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Archiv "Bedingungen für die Eigenvorsorge sind nachhaltig zu verbessern" (21.06.1979)

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Die Information:

Bericht und Meinung NACHRICHTEN

Am 6. Juni hat die „Liberale Ge- sellschaft" in Bonn ein wenige Ta- ge zuvor in Berlin beschlossenes Thesen-Papier bekanntgegeben, in dem sie ihre Vorstellungen über Grundwerte des politischen Libe- ralismus darlegt. Die Thesen zie- len erklärtermaßen darauf, die Perspektiven der F.D.P.-Politik

„wieder klar und unverwechsel- bar" herauszuarbeiten und da- durch „verläßliche Maßstäbe" für ihr Handeln zu setzen.

Die Thesen befassen sich nach ei- ner grundsätzlichen Betrachtung der Bedeutung liberaler Politik für die Bundesrepublik Deutschland seit deren Gründung insbesonde- re mit fünf politischen Bereichen:

Verfassungspolitik, Kultur- und Bildungspolitik, Wirtschaftspolitik, Sozial- und Gesundheitspolitik so- wie Deutschland- und Außenpo- litik.

Der Wortlaut der These zur Sozial- und Gesundheitspolitik in dieser

„Berliner Erklärung zur Gründung der Liberalen Gesellschaft" lautet:

„Eine subsidiäre Sozial- und Ge- sundheitspolitik ist das Kennzei- chen liberaler Gesellschaftspolitik.

Die Finanzlage und Finanzpolitik der Renten- und Krankenversiche- rungen machen deutlich, daß ei- ner bedenkenlosen sozialen Um- verteilung auch zwischen den Ge- nerationen nicht nur volkswirt- schaftliche und politische, son- dern auch moralische Grenzen ge- setzt sind. Die notwendigen und seit geraumer Zeit überfälligen Re- formen der sozialen Sicherungs-

systeme müssen wieder zur Be- achtung dieser Grenzen führen.

Nicht einmal der Wohlfahrtsstaat hat die Fähigkeit, dem Bürger die Lebensrisiken, über eine Grundsi- cherung hinaus, abzunehmen.

Deshalb besitzt der Staat nicht das Recht, dem einzelnen die Voraus- setzungen für die eigenständige Vorsorge zu beschränken oder gar zu entziehen. Es ist vielmehr seine Aufgabe, die Bedingungen für Ei- genvorsorge und Eigenverantwor- tung in der Sozial- und Gesund- heitspolitik nachhaltig zu verbes- sern.

Eine entschiedene Familienpolitik, die eine Gleichberechtigung der Kinderfamilie bewirkt, ist dafür ei- ne unerläßliche Voraussetzung.

Sie ist die Grundlage für eine diffe- renzierte Sozialpolitik schlechthin.

Eine falsch verstandene Emanzi- pationspolitik trägt dazu bei, ge- wachsene familiäre und soziale Bindungen zu zerschlagen und den Menschen zu vereinsamen.

Daher müssen erhebliche Teile des Volkseinkommens für die „Re- paratur" durch Ersatzinstitutionen verschleudert werden."

In anderen Abschnitten des The- sen-Papiers firtden sich noch eine Reihe von Sätzen, die eine mehr oder weniger direkte Beziehung auch zur ärztlichen Berufsaus- übung haben und die hier eben- falls dokumentiert seien:

„Der liberale Staat, der Selbstbe- stimmungsidee verpflichtet, der sich nicht als Selbstzweck be- greift, ist dennoch für seine Bür-

ger mehr als ein bloßes Dienstlei- stungsunternehmen. Auch er muß Leitbilder setzen, die dem prakti- schen politischen Handeln Rich- tung und Form geben.

Nur ein so gegründeter Staat be- sitzt die Kraft, die Phantasie und den Willen seiner Bürger auf grö- ßere, über das unmittelbare indivi- duelle Interesse hinausweisende Ziele zu lenken, und ermöglicht ih- nen jene Art von Identifikation, die für den Bestand des Gemeinwe- sens unerläßlich ist.

Nur er ist in der Lage, seine politi- sche Praxis wieder stärker am Ge- meinwohl als an partikularen In- teressen zu orientieren und dem Übermaß der Ansprüche entge- genzutreten. Er allein bewirkt,

— daß Effizienz und Leistungsfä- higkeit wieder zur Richtschnur des politischen Handelns werden,

— daß der Vorrang des Privaten gegenüber der zunehmenden Ten- denz zur gesellschaftlichen Bevor- mundung und Überfremdung ge- sichert wird

— und daß nach einer Periode, in der weltweit die Gleichheit das be- herrschende Thema war, nun die Freiheit wieder stärker ins Visier genommen wird.

Eine liberale Politik, die sich am Grundwert der individuellen Frei- heit orientiert, muß auch an die Pflichten des einzelnen gegenüber Familie und staatlicher Gemein- schaft erinnern.

Denn nur durch die Balance zwi- schen Freiheit und Verantwortung kann die moralische Grundlage ei- ner freiheitlichen Rechts- und Ver- fassungsordnung bewahrt und weiterentwickelt werden. Dieser Grundwertkonsens der Gesell- schaft bleibt die Basis staatlicher Ordnungsfunktion; sie ist die Vor- aussetzung für die Handlungsfä- higkeit des Staates.

Liberale Verfassungspolitik muß daher darauf gerichtet sein,

Bedingungen für die Eigenvorsorge sind nachhaltig zu verbessern

Programmatische Thesen der „Liberalen Gesellschaft"

auch zur Gesundheits- und Sozialpolitik

1674 Heft 25 vom 21. Juni 1979 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Die Information:

Bericht und Meinung DAS INTERVIEW

— den Schutz der privaten Sphäre zu garantieren und auszubauen und sie gleichermaßen gegenüber den Ansprüchen der Gesellschaft wie des Staates zu verteidigen;

— der Vergesellschaftung von Staatsfunktionen entgegenzutre- ten; ,gesellschaftlich relevante Kräfte' sind nicht legitimiert, an die Stelle des Staates zu treten und sich Rechte gegenüber der Gesamtheit der Bürger anzu- maßen;

— der Verdrängung gesellschaftli- cher und privater Kräfte durch den Staat Einhalt zu gebieten; ein Staat, der sich mehr und mehr zu einer sozialbürokratischen Dienst- leistungsagentur entwickelt, ver- liert seine ordnungspolitische Qualität und damit die Kraft zur Interessenüberwindung;

— den föderativen Rechtsstaat der Gewaltenteilung gegenüber den immer mehr ausufernden Gewal- tenfusionen zwischen Bund und Ländern, und Exekutive und Le- gislative zu verteidigen."

„Eine leistungs- und wettbewerbs- bewußte Wirtschaftspolitik ist in einer freiheitlichen Ordnung un- verzichtbar. Deshalb sind Liberale einer marktwirtschaftlichen Politik verpflichtet, die auf der Privatin- itiative und dem Leistungsprinzip aufbaut, persönliches Eigentum, auch am Produktionsvermögen, für jedermann erstrebt und den Willen zu Leistung und Eigentum ermutigt.

Liberale Politik verwirklicht die be- rechtigte Forderung nach ,weni- ger Staat' durch eine entschlosse- ne Reprivatisierung öffentlicher Daseinsvorsorge. Die anhaltende Expansion staatlicher Wirtschafts- und Verwaltungstätigkeit trägt weithin dazu bei, Eigenverantwor- tung und persönliche Leistung zu lähmen und damit das Sozialpro- dukt zu mindern. Die Forderung nach Entstaatlichung bleibt des- halb eine Schlüsselaufgabe libera- ler Politik."

Prof. J. F. Volrad Deneke zur Konkretisierung

der „Berliner Thesen"

Zur Konkretisierung dessen, was sich aus den auf diesen Seiten im Auszug dokumentierten Thesen der „Liberalen Gesellschaft" für die Sozial- und Gesundheitspolitik jetzt und für die achtziger Jahre ableiten läßt, befragte die Redak- tion Professor J. F. Volrad Deneke (Bonn), in den sechziger Jahren anfänglich Bundestagsabgeord- neter der FDP und danach Haupt- geschäftsführer dieser Partei, heu- te Hauptgeschäftsführer der Bun- desärztekammer. Deneke ist Grün- dungsmitglied der „Liberalen Ge- sellschaft", die sich am 21. April in Hamburg konstituiert und einen Vorstand gewählt hatte, in dem so prominente FDP-Politiker wie Her- mann Oxfort (Berlin) als Vorsitzen- der, Deneke und Peter-Heinz Mül- ler-Link (Hamburg) als Stellver- tretende Vorsitzende, Joachim Stancke (Berlin/Bonn) als Schatz- meister und Sprecher vertreten sind.

DÄ: Die Bedeutung der „Berliner Erklärung" der Liberalen Gesell- schaft ist gewiß nur bei der Lektü- re des Ganzen zu erfassen. Für das Deutsche Ärzteblatt stehen aber selbstverständlich Fragen zur Be- rufs-, Gesundheits- und Sozialpo- litik im Vordergrund. Glauben Sie, daß dem Schwund des Vertrauens in eine liberale Sozial- und Ge- sundheitspolitik — offenkundig ins- besondere seit den Vorgängen um die Schlußabstimmung im Bun- desrat über das sogenannte Ko- stendämpfungsgesetz — mit einer Rückbesinnung auf Grundsätze der ersten Nachkriegsjahrzehnte, die in den siebziger Jahren in

„Pragmatismus" und „Koalitions- zwängen" untergegangen sind, entgegengewirkt werden kann?

Deneke: Ja. Man muß dabei je- doch bedenken, daß die Liberale Gesellschaft ihre Ziele nicht kurz- fristig glaubt verwirklichen zu kön- nen. Die Liberale Gesellschaft will

ganz besonders mit den Mitteln und Methoden politischer Bildung das Problembewußtsein innerhalb der Partei für die liberalen Grund- werte wecken.

Das bedeutet, daß nicht kurzfristig die aktuelle Tagespolitik verändert werden kann. Dies entspricht im übrigen auch der Erfahrung anläß- lich der voraufgegangenen Verän- derung des Problembewußtseins zugunsten pragmatischen Taktie- rens. Andererseits darf ich darauf aufmerksam machen, daß es in der Sozial- und Gesundheitspolitik der F.D.P. doch in sehr weiten Teilen gelungen ist, auch ihre von länger- her kommenden liberalen Vorstel- lungen in der Politik der letzten zehn Jahre noch sichtbar zu machen.

DÄ: Sie wissen selbst am besten, welche Bedeutung und welchen Inhalt speziell für Ärzte die Begrif- fe Eigenvorsorge und Eigenver- antwortung besitzen. Wir haben noch die Worte Dr. Muschalliks im Ohr, der in der jüngsten Vertreter- versammlung der Kassenärztli- chen Bundesvereinigung in Nürn- berg für eine Stärkung der Eigen- verantwortung auch des Versi- cherten plädiert hatte, in der Hoff- nung, daß wenigstens in Teilberei- chen unserer Sozialversicherung geeignete Maßnahmen zur Förde- rung der Selbstverantwortung denkbar und realisierbar wären.

Wie könnte eine künftige FDP-Po- litik die im Thesen-Papier prokla- mierte Aufgabe einer Förderung eigenverantwortlicher Vorsorge konkretisieren? Und was verste- hen Sie insbesondere unter „Re- privatisierung öffentlicher Da- seinsvorsorge"?

Deneke: Unter „Reprivatisierung öffentlicher Daseinsvorsorge" ver- stehe ich, daß die öffentliche Da- seinsvorsorge durch den Staat selbst und vom Staat erzwungen auf dem Wege über die Sozialge- setzgebung Existenzvorsorge menschenwürdigen Daseins sein sollte, nicht aber zugleich Garan- tie für die Höhe eines Lebensstan- dards, der über die Existenzvor-

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 25 vom 21. Juni 1979 1675

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