Das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Si- cherung favorisiert unver- ändert die Einführung von Pauschalvergütungen auch im Privatliquidationsbereich, im stationären Bereich zum Beispiel über prozentuale Zuschläge zu den DRG-Fall- pauschalen, die wahlärztli- che Liquidation der im ein- zelnen erbrachten Leistun- gen auf Basis der Gebühren- ordnung für Ärzte (GOÄ) entfiele. Diese Option wird von der privaten Kranken- versicherung (PKV) be- grüßt: Zu groß ist der Auf- wand für die Prüfung der häufig mehrere Seiten Pa- pier umfassenden Liquida- tionen auf Plausibilität, zu unergiebig der Versuch, hier- durch nennenswerte Ko- steneinsparungen zu erzie- len. Die PKV beklagt insbe- sondere die Ausgabenent- wicklung bei den ambulan- ten ärztlichen Leistungen, dem Segment mit den höch- sten Steigerungsraten nach den Kostenerstattungen für Arzneimittel. Wie mittelbar oder unmittelbar hängen die Mengenausweitungen bei den ambulanten privatärztli- chen Leistungen mit den Einbrüchen bei den ver- tragsärztlichen Leistungen zusammen? Fazit der PKV:
Das Einzelleistungsvergü- tungssystem „fördert die Mengenausweitung ärztli- cher Leistungen, ist intrans- parent und lädt zum Miss- brauch unter dem Gesichts- punkt der Rechnungsbetrags- optimierung ein“ (aus: Stand- punkte der PKV zur Struk- tur des Krankenversiche- rungssystems 2002).
Wer würde das Problem der Mengenausweitung noch in Abrede stellen wollen, wenn er zum Beispiel fol- genden Fall kennt: Ein Arzt verspricht Heilung eines Parkinson-Kranken, ersinnt
eine neue Variante der Aku- punktur, setzt gleichzeitig fünfzig Nadeln in die auf das Ohr projizierten Meridiane, und rechnet hierfür fünfzig- mal die Nr. 269 GOÄ ab.
Nun sind es aber nicht sol- che plakativen Negativbei- spiele „schwarzer Schafe“, deren Fehlverhalten oft nicht auf dem Wege der Rechnungsprüfung, sondern nur unter Ausschöpfung be- rufsrechtlicher Mittel beizu- kommen ist, die den priva- ten Krankenversicherungen hauptsächlich ein Dorn im Auge sind. Kostenträger und Ärzte leiden unter der inflationären Zunahme von inhaltlich komplizierteren GOÄ-Auslegungsdivergen- zen. Ursache hierfür ist je- doch nicht das Prinzip der Einzelleistungsvergütung, sondern die sträflichen Ver- säumnisse des Verordnungs- gebers bei der Aktualisie- rung der GOÄ.
Das als überholt erschei- nende Einzelleistungsver- gütungssystem passt nicht in das Konzept von Leistungs- steuerung im Sinne von Managed Care, nach dem auch die private Kranken- versicherung strebt. Dabei entfalten auch Fallpauscha- len – in Abhängigkeit von den jeweiligen Rahmenbe- dingungen – massive Fehl- anreize, wie schon in den 80er-Jahren in den USA bei Einführung von DRG-Fall- pauschalen zu beobachten war. Sei es, dass die Pau- schalvergütung durch Lei- stungsminimierung optimiert wurde (was in den USA über 600 einzelne Gesetze und Verordnungen zur Si- cherstellung der medizini- schen Versorgungsqualität zur Folge hatte), sei es, dass „billige“ Fälle in „teu- re“ Fälle umkodiert wurden und so weiter.
Dr. med. Regina Klakow-Franck
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A428 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 714. Februar 2003
Einzelleistung oder Pauschale?
GOÄ-Ratgeber
V A R I A