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Archiv "Stammzellforschung: Wie man eine Herzinsuffizienz verhindern will" (18.07.2011)

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A 1576 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 108

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Heft 28–29

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18. Juli 2011

STAMMZELLFORSCHUNG

Wie man eine Herzinsuffizienz verhindern will

Unterschiedliche zelltherapeutische Ansätze werden derzeit zur Regeneration des Myokardgewebes nach Herzinfarkt entwickelt.

S

tammzellforschung auf dem Abstellgleis? Fast mag man es annehmen, wenn man die öffent- liche Berichterstattung verfolgt.

Ganz anders schätzt Prof. Dr. med.

Jürgen Hescheler (Klinikum der Universität Köln) die Situation ein:

„Von der Öffentlichkeit ein wenig unbemerkt geht es bei der Stamm- zellforschung gerade sehr schnell voran“, sagte er auf dem 21. Sym- posium für Intensivmedizin und In- tensivpflege in Bremen.

Vor dem Hintergrund vieler „ech- ter“ intensivmedizinischer Themen auf dem Kongress, schien dieser Bereich zunächst ein wenig exo- tisch. Doch Hescheler schlug die Brücke über die – noch hypotheti- sche – klinische Anwendung von Herzmuskelzellen, die aus pluripo- tenten Stammzellen gewonnen wer- den könnten: „Die Kardiomyozyten müssen nach der Transplantation zunächst ausreifen. In dieser Phase muss der Patient engmaschig ver- sorgt werden, die Intensivmedizin sollte also vorbereitet sein.“

Schon seit Jahren wird über die Möglichkeiten einer Stammzellthe- rapie zur Reparatur des geschädig- ten Myokards nach Herzinfarkt dis- kutiert. Hierbei können bis zu eine Milliarde Kardiomyozyten abster- ben. Wenn es gelänge, die Gewebe- regeneration zu fördern, die Nar- benbildung zu minimieren und die Angiogenese im Infarktrandbereich zu stimulieren, könnte einer Ver- minderung der Pumpfunktion und Entwicklung einer Herzinsuffizienz entgegengewirkt werden.

Denn die Sterblichkeit nach Herz- infarkt ist durch ein gutes Funktio- nieren der Rettungskette zwar deut- lich gesunken; gleichzeitig hat die Inzidenz der Herzinsuffizienz aber

deutlich zugenommen, da immer mehr Patienten mit großem Infarkt überleben. „Wir haben gute Thera- pieoptionen für die initiale Phase nach Infarkt, jedoch bislang keine spezifische Therapie, um die Hei- lungsphase zu unterstützen“, sagte Prof. Dr. med. Kai Wollert (Medi - zinische Hochschule Hannover/

MHH).

Nicht alle Studien beobachten Steigerung der Pumpleistung

Mehrere klinische Studien haben untersucht, ob sich eine Applika - tion von Knochenmarkzellen nach Herzinfarkt günstig auf den Hei- lungsprozess auswirkt. Hierfür wer- den dem Patienten Knochenmark- zellen – darunter befinden sich adulte Stamm- und Progenitor-Zell- populationen, aber auch ausdif - ferenzierte Knochenmarkzellen – über die Koronararterien verab- reicht. Die an der MHH vor acht Jahren gestartete und inzwischen abgeschlossene BOOST-Studie an

60 Patienten überprüfte die Herz- funktion mittels Magnetresonanzto- mographie sechs , 18 und 61 Monate nach dem Zelltransfer. „Nach sechs Monaten hatte sich die linksventri- kuläre Ejektionsfraktion (LVEF) der Behandelten im Vergleich zu den Kontrollpatienten um sechs Prozent verbessert. 18 und 61 Monate nach einmaliger Zellgabe waren die Ef- fekte allerdings statistisch nicht mehr signifikant“, sagte Wollert.

Auch andere – aber nicht alle Studien der letzten Jahre – beobach- teten vier bis sechs Monate nach Knochenmarkzellgabe eine Steige- rung der Pumpleistung, wobei Pa- tienten mit stark eingeschränkter LVEF offenbar am meisten profi- tierten (1). Die unterschiedlichen Ergebnisse kämen möglicherweise durch abweichende Studienproto- kolle zustande, erklärte Wollert.

Es sei nicht unerheblich für den Ausgang einer Studie, wie die Kno- chenmarkzellen isoliert und welche Patienten ausgewählt würden. Ak- tuell laufen international mehrere Studien zu dieser Frage; an der MHH wird in Zusammenarbeit mit zehn deutschen Zentren im Rahmen der BOOST-2-Studie getestet, wel- chen Einfluss verschiedene Zeit- punkte, Verabreichungswege und verschiedene Zelltypen auf den Er- folg der Therapie haben.

Natürlich stellt sich die Frage nach dem Mechanismus der beob- achteten Effekte. „Wir wissen in- zwischen, dass manche der transfe- rierten Knochenmarkzellen im Herz- gewebe zurückgehalten werden“, sagte Wollert. „Allerdings wandeln sich die Zellen dort nicht in Kar - diomyozyten um, sondern ver- schwinden nach einiger Zeit wie- der.“ Deswegen verfolgt das MHH- Die Therapie mit

Stammzellen ver- folgt das Konzept, verlorengegange- nes Myokard zu re- generieren und un- terscheidet sich hierdurch grundle- gend von allen bis- herigen Therapie- verfahren bei Herz- insuffizienz.

Foto: mauritius images

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18. Juli 2011 Team inzwischen eine andere Hy-

pothese: „Möglicherweise brau- chen wir die Zellen nicht in dieser Form, denn für den therapeutischen Effekt sind vielmehr Wachstums- faktoren verantwortlich, die die transplantierten Zellen freisetzen“, berichtete Wollert. Knochenmark- zellen fungierten dabei gleichsam als „Zytokinfabriken“, die einen gan- zen Cocktail an Signalstoffen und Wachstumsfaktoren ins Infarktge- biet hineintrügen.

Ein Wachstumsfaktor aus der Embryonalzeit

Mit Hilfe von Mikroarrayanalysen charakterisierten die Forscher das Sekretom der Knochenmarkzellen, das sich quantitativ deutlich etwa von demjenigen der Blutleukozyten unterscheidet (2). Sezerniert wer- den unter anderem Faktoren mit proangiogenetischer Wirkung. Ak- tuell konzentriert sich Wollerts Team hier auf den „Fibroblast growth factor 9“ (FGF9). Dieser Faktor fördert die Gefäßbildung im Herzen während der Embryonalent- wicklung, ist im adulten Herzen aber kaum vorhanden. „Die Kno- chenmarkzelltherapie bringt also ei- nen Wachstumsfaktor aus der Em- bryonalzeit ins infarktgeschädigte Herz ein“, sagte Wollert.

In einem transgenen Mausmo- dell, in dem die Expression des FGF9 im adulten Herzmuskel wie- der „angeschaltet“ werden kann, stimulierte der Wachstumsfaktor die Angiogenese und verringerte die Fibrose im Myokard nach Herz- infarkt (3). Dadurch nahm bei den Mäusen die linksventrikuläre Funk- tion zu und ihre Sterblichkeit ab.

„Diese Beobachtungen belegen, wie durch einen einzigen sezernierten Faktor Heilungsprozesse stimuliert und Komplikationen nach Infarkt dramatisch reduziert werden könn- ten“, sagte Wollert.

Eine Applikation dieses (und an- derer) parakriner Faktoren hätte potenzielle Vorteile gegenüber ei- ner Zelltherapie. Wachstumsfaktoren könnten industriell produziert und nichtinvasiv appliziert werden. Die aufwendige Gewinnung von Kno- chenmarkzellen würde entfallen. Zy- tokincocktails könnten zudem im

Gegensatz zur Knochenmarkzell- therapie patentiert werden und so auf ein größeres Interesse bei der Industrie stoßen, so Wollert.

Im Gegensatz dazu geht es für Hescheler ohne Zellen überhaupt nicht. Der Kölner Stammzellfor- scher ist überzeugt davon, mit Hilfe von pluripotenten Stammzellen nicht nur zur Regeneration des geschä- digten Herzmuskels beitragen zu können: „Es gibt unzählige Einsatz- möglichkeiten für diese Stammzel- len.“ Bereits 1991 hatte Hescheler zusammen mit anderen Forschern gezeigt, dass pluripotente embryo- nale Stammzellen der Maus unter bestimmten Kulturbedingungen zu funktionellen Kardiomyozyten aus- differenzieren (4).

Doch nicht nur die ethischen Be- denken sind ein großes Hindernis dafür, dass aus humanen embryona- len Stammzellen gezüchtetes „Re- paraturgewebe“ zum klinischen Einsatz kommt. Auch gibt es bisher keine Strategien, um die Absto- ßungsreaktion, die der Körper na- türlich auch gegen dieses fremde Gewebe einleitet, zu verhindern.

Ein Ausweg könnte eine vor fünf Jahren vom japanischen Arzt und Stammzellforscher Shin`ya Yama- naka entwickelte Technik sein:

durch die Zugabe sogenannter Re- programmierungsfaktoren wandeln sich im Labor bereits ausdifferen- zierte Körperzellen in pluripotente Stammzellen um. Diese „induzier- ten pluripotenten Stammzellen“, kurz iPS, können bei Bedarf etwa aus Hautzellen eines jeden Men- schen gewonnen werden.

Inzwischen werden für die Rück- verwandlung der ausdifferenzierten Körperzellen auch nicht mehr unbe- dingt Viren als Genfähren benötigt, wie es anfangs der Fall war. Allein durch die Zugabe eines Protein- cocktails wird ein Umschalten ge- wisser Gene in der ausdifferenzier- ten Körperzelle ausgelöst und die gewünschten Stammzellqualitäten erzeugt.

Aktuell wird unter Wissenschaft- lern jedoch angezweifelt, ob die iPS und die embryonalen Stammzellen sowie das aus ihnen hergestellte Gewebe qualitativ überhaupt ver- gleichbar sind. Prof. Dr. rer. nat.

Hans Schöler vom Max-Planck-In- stitut für molekulare Biomedizin in Münster etwa gibt sich skeptisch.

Zur Transplantation würde er die iPS beziehungsweise deren Ab- kömmlinge vorerst nicht einsetzen.

Auch Heschelers Team prüft die Eignung der iPS. Die Kölner For- scher haben untersucht, ob sich Kardiomyozyten, die im Labor aus iPS gewonnen wurden, von Herz- muskelzellen unterscheiden, die aus embryonalen Stammzellen ent- standen sind (5). Das von beiden Zelltypen angelegte Expressions- profil von etwa 40 000 Genen, zeigte eine deutliche Anreicherung kardiospezifischer Transkripte. Un- terschiede gab es bei der Expressi- on von 1,9 Prozent der abgelesenen Gene. „Wir müssen nun schauen, ob diese Unterschiede physiologi- sche Konsequenzen haben“, sagte Hescheler. Ob also die Funktions- fähigkeit des im Labor aus iPS ge- züchteten Reparaturgewebes ein- schränkt ist, werde sich zeigen müssen.

Zugabe von Fibroblasten wird im Mausmodell getestet

Dennoch glaubt Hescheler an einen baldigen klinischen Einsatz: „In vier, fünf Jahren, wird es erste The- rapien geben.“ Bevor es soweit ist, gilt es jedoch noch eine weitere Hürde zu nehmen. Unklar ist bisher, wie man das im Labor gezüchtete Ersatzgewebe am besten dorthin bekommt, wo es benötigt wird – et- wa in das durch den Infarkt versehr- te Gewebeareal im Herzen.

Ideal wäre es, wenn die Zellen einfach in den Blutkreislauf gege- ben und diese über ein „Homing“

ganz allein ihren Zielort finden würden, sagte Hescheler. Auch eine Verabreichung über die Koronarien ist denkbar. Allerdings geht der Kölner davon aus, dass man die Herzzellen künftig nicht allein wird transplantieren können. Möglicher- weise wird eine Zugabe von Fibro- blasten den Einbau in das geschä- digte Myokard begünstigen. Aktuell testet Heschelers Team das Verfah- ren am Mausmodell. ■ Dr. rer. nat. Ulrike Gebhardt

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Literatur im Internet:

www.aerzteblatt.de/lit2811

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LITERATIRVERZEICHNIS HEFT 28–29/2011, ZU:

STAMMZELLFORSCHUNG

Wie man eine Herzinsuffizienz verhindern will

Unterschiedliche zelltherapeutische Ansätze werden derzeit zur Regeneration des Myokardgewebes nach Herzinfarkt entwickelt.

LITERATUR

1. Wollert KC, Drexler H: Cell therapy fort he treatment of coronary heart disease: a criti- cal appraisal. Nat Rev Cardiol 2010; 7:

204–15.

2. Korf-Klingebiel M, et al.: Bone marrow cells are a rich source of growth factors and cy- tokines: implications for cell therapy trials after myocardial infarction. Eur Heart J 2008; 29(23): 2851–8.

3. Korf-Klingebiel M, et al.: Conditional trans- genic expression of fibroblast growth factor 9 in the adult mouse heart reduces heart failure mortality after myocardial infarction.

Circulation 2011; 123: 504–14.

4. Wobus AM, et al.: Pluripotent mouse em- bryonic stem cells are able to differentiate into cardiomyocytes expressing chronotro- pic responses to adrenergic and cholinergic agents and Ca2+ channel blockers. Diffe- rentiation 1991; 48: 173–82.

5. Gupta MK, et al.: Global transcriptional pro- files of beating clusters derived from hu- man induced pluripotent stem cells and embryonic stem cells are highly similar.

BMC Developmental Biology 2010; 10: 98.

Referenzen

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