Deutsches Ärzteblatt
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23. April 2010 293M E D I Z I N
DISKUSSION
Weitere Phänomene
Den Kolleginnen sei für die klare Stellungnahme gedankt: „Nabelschnurblut ist eben nicht der Jungbrunnen unserer Zeit!“ – und die ethischen Implikationen der „Kombispenden“ sind nicht zu unterschätzen.
Die Feststellung: „Das Potenzial autologer Stammzellen aus Nabelschnurblut für den Ein- satz in der regenerativen Medizin ist gering, da die Zellen bis zu ihrem Gebrauch kryokonser- viert werden müssen und es nicht möglich ist, aus kryokonserviertem Material klinisch rele- vante Mengen nicht hämatopoetischer Stamm- zellen anzuzüchten“ bedarf jedoch der Relativie- rung.
Neben den beiden hauptsächlichen Schädi- gungsmechanismen beim Einfrieren (osmotische Dehydratation und intrazelluläre Eisbildung) tre- ten beim Abkühlen, Lagern und Erwärmen biolo- gischer Zellen noch weitere Phänomene auf (zum Beispiel Toxizität der Kryoprotektive,
„Kälteschock“, pH-Verschiebungen, Phasenum- wandlungen und -separationen, Lipidperoxidati- on, Vesikulation, Proteindenaturierung, „freie“
Radikale, thermoelastischer Stress, Versprödung, Rissbildung, Devitrifikation, Rekristallisation), die Gegenstand kryobiologischer Forschung sind. In solchen bekannten Schädigungen dürfte die Ursache für das bisher unbefriedigende Er- gebnis der Anzüchtung von relevanten Mengen nicht hämatopoetischer Stammzellen durch die Autorinnen liegen (1).
Es ist aber bei Anzüchtungshäufigkeiten von 13 beziehungsweise 19 Prozent eben doch mög- lich, nicht hämatopoetische Stammzellen auch aus Nabelschnurblut anzuzüchten. Die Autorin- nen scheinen jedoch stets ein ähnliches Kryokon- servierungsverfahren wie das vor 15 Jahren pu- blizierte zu benutzen (2) und haben keine Varia- tionen hinsichtlich bekannter Einflussfaktoren (zum Beispiel Art und Konzentration des Kryo- protektivs, Kühl- und Erwärmungsrate, Zellkon- zentration, Verfahren zur Entfernung des Kryo- protektivs) durchgeführt.
Wir sollten uns deshalb nicht zu sehr auf das Detail „Kryokonservierung gelingt nicht“ beru- fen, das dachte man auch vor dem Jahr 1949 (3),
sondern uns besser auf die ethischen Momente verlassen, wenn wir unsere Patientinnen dahin gehend beraten, auf eine Einlagerung autologer Nabelschnur-Präparate zu verzichten.
DOI: 10.3238/arztebl.2010.0293a
LITERATUR
1. Kögler G, Trapp T, Critser P, Yoder M: Future of cord blood for non oncology uses. Bone Marrow Transplant 2009; 44: 683–97.
2. Rubinstein P, Dobrila L, Rosenfield RE, et al.: Processing and cryo- preservation of placental/umbilical cord blood for unrelated bone marrow reconstitution. Proc Natl Acad Sci U S A 1995; 92:
10119–22.
3. Polge C, Smith AU, Parkes AS: Revival of spermatozoa after vitrifi- cation and dehydratation at low temperatures. Nature 1949; 164:
666.
4. Reimann V, Creuztig U, Kögler G. Stem cells derived from cord blood in transplantation and regenerative medicine [Stammzellen aus Nabelschnurblut in der Transplantations- und regenerativen Medizin]. Dtsch Arztebl Int 2009; 106(50): 831–6.
Dr. med. Andreas Sputtek
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Transfusionsmedizin Martinistraße 52, 20246 Hamburg
E-Mail: sputtek@uke.uni-hamburg.de
Interessenkonflikt
Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.
Schlusswort
Das von uns eingesetzte Verfahren zur Kryokon- servierung lebender Zellen ist ein weltweit etab- liertes, bewährtes und funktionierendes Verfah- ren, welches den arzneimittelrechtlichen Bestim- mungen entspricht und von den Aufsichtsbehör- den genehmigt wurde.
Aufgrund unser langjährigen Erfahrungen in der Anzucht und Kultivierung unrestringierter, nichthämatopoetischer Stammzellen aus Nabel- schnurblut (USSC) gehen wir nicht davon aus, dass eine Variation der Einfrierparameter die Ge- nerierungsfrequenz der USSC aus eingefrorenem Material erhöhen würde, denn es hat sich heraus- gestellt, dass die nichthämatopoetischen Stamm- zellen schon im frischen Material nur in einer Frequenz von einer bis elf Kolonien vorliegen (1).
Diese Tatsache stellt das eigentliche Problem dar, und sie ist der Grund dafür, dass die Gene- rierung der USSC nur aus circa 30 Prozent des frischen Nabelschnurblutes erfolgreich verläuft.
Eine Änderung des Kryokonservierungsverfah- rens würde am Verlust der Zellen nichts ändern und sie ist aus arzneimittelrechtlichen Gründen nicht ohne weiteres möglich.
Langfristig wäre es wissenschaftlich als sehr positiv anzusehen, Verfahren zu entwickeln, die generell einen Verlust von hämatopoietischen, zu dem Beitrag
Stammzellen aus Nabelschnurblut in der Transplantations- und regenerativen Medizin
von Dr. rer. medic. Verena Reimann, Prof. Dr. med. Ursula Creutzig, Prof. Dr. rer. nat. Gesine Kögler in Heft 50/2009
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aber auch nichthämatopoietischen Zellen weiter minimieren und die dem jetzigen etablierten Ver- fahren überlegen sind.
DOI: 10.3238/arztebl.2010.0239b
LITERATUR
1. Kögler G, Trapp T, Critser P, Yoder M: Future of cord blood for non oncology uses. Bone Marrow Transplant 2009; 44: 683–97.
2. Reimann V, Creuztig U, Kögler G: Stem cells derived from cord blood in transplantation and regenerative medicine [Stammzellen aus Nabelschnurblut in der Transplantations- und regenerativen Medizin]. Dtsch Arztebl Int 2009;106(50): 831–6.
Prof. Dr. rer. nat. Gesine Kögler Dr. rer. medic. Verena Reimann Universitätsklinikum Düsseldorf
Institut für Transplantationsdiagnostik und Zelltherapeutika Moorenstrasse 5, 40225 Düsseldorf
E-Mail: reimann@itz.uni-duesseldorf.de E-Mail: koegler@itz.uni-duesseldorf.de
Interessenkonflikt
Die Autorinnen Reimann und Koegler sind Mitarbeiterinnen der José Carre- ras Stammzellbank (öffentliche Nabelschnurblutbank am Universitätsklini- kum Düsseldorf). Prof. Creutzig erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sin- ne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.
Berichtigung
In dem Beitrag „Klinische Befunde im chronischen Stadium nach Schädel-Hirn-Trauma – Daten aus 12 Jahren Behandlung in der Tagesklinik für Kognitive Neurologie, Universität Leipzig“ von Rainer Scheid und D. Yves von Cramon im Deutschen Ärzteblatt vom 26. März 2010, Heft 12, fehlen in Tabelle 2 die Zahlenwerte zu den Angaben in der letzten Zeile. Die vollständige Tabelle 2 sieht folgendermaßen aus: MWR
TABELLE 2
Auflistung der häufigsten Lokalisationen von Kontusionen und traumatischen Mikroblutungen*
*absolut und relativ, jeweils bezogen auf die spezifische Verletzungsart und -lokalisation; F1: Gyrus frontalis superior Beachte: multipel aufgetretene Veränderungen wurden mehrfach gezählt; bezüglich der Lokalisation traumatischer Mikroblutungen siehe auch (4) rel., relativ; n, Anzahl Lokalisation
Frontal – isoliert polar – isoliert basal Temporal – isoliert polar
Frontal + temporal Parietal Okzipital Zerebellar Multiple
– frontopolar/frontobasal – frontopolar/temporopolar
– frontopolar/frontobasal/temporopolar – frontobasal/temporopolar
Kontusionen
n 117 7 17 91 12
28 12 9 3
107 714
% (rel.) 36,6 (75) 2,2 5,3 28,4 (58) 3,8
8,8 3,8 (7,7) 2,8 (5,8) 0,9 (1,9)
3,12,2 2,24,4
Lokalisation
Frontal – isoliert – isoliert F1 Balken – Corpus – Splenium – Genu
– Corpus + Splenium Frontal + Balken
Traumatische Mikroblutungen n
124 38 29 52 20 11 4 11 11
% (rel.) 38,8 (83,8) 11,9 (25,7) 9,1 (19,6) 16,2 (35,1) 6,2 (38,5) 3,4 (21,1) 1,2 (7,6) 3,4 (21,1) 3,4 (7,4)
Berichtigung
In dem cme-Beitrag „Epidemiologie, Ätiologie, Diagnostik und Therapie der Gonarthrose“ von Joern W.-P.
Michael et al., abgedruckt im Deutschen Ärzteblatt vom 5. März 2010 (Heft 9), ist die Referenz 9 falsch angege- ben: Sie lautet korrekterweise:
9. Jordan KM, Arden NK, Doherty M, et al.; Standing Committee for International Clinical Studies Including Therapeutic Trials ESCISIT: EULAR recommendations 2003: an evidence based approach to the management of knee osteoarthritis: report of a task force of the Standing Committee for International Clinical Studies Including Therapeutic Trials (ESCISIT). Ann Rheum Dis 2003; (12):1145–55. MWR