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Archiv "Die Berliner Charité heute" (29.10.1986)

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DIE REPORTAGE

Die Berliner Charitä heute

Die Charitö: 1710 als Pesthaus vor den Toren der Stadt begrün- det (oben links), war zum Ende des Zweiten Weltkrieges weitge- hend zerstört. Heute zeigt sich das Klinikum in neuem Glanz

Joachim Baumgarten

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

M

an könnte es für relativ be- langlos halten, wenn je- mand, der Einrichtungen des Gesundheitswesens schon in allen fünf Kontinenten besichtigt hat, ein Universitätsklinikum be- sucht, das lediglich fünf Kilometer von seinem Arbeitsplatz entfernt liegt. Wenn es sich bei dem Besu- cher um den Geschäftsführer der Berliner Krankenhausgesellschaft (Berlin-West) und bei dem Univer- sitätsklinikum um die Berliner Charitö (Berlin-Ost) handelt, lie- gen die Dinge allerdings anders.

Die Idee eines solchen Besuches wurde am Rande eines Workshops der Weltgesundheitsorganisation (WHO) geboren. Der 275. Geburts- tag der Berliner Charitö im Jahr 1985, dieser mit der Geschichte des deutschen Krankenhauswe- sens unlösbar verbundenen Insti-

tution, sowie aktuelle Überlegun- gen im Zusammenhang mit der Fortschreibung des Krankenhaus- planes für die Krankenhäuser in Westberlin, speziell für das Univer- sitätsklinikum Charlottenburg, ga- ben weitere Anstöße.

Mit der S-Bahn war ich vom Bahn- hof Zoo zum Bahnhof Friedrich- straße gefahren, der Rest der Strecke war in wenigen Minuten zu Fuß zurückgelegt. Schon von weitem war das alles überragende Bettenhochhaus der Charitö mit seinen über 1000 Betten zu sehen.

Am Eingang empfing mich der Di- rektor für Neubau und Rekon- struktion Bereich Medizin (Chari- tä) der Humboldt-Universität zu Berlin; ein Mediziner übrigens, der als Oberarzt der Universitäts- frauenklinik am selben Morgen schon zwei Stunden im OP-Saal

gestanden hatte. Anhand eines Modells wurden ein guter Über- blick über die Lage der verschie- denen alten und neuen Gebäude und ein kurzer Abriß der Ge- schichte der Medizin, die über vie- le Jahrzehnte in einem Teil dieser Gebäude geschrieben wurde, ver- mittelt.

Gerade auch für jemanden, der erst nach dem Zweiten Weltkrieg geboren wurde, ergaben sich auf diese Weise sehr bedeutsame Ein- blicke. Nach dieser Einführung, die auch die Darstellung des Kon- zepts Neubau und Rekonstruktion der Charitö umfaßte, war ich gerü- stet für eine mehrstündige Besich- tigung verschiedenster Untersu- chungs-, Behandlungs-, Pflege-, Wirtschafts- und Versorgungsbe- reiche. Die Besichtigung reichte vom Einschleusen in OP-Bereiche 3010 (26) Heft 44 vom 29. Oktober 1986 83. Jahrgang Ausgabe A

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Die Berliner Charite

und Intensivstationen bis hin etwa zur Begehung unterirdischer Ver- sorgungsgänge.

Pesthaus vor Berlins Toren

Die Berliner Charite, die 1710 als Pesthaus vor den Toren der Stadt Berlin begründet wurde und deren Geschichte mit so berühmten Ärz- ten wie etwa Hufeland, Virchow, Koch, Bonhoeffer, Sauerbruch, Stöckel oder auch Brugsch — um hier nur einige zu nennen — ver- bunden ist, war zum Ende des Krieges im Jahr 1945 überwiegend zerstört oder doch stark beschä- digt. Nach Jahren notwendiger Sa- nierungs- und Erhaltungsmaßnah- men und auch einzelner Neubau- maßnahmen beschloß die Regie- rung der DDR 1975 den Neubau und die Rekonstruktion der Chari-

Überwachungs- und Schaltplatz vor dem kardiologischen Röntgenarbeits- platz (oben); neonatalogische Intensiv- therapie-Station (unten)

te. Demzufolge soll bis 1990 das größte Investitionsvorhaben im Bereich des Gesundheits- und Hochschulwesens in der DDR rea- lisiert worden sein und sich die Charite, der Bereich Medizin der Humboldt-Universität zu Berlin, als das führende Medizinzentrum in der DDR weiterentwickelt ha- ben.

Neubau und Rekonstruktion

Die zugrundeliegenden Planun- gen waren insbesondere von fol- genden Überlegungen bestimmt:

Hoch technisiert sind die Operationssäle der Charite. Die mit der Geschichte des deutschen Krankenhauswesens unlösbar verbundene Institution soll bis

zum Jahre 1990 zu dem führenden Medizinzentrum der DDR ausgebaut werden

I> Der historische Standort der Institution Charite soll beibehalten und in östlicher Richtung erwei- tert werden.

Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 44 vom 29. Oktober 1986 (27) 3011

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Die Berliner Charitö

1> Die Gebäude sollen weitge- hend erhalten und hinsichtlich der künftigen Anforderungen grund- legend saniert werden.

I> Zur Arrondierung der vorhan- denen Kapazitäten sollen Neubau- ten errichtet werden.

Die Realisierung der kompli- zierten baulichen Maßnahmen am bisherigen Standort soll bis 1990 in drei Baustufen erfolgen.

Auf der Basis dieser Planungs- grundlagen wurden alle operati- ven Disziplinen, die Intensivmedi- zin und die diagnostischen Ein- richtungen in einem monolithi- schen Neubau zusammengefaßt, der integriert wurde in die Ge- samtanlage der Charitä.

Die nichtoperativen Fächer sollen in den Gebäuden konzentriert werden, wobei die alte Bausub- stanz nach und nach grundlegend

Einbett-Zimmer auf der Intensivthera- pie-Station der Charitä. Freundliche At- mosphäre für den Patienten wird auch hier groß geschrieben

im Hinblick auf künftige Anforde- rungen saniert werden soll. Zwi- schen den operativen Kliniken im neuen Bettenhochhaus und den nichtoperativen Kliniken in den al- ten Gebäuden ist der diagnosti- sche Funktionsbereich (Röntgen- diagnostik, Kardiovaskuläre Dia- gnostik, Pathologie, Klinische Bio- chemie, Nuklearmedizin) angesie- delt. An diesen Funktionsbereich ist die zentrale Poliklinik angebun- den. Die theoretisch-experimen- tellen Einrichtungen (Biochemie, Pathobiochemie, Physiologie, Ex- perimentelle Pharmakologie, Toxi- kologie, Biophysik, Hygiene, Transplantologie, Speziallabors für Immunologie und Genetik) sol- len schrittweise in einem Zentrum zusammengefaßt werden, das ebenfalls in sanierten Altbauten

untergebracht werden soll. Insge- samt umfaßt die Charitä 13 Klini- ken, die Sektion Stomatologie (Zahnmedizin) sowie 19 Institute und selbständige Abteilungen (z. B. die Apotheke oder auch die Abteilung für Militärmedizin).

Das neue Bettenhochhaus Das neue 23geschossige Betten- hochhaus beherbergt 30 weitge- hend standardisierte Stationen mit 1050 Patientenbetten, 106 Betten für Intensivmedizin, 26 OP-Säle, 8 Entbindungsplätze, 26 Röntgenar- beitsplätze, 13 nuklearmedizini- sche Arbeitsplätze, 5000 Quadrat- meter Laborfläche sowie For- schungs- und Lehrkapazitäten, Unfallpoliklinik, Zentralsterilisa- tion und eine zentrale Bettenauf- bereitung.

Die 30 Normalpflegestationen sind in 15 Geschossen des Hochhauses untergebracht. Zu jeder Station, die in zwei Pflegegruppen mit je- weils 16 bis 18 Betten aufgeteilt werden können, gehören 32 bis 36 Betten. Jeder Station sind ein Schwesternaufsichtsplatz, ein Pa- tientenbad, eine Teeküche, ein La- gerraum und ein Tagesraum sowie weitere Räume für Ärzte, Schwe- stern und Studenten zugeordnet.

Zu jeder Pflegegruppe gehören je ein Behandlungs- und ein Spül- raum. In der Regel verteilen sich die Betten pro Station wie folgt:

> 6 Zimmer mit vier Betten;

> 4 Zimmer mit zwei Betten;

> 2 Zimmer mit einem Bett.

Alle Zimmer sind mit Sanitärzellen ausgestattet.

Die OP-Säle sind, abgesehen von Spezialeinrichtungen und beson- deren Ausstattungen, die zum Teil nicht nur aus sozialistischen Län- dern, sondern etwa auch aus der Bundesrepublik Deutschland stammen, mit 42 Quadratmeter gleich groß und identisch konzi- piert. Dies ermöglicht im Bedarfs- 3012 (28) Heft 44 vom 29. Oktober 1986 83. Jahrgang Ausgabe A

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Blick in die Zentralsterilisation (Foto oben); zentrale Bettenaufbereitung („Betten- bahnhof", Foto unten) — beides Funktionseinheiten mit perfekter Organisation

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Die Berliner Charitä

fall veränderte fachliche Zuord- nungen.

An der Charitö mit ihren insgesamt über 2100 Betten, die im Jahres- durchschnitt zu etwa 80 Prozent ausgelastet sind, arbeiten rund 5700 Beschäftigte (Stand: Ende 1985). Von den 1400 wissenschaft- lichen Mitarbeitern sind etwa 1000 Ärzte und Zahnärzte.

Die Charitä erbringt nicht nur me- dizinische Betreuungsleistungen - pro Jahr werden mehr als 40 000 stationäre Patienten mit einer durchschnittlichen Verweildauer von 15 Tagen und annähernd eine Million ambulante Behandlungs- fälle versorgt -, sondern als eine von neun medizinischen Hoch-

schuleinrichtungen in der DDR hat sie auch die Aufgabe der Ausbil- dung von über 2500 Hochschul- studenten und der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses, der Weiterbildung sowie der For- schung. Mit fast 25 Prozent des medizinischen Forschungspoten- tiales ist die Charitö die größte me- dizinische Forschungseinrichtung der DDR.

Forschungs- und

Betreuungsschwerpunkte

Forschungsschwerpunkte und Be- treuungsschwerpunkte liegen u. a. in den Bereichen: Transplan- tations- und Implantationsmedi- zin, Stoffwechselerkrankungen,

Nuklearmedizinische Diagnostik, Chronische Niereninsuffizienz, Perinatologie, Onkologie, Gastro- enterologie, Kardiologie, Neurolo- gie und Neurochirurgie.

Als Gesundheitsökonom, der vor seiner zehnjährigen Verbandstä- tigkeit als Geschäftsführer der Berliner Krankenhausgesellschaft selbst einige Jahre in der Leitung eines bundesdeutschen Universi- tätsklinikums tätig war, interes- sierten mich neben gesundheits- politischen, medizinischen, bau- lich-architektonischen und techni- schen, insbesondere auch struktu- relle, funktionale, organisatori- sche und finanzielle Aspekte.

Der Entscheidung für den Neubau und die Rekonstruktion der Chari- tö am alten Standort gingen um- fangreiche städtebauliche Unter- suchungen, darunter auch Überle- gungen für einen Neubau am Ran- de der Stadt voraus. Die Konzep- tion und die Entscheidung für den historischen Standort und den räumlichen funktionalen Verbund von Alt- und Neubauten erscheint überzeugend, wenn auch bis zum Abschluß des Investitionsvorha- bens, der für das Jahr 1990 vorge- sehen ist, noch viele komplizierte technische und zahlreiche organi- satorische Probleme gelöst wer- den müssen.

Für Sanierung, Modernisierung und die Weiterentwicklung beste- hender Krankenhausanlagen - zu- mal bei sehr komplexen Einrich- tungen - könnten die für die Cha- ritö entwickelten bauplanerischen Überlegungen sowie Bau- und Be- triebskonzepte wichtige Perspek- tiven vermitteln. In Zeiten, in de- nen der Schwerpunkt im Kranken- hauswesen künftig weniger im Neubau als vielmehr im Bereich von Um- und Erweiterungsbauten liegen dürfte, erscheint dies auch über Berlin hinaus bedeutsam.

Anschrift des Verfassers:

Dr. rer. pol. Joachim Baumgarten Geschäftsführer der Berliner Krankenhausgesellschaft e. V.

Keithstraße 1-3, 1000 Berlin 30 3014 (30) Heft 44 vom 29. Oktober 1986 83. Jahrgang Ausgabe A

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