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Archiv "Mobbing im Krankenhaus: Stich ins Wespennest" (04.05.2001)

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it dem Titelaufsatz „Mobbing im Krankenhaus: Mit Bauchschmer- zen zum Dienst“ (Heft 12/2001) hat das DÄ vielen Ärzten aus der Seele gesprochen. Dies belegen die zahlrei- chen positiven Kommentare: „Einer der hervorragendsten Artikel der letzten Zeit . . .“ und „Vielen Dank für Ihr starkes journalistisches Engagement in dieser wichtigen Angelegenheit“, schreibt zum

Beispiel ein Arzt aus Bonn*. „Es wurde Zeit, dass diese Missstände einmal beim Namen genannt werden“, ergänzt ein Allgemeinarzt aus Kirchhain. „Es ist al- les viel schlimmer!“ meint ein anderer Arzt. „Ich bin davon überzeugt, dass Tausenden von Krankenhausärzten ver- gleichbares Mobbing/Missbrauch wider- fahren ist“, schreibt ein Bielefelder Inter- nist. Ein Kollege begrüßt es, dass andere Medien die Problematik aufgegriffen ha- ben: „Das einstige Stiefkind der Standes- presse ist nicht mehr nur das Thema Nummer eins im konspirativen stillen Eckchen, sondern mehr und mehr zen- trales Thema der öffentlichen Diskussi- on. Der Mobbingartikel im DÄ war hof- fentlich nicht der letzte Vorstoß in diese Richtung.“

Auf eine relativ neue Art der Aus- beutung – „die mit großem Erfolg prak- tiziert wird“ – machen zwei Ärzte auf- merksam. So würden immer öfter moti- vierten Mitarbeitern – häufig auch schriftlich – Vertragsverlängerungen versprochen, verbunden mit der Forde- rung, „maximalen“ Einsatz zu erbrin- gen, gemessen an Drittmitteleinwer- bung, Publikationen und Übernahme vielfältiger Funktionen. Wenn diese dann erbracht wurden, werden die Mit- arbeiter, die sich auf die Zusage verlas- sen, bis kurz vor Vertragsende hinge- halten und erhalten die Entlassungspa- piere dann direkt vor Feiertagen per Post zugestellt. „Der Mohr hat seine Pflicht getan, der Mohr kann gehen“, kommentiert ein Arzt. „Wenn mit den Ärzten in der Weiterbildung nur Ein- jahresverträge geschlossen werden, und diese jeweils nur um ein Jahr ver- längert werden, obwohl der Chefarzt zur vollen Weiterbildungszeit lizenziert ist, entsteht eine Abhängigkeit, der der Assistenzarzt wie ein Leibeigener aus- gesetzt ist“, meint ein anderer.

Ein Arzt aus Bonn berichtete von ei- ner seiner Ansicht nach in vielen Kran- kenhäusern „gepflegten“ neuen Art von Mobbing, nämlich die Praxis, von den Stationsärzten durch Mehrarbeit kompensierte Mangelsituationen dau- erhaft zu installieren und zum Normal- zustand umzuwidmen. „Klassisches Beispiel, dessen unmittelbar betroffe- ner Zeitzeuge ich mal wieder werden darf: Über etliche Monate wurde der Arbeitsausfall einer länger erkrankten Kollegin durch erhebliche Mehrbela- stung ausgebügelt, um jetzt zu erfahren, dass diese Stelle völlig gestrichen wer- den soll.“ Das erhebliche zusätzliche Engagement der Kollegen werde hier- durch geradezu verhöhnt, zudem habe das Krankenhaus in den sechs Wochen immense Lohnkosten gespart.

Mehrere Ärzte gehen in ihren Leser- briefen der Frage nach, warum das Mobbing ausgerechnet unter den Ärz- ten so verbreitet zu sein scheint – „ei- gentlich müssten diese die negativen Folgen doch am besten abschätzen können“. Ein Wuppertaler Arzt schreibt:

„Das Streben nach Macht und Po- sition innerhalb einer Gruppe ist (sei diese beruflicher oder privater Natur) leider ein Teil der menschlichen Exi- stenz. Mit diesem Wissen ausgestattet müsste man jedoch meinen, dass es zu- mindest Ärzten gelingen würde, im Umgang miteinander und im Sinne der Prävention geeignete Strukturen zu schaffen, um die zum Teil erheblichen menschlichen und finanziellen Schäden dieses Verhaltens abzuwenden.“ Doch genau das Gegenteil sei der Fall. Das Dasein im Krankenhaus sei geprägt von strenger Hierarchie, bei der Kontrollin- stanzen oder Gewaltenteilung in der Regel fehlten.

Nicht alles ist Mobbing

Allerdings ist auch nicht „überall Mob- bing drin, wo Mobbing draufsteht“ – ein Aspekt, der im Titelaufsatz von Heft 12 bewusst nur tangiert wurde. „Ich habe es mehr als einmal erlebt, dass Ärzte die zu keinerlei Kritik oder Selbstkritik fähig waren, jegliche Kritik als Mob- bing abgetan haben“, schreibt beispiels- weise der ärztliche Direktor eines Lehr- krankenhauses. Ein Arzt aus Dresden nennt drei Beispiele, in denen Mitarbei- ter von Mobbing sprachen, er selbst dies aber anders sieht:

❃ „Eine intrigante ältere Oberärztin verliert mit dem in Rente gehenden Chef den Rückhalt für ihre Bosheiten. Der neue Chef ist um Sachlichkeit und Fair- ness allen Kollegen gegenüber bemüht.

Sie fühlt sich in ihren gewachsenen Rech- T H E M E N D E R Z E I T

A

A1170 Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 18½½4. Mai 2001

Mobbing im Krankenhaus

Stich ins Wespennest

Viele Ärztinnen und Ärzte leiden unter einem schlechten Arbeitsklima.

Dies belegt die außergewöhnlich große Resonanz auf einen DÄ-Artikel.

* Die Namen der zitierten Ärzte sind dem DÄ bekannt.

Die Redaktion bleibt aber ihrer Linie treu und veröffent- licht die Stellungnahmen zum Thema Mobbing anonym.

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ten beschnitten, opponiert, wird gerügt und behauptet nun, sie würde gemobbt.“

❃ „Ein junger Kollege ist langsam, kann Wichtiges nicht vom Unwichtigen unterscheiden und gewinnt nicht den richtigen Kontakt zu den Schwestern.

Ein anderer, besser geeigneter Kollege wird ihm vorgezogen. Er sieht das als Mobbing.“

❃ „Eine Fachärztin kommt neu in die Klinik mit der Option, Oberärztin zu werden. Zum anvisierten Zeitpunkt wird sie es nicht. Unter anderem, weil ein Krankenschein erst nach Ende der Erkrankung eintrifft und zuvor auch keine telefonische Benachrichtigung erfolgte (das sei an ihrer vorherigen Arbeitsstelle nicht üblich gewesen).

Außerdem gibt es mehrere fachliche Differenzen mit dem Chefarzt bis hin zu einer gravierenden Fehldiagnose.

Die Verschiebung des Zeitpunktes der Oberarzt-Ernennung sieht sie – auch im Zusammenhang damit, dass sie mit den neuen Kollegen nicht richtig warm ge- worden ist – als Mobbing der Neuen ge- genüber an.“

„Was kann man auf diese Behaup- tungen, gemobbt zu werden, entgeg- nen?“ fragt der Arzt – wohl zu Recht.

Auf Spurensuche, warum das Mob- bing gerade in Krankenhäusern so ver- breitet ist, geht der ärztlicher Direktor eines akademischen Lehrkrankenhau- ses. Dass ausgerechnet dort, wo hohe kommunikative Kompetenz zu fordern ist – im Krankenhaus –, erhebliche zwi- schenmenschliche Probleme an der Ta- gesordnung seien und ständiges Kri- senmanagement gefordert sei, überra- sche Kenner menschlichen Sozialverhal- tens nicht. „Das Problem wird schon bei den rein technisch angesiedelten Ein- gangskriterien für das medizinische Stu- dium platziert: Solange nicht in Rech- nung gestellt wird, dass der Ehrgeiz, Me- dizin zu studieren und als Arzt in vorge-

setzte Funktion zu gelangen, Ausdruck persönlichen Führungswillensund nicht unbedingt Zeichen geistiger Reife oder hoher Führungskompetenz sind, wird sich wenig ändern.“ Erst wenn soziale Kompetenz im gleichen Maße wie fach- liches Renommee gefordert werde und dies auch als Messlatte für die Besetzung von Vorgesetztenfunktionen angelegt werde, sei eine gewisse Änderung mög- lich. „Mit Sicherheit ist eine Schulung in Kommunikation und Selbsterkenntnis vor Übernahme einer vorgesetzten Posi- tion unabdingbar. Schon im Studium müssten Tutorials die Probleme, Gesetz- mäßigkeiten und Entwicklungsmöglich- keiten von zwischenmenschlichen Be- ziehungen aufzeigen“, fordert der ärztli- che Direktor. „Mobbing ist Führungs- schwäche des Chefs. Ein Chefarzt und Professor muss soziale Kompetenz ha- ben. Aber hierfür gibt es ja keinen Ti- tel!“ ergänzt ein Arzt.

Einen Schritt weiter geht ein Kollege, der die fachliche Kompetenz vieler Führungskräfte infrage stellt: „Neu ist, dass viele der in der letzten Zeit Berufe- nen das eigene Fach den Assistenten nicht lehren können, weil sie es fachlich nicht können – was selbst für Anfänger offensichtlich wird und die Glaubwür-

digkeit sehr stark kompromittiert.“ Die Personalberatungsfirmen erklärten im- mer, dass vorauszusetzen sei, dass derje- nige, der sich als Flieger bewerbe, auch fliegen könne. Das stimme für viele neu berufene Ordinarien und Chefärzte in den letzten Jahren ganz offensichtlich nicht mehr. Das derzeitige Berufungs- system hinterfrage die fachliche Quali- fikation nicht ausreichend.

Supervision

Ein Koblenzer Sozialmediziner schlägt die Etablierung von „Mental-Health“- Mitarbeitern vor, die als unparteiliche Ansprechpartner an der Konfliktlösung arbeiten und auf Kosten des Arbeitge- bers von professionellen Mental- Health-Beratern fallbezogen supervi- sioniert werden. Diese Praxis habe sich in der amerikanischen Armee bewährt und dürfte auch in deutschen Kliniken und Behörden im Interesse des Betrof- fenen und des Teams sein: „Bereit- schaft zu einem psychiatrischen Ausbil- dungsprogramm mit Vermittlung von Beratungstechniken und Vertrauens- würdigkeit sind Voraussetzungen, wo- bei meines Erachtens nicht nur in kon- fessionellen Einrichtungen Theologen einbezogen werden sollten.“ Abzu- grenzen seien im Einzelfall pathogene Strukturen beim Betroffenen gegen an- tisoziale Verhaltensstörungen einzelner oder mehrerer Mitarbeiter.

Ein anderer Arzt appelliert an seine Kollegen, sich solidarischer zu verhal- ten: „Verhinderung von Ausbeutung und Demotivierung wird nur ermög- licht durch Solidarität der Mitarbeiter untereinander, direkte Inpflichtnahme von Vorgesetzten und Klinikleitung so- wie betriebsökonomisch klangvolle Be- gleitmusik.“ Die arbeitsrechtliche Be- urteilung von über Jahre erfolgten, strukturimmanenten und durch nichts ausgeglichenen Überstunden dürfte seiner Auffassung nach sehr leicht fal- len. „Man kann diesen Auswüchsen nur begegnen, indem man sie in den Medi- en und am Arbeitsplatz publik macht.

Hierdurch kann ein Klima der political correctness geschaffen werden, sodass dem widersprechendes Verhalten sozial nicht mehr akzeptiert wird“, schreibt ein Bielefelder Arzt. Jens Flintrop T H E M E N D E R Z E I T

Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 18½½4. Mai 2001 AA1171

Hippokrates dreht sich im Grabe um

Mehrere Ärzte verweisen auf das Berufsethos: „Die Mobber schei- nen nicht zu wissen, dass sie eine Berufsordnung missachten, einen Versorgungsauftrag gefährden und einen hippokratischen Eid geleistet haben.“

„Meinen Lehrer in dieser (Heil-) Kunst werde ich wie meine Eltern achten, mit ihm den Lebensun- terhalt teilen und ihn, wenn er Not leidet, mit- versorgen. Seine Nachkommen werde ich mei- nen Brüdern gleichstellen und sie, wenn sie es wünschen, in dieser (Heil-)Kunst unterweisen ohne Bezahlung und schriftliche Verpflichtung.

Unterweisung und mündlichen Unterricht und alle übrige Belehrung werde ich meinen Söhnen und denen meines Lehrers erteilen wie auch den Schülern, die nach ärztlichem Grundsatz sich mit der schriftlichen Verpflichtung gebunden und Eid geleistet haben, sonst aber niemanden.“

(Hippokratischer Eid, § 2)

Forum im Internet

Aufgrund der großen Resonanz hat das Deutsche Ärzteblatt ein Inter- net-Forum zum Thema „Mobbing im Krankenhaus“ eingerichtet.

Dieses finden Sie unter der Adresse www.aerzteblatt.de.

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