,51 Prozent) aufwiesen.

Nur 14 der 72 Krankenhäuser verfüg- ten über ein eigenes mikrobiologi- sches Laboratorium.

l Alle in den letzten Jahren na- tional und international durchgeführ- ten Studien ergaben Prävalenzraten für nosokomiale Infektionen von 6,8 bis 9,9 Prozent. In der EPIC-Studie (European Prevalence of Infection in Intensive Care) differierten die Prävalenzraten von 9,7 bis 31,6 Pro- zent. In Großbritannien erkranken nach Angaben des Public-Health-La- boratory Service und des Department of Health zehn Prozent aller Patien- ten an einer im Krankenhaus erwor- benen Infektion.

Damit wird die Eingangsaussage bestätigt, daß jede Erfassungsstudie aus personellen und logistischen Gründen ihre deutlichen Grenzen be- züglich der Vergleichbarkeit hat und keine allgemeingültigen Aussagen (overall rates) liefert. Aufgrund der methodischen Einschränkungen und Mängel der NIDEP-Studie sind die erhobenen Prävalenzraten ohne Zweifel zu niedrig. Laut Rudolph ist auch die NIDEP-Studie vom Bundes- ministerium in Auftrag gegeben wor- den, ohne die wissenschaftliche Kom- petenz von Hygienegesellschaften ein- geholt zu haben. Fatal seien die politi- schen Schlußfolgerungen, die aus die- ser Auftragsarbeit gezogen würden.

Das Ziel sei offensichtlich die Redu- zierung auf eine „Minimalhygiene“

aus ökonomischen Gesichtspunkten.

Spätestens zu dem Zeitpunkt als die Ergebnisse der NIDEP-Studie, so deren Kritiker, politisch benutzt wur- den, hätten die Projektleiter gegen den Mißbrauch ihrer Daten protestie- ren müssen. Denn die Verfasser selbst hätten bei der Interpretation der Er- gebnisse wiederholt darauf hingewie- sen, daß in Abhängigkeit von unter- schiedlichen Einflußgrößen (insbe- sondere der mikrobiologischen Dia- gnostik) höhere Infektionsraten er- mittelt worden wären. Zugleich hät- ten die Studienleiter vor der Angabe von „overall rates“ gewarnt. Genau dies aber würde von den Politikern getan. Dr. med Vera Zylka-Menhorn A-1390 (28) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 21, 24. Mai 1996

T H E M E N D E R Z E I T BERICHTE

Einzelne Ergebnisse der NIDEP-Studie

Nach der NIDEP-Studie („Nosokomiale Infektionen in Deutschland – Erfassung und Prävention“) nimmt das Infektionsrisiko für Patienten mit der Größe des Krankenhauses deutlich zu. Während kleine Krankenhäuser mit weniger als 200 Betten die geringste Infektionsrate von 2,27 Prozent auf- weisen, liegt die Infektionsrate der großen Kliniken mit über 600 Betten bei 4,35 Prozent. Zwischen diesen Extremwerten liegen Krankenhäuser mit 201 bis 400 Betten (3,49 Prozent) sowie Kliniken mit 400 bis 600 Betten (3,19 Prozent).

Die Gefahr, während des Krankenhausaufenthaltes an einer Harnwegs- infektion zu erkranken, ist am größten. 42,1 Prozent aller Krankenhausin- fektionen betreffen die Harnwege, 20,6 Prozent der Infektionen betreffen den Atemweg. Das Risiko einer postoperativen Wundinfektion ist mit ei- nem Anteil von 15,8 Prozent wesentlich geringer.

Patienten in den alten Bundesländern müssen eher mit einer Infektion im Krankenhaus (3,65 Prozent) rechnen als in den neuen (2,75 Prozent). Dies mag mit dem geringeren Anwendungsgrad von Venenkathetern, Harnweg- kathetern und Beatmungstherapie in den neuen Ländern zusammenhängen.

Im Vergleich zu anderen internationalen Studien liegen die für Deutschland ermittelten Infektionsraten im unteren Bereich. Die Ergebnis- se der 150 Seiten starken Studie zeigen dennoch Schwerpunkte für die Ver- besserung der Krankenhausqualität. Vor allem läßt sich ein Weiterbildungs- bedarf auf dem Gebiet der Antibiotikaprophylaxe feststellen. Die mikrobio- logische Diagnostik sollte ausgeweitet werden.

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