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Archiv "Telemedizin und Assistenzsysteme: Viel Potenzial im privaten Raum" (11.11.2011)

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A 2396 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 108

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Heft 45

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11. November 2011

TELEMEDIZIN UND ASSISTENZSYSTEME

Viel Potenzial im privaten Raum

Noch spielen Assistenzsysteme und telemedizinische Anwendungen kaum eine Rolle im Alltag. Mittelfristig sollen sie aber den dritten Gesundheitsstandort erobern.

E

xperten gehen davon aus, dass sich in einer älter werdenden Gesellschaft die Wohnung bezie- hungsweise das private Umfeld als dritter Gesundheitsstandort neben der Arztpraxis und der Klinik etablieren wird. Dennoch spielen technische Assistenzsysteme, die seit einigen Jahren unter dem sperrigen Begriff Ambient Assisted Living (AAL) ent- wickelt und getestet werden, bislang noch keine große Rolle im Alltag.

Trotz vieler nationaler und europä - ischer Fördermaßnahmen sei im Hin- blick auf die derzeitige Marktsituati- on von AAL-Systemen eine ernüch- ternde Bilanz zu ziehen, konstatierte Dr. Gerhard Finking von der Euro- pean AAL Association bei der Fach- tagung Telemed 2011 in Berlin (www.telemed-berlin.de)*. Als Bei- spiel führte er die geringe Verbrei- tung von Hausnotrufsystemen unter der älteren Generation (65 Jahre auf- wärts) an: In Frankreich und Italien liegt diese unter zwei Prozent, in Deutschland bei etwa vier Prozent, Spitzenreiter sind Irland und das Vereinigte Königreich mit bis zu 16 Prozent. Auch häusliche Telemoni- toringsysteme befinden sich immer noch überwiegend in der Erpro- bungsphase. „Von einem europä - ischen Markt für Telemonitoringsys- teme kann man noch nicht spre- chen“, sagte Finking. Allenfalls gebe es nationale Teilmärkte.

Markteinführungshemmnisse sind nach Meinung des AAL-Experten vor allem fehlende Finanzierungs- modelle, die fehlende Bereitschaft zur privaten Finanzierung sowie mangelnde Alltagstauglichkeit und Funktionalität, unter anderem weil internetbasierte Techniken und Haustechnik (noch) nicht integriert

sind. Hinzu kommen ungeklärte Datenschutz- und Haftungsfragen insbesondere bei Produkten, die Sicherheit und Medizin betreffen.

Vor diesem Hintergrund spielen Assistenzsysteme in der europä - ischen Förderpolitik auch weiterhin eine große Rolle. Das ab dem Jahr 2014 beginnende 8. Forschungsrah- menprogramm der Europäischen Union (EU) enthält einen Schwer- punkt, der sich mit dem demografi- schen Wandel, Telemedizin und As- sistenzsystemen befasst. Darauf verwies Prof. Dr. Wolf-Dieter Lu- kas, Ministerialdirektor im Bundes- Glukosemessung unterwegs: Mobile Systeme erleichtern künftig das Monitoring.

Foto: BVMed-Bilderpool

*veranstaltet vom Berufsverband Medizi- nischer Informatiker e.V., TMF – Techno - logie- und Methoden- plattform für die ver- netzte Forschung e.V., Deutsche Gesellschaft für Gesundheits - telematik e.V.

multiresistenten Erregern in Kran- kenhäusern und anderen Einrich- tungen des Gesundheitswesens.

Aber ich sehe auch noch Lücken.

So hat man es beispielsweise ver- säumt, die Inhalte der Empfehlun- gen der Kommission für Kranken- haushygiene und Infektionspräven- tion beim RKI für die Ausstattung der Kliniken mit Hygienepersonal auch auf das notwendige Personal in den Gesundheitsämtern auszu- dehnen, die die Einhaltung der Vorschriften kontrollieren müssen.

Wichtig erscheint mir in diesem Zusammenhang eine breitere Ver- ankerung des Hygienegedankens in der ärztlichen Aus- und Weiter - bildung.

Wie sieht es mit dem Engagement des ÖGD in der Prävention aus?

Teichert-Barthel: Das ist für uns ein ganz wichtiger Tätigkeitsbe- reich, hier haben wir die Chance, wirklich etwas zu bewegen. Die Präventionsarbeit vor Ort ist sehr stark an den Gesundheitsämtern an- gesiedelt. Es gibt im Präventionsbe- reich hervorragende Sachen, die man bereits mit wenig Geld und wenig Aufwand umsetzen kann.

Man muss nur schauen, wie es für die Gegebenheiten vor Ort struktu- riert sein muss.

Der Großteil der bestehenden Präventi- onsangebote wird über die Kranken- kassen finanziert. Müsste der ÖGD hier noch stärker miteingebunden werden?

Teichert-Barthel: Ich finde es schade, dass die Gesundheitsämter insgesamt zu wenig an der Präven- tion beteiligt sind. Wir machen na- türlich vor Ort auch gemeinsame Projekte mit den Krankenkassen, beispielsweise bei den frühen Hil- fen für Kinder sowie im Bereich der Zahngesundheit und der Impfprä- vention. Aber es müsste eine ÖGD- spezifische Organisation auf über- geordneter Ebene geben, die etwa Präventionsangebote besser koordi- nieren könnte. Wenn wir das hätten, könnte man den Präventionsbereich sehr viel besser beim ÖGD veran- kern und mit geeigneten Kooperati- onspartnern zu gemeinsamen Ak-

tionen kommen.

Das Interview führte Thomas Gerst.

T H E M E N D E R Z E I T

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Deutsches Ärzteblatt

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11. November 2011 A 2397 ministerium für Bildung und For-

schung (BMBF). Es sei Aufgabe der EU-Kommission, ein Gesamt- konzept hierfür zu entwickeln und durch Richtlinien politisch die Rah- menbedingungen vorzugeben.

Im BMBF beschäftigt sich das Referat „Demografischer Wandel:

Mensch-Technik-Kooperation“ mit dem Thema und treibt Querschnitts- projekte, auch unter Einbeziehung der Geistes- und Sozialwissenschaf- ten, voran. Generell sind nach Lukas Prozess inno va tio nen wesentlich für das Gesundheitswesen und die Pfle- ge und deren Weiterentwicklung. Te- lemedizin kann dabei vor allem zur besseren Versorgung älterer Men- schen in ihrem vertrauten Umfeld genutzt werden. Das spiegelt sich in den Förderprogrammen wider, die in den letzten Jahren die Wohnung als ein zentrales Thema entdeckt haben.

Ein Beispiel hierfür ist laut Lukas der Forschungsverbund „Smart Senior“. In dem Projekt geht es einerseits um das längere Verbleiben älterer Menschen in der eigenen Wohnung, um das selbstständige Verrichten der Alltagsgeschäfte so- wie um Mobilität und Barrierefrei- heit durch technische Assistenzsys- teme, andererseits aber auch um soziale Unterstützungssysteme und die Förderung der Kommunikation (www1.smart-senior.de).

Technische Lösungen, die chro- nisch Kranke und Pflegebedürftige etwa durch das Monitoring von Vi- talparametern unterstützen sollen, müssten sich zuallererst an den Grundbedürfnissen der Anwender ausrichten, forderte Dr. med. Annett Kröttinger von der Deutschen Stif- tung für chronisch Kranke. Zu tech- niklastige Entwicklungen, das Sam- meln zu vieler Daten und die Ver- nachlässigung von Kommunikation und Individualität führten dazu, dass die Systeme nicht akzeptiert würden.

Die Technik müsse simpel und mo- dular erweiterbar sein und vor allem den menschlichen, sozialen Aspekt berücksichtigen, betonte Kröttinger.

Diese Anforderungen scheinen viele Applikationen (Apps) für Smart phones und Pads/Tablets zu erfüllen, blickt man allein auf die rasch wachsende Zahl angebotener Apps für den Gesundheitsbereich –

eine Entwicklung, die sowohl die Nutzung im Krankenhaus und in der Praxis als auch im privaten Raum betrifft. „Die sicheren, abgeschotteten Netzwerke im Krankenhaus werden derzeit durch Apps und Smartphones aufgebrochen. Die vorhandenen Re- gularien etwa hinsichtlich Sicherheit sind weit hinter dem zurück, was wir an Technik heute erleben“, erklärte Dr. med. Rainer Röhrig, Universi- tätsklinikum Gießen und Marburg.

Das gilt ebenso für gesundheitsbezo- gene Produkte und Dienstleistungen für den dritten Gesundheitsstandort.

Technische Standards, die auch als Basis für eine Qualitätssicherung dienen, fehlen hier noch weitgehend.

Komponenten und Systeme sind meist Insellösungen, die wegen pro-

prietärer Schnittstellen häufig nicht mit anderen Systemen und Infra- strukturen des Gesundheitswesens verknüpft werden können.

Inzwischen arbeitet man vieler- orts daran, diesen Zustand zu än- dern und mehr Interoperabilität zu ermöglichen – sogar über Landes- grenzen hinweg. Im EU-Projekt UniversAAL (www.universaal.org) beispielsweise geht es darum, eine universelle Plattform für Smart - phones und Apps zu entwickeln, über die Lösungen für Gesundheit, Pflege und Haustechnik integriert werden können. „Das Ziel ist, bei- spielsweise eine Miele-Küche mit dem Pflegebett und der Türklingel zu verbinden“, erläuterte Dr. Asam- ush Rashid vom FZI Forschungs- zentrum Informatik in Karlsruhe. In dem Projekt sollen eine „Middle- ware“ für AAL-Systeme als neutra- le Instanz, die zwischen unter- schiedlichen Anwendungen vermit- telt, und ein Online-Marktplatz für Gesundheits-Apps entwickelt wer- den. Die Plattform soll Pflegediens- te, alte und hilfsbedürftige Men- schen und ihre Angehörigen bei der Nutzung von AAL-Anwendungen unterstützen und gleichzeitig den Entwicklern die Arbeit erleichtern.

Ziel des ebenfalls von der EU ge- förderten Projektes EmotionAAL (www.emotionaal.eu) ist ein inte- griertes Versorgungskonzept für die ältere Bevölkerung ländlicher Re- gionen mittels innovativer Mikro- systemtechnik und Nanotechnologie sowie mobilem Telemonitoring. Un- ter anderem sollen die Vitalwerte von chronisch kranken Patienten langfristig überwacht werden. Hier- zu wird eine Serviceplattform ent- wickelt, die Daten von verschiede- nen Biosensoren, etwa aus einem Blutzuckermessgerät, sammelt. Die- se Daten werden automatisiert von dem „Plug&Care-Connector“, einer Smart phone-App, an ein telemedizi- nisches Zentrum übermittelt. Bei dem „Connector“, den das Deutsche

Zentrum für Luft- und Raumfahrt entwickelt, han- delt es sich ebenfalls um ei- ne plattformunabhängige Middleware für Han dys, die das Monitoring des Pa- tienten steuern soll. Sie soll eine große Anzahl von mobilen Be- triebssystemen wie Windows Mobile oder Android und ebenso die PC- Betriebssysteme Win dows und Li- nux unterstützen. Dadurch müssen Hersteller von medizinischen Gerä- ten und Anwendungen nicht mehr für jedes Betriebssystem einen eige- nen Treiber zur Verfügung stellen, sondern dieser läuft auf allen gängi- gen Plattformen. Medizintechnische Geräte, die der Patient im privaten Umfeld nutzt, sollen sich dadurch einfach an alle Smartphone-, PC- und Settopbox-Betriebssysteme an- binden lassen.

Damit schlägt man gleich mehre- re Fliegen mit einer Klappe: Die Medizintechnikhersteller sparen Entwicklungskosten. Die Kranken- kassen müssen die Teilnehmer an Telemonitoring-Programmen nicht, wie das heute oft der Fall ist, zu- sätzlich zum Medizintechnikgerät auch mit einem Smartphone aus- statten, weil die Patienten stattdes- sen einfach ihre privaten Handys hierfür nutzen können. Durch den Rückgriff auf die vertraute Technik könnte zudem auch die Bereitschaft der Patienten steigen, telemedizini- sche Anwendungen zu nutzen.

Heike E. Krüger-Brand

Das Ziel ist, beispielsweise eine Miele- Küche mit dem Pflegebett und der Türklingel zu verbinden.

Asamush Rashid

T H E M E N D E R Z E I T

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