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Vier Monate saßwilhelm der Zweite auf dem Thron; da sagte er zu

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Berlin, den Zo. August 1902.

fJ sks ff

Die

Feinde

des

Kaisers-.

Vier

s hauptstädtischenMonate saßWilhelmAbgeordneten,derZweite aufdieihmeindemkostbares Geschenkanboten,Thron;dasagteerzu feinUn willeseiimhöchstenGradedadurcherregt,daßdiefreisinnigePresse»sei- nenseligenVatergegenihncitire«.Anderthaleahrespäterdrohteer,Jeden, dersichihm entgegenstelle,zuzerschmettern.JmselbenJahr spracherdieSätze-

»WerkeinguterChrist ist, ist auchkeinguterSoldat« womitUngläubigeund JudenausderReihedergutenSoldaten gewiesenwaren und:»Diesämmt- lichen Hungerkandidaten,namentlichdieHerren Journalisten, sindver- kommeneGymnasiasten.«1891: »DieKartellesind unhaltbarundunge- iund.« »Dervornehmste UmgangfürdenSoldaten istderSoldat, nicht dasCivil«. 1892: »Die mißvergnügtenNörglersolltendendeutschen Staubvonihren Pantoffelnschütteln.Jhnenwäredannja geholfenunduns thätensieeinengroßenGefallendamit«.1893: »Ichhofftevondempatrio- tischenSinn desReichstagesdieunbedingte AnnahmederMilitårvorlage.

Darin habe ich michleidergetäuscht.EineMinorität patriotisch gesinnter Männer hatgegendieMajorität(dernicht patriotisch gesinnten)nichtszu erreichenvermocht«.1894: »FüranderthalbMarkZolldifferenzsollteden Konservativen ihrPatriotismus dochnicht feilsein«.»EineOppositionpreuß- ischerAdeligengegenihrenKönigisteinUnding; sie hatnur danneineBe- rechtigung,wenn siedenKöniganihrer Spitzeweiß«. »IhrRekrutentragt jetztdesKaisers Rockundseiddadurchden anderen Menschenvorgezogen«.

1895,alsderAntragdesGrafen Kanitz empfohlenwurde:»Siekönnen mirdoch nicht zumuthen,daßich Brotwuchertreibe!«AmSedantagdes

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338 DieZukunft-

selbenJahres:»EineRottevonMenschen,nichtwerth,den NamenDeutscher zutragen, wagtes, dasdeutscheVolk zuschmähen,wagt es, dieuns gehei- ligte Persondesallverehrten vereinigtenKaisersin den Staub zuziehen.

MögedasgesammteBolkinsichdieKraft finden, dieseunerhörtenAngriffe zurückzuweiseniGeschiehtesnicht,—nun, dannrufe ichmeineGarden,um derhochverrätherischenSchaarzuwehren,umeinenKampfzuführen, der unsvonsolchenElementen befreit.«AlsimElsaßeinFabrikanter- mordetwordenwar: »WiedereinOpfer mehrdervondenSozialistenan- gefachtenrevolutionärenBewegung!«1896: »Stoeckerhat geendet,wieich esvor«Jahren vorausgesagt habe.EhristlichiSozialist Unsinnundführt zuSelbstüberhebungundUnduldsamkeit.«1897,zuStudenten,diemitFackeln vorsSchloßzogen:,,SorgeuSiedafür,daßimVollenichtmehrsovielgenör- geltwird.«An den

PrinzenHeinrich

vonPreußen: »VaterlandloseGesellen haben dieAnschaffungdernothwendigstenSchiffezuhintertreibengewußt«.

Bei einerRekrutenvereidigung:»Werkein guterChrist ist,Deristkein braver Mann«.1898,andenRegentenvonLippe-Detmold:»DemRegenten,was demRegenten zukommt,weiternichts. Jm UebrigenwillichmirdenTon,in welchemSieanmichzuschreibenfiir gut befunden haben,einfüralle Malever- betenhaben«.Auchin denvierJahren,dieseitdem verstrichensind, habenwir ähnlichklingendeWorte oftgehört,dieeinstweilen letztenvorein paarTagen:

»JchhabedasGefühl,daßAlles,wasdasLandgewordenundwasdasReich geworden,schließlichberuht aufeinerfestenSäule; unddieseSäuleistdieMark Brandenburg«.1890und 1894 hattederKaiser gesagt:»DieProvinzOst- preußenist nachmeinerUeberzeugungdieSäuledesVaterlandes,dieStütze derMonarchie«.Jedem dieserSätzesindKommentare gefolgt, freundliche undunfreundliche, jedem ist nachgesagtworden,wieergemeint sei,nur ge- meintseinkönne,jederwardnachkurzenLebensstunden vergessenundtauchte höchstensin winkendenEpigrammen manchmolwiederauf. Jetzt istesanders.

DieDepesche,dieausSwinemündeandenPrinzregentenvonBayernab- ging, ist fastschondreiWochenalt undbeschäftigtdochheutenochdieernstesten Geister.DerEinebedauert dieunrichtigert VoraussetzungendesZorn- rufes,derZweitedenEingriffin dieparlamentarischenHändeleinesselb- ständigenBundesstaates,derDrittediekränkendenWorte,derenWiderhall nochlangehörbarseinwird;unddemMund märkischerEdelleutesogar,die imNeuenPalais erstebenermahnt wurden,,,gehorsameUnterthanen«zu bleiben,»entfährteinSeufzer,weilihr Markgrafdie Antwort vernehmen mußte:WasDu,Königund-Kaiser, anbietest,Dashat nicht mir,den

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DieFeindedesKaisers. 339 dasSchicksaleinzelnerEtatspositionennichtbekümmert,sondernmeiner Regirung schon»einermeinerReichsräthe«geschenkt«Allefühlen,daß essichdiesmalumwichtigereDinge handeltalsje vorher. Graf Ernstzur Lippe-Biesterfeldhat1898 denBrief,denerandenKaisergeschriebenhatte, nebstder Antwort undeinererläuterndenDenkschriftdenBundesfürsten

»zUrKenntnißnahme«unterbreitet. Damals konntediepersönlicheVer- stimmungin der Stille gemildertwerden. DasbaherischeCentrumbraucht keineRücksichtzunehmenundkann,vordemHohnderGegner,denBor- wurf»schnöderUndankbarkeit«nicht auf sichsitzenlassen;dieGelegenheit, fürden ganzen HeerbannderPartikularisten,fürdie weitüberwiegende MehrheitdesdeutschenSüdensdasWortzuführen,kehrtihmsobaldwohlnicht wieder. Undnichtnur jenseitsvomMainregtsichderUmnuth: auchimGe- bietdesNorddeutschenBundeswehrtman sichgegen dieMöglichkeiteinervom Reichshauptausgehendeangerenz.Von allenerdenkbarenKonfliktenaberist kein anderer sogefährlichwieeiner,derdieBundesstaatenin latentem Groll gegen diepreußischeFührungsvereint.Familienzwist istin denmeistenFällen schnellgeschlichtet;wennaberdieBewohnereinesjungen,künstlichgeschaffenen Reiches,die alteStammesantipathien noch nichtvölligüberwundenhaben, auf ihre GrundrechteundSonderprivilegienzupochenbeginnen,wenndie WurzelnderVerfassung ausgegrabenundaufdemlautenMarktgeprüft werden,danndrohtderdemGemeinwesen unentbehrlichenWillenseinheit eineGefahr,dienur derLeichtsinnunterschätzenkann. DasfühltJeder;

und deshalbwillnicht so raschwiesonstdiesmal dieSorge verstummen.

Jederfühlts;dochnichtJedendrängtdie Stimme derPflichtzu offe- nem Bekenntniß.DieSchaarderUnfreien,derKönigischen,derMiniste- rialenundgemiethetenSchreibermußschweigen.Andere,die esaufihreArt gutmeinen,dünkensichdiebesserenPatrioten,wennsiethun,alsseinichts Ungewöhnlichesgeschehen,von einerErregungdesVolkesnirgends,im Südennichtunderst recht nichtimNorden,Etwaszu merken und der ganze Lärmnur vonein paarPfaffenknechtenundPreßschwätzerngemacht.Das glauben sie selbstnatürlichnicht, hoffen aber,wenn siesnur lautgenug sagen,indembourgeoisenRuhebedürfnißeinEchozu wecken.Höchstauf- geklärteLeutevielleicht,diesichüberManches hinwegsetzen,aneinerEckeaber, wiederkleineTaktikerClavigo,mitZwirnsfädenfestgebundensindundnochim- merwähnen,durchBesprechenseiKrankheitzu heilen. Sierufen:Waswollt JhrNörglerdenneigentlich?DenKaiserkenntJhr dochnichtseitgestern.Ge- radeweithrfrühereReden undTelegrammeintreuemGedächtnißbewahrt,

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340 DieZukunft.

dürftJhrEuchjetztnichtsoerstaunt stellen.WilhelmderZweiteistnun einmal, wieerist,undeinesostarkePersönlichkeitwirdsichnichtändern.Jetzt haterdas frecheBanausenthumbayerischerJesuitenzöglingegezüchtigtund denPrinzen LuitpoldalsSchutzherrnderKünstegefeiert.Dasistgut.Dasmußjeden kerndeutschenMann freuen. AuchwirhabendieVeröffentlichungdesTele- grammesfüreinenFehler gehalten.SchließlichistsaberkeineStaatsaktion, keineEnthüllungbisherunbekannter ZuständeDerKaiser ist sein eigener Kanzler.Vonihm sindallewichtigen politischenEntscheidungenderletzten zwölfJahre ausgegangen.DerWechselderHandelspolitik,dieVerstärkung derFlotte,derGlaube andieraschinsUngeheure wachsendeWeltmachtdes DeutschenReiches,dieJntimitätund dieGeheimverträgemitEngland,der Kriegsng nach China:dasAllesundvielesAndereist seinWerk. Seine Zielewaren fastausnahmelos richtigerkannt,seineMittelund Wege manch- malnichtglücklichgewählt.Erverhandelt, so oftesihmnöthigscheint,selbst mit den beiihm beglaubigten Botschafternundnimmt sichnichtimmerdie Zeit, jedeaufdämmerndeMöglichkeitlangundbreitmitseinen Ministern zubesprechen.Dasgebenwir zu;auch,daßMarschall nichtwußte,ein deut- scher Kreuzer sei nachKreta gesandt,Hohenlohenicht,denVuren sei»die Hilfe befreundeterMächte«inAussicht gestellt worden, undsoweiter.

DasistkeinUnglück.HabtJhrdenjungen Kaiserdeszweiten Fausttheiles niegekannt? ,,Jhm istdieBrustvonhohemWillenvoll, doch,waserwill, esdarfskeinMenschergründen.WaserdenTreustenin dasOhrgeraunt, esist gethan;undalle Welterstaunt.«Endlich solltetJhr Euchin dielängst nicht mehrneue Situation gefügthaben.Wennssoweit war,hat sichnoch jedesmaleinMinister gefunden,derdieVerantwortlichkeitübernahm.So wirdsauchdiesmalwiederwerden«GrafBülow wußtenichtsvondem Tele- gramm andenPrinzregenten.WassollteernachderVeröffentlichungdenn thun?Wegen solcherKleinigkeitkannerdochnicht seineEntlassung fordern.

DasverlangtJhr ja auchnur,weilJhr Unruhe stiftenund imTrübenfischen wollt.Würdeesetwabesser,wennBülow ginge?Nein.Alsomüssenwir wünschen,daßerbleibtunddasStaatsinteresse nicht durchallzuhäufigen Personenwechselgeschädigtwird. Jhr scheltetdenKanzlerund meint den Kaiser. Ihr seidHeuchler,seid feige,tückischeFriedensstörer,Feindedes KaisersunddesReiches,«-oderso kurzsichtig,so unpolitischenGeistes,daß Jhrgarnichtspürt,wessenGeschäfteJhrmit EuremGeschreibesorgt.

SolcheStimmen sollman,auchwenn sieim ToneinesfürseineKir- schenzitterndenMarktweibes kreischen,nichthochmüthigüberhören.Sie

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DieFeindedesKaisers. 341 berufen sichaufdasVolk.Habensieesbelauscht,aufdemFeld,in der Werk- statt,inStudirstubenundSchänken? »Wir brauchen«,sagt Goethe,»in unserer SpracheeinWort, das,wieKindheit sichzu Kindverhält,sodas VerhältnißVolkheitzum Volkeausdrückt.DerErziehermußdieKindheit hören,nichtdasKind;derGesetzgeberundRegentdieVolkheit,nichtdas Volk.Jene sprichtimmerdasSelbeaus,istvernünftig,beständig,rein und wahr. Diesesweißniemals fürlauterWollen,waseswill.Undindiesem Sinnsollundkann dasGesetzderallgemeinausgesprocheneWille der Volk- heit fein,einWille,dendieMengeniemals ausspricht,den aber der Ver- ständigevernimmt,denderVernünftigezubefriedigenweißundderGute gernbefriedigt.«Will Einerleugnen,daßdiedeutscheVolkheit,soverschieden ihreBestandtheileseinmögen,längstin einerBesorgnißzusammenstimmt?

Löstihr siireinenTagnurdieZunge, gebt ihr dasRecht, geheimesTrachten ansLichtzubringen:einesWunschesAngstschreiwirdEuchinsOhrdröh- nen. Undauch ohnesolcheEintagsfreiheitmuß,wernichttaubistoder sich taubstellt,vernommen haben,was inHossälenundHütten,inMinisterien undFabriken, aufderTenneundamStrand seit Jahrengeflüstertwird.

Dasbrauchtleidernicht mehrerörtertzu werden. DieFrage istnur, ob man allgemein empfundene Sorgein desBusensTiefe bergenoderoffen aussprechen soll; sie ist beantwortet,wenn sichherausstellt,daßkeine Ver- schleierungheutenochnützenkann.ZulauthatdesReichesjüngsteGeschichte, hat Bismarckgeredet.WaswardasZieldesKampfes,der demEntlassenen dasLebenwahrlich nicht leichter machte?ErwolltedenKönigaus dem Gedrängentfernen,dengekröntenRepräsentantendeskaummündigge- wordenenReichesnichtmit derVerantwortlichkeitfür Anfängebelastet sehen, derenEndenochNebelbedeckt,nichtdenSchein auchnur aufkommenlassen, dieBundesfürstenseienzuSchattenherrschernherabgesunken.Wasdarüber zusagenwar,hatergesagt;undLugundTrug istdieBehauptung,in Paris,inPetersburgundNew-Yorkwisseman nicht,wieesinDeutschland steht.Daszubestreiten, istfreilichbequem,weil dieBeweisstiicke,diever- bürgtenWortefremderund deutscherRegenten,dieGesandtschaftberichte undPreßglossennicht produzirtwerdendürfenundderRechtsbegriffder Notorietät nurvorGerichtshoer Geltung hat...Aber dieDepesche,sowerden wirbelehrt, istimGrunde docheineKleinigkeit,dieman nichtmitfeier- licher Staatsrettermienezubetrachten braucht. Darauf istzuerwidern,daß KleinundGroß Maßesind,dievonderSehkraftund demAkkomodation- vermögendeseinzelnenAuges bestimmtwerden. Einglimmender Funke

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342 DieZukunft.

isteineKleinigkeitunddennochwirdkeinVerftändigerdieHändein den Schoßlegen,bisdieFlammeamGebälkhinaufzüngelt.Gewiß:auchuns istdieDepeschenur einSymptom,abereinso wesentliches,daßwiruns verpflichtetfühlen,ihm nachzuforschen.Undwenn man unssagt, solches Forschen sei zwecklos,dadiestarkePersönlichkeitdesKaisers sichnichtändern werde,soantworten wir:Nichtmit derPersönlichkeitdesKaisers,dieGunst undHaßderParteien entstellenmag,sondernmit derVerfassungdesDeut- schenReiches habenwirshierzuthun.DieweißnichtsvoneinemKaiser,der sein eigener Kanzler ist;diegiebt KaiserundKanzler verschiedeneRechte, verschiedenePflichten.GenügtsiedemBedürfnißnichtmehr,dannsollmansie morgenändern,mitStimmenmehrheitoder demGewaltrechtdesStärksten, undversuchen,obeinreifes, differenzirtesEuropäervolkvondemWilleneines jederKritikundKontrole entrücktensterblichen Menschenzuleiten, ohne SchadenfürHirtundHeerdevorwärts zuführenist·Solangedie Ver- fassungabernochbesteht, habenwir in demKanzler ihrenhöchstenHüterzu sehen;undesist nicht Heuchelei,nicht feigeTücke,sondern Anerkennung staatsrechtlicher Thatsachen,dieunszwingt,inkritischerStunde mitihm, nichtmit demunverantwortlichen Reichshauptzu reden.

UndandenKanzler habenwir eineForderung,diezugleichunzwei- deutigeAntwort aufdieFrage giebt,»waswireigentlichwollen«. Ersoll aufhören,sichdenleitendenStaatsmann zunennen und zusagen, so lange erauf feinemPosten aus-harre,könnekeinirgendwie wichtigerEntschlußaus- geführtwerden,denernicht gebilligthabe.ErsolldemBundesrathund dem Reichstag offenerklären,derKanzler seiwiedergeworden,waserseinsollte, ehedemArtikel17 desVerfassungentwurfesderSchlußsatzzugefügtwurde:

einPräsidialgesandterimSinnederVundestagszeit.Dannkannerruhig leben und in derWilhelmstraßezuhohenJahren kommen;nurdastragi- komischeMühen,mehrzuscheinen,alssiewaren, hat seineVorgängerum dasAnsehenundschließlichauchumdasAmtgebracht.GenügtsolcheBe- amtenrolle demGrafenBülownicht,dannmußerseineEntlassungerbitten.

Erist, nichtzum erstenMal,in einerAngelegenheit,dieFürstenundVölker verftimmthatund derenFolgenin derHaltungunentbehrlicherParteienfühl- bar werdenkönnen,diealsokeineKleinigkeitist,übergangenworden. Erhat

Dasistzubeweisen nicht verborgen,daßdiePublikationdesDepeschen- wechsels ihmeinesehr unangenehme Ueberraschung brachte. Wegenviel unbeträchtlichererDinge hatVismarck mehrals einmalseinenKöniggebeten, ihnvon derAmtspflichtzuentbürden. DeralteHerr hatdann erwogen,

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DieFeindedesKaisers. 343 oberseinenpersönlichenWunschoderseinen ersten Minister opsern solle.Wie derAhn, so,müssenwir heutenoch annehmen,wirdauchderEnkelhandeln.

Wilhelm derZweite hatdasernstgemeinteEntlassungsgesucheinesKanzlers Uvchnie zubescheidengehabt.Bismarckwolltenichtgehen,weilerfür nöthig l)ielt,denGegensatzzweierAnschauungenunverhülltdemBlickseinerLands- leutezuzeigen.CapriviwarinderUniform desTroupiers ergrautundgewöhnt, demBefehldesKriegsherrnblind zugehorchen.Hohenlohewareinlraftloser Greis,derfühlte,daßerdieTrennungvomAmtnicht langeüberleben würde.

Der Kaiser hat nochnie einenhartenWillengefunden,dersichseinem nicht beugte,nie einenMann,derinaufrechterEhrfurchtdemWink desHerrn denGehorsamzuweigern wagte.DerKaiserweißnicht,wieoftdie drei KanzlerdieVerantwortlichkeitfürseinHandelnimPrivatgesprächseufzend abgelehntundsienur,umsichdenSchmerzderScheidestundezusparen,öffent- lich—zu spät!—auf sichgenommen haben.Erkann,ermußglauben,daß nur

boshaste

NörglerGefahrenineinemZustand sehen,mit dem diebesten PatriotenunddieRäthederKronesehrzufrieden sind. GrafBülow ist nichtdamitzufrieden;erhatsinBerlin,anderNordsee, auf Oesterreichs Bergen,inVayreuth ausgesprochen.Erist jung,nichtmilitärischerzogen und vonrüstigemSelbstgefühl.Er kannseinemKaiserzu derwerthvollstenRe- gentenerfahrung helfen,zuder,daßesMännergiebt,denen dasWesen mehr giltalsderSchein,diePflicht mehralsdiePfründe.Underginge nicht als einverbrauchter, geringgeschätzterDiener,derseineKraftandiefrucht- loseArbeitverzettelthat,dem Volk zusagen,wasdieVolkheit nicht glaubt.

Obesdann »besserwürde«?Ja. Klarheit ist stets besseralsUnklar- heit. JstdersünfteKanzlerwenigergewandtals dervierte, soschadetsnicht;

dennmanwüßtefortan,daßder KreisseinerFunktionenengbegrenztist; und vielleichtvertraut dieMehrheitderDeutschensichgernderoffenenFührung desKaisersan,deneingütigesGeschickdannvor demschwarzenTagbe- wahrenmöge,daleidenschaftlicheFürstentemperamenteso oft schonden SchutzwerthkonstitutionellerGoldgitterschätzenlernten. Auf jedenFallwäre dieProbezu wagen. Keinerkannvoraussagen,ob einKanzler,derAlles aufs Spiel setzte,nichtAllesgewönne.Und verlierter,so folgt ihmdie Dank- barkeitallerDeutschen,dieeinenErfolgdesVersuches, politischeMachtvon politischerVerantwortlichkeitzutrennen, im modernenEuropafür unmöglich haltenund die alsFeindedes Kaisersverschrienwerden,weilsieimmerwieder dendringendenWunschderVolkheitaussprechen:ihrmögedietraurige Pflicht erspart bleiben,mitihremhöchstenVertreter öffentlichhadernzumüssen.

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344 . DieZunme Der

Morgan-Trust.

Æls

um dieMitte desvorigenJahrhundertsdieAktiengesellschafteneine weitereVerbreitunggewannen,dakonnte dieWissenschaftderNational- ökonomiean dieserneuen ErscheinungdesWirthschaftlebens nichtblind vorübergehen,sondernmußteauchdiese FormderErwerbsgesellschaftenin denKreisihrer Betrachtungeneinbeziehen. SchaefflegebührtdasVerdienst, alsErster diesen Schrittunternommen

zuhaben. Jneinem inder tübinger,,ZeitschristfürdiegesammteStaatswissenschaft«veröffentlichten Artikel:»DieAnwendbarkeit derverschiedenenUnternehmungformen«erörtert

ernebendensonstigenFormenderErwerbsgesellschaftenauchdieAktien- gesellschaftund stelltderen»Licht-undSchattenseiten«einander gegenüber.

NatürlichaberkonnteSchaeffledamals nichtsAnderesthunals:inüber-sicht- licher FormdieBegleiterfcheinungenderAktiengesellschaftenzusammenstellen, diesichdemkundigenAugedarboten. Daswaren alsoinnuce als,,Licht- seiten«diezwei Thatsachen,daßdieAktiengesellschaftesermöglicht,mit größterLeichtigkeitriesigeGeldsummen aufzubringenundgroßeundgewagte UnternehmungeninsLeben zurufen,undferner,daßderBestanddesAktien- unternehmensvon derPersonderAktionäre unabhängigist.Als»Schatten- seite«wurdenDemdieverschiedenenFormen desSchwindelsgegenübergestellt, dersich sogernan diese FormderErwerbsgesellschaftanheftet.

SchaefflesBehandlungderFragebliebfürmehralsdreiJahrzehnte mustergiltig;undwenn späterauchetwa dieeine oderdieandere Begleit- erscheinungdesAktienwesenshinzugefügtodereineandereGruppirungder von Schaeffleaufgezählten,,Licht-und Schattenseiten«versuchtwurde, so waren Dasdochnur nebensächlicheErgänzungenoderAbänderungenderim«

AllgemeinenfeststehendenLehre.DaßdieAktiengesellschaftenunter Umständen eine internationale oder wenn man so sagendarf—- eine»hochpolitische«

Bedeutung jemals erlangenkönnten,kamnochKeinem indenSinn, konnte auchKeinem indenSinnkommen, weil diebestehendenAktiengesellschaften bisvor Kurzemnur relativbescheideneUnternehmungenwaren, derenBe- deutung nicht leichtüberdenOrtdesBetriebes oderimäußerstenFalle nicht über«dasStaatsgebiet hinausreichte.Dann aberkamderMorgan-Trust:

undwievon einem grellen Blitz beleuchtet zeigen sichmiteinemSchlage demerstauntenAugemöglicheBegleiterscheinungendesAktienwesens,von derenDaseinbiszurStunde Niemand auchnur dieleiseste Ahnung hatte.

Diespekulativen Yankeesdürfensichrühmen,inihren Trustsder AktiengesellschafteineneueSeiteabgewonnenzuhaben.Undeswiederholt sichhierwiedereinmal dieErscheinung,dieman aufunzähligenanderen Gebieten des Lebenstäglichbeobachtenkann. Jedesmalnämlich,wenn irgend

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DerMorga11-Trnst. 345 eineneueInstitution geschaffenwird,sollselbstverständlichcingewisserZweck dUkchsieerreichtwerden. Kaum aberistdieseInstitution ins Leben getreten, so finden sichauch schonandereLeuteein, die-wenn man sosagen darf- besttebt sind,um die Eckeherumzukommen,Personen,diedieEntdeckung machen-daßman mitjener Institution ganzandereZiele erreichenkann, Ziele,an diederenSchöpferauch nicht entferntgedachthaben.Undauf

diese

Weise geschiehtesnur allzu leichtundhäufig,daßeineEinrichtung, die zudiesem bestimmten Zweck geschaffenwordenwar, inderFolgeganz anderenIdeen undZweckendienstbarwird. DasgiltzumTheil auchvon denAktiengesellschaftenSiesollten anfangsnur Erwerbsgefellfchaftensein UnddieMöglichkeitbieten,größereGeldmittel aufzubringenundmitderen HilfegrößereUnternehmungeninsLebenzurufen,zu derenSchaffungdie KräfteeinesEinzelneninderRegel nicht hinreichen.Alsman abermit derGründungsogroßerUnternehmungen angefangenhatte, zeigte sichbald, daßdieseUnternehmungen wenn sienur großgenug sind imStande seien,den Markt zubeherrschen,einen ganzenProduktionzweigzumonopoli- sitenunddenKonfunientendiePreisezu diktiren.

SoentstandendienordamerikanischenTrusts, die(von denfeineren juristischenUnterschiedenkannhierfüglichabgesehenwerden)nach unseren europäischenAnschauungen nichtsAnderes sindals Verschmelzungen

»FUsionirungen« verschiedenerAktiengesellschaftenzueinereinzigenRiesen- gelellschaft,diealleoderdochdiewesentlichstenBetriebe einerBrancheim ganzenLandezueinemeinzigenUnternehmenineinerHand vereinigt.Der Trust ist nicht mehreineAktiengesellschaftimfrüherenSinne, nicht mehr eineGesellschaft,dieesermöglichensoll,größereGeldmittel aufzubringen, UmsolcheUnternehmungeninsLebenznrufen,zuderenSchaffungdieMittel einesEinzelneninderRegel nicht hinreichen, sonderner isteine Aktien- gesellschaft,derenZweckdahin geht,Daszuthun,wasderFranzose ,corrjger lafortune« nennt. In dieser Gestalt istzwarderTrust schoneinesehr ernste Erscheinungund erkann sichinderVolkswirthschafteines Landes unter Umständensehrunangenehmbemerkbarmachen;aber eine weitergehende, speziellinternationale Bedeutung hater indieser Form nochimmer nicht.

Diesen letzten Schritt hatinderjüngstenZeitderNordamerikaner Pierpont MorganmitseinemvielgenanntenSchiffahrt-Trustunternommen, alserdieMajoritätderAktien deramerikanischenund englischenOzean- Schiffahrtunternehmungenaufkaufenließ.AlsTheoretiker,derdemprakti- schenGeschäftslebenfern steht, darf ich nichtwagen,dieeinzelnenBestimmungen diesesTrustsunddessenmöglicheFolgenfürdieGeschäftswelteiner detaillirten Erörterungzuunterziehen; wohlaberdarfderTheoretikeraufdieallgemeinen Perfpektiveneingehen,diesich durch jenenkühnenSchrittdesamerikanischen Unternehmungsgeisteseröffnen.

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346 DieZukunft-

DieVerfassungderAktiengesellschaftenist aufdasMajoritätprinzip gebaut;undso-istesselbstverständlich,daßderKapitalist,derdiegenügende Anzahlvon AktieninseinenHändenvereinigt,auchunumschränkterHerr desUnternehmens ist.ErkanndasUnternehmenleiten, wieer esfürgut findet,erdarfdiePreisederProdukte stellen,wieerwill,erhateventuell dieMacht,dasUnternehmenzumStillstandzuverurtheilen.Nun sindaber bekanntlichAktieneinallgemein gangbarer Handelsartikel,derandenBörsen gehandelt wird,und essteht Jedermann frei wenn ernur überdas nöthigeGeldverfügt beliebigeAktienundinbeliebigenQuantitäten in seinenBesitzzubringen«Werjener»Jedermann«ist, giltdemgeltenden Rechtevollständiggleich;daherkannauchjederAusländer oderjede Gesellschaft von Ausländern beliebigvieleAktienjedesinländischenAktienunternehmens auslaufenunddamitzumunumschränktenHerrnebendieses Unternehmens werden. DieseEventualitätwurde von dergeltendenAktiengesetzgebungaller Länderbisherzuwenigberücksichtigt;man dachtegarnichtansie.

Der Fallistsehr wohldenkbar,daßirgendein reicherAusländer oder eineVereinigungvon Ausländern dieMehrheitderAktieneinesin- ländifchenUnternehmensodermehrereransich bringtunddiesesoderdiese Unternehmenin einerArt undWeiseleitet,die zwar denZweckenjener Personen entspricht,aberdenInteressendesJnlandeszuwiderläuft.Die Sachekannganzbesondersdann unangenehmwerden,wenn dieAusländer

wieesbei denamerikanischenTrustsderFall ist beisichzuHause einenganzen Produktionzweigmonopolisirenundwenn sienun in demin Fragekommenden JnlandedieAktienderihnen wichtigenUnternehmungen aufkaufen,umsicheinelästigeKonkurrenzvomHalsezuschaffen. Entspricht esseinenZweckenundistderausländischeTrustmächtiggenug,sowird er vielleichtdieaufgekaufteninländifchenUnternehmungengänzlichschließen,um seinen eigenen Erzeugnisseneinen lohnenden Absatzzusichern.Undwer bürgt schließlichdafür, daßnichteine weitausblickende Regirung vielleicht einemsolchen TrustgroßeGeldmittel zurVerfügungstellt,umeinfremdes VolkzunächstinwirthfchaftlicheAbhängigkeitzubringenunddannaufdie wirthschaftlicheEroberungdiepolitischefolgenzulassen?

Eshat keinenZweck,diemöglichenFolgen auszumalen,diesichergeben können,wenn einVolkaufdasAktienwefeneinesanderen hinübergreiftund großeMengen fremderAktieninseinen Besitz bringt;wernur einige Phan- tasie besitzt,kannsich diesesGeschäftselbst besorgen.Esgenügt,hervor- gehobenzuhaben,daßderUeberganggroßerAktienmengenindenBesitz desAuslandes vondenschwerstenwirthschaftlichenundpolitischen Gefahren fürdas»passive«Jnland begleitetfein kann. Undwas dasBedenklichste

anderSache ist:wirstehenunter derHerrschaftdesgeltendenAktienrechtes

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·DerMorgan-Trnst. 347 solcherEventualität heute wehrlosgegenüber-,weildie Aktien eineabsolut verkäuflicheWaare sindundeskeinemAusländer verwehrtwerdenkann, beliebigeQuantitäten inländischerAktienzu erwerben. Da mußAbhilfe geschaffenwerden. Undkannman denAusländern denErwerb inländischer Aktiennichtverbieten,sowirdnichtsübrigbleiben,alsdieAbhilfe auf einemanderen Wegezusuchen.

Thatsächlichhaben auch einzelneRegirnngeneinedumpfeAhnungvon

derneuen Gefahr schonvorJahren gehabtund waren wenigstensbei

solchenAktiengesellschaften,denensieeinebesondereBedeutungbeigelegthaben bestrebt, ihr vorzubeugen.So findetman in den Statuten derOestereichisch- UngarischenBank dieBestimmung,daßnur solcheAktionärein der General- versammlung erscheinenunddortihr Stimmrechtausübendürfen,dieöster- reichischeoderungarischeStaatsbürgersind.Das mochtefürdiebisherige Entwickelunggenügen;esbedarf jedochkeinerbesonderen Hellsichtigkeit,um zuerkennen,daßeinesolche Bestimmungnur einsehr schwachesBollwerk bildet,weilderausländischeGroßaktionärsichentweder eineninländischen Strohmann bestellenoder noch einfacher sichdieStimme inländischer Aktionärekaufenkann. Das Selbe giltfürdieähnlichestatutarischeBe- stimmung,daßnur JnländerzuMitgliederndesVorstandesoderdesAuf- sichtrathesbestelltwerdendürfen,weiljadieStimmen auch dieser Personen gekauftwerdenkönnen.

Prinzipiellvielrichtigerwar derStandpunkt,den dieältereAktien- gesetzgebnngeinnahm,wenn siedenGrundsatz aufstellte,daßdieGründung einerAktiengesellschaftderstaatlichenKonzessionbedürfe.DieserGrundsay wurde bekanntlichvon derFreihandelsschuleeifrigbekämpftundwirklichauch zuFallgebracht, ob zumallgemeinenBesten, scheint fraglich.Die Frei- handelsschule,derenJdeengang sichüberhauptdurcheinegeradezugroßartige Oberflächlichkeitauszeichnet,vertratnämlichüberalldasPrinzipderschranken- losen Erwerbsfreiheit. Jhr galtalsangeborenesMenschenrecht,daßderEin- zelne wenn ernur just nichtmordet, raubt oder-stiehlt erwerbendarf, so vielerkannundwieerwill;undwenn derEinzelneDasthun darf, so giltselbstverständlichdasSelbefürden Fall,woMehrere sichzu einerGesell- schaft zusammenthun,um mitvereinten KräftenihremErwerbenachzugehen.

DaßJeder, der einUnternehmeninsLebenruft,einemehroderwenigerweit- gehende,uneingeschränkteBerfügungsgewaltübereinenTheildernationalen Arbeitkraftunddernationalen Produktionmittel(des,,Nationalkapitales«)er-

langtunddaßereventuelldieseFaktoren zumNachtheilderGesammtheit verwenden kann;daßderUnternehmer seine Bediensteten,dieihmgegenüber meistdenschwächerenTheilrepräsentiren,ausbeuten nndschädigenkann;daß derUnternehmer,wenn sein Unternehmennur großgenugist,eineMonopol-

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348 DieZukunft.

stellung erlangenunddannauch dasPublikum,dieKonsunienten,ausbeuten undschädigenkann —: alldiese KleinigkeitenkamendengroßenGeistern derFreihandelslehrenichteinmalzumBewußtsein.

Sind aberdieseGefahren vorhanden unddaßsie vorhanden sind, kannwohlNiemand leugnen—, dannerscheintesnichtgarsowidersinnig, wenn derStaat, wie dasältereRechteserlaubte,denGrundsatz aufstellt, daßzurErrichtungundzum BetriebjedesgrößerenUnternehmensüberhaupt diestaatliche Genehmigung eingeholtwerden muß.DerStaatsgewalt ist auf diese Weise wenigstensdieMöglichkeitgeboten,einenEinblick inden Betriebsplandes Werkeszugewinnen,undsiekanndemUnternehmerbis zu einemgewissenGradevorzeichnen,was erzuthunundwaserzuunter- lassen hat. DerFreihandelsschulegalt dieser Grundsatz allerdingsalsein unsäglichbornirter; dochwenn man näherzusteht, zeigt sich,daßdie viel verlachten»Alten«wenigerbornirt waren alswir,,Jungen«,die wiruns einbilden,denGipfelallerWeisheitundKultur erklommen zuhaben.

DielogischeKonsequenz,wenn dieStaatsgewaltdenGrundsatzder KonzessionsürdieErrichtung,seiesnur von Aktienunternehmungenoder vongroßenUnternehmungen,aufstellt, istaber,daßdieRegirung auch füreineentsprechendeKontrole sorgtund prüft,obdievon ihrinder KonzessiondemUnternehmer auferlegtenBedingungengehörigerfülltwerden.

DiebisherinOesterreich geltendeAktiengesetzgebunghat nichtnur andem GrundsatzderKonzessionirungderAktiengesellschaftenfestgehalten,sondern auch jene KonsequenzindemInstituteder,,LandesfürstlichenKommissare«

thatsächlichgezogen,dasieverfügt,daßjeder AktiengesellschafteinStaats- beamter beigegebenwerdenkann,derallen SitzungendesVorstandesoder eventuell desAufstchtrathesbeizttwohnenunddarüberzuwachen hat,daß keinBeschlußgefaßtwerde, der gegen das Statut derGesellschaftodergegen dieallgemeinenGesetzeverstößt.

Damit solldasInstitutderLandesfürstlichenKommissare,wieesin Oesterreichbesteht, durchaus nicht empfohlenwerden. Esstammtaus der ZeitvordemJahre1848,alsoauseinerPeriodedesschärfstenAbsolutismus, indernichtnur derösterreichische,sondern ziemlich jederStaat vorjeder VereinigungderBürgerzitterte,weilerüberallVerrathundVerschwörungen witterte. Damals war jedeVereinsgründungeinehochpolitische»Staats- aktion«;weilman jede freieRegung niederhalten wollte,wurden nur wohl- thätigeundgemeinnützigeVereinekonzessionirt,undum zuverhindern,daß etwa unterderMaskederWohlthätigkeitoderGemeinnützigleiteine Revolution angezetteltwerde, wurde jedemVerein einLandesfürstlicherKommissarbei- gegeben,derbeiallenVereinsversammlungenanwesendseinmußteundeifrig darüber zuwachen hatte,daßderVerein sich strengimRahmen seiner

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DerMorgan-Truft. 349 Statuten halteundnichtetwa aufdas»politische«Gebiethinübergreife.

UnddanachderAuffassungjener ZeitdieAktiengesellschaftenalsVereine (Aktien-»Vereine«)galtenundman nicht sicherwar,ob einemsolchenAktien-

»Verein«nichteinesschönenMorgens einfallenkönnte,dasStraßenpslaster aufzureißenundBarrikaden zu bauen,somußtenauchdieAktiengesellschaften sichden,,LandesfürstlichenKommissar«gefallen lassen.Eine dunkleVor- stellungvon densvolkswirthschaftlichenGefahrendesAktienwesens mochte dabeivielleichtauch mitgespielt haben;abereinenklarenBegriffvondiesen Gefahren hattedamals nochkeinMensch,konnteihnineinerZeit,dadas Aktienwesen nochindenKinderschuhensteckte,auchgarnichthaben.

DasInstitutderLandes-fürstlichenKommissarebei denAktiengesellschaften erhieltsich inOcsterreichnachdemGesetzederTrägheit,aberauch,weil in derZwischenzeitdasAktien-Unwesenimmer deutlicher hervortrat.Soaber, wiedieses Jnstitutnun einmalist, istesungeeignet,denMißbräuchendes AktienwesensmitErfolg entgegenzu treten,denndieKontrole,die der Landes- fürstlicheKommissarauszuübenberufen ist, isteinereinformale. Erhat darüberzuwachen,daßkeinBeschlußdesVorstandesoderdesAufsichtrathes gegeneinenParagraphendesGesellschaftstatutesoder gegen eineBestimmung desgeltenden Straf-, Civil- oderVerwaltungrechtesverstoße;aberaufdas Meritum dieserBeschlüsse,aufdieFrage,ob undwiesie aufdasGedeihen desgesellschaftlichenUnternehmenszurückwirken,obsie gewisseGruppender Aktionäre oder desPublikums schädigen:darauf hatderLandesfürstliche KommissarinderRegel(von denTransportunternehmungenvielleichtab- gesehen)keineJngerenz. Erkannsie auch nicht haben,weilihm meistdie fachmännischeVorbildung fehlt. NachderinOesterreichherrschendenUebung werden nämlichinjeder Stadt, inderAktiengesellschaftenihren Sitz haben, Beamte derdortigen politischenBehördezuLandes-fürstlichenKommissaren bestellt.Das heißt:einBeamter erhältdieAufgabe, nachderBesorgung seinerBureaugeschäfteindenSitzungendesVorstandesoderdesAufsicht- rathesderAktiengesellschaftzuerscheinen,währendeinewirksame,materielle UeberwachungderAktiengesellschaftendochnur voneigenshierfürvorbereiteten und geschulten Berufsbeamtenausgeübtwerdenkönnte.

DerEntwickelungsgang,dendas Aktienwesen nach dieser Richtung hingenommen hat,war ungefährder.folgende:AlsdieAktiengesellschaften aufkamen, hattendieRegirungenderverschiedenenStaaten soforteinedunkle Ahnungdavon,daßdieseneueErscheinungdesWirthschaftlebensnach irgend einer Richtung hingefährlichwerdenkönnte,und sie suchtensich«—.vorn Selbsterhaltungtriebgeleitet gegenjeneGefahrenzuschützen.DieRegirungen waren jedochvonHausausaufeinerfalschenFährte..Nachdergesammten Strömungjener Zeit galt bekanntlichdieAufrechterhaltungdesschmalen-

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350 DieZukunft.

losestenAbsolutismusalsderGipfelallerStaatsweisheit, undweil man immereineErschütterungdiesesPrinzipsfürchtete,standman jeder Neuerung mißtrauischgegenüber.Manfürchtete,daßdieAktienveteine —- weilman

sieebenals,,Vereine«ansah demabsolutistischenRegimegefährlichwerden könnten,undum dieserGefahrzubegegnen,wurde ihnenderLandesfürstliche KommissaralsüberwachendesOrgan beigegeben.Daswollteundkonnteman

freilich nicht offen eingestehen;undsowurde denndasInstitutder Landes- sürstlichenKommissare durchdenHinweis aufdiemöglichenwirthschaftlichen GefahrendesAktienwesensmotivirt. NunkamdieFreihandelsschule,der jede staatliche EinmischungindasWirthschaftlebenein Dorn imAugewar.

Jhrkonnteesnicht schwerwerden, diestaatlicheBevormundungderAktien- gesellschaftenzubekämpfen,weildieStaatsgewaltselbstfürihr Vorgehen keinen anderen Grund vorzubringen vermochtealsdenallgemeinen Hinweis aufdie»möglichen«wirthschaftlichenGefahrendesAktienwesens,-diezu jener Zeit nochNiemandem bekannt waren. AlsdannindcrzweitenHälfte dersechzigerJahre,inder»AeradeswirthschaftlichenAufschwunges«,sich dieüppigstenBlüthendesAktienschwindelserschlossen,wurde allerdingsklar, daßdiewirthschaftlichenGefahrendesAktienwesens nichtunbedeutend sind;

undnun war eineReihevonStaaten —- Deutschlandvoran —- bestrebt, diesenGefahren durcheinestrengeAktiengesetzgebungentgegen zutreten. Der Morgan-Trust endlich lehrt,daßauchdieursprünglichenBefürchtungender Regirungen nichtunbegründetwaren unddaßdasuneingeschränkteAktien- weseneventuell auchdieschwerstenpolitischenGefahreninsich birgt.Die Gefahr besteht freilich nichtdarin,daßdieMitgliedereinerAktiengesellschaft sichmitSensenundHeugabeln bewaffnenundetwa dierotheRepublikpro- klamiren; wohlaberliegtdieMöglichkeitvor wiederVorgang Morgans lehrt—, daßeineausländischeRiesengesellschaftherübergreiftundganze ZweigederinländischenIndustrieodergardieKriegstüchtigkeitdes Jnlandes lähmt,wenn siedie Flotte des Landes oderdessenFabrikenfürWaffenund KriegsbedarfinihreHändebekommt. GegendieseGefahrmußman sichrüsten.

DieMittel nun, dieeiner RegirungzuGebotestehen,umihrein- ländischenAktiengesellschaften,alsodieheimischeIndustrie,gegen eineMorgani- sirungzuschützen,ergebensichaus demGesagtenvonselbst.DieVerfassung derAktiengesellschaftenberuht wieschonfrüherbemerktwurde auf demMajoritätprinzip;werdieMehrheitderAktienbesitzt,istderHerrdes Unternehmensund kanneslenken, wieerwill. WennalsodieRegirung dieMehrheitderAktien einesUnternehmens»inderHandhat,isteine Majorisirung durchAusländer ausgeschlossen.Nun kannman allerdings keinerRegirung zumuthen,daßsie mindestensdieHälftederAktienaller inländischenAktienunternehmungenerwerbenunddauerndbesitzensoll.Das

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DerMorgan-Trust. 351 istaberauchgarnicht nothwendig.Esgiebt bekanntlicheineganzeReihe von Aktienunternehmungen,dieeineblos lokale Bedeutung haben,wie Schwimm-undBadeanstalten, Theater, ZoologischeGärtenundandereVer- gnügungstätten,Gas-,Wasser-undElektrizitätwerkefüreineeinzelneStadt, lokaleStraßenbahnenu.s.w. BeialldiesenUnternehmungenistdieGefahr einerMorganisirungwohlvonvorn hereinausgeschlossen,undsolltedaoder dort dasBedürfnißauftauchen,einsolchesUnternehmenderWillkürEinzelner zuentziehenunddieLeitungin,,feste«Händezubringen, sokannesder bedrohten Gemeinschaft(Gemeinde,Bezirk,Kreis,Provinz)überlassenbleiben, dieMajoritätder Aktienzuerwerbenodersich gleichbei derGründungdes UnternehmensinentsprechenderWeisezubetheiligen;siekönntedasUnter- nehmenauchexpropiiren.

.

DieGefahrderMorganifirung liegt alsonur beigewissengroßen Aktienunternehmungenvor;man kann aberauchkeinemStaat zumuthen, sichan allen »großen«inländifchenAktienunternehmungenmitderHälfte desAktienkapitalesoder mehrzubetheiligen,um so weniger,als wasche Aktienunternehmungenkleinbegonnenunderstspäter vergrößertwerden,so daßman niewissenkann,welche UnternehmungimLaufederZeiteine größere oder gar internationale —- Bedeutung erlangenkann. Bei manchen UnternehmungenistDas allerdings schonapriorjzweifellos. Jn diesenFällenwirdalsoder Staatsgewalt nichtsübrigbleiben,alsdas Unternehmen auf eigene Kosten anzulegenoder wenn dieSacheeiner Aktiengesellschaftüberlassenwird sichgleichbei derGründungmit mindestens derHälftedesAktienkapitaleszubetheiligen.BeianderenUnternehmungen, derenBedeutung nicht sofort hervortritt, solltederRegirungdieMöglichkeit offengehaltenwerden,imgegebenenMoment einspringenzukönnen;und

an diesesZielführenverschiedeneWege. Erstenskönnte seiesdurch einallgemeinesGesetz, seies(fallsan demSystemderKonzessionirnng derAktiengesellschaftenfestgehaltenwird) durcheinebesondere Bestimmung derKonzessionurkunde derRegirungdasRecht gewahrtwerden, imFall einer VergrößerungdesGeschäftsfondsdieneu zu emittirenden Papiere (AktienoderPrioritätobligationen)unter gewissenModalitätenzuübernehmen undsichdafüreinenmaßgebendenEinflußaufdieVerwaltungdesUnter- nehmenseinräumenzulassen.Man könnteeventuell einenSchrittweiter gehenunddemStaat dasRecht wahren,beijederAktiengesellschaftzujeder ZeitdieHälfte(odereinen größerenTheil)derAktienzuexpropriiren,so daßdiebetreffendeAnzahlderAktienausgeloostwürdeundderStaat an derenBesitzerden(inVoraus festgesetzten)Preis auszuzahlenhätte.Ferner könnte(odervielmehr: sollte) sichderStaat wieesinOesterreichder Fallist dasRecht wahren, jeder Aktiengesellschaft(wenneresangezeigt

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352 DieZukunft.

findet)einenLandesfürstlichenKommissar beizugeben,derdieBefugnißhätte, jeden ihmals gemeingefährlicherscheinendenBeschlußdesVorstandeszu sistirenund derRegirungzurEntscheidungvorzulegen. Allerdingsmüßte diesesPrüfungrechtdesLandesfürstlichenKommissars ein materielles unddürfte nichtblos ausdieFragebeschränktsein,ob derBeschlußformelldenGe- sellschaftstatutenentsprechendgefaßtwurde. Undebenso wenigkönntediese Funktion, wieesheuteinOesterreichgeschieht,irgendeinemVerwaltungbeamten alsNebenamtübertragen,sondernzuLandessürstlichenKommissarenindiesem Sinne müßtenfachmännischvorgebildete Berufsbeamte bestelltwerden.

Diese Gedanken werdenohneZweifeldenEinenalsfurchtbarreaktionär, denAnderenalsebensoradikal erscheinen.Beiden Theilenmöchteichzu bedenken geben,daßdieseGedanken wenn auchinzumTheilanderer Gestalt längstverwirklichtsind.DieenglischeRegirungbesitzt und Das maganderen Staaten alswarnendes Beispieldienen einennam-

haften BruchtheilderSuez-Aktienund hat sichdamit dieHerrschaftüber dendortigenKanal gesichert.DienordamerikanischeUnionwilldenPananta- oderNiearagua-Kanalnichtaus derHandlassen. Deutschlandhatden Nord-Ostsee Kanal aufStaatslasten gebaut,weil es ihn nichtinfremde Händegelangen lassenwill. Jn allenKulturstaaten wahrt sichdieRegirung dasRecht,dasentscheidendeWort inderVerwaltungdergroßenNotenbank zusprechen,undmitunter sogardasRecht,die Beamtenoderdochdie leitenden FunktionärediesesInstituts zuernennen. Ueberall,woesPrivatbahnen giebt, hat sichdieRegirungdasRecht vorbehalten,diesenBahnendie Traee, dieTarifeunddenBetrieb vorzuschreiben. Aehnlichists beidenSchiffahrt- linien. UndderGrund dieses staatlichen Oberaufsicht-undEinmischung- rechtes istüberallderselbe,nämlichder,daßderBetrieb solcherUnter- nehmungen-nichtals eineprivate, sondernalseinenationale-Sache,alseine Angelegenheitangesehenwir-d,ander dasganzeVolk interessirt ist. Und wasvondiesenUnternehmungengilt, giltvonallenProduktionzweigen.Wir habenunsinunserer individualistisch organisirten Volkswirthschaftallerdings daran gewöhnt,immernur denEinzelneninsAugezufassen,undglauben, daßJedernur fürLsichwirthschaftlichthätigist.--Das istabernicht wahr.

Keinervonuns-vermag fürsichallein irgendEtwashervorzubringen.Jeder ist«andie·MithilfeAnderer, die-ihmdieStoffeundWerkzeugezuseiner ArbeitunddieLebensmittel liefern, angewiesen. Jedervonuns verfügtüber eine«größere-odergeringereSumme von KenntnissenoderErfahrungen,die erznicht selbst erworbenhat«sonder-ndieihmvondenVorfahrenüberliefert wurden,und Keinervonzunswäre überhauptam.Leben,wenn wir-nichtals Kinder von,u-nserenElternoder--ander;en-Personengefüttertund gepflegt worden«-wären»Jstaberjeder Einzeerdaran interesfirt,daßAlles,wasdie

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Säuglingheime. 353

GesammtheitdesVolkesbraucht,inderentsprechendenQuantitätnndQualität hervorgebrachtwird,dannhat auchdieGesammtheitdasRechtunddiePflicht, einzuschreitenundMißbräUchederEinzelnen hintanzuhalten

EineeigenthümlicheJroniedesSchicksalsaberistes,daßdieüppigsten BlüthenunsererkapitalistischenWirthfchaft,dieTrusts,denSozialismus predigenundmitunwiderlegbarerDeutlichkeitbeweisen,daßdieAktiengesell- schaften keinereinenErwerbsgesellschastensind, sonderndaßsiegewissesoziale Aufgaben haben. Allgemeinergesprochen,istdamitgesagt,daßJeder,der seinemErwerbenachgeht, nichtnur einRechtausübt,sondern auchgewisse PflichtengegendieGesammtheitzuerfüllenhat.

Czernowitz· ProfessorDr.Friedrich Kleinwaechter.

W

Såuglingheime.

In

diesen Tagen,daselbstdieSchweigsamstender traditionell und zuRecht

)

SchweigsamensichplötzlichderSprache erinnern,umihren Mangelan Gedanken zuverbergen, istganzunbemerkt,voreinemkleinenKreis,einegute Rede gehaltenworden. DerSchauplatzwar HeidelbergundderRedner ein Arzt.ErhatnüchterneWorte gesagtvonmoderner Wohlthätigkeit,überdie ja schonvielundauchindiesenBlättern erstjüngstwieder gestrittenworden ist. DasBesteaberwar, daßdieRedeeinen höchstgreifbarenHintergrund hatte:eineNeuschöpfungsozialen Geistes-,wiesieindieser Vollkommenheitder OrganisationbeiganzbescheidenenMitteln bisher noch nirgends existirt: ein«

Säuglingheim,einHeimfürkleine,derPflegebedürftigeKinder.

Jedes Kind,dasinderHochsommergluthzurWeltkommt, isteinAngst- o.bjekt;wäreesauchdann noch,wenn um seine Pflege Personen sichbemühten,"

denendienaturwissenschaftlichenGesetzedesGedeihens junger Organismen ver-.

traut sind. OftaberhältamBettedessSäuglingsdieDummheit Wacht. Selbst da,wonichtdasGespenstderNothdenkleinen Weltbürgereilfertigindie Arme schließt,selbstinderBehaglichkeitderBürgerwohnungundunter dem HimmelbettdesbourgeoisenReichthumswirdderkleineKörperzwaräußerlich gezärteltundgehätschelt,inWahrheitaberunglaublichmißhandelt.Ichrede garnichtvon-den Halbmüttern,die-trotzblühenderGesundheitdemKindeihre Brüstevorenthalten,..weil sieaus gesellschaftlichenRücksichtenwünschen,einen

»Busen«zubehalten,unddamitvollbodenslosen Leichtsinn-Zineinevielleicht ungeschwächteFamiliedieerstenKeime derEntartung pflanzen;mißhandelt- wirdderSäuglingauchda,woderopferfreudigsteWille-herrscht, aus Un-·

wissenheit.UnddürfenwirdieUnwissendentadeln? jOfsenherzighat Professor ,Vierordt. erwar dertrefflicheRedner —.zugestanden,daßauchderMediziner heuteandenbesten.-klinischenAnstalten so gut««wienichtsvonSäuglingpflege

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354 DieZukunft-

lernt,daßaus vielerlei Gründen unsereKrankenhäuserdemSäuglingihre PfortenverschlossenhaltenunddaßmeistderArztmitdemfurchtbarenGefühl derRathlosigkeitund demBewußtsein, daßesumeinLeben geht,vor denkleinen Krankenbettchen steht.Man mußsolcheStimmungen erlebthaben,indenen man sichdarüberklarwird,daßderStand unserer Wissenschaftunserlaubte, mehrzuthun,daßaberdieUnvollkommenheitderEinrichtungenunsdenWeg dazu sperrt...EssindkeineheiterenStunden-

Das ist alsodererste ZweckdesSäuglingheims:demMedizinerGe- legenheitzugeben, diePathologieundTherapiedesSäuglingsam Kranken- bettkennenzulernenundzuüben;Aerzte heranzubilden,die imentscheidenden AugenblickdenSchatz theoretischenWissensvomSäuglinginärztlichcsHandeln umzusetzenvermögen.ThörichteLeutewerdennatürlichsagen: Also Studien- objekte sollendieSäuglingesein.Laßtsiereden: dieSäuglingewerden sich dabeiwohler befindendennalsVersuchsobjekte experimentirenderMütter, Groß- mütter undHebammenzUndjede Stadt wirdfroh seinmüssen,so lange sie keineigenesSäuglingheimbesitzt, wenigstenseinenArztinihrenMauern zu wissen, derdieGefahr jenermütterlichenundverwandten »Pflege« einzudämmen gelernt hat. Dieser Zweck ist ebendarum dervornehmste,weilerkeinlokaler, sonderneinallgemeiner ist;ernütztnichtnur denheidelbergerSäuglingen, sonderndenen allerStädte,Städtlein undDörfer,indenen dereinstmalige.

Sand.med. derschönenRuperto-Karolaseinen WohnsitzalsArztnimmt. Jm Allgemeinennämlichdarfman von derüberwältigendenMehrzahl unsererMe- diziner behaupten,daßsieneue Mittel zurBereicherung ihresKönnens auch benutzen;undAlle,die daran zweifeln sollten,magdieThatsachetrösten, daß dertrefflicheRedner undLeiter desSäuglingheimsauch Examinatorinder ürztlichenStaatsprüfungistundesnichtdaran fehlen lassen wird, seinemneuen klinischenJnstitutdiegebührendeBeachtung auch auf diesem Wegezusichern.

Freilichwerden diese allgemeinenWirkungendesSäuglingheimssichnur langsamfühlbarmachenkönnen;man mußebenhoffen,daßdieübrigenUni- versitätenDeutschlands ihrerältestenSchwester rechtbaldfolgenwerden. Mit derStunde seinerGeburt zeigtaberdasjunge Institut aucheineReihe lokaler Bortheile;undsie scheinenmirvonbesonderem sozialen Interessezusein,weil siedieheikle Ammenfrageberühren.

DasHeimübernimmt dieWöchnerinnenderheidelberger Frauenklinik alsAmmen fürdieihmanvertrauten Säuglinge.Einzwiefacher Gewinn: die SäuglingeerhalteneineärztlichinihrerGüteverbürgteNahrungvonderBrust;

unddiezumTheil recht bemitleidenswerthenGeschöpfe,diefürihreEntbindung die Frauenklinikausgesuchthaben, sindfürsErstederSorgeumihreZukunft enthoben, um ihreundumdiedeseigenen Kindes,dennauch dieses findet imHeim Unterkunft. DieBedeutung dieserFürsorgewirdJederzuschätzen wissen,dermitangesehenhat, welchem SchicksaldieWöchnerinnensammtdem KindenachdemVerlassenderEntbindunganstaltost preisgegeben sind:das Kind derZiehmutter einKapitel,dasnicht mehrgeschriebenzu werdenbraucht——, die Entbundene demBermiethbureau,ohnezuahnen, wohin siealsAmmegeräth, garnicht seltenderGefahr ausgesetzt,vondemihrüberwiesenenSäuglingan- gestecktzuwerden. Das isteinsodüstererAbschnittinderGeschichtedes

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Säuglingheime. 355

Pflichtbewußtseinsunserer vornehmen Eltern,daßdieHöflichkeitleidernurallzu oftdarübergeschwiegenhatundnoch schweigt.

·

HabensichdieFrauen alstauglichzumNährenerwiesen, soempfiehlt dasHeim sieinprivate StellungenalsAmmen,währendihreKindernachwie vorimHeim bleiben,fallsnichtdieMitstillungdeseigenenSäuglingsder Ammeausdrücklichgestattetwird. HierwäreeineGelegenheitgewesen, noch einegroßesozialePflichtzuerfüllen.DasHeimdürfteAmmen nur ansolche Mütter abgeben,denendieNothwendigkeiteiner»AmmevomArzt bescheinigt wird. Seit Jahrenpredigen unsere tiichtigsten Aerzte,vor allendieFrauen- ärzte, unermüdlich,baldmahnend,baldzornig,gegendieleichtfertige Brustver- weigerung gesunderMütter· Nunistsinletzter Zeit jaschonbesser geworden;

aberman weiß,bei wievielenFrauen eingewurzelte Vorurtheileundgesellschaft- licheErwägungenselbstdiebessereEinsichtimmerwiederzumSchweigenbringen«

HierkonntedasSäuglingheimeinsetzen:wenn esseine bestenAmmen nur an würdigeFrauenabgab,denbequemen,eitlen undfurchtsamenabersiever- weigerte,rückteesdieNährpflichtderMütter indierechteBeleuchtungund verhütetedabei,daßdieElite der Ammen denzahlungfähigenMüttern zuläuft, währendwirklichder Ammebedürftige,aberminderbemittelteMütterauf weniger vorzüglicheMädchenangewiesen sind.Gewißwirdauchdie Amme amLiebsten zurhöherzahlenden Fraugehen,ohnenachdenGründenfürderenNicht-Stillen zufragen;aberwenn man eineärztlicheBescheinigung fordert, schrumpftdie Zahlderhöchstbietendensicherbeträchtlichzusammen;undselbstwenn sienoch großgenugbliebe,um alleverfügbarenAmmen zuabsorbiren, sowäreesdoch schoneingroßerVortheil,daßnur denKindern zumStillen unfähigerMütter diesebestmöglicheErnährunggebotenwürde. Uebrigens pflegenimKreisder Frauen,diesichüberhaupteineAmme haltenkönnen,dieLohnunterschiedegar nicht sogroßzusein;undfast jedeAmme würdeschonum desVortheils willen, ihr KindimHeim weiterhin gut aufgehobenzuwissen,gernsichauchfüreinen nichtaußer-gewöhnlichhohen Preisvermiethen.Hier klafft alsoeineLückein denGrundsätzendesSäuglingheimes.Denn so,wiedasVerfahren jetztgedacht ist,kannesleichtzueinerFörderungdesNicht-Stillens aus Bequemlichkeit führen.JchkenneeineDame,dieihrKindnur darumselbst stillte,weilein Kindihrer Freundin durcheineAmme krankgeworden sein sollte, ausFurcht alsovorderUnsicherheitderAmmenernährung.Das magbei garnicht wenigen Müttern entscheidendsein;alleaberwerdensichvergnügtihrerNährpflichtent- ziehen,wennihnen so vortrefflicheAmmen wie die demSäuglingheimentstammen- densicher sind, ihnen ohne UnbequemlichkeitinsHaus geliefertwerden-

Dendritten undvierten ZweckdesHeims:Säuglinge,die der Ammen- ernährungoderüberhaupteinerbesseren Pflege,alsdasHaus sieihnen geben kann,bedürfen,aufzunehmenundsterilisirte MilchvontadelloserBeschaffenheit

andieStadtfamilien fürderenKinder abzugeben, brauchtman wohlinseiner Bedeutungkaumnochzuerörtern. Wennman erwägt,wie wenigderphrasen- hafteBegriffder»natürlichenAuslese«auf unserer Kulturstufe verwendbar ist;

wievielekräftigveranlagteKinder erst durch mangelhafte Pflegeschwächlich, kränklichgemacht werden;wievieleganz gesundeanderQualität derihnen gebotenen NahrungzuGrunde gehen,dannwirdman nichtmiteinpaarwin-

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356 DieZukunft.

digen»Ziichtungfanatikern«überantiselektiveMaßregelnund ähnlichenkon- struirten Unsinn jammern, sondern geradeobihrerrassenhygienischenTragweite diese Einrichtungengutheißenundsich ihrer freuen.

EndlichabersollenTöchterallerStände inderSäuglingpflegeunter- wiesenwerden. DasisteinSegen: bedeutet esdochdenersten Schrittzur praktischen UeberwindungmütterlicherUnvernunft. Das Weibglaubt und Das ist nicht seineschlechtesteEigenschaft andieMachtderThatsachenmehr alsanallePredigtenderModebücher.Säuglingpflege läßtsichauch nicht erlesen, sondernnur erlernen. SoästhetischwieBrandmalerei undTennis ist sienatür- lich nicht;aberindengesund empfindendenMädchenwirddochder»Zugzum Kinde«sicherlichsiegen.Esschadetauchgarnicht,wenn, wieeinHerrmir schauderndausmalte, esimvornehmen Heidelbergzunächsteinmal »Mode«

würde,imSäuglingheimthätigzusein;indemErnst dieserAtmosphärewird dasModischegarbaldsich abstreifen. VorAllemwürdenvieleMädchendie unnatürlicheZimperlichkeitvor denGeheimnissendesWochenbettesundder Stillperiode verlieren;aucheinStückderGleichgiltigkeitgegendasLosder unehelich geborenenGeschöpfeundihrerMütter würde schwinden. Kurz,die BahnwirdgeebnetfürDas,was wirAerzteherbeiwünschen:daßdieMädchen, denenesversagt bleibt,dieMutterschaftoderdieEhezuerreichen,derPflege vonMütternundKindern ihre Kraft widmen;undman kannaufdenEintritt gebildeter FrauenindenHebammenberuf hoffen-

AlsoeinInstitut, indem dasPrinzipderGegenseitigkeit herrscht. Jedes giebtundJedes empfängt:Das sollte,meineich,derGeistmodernen Wohl- thuns sein.Undwas so besonders angenehmberührt,istdieStille,mitder Alles insLebengetretenist·UmdiesesMoment zuwürdigen,brauchtman

nur einenBlickaufdenhöfischsprotektoralenApparatzuwerfen,womit einst dieTuberkuloseheilstätten-Bewegungeingeleitetwurde. Ein harmloses Scherz- wort desDeutschen KaiserskrönteeinenKongreßmedizinischerKoryphäenz Empfänge,Bankette,Begrüßungen,Ordensregen. ..,,DekorativeTherapie«

hätteman esnennen können. Undwiewenig imVerhältnißzualldem PrunkundRedefluß ist erst erreicht!Eswar berliner Geistinseinerun- erquicklichenNuanee, Fassadenpomp,mitdem -dagearbeitet wurde;mehrnoch alsdasernsteärztlicheStreben undSchaffenkamdabeidieliebe Eitelkeit auf guteRechnung. Hier nichtsvonAlledemzundwenn heuteschon vorauszusehen ist,daßdieFrauimSäuglingheimeiicewesentlicheRollespielen wird, so wissen wirdoch,daßesnicht jene unerfreuliche Dame ist,dieausderNoth ihrer Schwestern sicheinenwohlfeilenHeiligenscheinwebt, sonderndaßso manchem verzogenen Töchterchen,dasimBallsaalsichgroß-undunentbehrlich vorkommt, hierdietiefe—-«ach!—- geradedemWeibe heute sosehrfehlende Goethe- -Wahr"heitdämmernmag: »Wennichbedenke,wieman wenigist!«Hierwird freilichkeineGelegenheit sein, sich interessantundgebildet vorzukommen;esist auchweder Philosophie noch Aesthetikzuschlucken,wiebeiKunoFischerund

«Henry-Thode,dennunphilososphischerundunästhetischerals amBettdes·Sä-ug- lingsskannesnirgends zugehen.fl-Waseshier zu athmen giebt, istMütterlich- keit. Hoffen-wir,daßrechtVielearbeitenkommen unddaßsie recht tief athmen.

Heidelberg. «""

-D«r.WillnHellpach f

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Blitze. 357

Blitze.

ch, Trasimen, densieden Frömmlerhöhnen

—- Denn ichbinfrommundliebeZeusalsZNanm Weil ichihn schonalsKind geliebt,undniemals Befleckte Zweifelmeines Glaubens Tempel—, Nun irr’ich schoneinhalbes ZNenschenalter, Von den Erinnyen gehetzt, durchsLeben Und ward einMörder,weilichgläubigbin, Und mitdemPriesterdesgeliebten Zeus- Denicherschlug, erschlug ichmir denFrieden!

Wieward derfromme Trasimen ein Mörder?

Quollnichtdas Blut, das dieserMörderhand DieKraft verlieh,aus meinem gläubigenHerzen?

Eswar einSommertag, derHimmellachte Undnur einWölkchenschwammimseligenAether.

UnddiesesWölkchenbargden neidischen Blitz, Dermir mein Weib undmeine Kinder fällte Unddermein Hausals Opferrauchenließ.

Da loderten auchmeine Arme auf:

»Warum,oZeus, hastDumich sogestraft?

Was that ich Dir,denmeineSeele liebt Undden vor allen Göttern ich verehre?

Was that ichDir?« Und sankinSchmerzennieder Und quältemein GedächtnißnachderSünde, Drum dergerechte Zeus michstrafenmußte.

Und Diomed,desZeus geweihter Priester, Stand neben mir undsprach:»ErhebeDich!

Gewaltig istderGott,derBlitze schleudert, Und unerforschlich istderRathschluß Zeus’;

Diesaber kündich Dir,derPriesterZeus’, DerDuDein Lebenlangihmtreu gedient- Nicht Zeus hat diesen Blitz herabgeschleudert,

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358 DieZukunft.

Denn seineKinder schütztdergroße Zeusl«

Da horcht’ich auf:»NichtZeusdenBlitz

Und er:

»ZuFüßendesGewaltigen ruhndieBlitze Vor seinemThron; soward es uns verkündet.

Wenn aber Zeus von seinem Thronesteigt Und durchdieWelten seinesHimmelsschreitet Oder sichliebend aufdieErde schwingt, Dann probt wohlleicht«einandrer Gott seinKönnen Undbeugt sichnieder vor dem ThrondesEwigen Und freut sich seiner Kraft, hebteinenBlitz Undschleudert ihninfrevlem Uebermuth, Ein Zeus sichdünkend,aufdieErde nieder.

Ein solcher Blitz hatDir Dein Weib erschlagen Und Deiner Kinder SchaarundHausund Hof.

Nicht jeder Blitz,deraus den Wolken zuckt, HatauchinZeus’erhabnerFaustgelegent«

SosprachderPriester. Und ichsprangvom Boden:

»NichtjederBlitzvon Zeus

»Sokünd’ichDirs.

Denn Duwarst frommundZeusbeschütztdieFrommen!«

Ich aber schauderte:»SogiebtesBlitze, Dieniedersausen,weiles Götter freut, Wie Knaben sichimDiskuswurfzuüben?«

»Soistes, Freund,und Zeus istgroßund weise!«

»Undklug, so niedrig klugwie kleineZNenschen Und läßtdieBlitze liegenvor demThron, Damit diefrevlen Blitze Schleudrer finden!

Okluger Gott, oschlau bedachter Gott, Derseine heiligen Blitze nicht bewacht, Damit derSchreiderungerechtGeprüften Nicht seinerSchwächefluche! Nein,Dulügst!«

Jch hobdenStein,dermir zuFüßenlag ,,Beschwöremir, oPriester,daßDulügst, Daßjeder Blitz,deraus denWolken zuckt, Von Zeus gesandt,von Zeusundgöttlichistl Das schwöremir, Dupriestermeines Zeus,

P

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AufdieMensur! 359 Dutötestmich,wenn DudenZeusmir tötest!«

Eraber sah michan undwußtenicht, WelcheinGewitter mir imHerzentobte, Und schütteltedaSHaupt: »Nein,glaubemir, Zeus ist gerecht,dieandern Götter freveln!«

Datrafmein Stein den Lügner. Undich schrie UndschreieSnoch,ein halbesMenschenalter SeitjenemTag: »Du lügst,meineidigerPriester!

Wer Blitze hat, sieindieWelt zuschleudern, Und wer einZeus,einGott undHerrscherist, Derwaltet seines UmtSzer wahrtdieBlitze, Denn siesind heilig,wieer heilig ist, UndZeus ist nicht so klein,um schlauzusein!«

DerPriesterstarb;er fluchtemir. DieGluth Verloschinmeinem Haus,daSmir dieKinder UnddaSmein Weib begrub;dann floh ich fort, Ich Trasimen, densiedenFrömmlerhöhnen.

Prag. HugoSaluS.

IV

Auf

die

Mensurl

Wer

ZuhörerraumimSitzungsaalderStrafkammerbeimLandgerichtder kleinen nordischenUniversitätstadtwar gepfropftvollvonAkademikern jeden Grades,vomjüngstenFuchsbis zumehrwürdigenbemoosten Haupt. Selbst deralteSchmeckebierwar anwesend,einKandidat derMedizin hochinden Vierzigern,vondemdasGerüchtging, er seischonzurZeitderseligen Post- kutscheangekommenundstudireimmernoch,weildasfürihnausgesetzteFamilien- stipendiummitSchlußfeinesStudiums erlöscheunderdeshalb vorziehe, die noch fehlendenStationen seines Staatsexamens nichtzuerreichen·

AufderAnklagebank, vor den fünfNichtern,demStaatsanwalt gegenüber,saßenzweistattlicheMänner: denRichternzunächstderDoktor der MedizinundGutsbesitzerFreiherrvonReitzenfelde,neben ihmderHilfsbiblio- kar undDoktorderPhilologie Heinrich Vogel.Jener,derSohneinesberühmten süddeutschenKlinikers,hattemit HängenundWürgenauf Betreiben seines einflußreichenVaters dasPhysikum gemacht;derVaterhatteihmauchnochden

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360 DieZukunft-

medizinischen Doktorhut aufdasverheißungvollgelichtete Haupthaarzudrücken vermocht. Zum StaatsexamenreichtedieEnergiedesHerrnAlius nicht mehr aus; erwar anscheinend rettunglosderMorphiumspritzeverfallen. Dergut- müthigeAltehatte ihm zweischöneschuldenfreieGüter im NordenDeutschlands alspeeuliumübergeben,derenEinkünftederHerr Gutsbesitzerinderbenach- barten UniversitätstadtmitCorpsbrüdernundbefreundetenSeelen schleunigst

andenMann,beiBedarfauchandieFrauzubringen beflissenwar. Man munkelte sogar,erhabeeinsderGüterschon»verwichs«.Jedenfallsführte ereintollesLeben,waraberseiner FreigebigkeitundimmergutenLaunewegen überallbeliebt. Groll hegteernur gegendie,,Kaffern«.Sonannte eralle Akademiker,dienichteinem Corpsangehörtenoderangehörthatten.

Sein Gegner,derjetzt friedlich,wenn auchingemessener Entfernung, dieAnklagebankmitihm theilte,einschlanker,hochgewachsenerjungerMann mitfrischenFarben,dessentrutzigeOberlippeeinhellblondesSchnurrbärtchen zierte,vonbescheidenem,sanftem Wesen, putzteabundzuinnervöserErregung seinen Zwickerundfuhr sichdannwiezumSchutzüberdiekurzsichtigen,stark geröthetenAugen.Man sah ihman: erfühltesichhöchstunbehaglichinseiner Rolle; alleFragendessehr objektiv verhandelnden Vorsitzendenbeantwortete ernurmit einemschüchternenJaoderNeinundmachte,wieübrigensauch seinLeidensgefährte,nichtdengeringsten Versuch, seine Thatzubeschönigen.

Unddochtrat derHerrDoktor derMedizin soganz anders auf. Er zwirbeltehäufigmiteinereleganten Bewegung seinerweißen,wohlgepflegten HandmitdensorgfältigzurechtgeschnittenenFingernägeln exungue leonem, flüsterteeinboshafter BeobachterimZuhörerraum denstarken rothen Schnauz- bartundließdabeiseine Blicke, DiesemoderJenem freundlich zunickend, durch dasAuditorium schweifen.

Dieverantwortliche Vernehmungder Beiden ergabeinenfastalltäglichen Sachverhalt: DerHerr Baron war erstgegenAbend vonseinenGütern indie Stadt gefahren,um anderAbschiedsfestkneipedesS.C.theilzunehmen,aber vorher noch,umschnelldieGrundlagefürdenstolzen AufbauvonHalbenund Ganzenzulegen,dieersich einzupumpen gedachte,indenKlubgeeilt.Dort traferdie abonnirten Stammgäste,unter ihnenauchdenBibliothekarDr.Vogel, schonbeimAbendessenangemeinsamer Tafel. Erkannte vielederHerren, machte sichmitdenübrigenbekannt undnahmderEinfachheit halber, allerdings unter VerletzungdesgeheiligtenCorpsgrundsatzesder,,Exklusivität«,anderen Tafelmit Platz. Das GesprächkamaufdieAlkoholfrage.Dr.Vogel,ein starker Esser, betheiligte sichzunächstnicht daran. Dann,alservonseinem Gegenüber,einemsächselndenChemikerineinerZuckerfabrik,um seine Meinung befragtwar,sprachersichinseiner lebhaftenArtgegendenAlkoholgenußaus undäußerteunter Anderem,erhabe nochnirgends sobeobachtetwiehier,daßdas übermäßigeBiertrinken verdumme undleiderauch verrohe. FreiherrvonReitzen- felde sahdarineineSpitzegegensichundrieflautüberden ganzenTisch:»Was verstehtdennsoeinKasserdavon? Dasist ja,alswenn dieKuhvomSeil- tanzenspricht,SiePiepvogel!«Derso Angegriffene entgegnete ernst: ,,Exempla davont; dahaben Sie,meineHerren,malwiedereinenBeweis fürdieRichtig- keitmeinerAnsicht.«DerBaron erhob sich erregt:»Ichtrinkegernundviel

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