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Archiv "Entschließungen zum Tagesordnungspunkt IV: Bericht - Krankheit und Armut" (13.05.2005)

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A1376 Deutsches ÄrzteblattJg. 102Heft 1913. Mai 2005

D O K U M E N T A T I O N / 1 0 8 . D E U T S C H E R Ä R Z T E T A G

Deutschen Ärztetagen einen Sachstandsbericht über den Fortgang der Versorgungsforschung ab- zugeben.

Begründung

Es besteht ein berechtigtes Interesse der Delegier- ten der Deutschen Ärztetage über den Fortgang der Versorgungsforschung regelmäßig informiert zu werden, um in ihren Gremien darüber berichten

zu können. )

Versorgungsforschung und Community Medicine

Zur Bündelung und effizienten Nutzung aller be- reits vorhandenen Potenzen und Quellen der Ver- sorgungsforschung sollen die Einrichtungen der Universitäten, die sich bereits mit den epidemiolo- gischen, soziologischen und ökonomischen Aus- wirkungen von Strukturen und politischen Vorga- ben für die medizinische Versorgung (Versor- gungsepidemiologie) befassen, gezielt von der Bundesärztekammer genutzt werden. Dies gilt insbesondere für vorhandene Einrichtungen der Community Medicine.

Versorgungsforschung kann nicht losgelöst von der Population der zu Versorgenden betrieben werden. Sie wird umso effektiver sein, je genauer diese Population definiert und eingegrenzt wird.

Begründung

Seit 1991 wird an der Ernst-Moritz-Arndt-Univer- sität in Greifswald bereits im Projekt Community Medicine eine effektive Versorgungsforschung be- trieben. Mit den 1997 beziehungsweise 2002 ab- geschlossenen Studien „Study of Health in Pomera- nia“ und „Survey of Neonates in Pomerania“ lie- gen valide Daten zur medizinischen Versorgung dieser Population vor. Die Region Vorpommern ist eine Modellregion für Deutschland, weil sich hier die Bevölkerung, aber auch die Strukturen der me- dizinischen Versorgung quasi im Zeitraffer ent- wickeln. 1990 war Mecklenburg-Vorpommern das Bundesland mit der jüngsten Bevölkerung. Durch zunehmende Lebenserwartung, Abwanderung Jüngerer und Zuzug Älterer wird sich dieser Zu- stand bis 2012 umkehren: Mecklenburg-Vorpom- mern wird ein Bundesland mit einer der ältesten Bevölkerungen Deutschlands. Bis 2010 geht ein Drittel der derzeitigen Hausärzte in den Ruhe- stand.

Inzwischen sind am Institut für Community Medicine in Greifswald 150 Studien abgeschlos- sen oder in Arbeit, darunter auch ein Modellpro- jekt „Regionale Gesundheitsversorgung in Vor- pommern“, mit dem die Implementierung eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) in ei- nem ländlichen Territorium mit geringer Bevölke- rungsdichte und drohender Unterversorgung im niedergelassenen Bereich untersucht werden soll.

Es ist ein Gebot ökonomischer Vernunft, die hier gewachsenen Potenzen zu nutzen. )

Armut und Arbeitslosigkeit machen krank

Armut macht krank: Arme Menschen haben ge- genüber Wohlhabenden eine durchschnittlich um bis zu sieben Jahre geringere Lebenserwartung, zudem haben sie gegenüber den Wohlhabendsten in nahezu jeder Lebenssituation ein mindestens doppelt so hohes Risiko, schwer zu erkranken, vor- zeitig zu versterben, einen Unfall zu erleiden oder von Gewalt betroffen zu sein.

Einflussfaktoren für diesen Zusammenhang sind insbesondere die Schichtzugehörigkeit und die damit verbundene Einkommenslage, der Zu- gang zu Bildung, die Wohnsituation und – dies ist in einer Zeit mit fünf Millionen Arbeitslosen be- sonders wichtig – Erwerbstätigkeit beziehungs- weise Arbeitslosigkeit.

Alle diese Faktoren haben Auswirkungen auf die Gesundheit, das Gesundheitsverhalten und letztlich auch auf Zugang und Nutzung der ge- sundheitlichen Versorgung. Ebenso kann Krank- heit den beruflichen Erfolg gefährden und die Ein- kommenssituation verschlechtern. Krankheit kann so zu einem sozialen Abstieg beitragen oder einen sonst möglichen sozialen Aufstieg verhindern.

Wer den Zugang zu Wissen, Bildung, Arbeit, Geld, Wohnungsmöglichkeiten und Ansehen ein- büßt, der verliert Lebensqualität. Wer weniger Bil- dung hat, hat zumeist auch geringere Chancen am Arbeitsmarkt, ist am Arbeitsplatz größeren ge- sundheitlichen Belastungen ausgesetzt und be- kommt für die geleistete Arbeit weniger Lohn. Ge- ringere finanzielle Mittel wiederum bedingen meist eine schlechtere Wohnsituation, weniger Möglichkeiten einer ausgleichenden Freizeitge- staltung, eine ungesündere Ernährung und einen schlechteren Zahnstatus.

Arbeitslosigkeit und Armut lassen Menschen früher altern, rascher krank werden, sie rauben Initiative zur eigenen Gesundheitsförderung, zer- stören die Motivation zur Prävention, mindern ge- sundheitliche Potenziale und fördern gesundheits- belastende Verhaltensweisen. Arbeitslosigkeit macht arm, und Armut und Arbeitslosigkeit ma- chen krank, und dies bis in die nachfolgende Ge- neration hinein.

Aus ärztlicher Sicht bedrohen und verschlech- tern relative Einkommensarmut und Armut als Minderversorgung in relevanten Lebensberei- chen, nämlich an Arbeit, an Bildung, an Woh- nungsmöglichkeiten, an Kultur und Politik, an Beziehungen und emotionalen Bindungen, die Gesundheit und erhöhen das Mortalitätsrisiko.

Ärztinnen und Ärzte erleben dies insbesondere bei Sozialhilfeempfängern, Arbeitslosen, Woh- nungslosen, illegal in Deutschland Lebenden, Migranten, allein erziehenden Frauen, kinderrei- chen Familien, psychisch Kranken und Heimbe- wohnern.

Aufgrund des steigenden Morbiditätsrisikos bei steigender Arbeitslosigkeit und Armut nimmt auch der Bedarf an ärztlichen Leistungen zu, während die hierfür verfügbaren finanziellen Ressourcen ge- ringer werden, weil die Finanzierung der gesetzli- chen Krankenkassen nahezu ausschließlich an die Arbeitskosten gekoppelt ist. Hieraus folgt eine schlechtere gesundheitliche Versorgung der betrof- fenen Bevölkerungsgruppen. Eine Verschärfung dieser Tendenz zeichnet sich seit In-Kraft-Treten des GMG mit seinen Zuzahlungsregelungen und da- durch bedingte erschwerte Zugangsmöglichkeiten zur gesundheitlichen Versorgung ab.

Der zentrale Ansatz zur Abwehr der gesund- heitlichen Folgen von Armut und Arbeitslosigkeit ist die Überwindung der gegenwärtigen Massen- arbeitslosigkeit. Aus ärztlicher Sicht ist der Hin- weis wichtig, dass schlechte Arbeitsbedingungen ohne längerfristige Beschäftigungsperspektive im Einzelfall mit noch größeren gesundheitlichen Ri- siken verbunden sein können als Phasen der Ar- beitslosigkeit. Unter gesundheitlichen Aspekten kommt es deshalb sehr auf die Etablierung dauer- hafter Arbeitsperspektiven an.

Mit den Mitteln der Gesundheitspolitik lassen sich diese gesamtgesellschaftlichen Herausforde- rungen nicht bewältigen. Hier ist vor allem die Wirtschafts-, Steuer-, Sozial-, Finanz-, Tarif- und Arbeitsmarktpolitik gefordert. Dennoch lässt sich eine Reihe von gesundheitspolitischen Maßnah- men nennen, mit deren Hilfe versucht werden kann, die Situation partiell zu verbessern.

Um die gesundheitlichen Defizite unterprivile- gierter Patientinnen und Patienten ausgleichen zu können, benennt der Deutsche Ärztetag folgende Maßnahmen:

>Da zunehmende Armut und Arbeitslosigkeit einen erhöhten Bedarf an ärztlicher Versorgung zur Folge hat, müssen in Zeiten erhöhter Arbeitslo- sigkeit dem Gesundheitssystem mehr statt weni- ger Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Ei- ne ausschließliche Koppelung seiner Finanzierung an das Arbeitseinkommen wird dieser Logik nicht gerecht, sodass zusätzliche Finanzierungsmög- lichkeiten erschlossen werden müssen.

>Das Problem „Armut und Gesundheit“ muss Eingang in medizinische Forschung, Lehre, Weiter- und Fortbildung finden.

>Die von der Bundesärztekammer initiierte und geförderte Versorgungsforschung muss sich dieses Themas annehmen. Die Ständige Koordina- tionsgruppe „Versorgungsforschung“ des Wissen- schaftlichen Beirates der Bundesärztekammer sollte entsprechende Fragestellungen erarbeiten.

>Die Diskussion um neue Versorgungs- und Ko- operationsformen und entsprechende Modellpro- jekte sollte nicht allein der Verbesserung einzelner Krankheitsbilder, sondern der Verbesserung der Ge- sundheitsversorgung unterprivilegierter Regionen/

Lebenswelten Aufmerksamkeit widmen.

Entschließungen zum Tagesordnungspunkt IV

Bericht: Krankheit und Armut

(2)

>Der ärztliche Bereich muss zukünftig gemein- deorientiert im Rahmen von Vernetzungsstrukturen arbeiten. Unter Koordinierung des öffentlichen Ge- sundheitsdienstes sollten diese Arztgruppen ge- meinsam mit Pflegediensten und Sozialarbeit sowie anderen Gesundheitsberufen Defizite der gesund- heitlichen Versorgung in besonders betroffenen Re- gionen identifizieren und gemeinsam im Sinne einer gemeindeorientierten Handlungsweise eine ent- sprechende Versorgung herbeiführen. Zum Beispiel müssen organisiert werden: Präsenzzeiten von Ärz- tinnen und Ärzten in Schule und Kindergarten, sozi- alpsychiatrische Verbünde, aufsuchende Versorgung Unterprivilegierter (Obdachloser, Alleinerziehender, alter und psychisch kranker Menschen).

>Die Krankenkassen, die Projekte zur Förderung der Gesundheit unterprivilegierter Patientengrup- pen unterstützen oder ins Leben rufen (z. B. Netz- werke zwischen Hausärzten, Pflegediensten, Sozial- arbeit, Familienhebammen und Ehrenamtlichen), er- halten Gelder aus dem Risikostrukturausgleich.

>Krankenkassen und Gemeinden zahlen Ho- norarzuschläge und Unterstützungszahlungen bei Niederlassung von Ärzten in unterprivilegierten Regionen.

>Wie zum Beispiel in Großbritannien leisten Krankenkassen Bonuszahlungen außerhalb der Ge- samtvergütung an Ärzte, die sozial benachteiligte Patientinnen und Patienten an Präventionsmaßnah- men heranführen. Aufsuchende Betreuung durch Ärzte bei einer unterprivilegierten Patientenklientel, die von sich aus in zu geringem Maß ärztliche Ver- sorgung in Anspruch nimmt, wird mit weiteren Bo- nuszahlungen außerhalb der Gesamtvergütung an primärärztlich tätige Ärztinnen und Ärzte honoriert.

>Sozialpsychiatrische Dienste werden auf- und ausgebaut, ambulante psychiatrische Pflege wird nach dem Abschluss des bundesweiten Modell- versuches von den Krankenkassen als Regel- leistung übernommen.

>Die Gesundheitspolitik streicht sämtliche Zu- zahlungen und die Praxisgebühr für Wohnungslose und Heimpatienten. Zuzahlungen von Kindern für Medikamente sind erst ab dem 18. Lebensjahr (an- stelle ab dem zwölften Lebensjahr) zu leisten. )

300 000 Bürger ohne Krankenversicherung

Der Deutsche Ärztetag fordert das Bundesministeri- um für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) auf, in Zusammenarbeit mit den Krankenkassen und der Bundesagentur für Arbeit dringend dafür zu sor- gen, dass besonders auch bedürftige Menschen aus- reichend krankenversichert sind.

Begründung

Nach Schätzung ist die Zahl der Bürgerinnen und Bürger ohne Krankenversicherung von 188 000 von vor zwei Jahren auf 300 000 angestiegen.

Viele Betroffene sind offenbar durch ihre Lebens- weise oder intellektuelle Situation nicht in der Lage, die geforderten Unterlagen vollständig und in zeit-

lich notwendigem Rahmen einzureichen. Vor allem Arbeitslose, die nach Einführung der Arbeitsmarkt- reform Hartz IV den Anspruch auf Arbeitslosengeld II und somit den Krankenversicherungsschutz einbüß- ten, sind von den Regelungen betroffen. Schon ein einziger Krankenhausaufenthalt kann für den Be- troffenen den finanziellen Ruin bedeuten. )

Nicht-Krankenversicherte

Der 108. Deutsche Ärztetag fordert die Bundesregie- rung auf, durch Änderungen der Sozialgesetzge- bung darauf hinzuwirken, dass die Zahl der Nicht- Krankenversicherten nicht weiter ansteigt, sondern reduziert wird.

Begründung

Die Zahl der Nicht-Krankenversicherten in Deutsch- land steigt bedrohlich an. Dabei handelt es sich um sehr unterschiedliche Personenkreise: Gescheiterte Selbstständige, die vorher privat versichert waren und die trotz wirtschaftlicher Probleme mit ihren Familien nun von den gesetzlichen Kassen nicht mehr aufgenommen werden. Kleinunternehmer, die sich zum Beispiel aufgrund schwieriger wirt- schaftlicher Verhältnisse gezwungen sehen, das Ri- siko einer fehlenden Krankenversicherung einzuge- hen. Neu hinzugekommen sind Arbeitslose, die ihre GKV-Mitgliedschaft verloren haben und sich aktiv um eine eigene oder gegebenenfalls um eine Mit- versicherung kümmern müssen.

Aus den USA, wo inzwischen der Nichtversicher- tenanteil auf 20 Millionen Beschäftigte angestie- gen sein soll (Reuters 28. 4. 2005), weiß man, dass der fehlende Krankenversicherungsschutz darin mündet, dass die Betroffenen Krankheiten tenden- ziell zu spät oder gar nicht medizinisch behandeln lassen. Im Fall einer eventuell aufwendigen Be- handlung resultiert für den Betroffenen eine exi- stenzielle Bedrohung oder das finanzielle Risiko wird auf die Leistungserbringer übertragen. )

Medizinische Behandlung von Menschen in Armut ohne legalen Aufenthaltsstatus

Die medizinische Behandlung von Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus in Deutschland entspricht nicht den erforderlichen medizinischen Standards und wird durch gesetzliche Regelungen behindert.

Der 108. Deutsche Ärztetag fordert deshalb, die politisch Verantwortlichen auf, die medizinische Be- handlung von in Deutschland lebenden Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus zu gewährleisten.

Folgendes ist dabei vordringlich:

>Rechtssicherheit für Ärzte und medizinisches Personal, die Menschen ohne legalen Aufenthalts- status medizinisch betreuen. Es muss klargestellt werden, dass ärztliche Hilfe nicht die Tatbestands- merkmale der Beihilfe für illegalen Aufenthalt er- füllen. Die Gleichsetzung von Ärzten mit zum Bei- spiel Schleppern, Schleusern und Menschenhänd-

lern, wie aus § 96 AufenthG gefolgert werden kann, ist nicht akzeptabel.

>Aufhebung der „Übermittlungspflicht“ für öf- fentliche Krankenhäuser an die Ausländerbehörden.

Die Übermittlung von Daten gemäß § 87 Auf- enthG hat in der Regel die Abschiebung zur Folge.

Die Verpflichtung zur ärztlichen Verschwiegenheit wird damit unterlaufen. Oft wird eine lebensnot- wendige stationäre Behandlung aus Angst vor Ab- schiebung vermieden.

>Kostenregelung für die Behandlung von Men- schen ohne Papiere.

Die bisher übliche Praxis, die auf der kostenlosen Hilfe einzelner Ärztinnen und Ärzte oder von Kran- kenhäusern beruht, ist nicht ausreichend und auf Dauer finanziell nicht durchführbar. Eine Kosten- übernahme durch die Sozialämter, die dann aber die Abschiebung zur Folge hat, ist keine realistische Lö- sung. Es ist vielmehr eine staatliche Aufgabe, allen hier lebenden Menschen eine angemessene medizi- nische Versorgung zu ermöglichen.

Begründung

Der vorgelegte Entschließungsantrag dient den In- teressen der Ärztinnen und Ärzte, die in die Be- handlung von Menschen ohne legalen Aufent- haltsstatus eingebunden sind und diesen Men- schen. Die Resolution wurde am 20. 4. 2005 auf Vorschlag des Menschenrechtsausschusses der Ärztekammer Berlin ohne Gegenstimmen von der Delegiertenversammlung der Ärztekammer Berlin

beschlossen. )

Kinderarmut

Der 108. Deutsche Ärztetag stellt mit großer Sorge fest, dass immer mehr Kinder von Armut betroffen sind.

Damit ist ihr Risiko zu erkranken deutlich erhöht – zudem werden sie vom (Regel-)Versorgungssy- stem häufig nicht erreicht.

Um ihnen eine gesunde Entwicklung zu ermögli- chen, ist eine frühzeitige Intervention erforderlich.

In Zusammenarbeit von öffentlichem Gesund- heitsdienst und Vertragsärzten muss sichergestellt sein, dass alle Kinder vorAufnahme in die Schule die Chance haben, eine adäquate Vorsorge, Förderung und (gegebenenfalls) Therapie zu erhalten.

Um diese Vorsorge und Therapie sicherzustellen, sind entsprechende kinder- und jugendärztliche Ressourcen im öffentlichen Gesundheitsdienst und in der vertragsärztlichen Versorgung zu erhalten be- ziehungsweise neu zu schaffen. )

Armut nimmt Kindern Zukunftschancen

Besonders schlimm sind Armut und Armutsfolgen für Kinder.

Störungen in ihrer Entwicklung durch Armut führen zu Benachteiligungen. Diese setzen die Le- benschancen dieser Kinder herab. Die Zukunfts-

Deutsches ÄrzteblattJg. 102Heft 1913. Mai 2005 AA1377

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A1378 Deutsches ÄrzteblattJg. 102Heft 1913. Mai 2005

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chancen unserer Kinder bestimmen die Zukunft unseres Landes.

Armutsprävention für Kinder muss bei den Eltern beginnen. Familienplanung, Schwangerschaft der Mutter, die Geburt und das weitere Leben als Kind und Jugendlicher erfordern in der Armutssituation Hilfe. Diese gilt für die aktuelle Lebenssituation und die Entwicklungsmöglichkeiten, um die Zukunfts- chancen der Kinder zu verbessern.

Armut nimmt Kindern Zukunftschancen. )

Armut und Jugendmedizin

Der 108. Deutsche Ärztetag fordert die Bundesregie- rung und die Landesregierungen nachdrücklich auf, ihre Gesundheits- und Sozialpolitik wesentlich stär- ker an den Bedürfnissen von Kindern und Jugendli- chen zu orientieren. Dazu gehören insbesondere:

>Die grundsätzliche Kostenfreiheit für alle me- dizinisch notwendigen Leistungen für Kinder und Jugendliche, auch die Kostenübernahme für Over- The-Counter(OTC)-Präparate mit nachgewiesener Wirkung.

>Die Übernahme der Kosten für alle von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlenen Standardimpfungen durch die Gesetzliche Kranken- versicherung (Pflichtleistung der GKV).

>Die Beibehaltung und Stärkung des jugend- medizinischen Dienstes im öffentlichen Gesund- heitsdienst (Reihenuntersuchungen, aufsuchende Gesundheitsfürsorge, gesundheitliche Beratung und Betreuung von Kindertageseinrichtungen und Schulen).

>Die frühzeitige Prävention von abhängigem Verhalten sowie angemessene Behandlung Sucht- kranker und Hilfe zur Schadensminderung bei chro- nisch Abhängigen.

>Die angemessene Berücksichtigung migran- tenspezifischer Bedürfnisse.

>Die Sicherung der Arzneimittelversorgung von Kindern und Jugendlichen durch entsprechende Be- stimmungen im Arzneimittelgesetz.

>Das Vorhalten einer qualifizierten Versorgung von Kindern und Jugendlichen im ambulanten wie stationären Bereich.

>Die besondere Berücksichtigung von Kindern und Jugendlichen aus unterprivilegierten Familien bei der Umsetzung des Präventionsgesetzes.

Begründung

Nach Angaben von UNICEF leben 10,2 Prozent aller Kinder und Jugendlichen in Deutschland in relativer Armut: Deren Familien haben ein Einkommen, das niedriger ist als die Hälfte des nationalen Durch- schnittseinkommens. Betroffen sind also circa 1,5 Millionen Kinder und Jugendliche. Die Zahlen sind in den letzten zehn Jahren in Deutschland im Vergleich zu anderen Industrienationen überdurchschnittlich gestiegen. Die Sozialausgaben für Kinder und Ju- gendliche sind in diesem Zeitraum gesunken.

Die in den §§ 24 und 26 der UN-Kinderrechts- konvention vom 26. 1. 1990 beschriebenen Rechte von Kindern werden in der Bundesrepublik Deutsch- land nur unzureichend gewährleistet. )

Entschließungen zum Tagesordnungspunkt V

(Muster-)Weiterbildungsordnung

Facharzt-Bezeichnung „Plastische und Ästhetische Chirurgie“

Der 108. Deutsche Ärztetag beschließt, die Fach- arzt-Bezeichnung „Plastische Chirurgie“ um den adjektivischen Zusatz „Ästhetische“ zu ergänzen, sodass die neue Bezeichnung in der (Muster-)Wei- terbildungsordnung lautet:

>„Facharzt/Fachärztin für Plastische und Ästhetische Chirurgie“ (Plastischer und Ästhe- tischer Chirurg/Plastische und Ästhetische Chir- urgin).

Die Landesärztekammern werden gebeten, diese Bezeichnung in die Weiterbildungsordnungen der

Länder aufzunehmen. )

Entschließungen zum Tagesordnungspunkt VI

Transparenz für Patienten/

Rechtssicherheit für Ärzte – Modernisierung der GOÄ

GOÄ-Reform muss wieder Rechtssicherheit und Transparenz für Patient und Arzt schaffen

Der 108. Deutsche Ärztetag protestiert gegen das weitere Verschleppen der unbedingt not- wendigen GOÄ-Reform. Trotz politischer Zusa- gen und erkanntem Reformbedarf bewegt sich nichts. Die Bundesregierung muss endlich ihren Worten auch Taten folgen lassen und die politi- sche Verantwortung für eine Modernisierung der privatärztlichen Vergütungsordnung wahrneh- men. Patient und Arzt erwarten zu Recht von den politisch Verantwortlichen, dass sie Sorge dafür tragen, klare, eindeutige Abrechnungsregeln im Sinne eines funktionsfähigen Verbraucher- schutzes sowie einen verlässlichen Maßstab für eine angemessene Vergütung ärztlicher Leistun- gen mit einer transparenten Abbildung der mo- dernen Medizin vorzugeben.

Stattdessen wird ihnen zugemutet, Untersu- chungs- und Behandlungsmethoden der moder- nen Medizin des Jahres 2005 auf der Grundlage eines Gebührenverzeichnisses des Jahres 1978 abrechnen zu müssen. Im Zeitraum von 27 Jah- ren hat sich die Medizin rasant fortentwickelt;

das dramatisch veraltete Gebührenverzeichnis der GOÄ gilt aber immer noch überwiegend als verbindliche Abrechnungsgrundlage. Die bisher sporadische und unsystematische Weiterent- wicklung der GOÄ, zuletzt mit einer Teilnovelle 1996, hat ein in sich widersprüchliches, mit strukturellen und inhaltlichen Mängeln behafte- tes Vergütungswerk zur Folge; Anwendungs- schwierigkeiten, Fehlinterpretationen häufen sich. Diese Rechtsunsicherheit verursacht wach- sende Konflikte und Rechtsstreite, die das Ver-

trauensverhältnis zwischen Arzt und Patient be- lasten. Sie erzeugen ein Übermaß an Bürokratie, machen einen Ausbau des Prüf- und Gutachter- wesens bei Kammern, privaten Krankenversiche- rungen und Beihilfestellen erforderlich und ge- fährden damit auch die Finanzierbarkeit und die Attraktivität des Systems.

Die zahlreichen Initiativen der Ärzteschaft, die GOÄ-Reform zur forcieren, begonnen bei Konzepten für die operativen Abschnitte im Jah- re 1990 über die vielen Entschließungen Deut- scher Ärztetage, die Verhandlungen im zuständi- gen Bundesministerium für Gesundheit und So- ziale Sicherung bis hin zum Konzept zur Umset- zung des Vorschlagsmodells und zu den aktuel- len GOÄ-Reform-Eckpunkten haben bislang den Verordnungsgeber nicht zum Handeln bewegt.

Die Schadensbegrenzung durch Abrechnungs- empfehlungen des 1998 eingerichteten Zentra- len Konsultationsausschusses für Gebührenord- nungsfragen bei der Bundesärztekammer und des Ausschusses Gebührenordnung der Bundes- ärztekammer muss sich im Rahmen des beste- henden, unzulänglichen Gebührenwerks bewe- gen und ersetzt daher nicht die dringlich not- wendige GOÄ-Reform durch die Bundesregie- rung.

Die Vergütungsreform muss ferner endlich, 15 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung, gleiche Vergütungsbedingungen für Ärzte in Ost und West schaffen und den diskriminierenden, nur noch Ärzte und Gesundheitsberufe belastenden zehnprozentigen Ostabschlag beseitigen.

Das Reformkonzept der Ärzteschaft zur Moder- nisierung der GOÄ liegt vor. Dieses trägt wesent- lich dazu bei, dass erneut die Stärken der amtli- chen Gebührentaxe – Transparenz, klare Abrech- nungsregeln und damit Verbraucherschutz und Rechtssicherheit für Patient und Arzt, Förderung

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