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Archiv "Moderne Physik und Grundfragen der Medizin: Schlusswort" (17.11.2000)

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Schlusswort

Wir danken für die Leserbriefe. Sie spiegeln das große Interesse an den von uns behandelten Fragen wider und geben Anregungen zur weiteren Arbeit an der Thematik.

Die Mehrzahl der Briefautoren stimmt der von uns geforderten, Soma und Psyche integrierenden ganzheitli- chen Betreuung des Patienten zu. Die- se setzt selbstverständlich, wie in un- serem Beitrag betont, eine genaue Diagnostik mit Einsatz naturwissen- schaftlicher Methoden voraus. Eine ganzheitliche Sicht des Menschen und die Anwendung reduktionistischer Prinzipien in der Prävention, Diagno- stik und Therapie von Erkrankungen schließen sich somit keineswegs aus (3). Wir stimmen diesbezüglich den Ausführungen von W. Gerok zu dieser Thematik (2) und dem auf unseren Beitrag bezogenen Editorial von H.-P.

Zenner (6) zu.

Im Folgenden nehmen wir zu eini- gen in den Leserbriefen angesproche- nen Punkten in der gebotenen kurzen Form Stellung.

Wir weisen darauf hin, dass wir nicht, wie einige Briefautoren an- zunehmen scheinen, Analogieschlüsse von der Unschärferelation der Quan- tenphysik auf „Unschärfen“ bezie- hungsweise Ungenauigkeiten in der medizinischen Diagnostik ziehen. Wir haben die Heisenbergsche Unschärfe- relation als wichtige Gleichung bezie- hungsweise „Ungleichung“ der Quan- tenphysik erwähnt, um an ihr zu erläu- tern, dass in der modernen Physik eine strikte durchgehende Trennung von Subjekt und Objekt nicht aufrecht er- halten wird.

Die Quantenphysik, welche die

„klassische“ Physik als Grenzfall ent- hält, hat – entgegen der Auffassung ei- niger Briefautoren – auch für die Biologie und Medizin große Bedeu- tung. Nach dem Erkenntnisstand der klassischen Physik wären die Atome und Moleküle instabil. Die nach den damaligen Vorstellungen um den Atomkern kreisenden Elektronen müssten in diesen „hineinstürzen“.

Erst die Quantenphysik lässt verste- hen, dass Atome und Moleküle stabil sind. Dies gilt selbstverständlich auch

für die Atome und Moleküle des menschlichen Körpers, beispielsweise die DNA als Träger der genetischen Information. Die Erkenntnisse der Quantenphysik sind deshalb auch für die Medizin sehr wichtig.

Bezug nehmend auf die in den Le- serbriefen aufgeworfenen Fragen nach der Bedeutung der Physik für die Medizin sei hier noch einmal unser Hauptanliegen verdeutlicht:

Auch Ärzte, die stark in der Natur- wissenschaft – und das ist fast immer die durch die klassische Physik ge- prägte Naturwissenschaft – verwurzelt sind, bejahen in aller Regel die Not- wendigkeit der Einbeziehung von psy- chosozialen Faktoren in die Betreu- ung von Patienten. Sie glauben aber nach unserer Beobachtung oft, mit der Einbeziehung der Psyche eine Grenze zu einem weniger streng wissenschaft- lichen Bereich zu überschreiten. Hier ist es hilfreich, über die durch die klas- sische Physik geprägte Naturwissen- schaft hinaus die Erkenntnisse der modernen Physik in die Denkstruktu- ren der Medizin einzubeziehen. Wie in unserem Beitrag ausgeführt, wird hier eine strikte durchgehende Grenzzie- hung zwischen Subjekt und Objekt nicht aufrecht erhalten. Wir sind uns be- wusst, dass damit keine abschließende Lösung der großen Frage Psyche: So- ma, Subjekt: Objekt ermöglicht wird.

Unser Beitrag will aber Mut machen zu einem neuen Nachdenken über diese Fragen und zu einem Sich-Loslösen von alten Denkgewohnheiten und Grenz- ziehungen.

Abschließend möchten wir Hin- weise zu einigen weiteren in den Zu- schriften angesprochenen Fragen ge- ben:

Gedankliche Zusammenhänge, aber auch wesentliche Unterschiede bezüglich der Einbeziehung des Sub- jekts in der Quantenphysik und in der

„anthropologischen Medizin“ Viktor von Weizsäckers sowie seine Ausein- andersetzung mit der Physik wurden an anderer Stelle dargestellt (4, 5).

Der Titel der in einer Zuschrift zi- tierten Descartesschen „Meditatio- nes“, die er 1641 veröffentlicht hat, lautet in der deutschen Übersetzung vollständig: „Meditationen über die Grundlagen der Philosophie, in denen

das Dasein Gottes und die Verschie- denheit der menschlichen Seele vom Körper bewiesen werden“ (1). Aus dieser Formulierung des Titels und dem Gesamttext der „Meditationes“

ergibt sich: Die zentrale These von Descartes ist die substanzielle Ver- schiedenheit von res cogitans und res extensa, Seele und Körper. Erst in der sechsten und letzten Meditation be- spricht er dann ihre wechselseitigen Beziehungen. – Zur Entwicklung der Auffassungen vom Zusammenhang von Psyche und Soma in der Philoso- phie nach Descartes, beispielsweise bei Spinoza, sei auf Ausführungen an anderer Stelle verwiesen (4, 5).

Die in den Leserbriefen angeschnit- tenen Fragen, die in diesem Schluss- wort nur ausschnittsweise behandelt werden können, machen die Weite und Wichtigkeit der behandelten The- matik deutlich; diese bedarf weiterer intensiver Diskussion.

Literatur

1. Descartes R (lateinisch/deutsch): Meditationes de prima philosophia in quibus Dei existentia et ani- mae humanae a corpore distinctio demonstrantur / Meditationen über die Grundlagen der Philosophie, in denen das Dasein Gottes und die Verschiedenheit der menschlichen Seele vom Körper bewiesen wer- den. Hamburg: Felix Meiner, 3. Aufl. 1992.

2. Gerok W: Die Bedeutung von Philosophie, Bioma- thematik, Biometrie und Modelltheorie für die Me- dizin. Med Klin 1998; 93: 501–506.

3. Schmahl FW: Some theoretical remarks regarding the integration of somatic and psychosocial risk fac- tors of coronary artery disease in preventive pro- grammes in occupational medicine. Int J Occup Med Environ Health 1998; 11: 285–289.

4. Weizsäcker CF von: Gestaltkreis und Komplementa- rität. In: Vogel P (Hrsg): Viktor von Weizsäcker. Arzt im Irrsal der Zeit. Eine Freundesgabe zum siebzig- sten Geburtstag am 21.4.1956. Göttingen: Vanden- hoeck & Ruprecht 1956: 21–53.

5. Weizsäcker CF von: Zeit und Wissen. München, Wien: Carl Hanser 1992.

6. Zenner H-P: Die Physik und Grundfragen ärztli- chen Handelns. Editorial. Dt Ärztebl 2000; 97:

A 164 [Heft 4].

Prof. Dr. med. Friedrich W. Schmahl Institut für Arbeits- und Sozialmedizin Wilhelmstraße 27

72074 Tübingen

Prof. Dr. phil. Carl Friedrich von Weizsäcker Maximilianstraße 14c

82319 Starnberg M E D I Z I N

A

A3104 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 46½½½½17. November 2000

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