A 1344 Deutsches Ärzteblatt
|
Jg. 107|
Heft 27|
9. Juli 2010D
ie Plakate mit dem Statement„Lübeck kämpft für seine Uni“ in vielen Geschäften von Lü- beck zeigen: Der Kampf um den Er- halt der Medizinischen Fakultät der Universität zu Lübeck geht weiter und hat eine ganze Stadt aufgerüt- telt. Am 1. Juli zogen mehr als 9 000 Menschen, darunter viele Stu- dierende in gelben T-Shirts, in ei- nem Sternmarsch durch die Lü - becker Innenstadt. Gemeinsam pro- testierten sie gegen den Vorschlag der Haushaltsstrukturkommission der schleswig-holsteinischen Lan- desregierung vom 26. Mai. Diesem zufolge soll ab dem Wintersemester 2011/2012 der Studiengang Medi- zin an der Universität zu Lübeck ab- geschafft werden, um die Finanzen in Schleswig-Holstein zu sanieren.
Zwar hat inzwischen die Univer- sität zu Lübeck dem schleswig-hol- steinischen Wissenschaftsministeri- um ein alternatives Sparkonzept zur Rettung der Hochschule vorgelegt.
Mit ihm sollen sich 24 Millionen Euro jährlich einsparen lassen, oh- ne den Medizinstudiengang strei- chen zu müssen. Doch ob die Lan- desregierung auf diese Vorschläge eingeht, ist ungewiss. „Es gärt zwar ordentlich hinter den Kulissen, und
die Regierungsreihen sind auch nicht so geschlossen, wie sie nach außen scheinen. Aber man kann of- fensichtlich nicht auf die Vernunft der Landesregierung setzen“, er- klärt Christoph Zabel, Vorsitzender der Fachschaft Medizin der Univer- sität zu Lübeck, gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt (DÄ).
Seit nunmehr sechs Wochen stellt der Medizinstudent im zehn- ten Semester sein Studium zurück,
um als einer von vier studentischen Mitgliedern der Arbeitsgemein- schaft „Lübeck kämpft“ unter der Leitung von Prof. Dr. med. Jürgen Westermann gegen die geplanten Sparmaßnahmen zu protestieren – bislang erfolglos. „Wir zweifeln mittlerweile an der Demokratie“, sagt Zabel. „Seit Wochen demons- trieren Tausende Menschen, aber die Regierung hat sich noch keinen
Zoll breit bewegt.“ Für Zabel ist mit der Haltung der Regierung noch ein weiteres Signal verbunden:
Leistung lohnt sich nicht. „Das Me- dizinstudium in Lübeck genießt bundesweit einen ausgezeichneten Ruf und liegt in Rankings regelmä- ßig auf Spitzenplätzen“, erläutert Zabel.
Auch für Westermann ist unver- ständlich, warum der Studiengang entfallen sollte. „Erfolgreiche Poli- tik ist nur möglich, wenn man das Vertrauen der Bürger besitzt. Im Koalitionsvertrag vom Oktober 2009 sicherte die Regierung der Universität zu Lübeck sogar einen weiteren Ausbau zu. Ende Mai 2010, ein halbes Jahr später, ver- kündet sie dann deren Abwicklung – ohne zuvor mit dem Präsidium Kontakt aufgenommen zu haben“, berichtet Westermann dem DÄ.
Ohne die Medizin sieht der Ana- tom die Zukunft der gesamten Uni- versität gefährdet. „Die Anzahl der Studierenden würde von 2 500 auf 1 000 sinken. Damit ist die Univer- sität zu Lübeck nicht mehr lebens- fähig“, ist er überzeugt. Auch in der Forschung wäre die Universität nicht mehr wettbewerbsfähig. „Große Firmen wie Euroimmun und mehr als 70 weitere Unternehmen aus dem Bereich der Medizintechnik sind auf die universitäre Medizin angewiesen“, erklärt er.
In der Tat sind diese mit der Me- dizin eng verknüpften Firmen ein beachtlicher Wirtschaftsfaktor in Schleswig-Holstein. Sie erwirtschaf- ten etwa 30 Prozent des Gewerbe- steueraufkommens des Landes. Die Universität selbst wirbt jährlich 20 Millionen Euro an Fördergel- dern ein. „Dies alles will die Lan- desregierung opfern, um ab 2014 etwa 25 Millionen Euro pro Jahr zu sparen. Der Einsparbetrag steht in keinem Verhältnis zu dem dadurch entstehenden finanziellen Verlust“, betont Westermann und hofft ange- sichts des alternativen Sparkon- zepts der Universität auf ein Ein - lenken der Regierung bei der Kabi- nettssitzung am 13. Juli. „Noch vor der Sommerpause muss es entschie- den werden“, sagt er, „denn die Uni leidet bereits jetzt.“ ■
Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann
STUDIENGANG MEDIZIN
Lübeck kämpft ums Überleben
Unermüdlich protestieren Lübecker Studierende, Hochschullehrer und Bürger gegen die geplante Schließung des Studiengangs Medizin. Ein alternatives Sparkonzept der Universität soll jetzt die Wende bringen.
„ Man kann offensicht- lich nicht auf die Vernunft der Landes -
regierung setzen.
Christoph Zabel,“
Vorsitzender der Fachschaft Medizin der Universität zu Lübeck
Foto: Rene Kube