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ildung macht groß und stark“ – das erfahren fin- nische und kanadische Kinder lange vor ihrer Ein- schulung schon im Kindergar- ten und in der Familie. Eltern, Erzieher und Lehrer vermit- teln ihnen sehr früh, dass Ler- nen Spaß macht und im Leben weiterbringt. Mit diesem „Bil- dungsoptimismus“ im Rücken kommen sie in der Schule bes- ser zurecht als Kinder aus Deutschland. Hier hat Bil- dung oft den Beigeschmack von Last, Mühsal und Pflicht.Dies ergab eine Vergleichsstu- die des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) unter Lei- tung von Prof. Dr. Eckhard Klieme, in deren Rahmen un- tersucht wurde, welche Ge- meinsamkeiten die Bildungs- systeme der sechs erfolgrei- chen PISA-Teilnehmerländer Kanada, England, Finnland, Frankreich, Niederlande und Schweden aufweisen*. Bei der Präsentation der Ergebnisse betonte Bundesbildungsmini- sterin Edelgard Bulmahn in Berlin: Die notwendige Bil- dungsreform könne in Deutsch- land nur gelingen, wenn Bil- dung als „zentrale gesell- schaftliche Aufgabe“ begrif- fen würde.
Die Suche nach den Ursa- chen für das unterschiedliche Abschneiden bei der PISA- Studie (Programme for Inter- national Students Assessment) hatte zu einem in der interna- tionalen Bildungsforschung einmaligen „Experiment“ ge- führt, erklärte Klieme: Re-
nommierte Bildungsforscher aus den genannten europäi- schen beziehungsweise nord- amerikanischen Industrie- staaten wurden aufgefordert, zentrale Merkmale des jewei- ligen gesellschaftlichen und bildungspolitischen Kontex- tes, des Schulsystems und schließlich der pädagogischen Praxis in ihrem Land darzu- stellen.
Die Auswertung dieser Länderberichte zeigte neben dem hohen Stellenwert von Bildung in einigen Kriterien eine deutliche Übereinstim- mung:
Schulen haben mehr Ei- genverantwortung.
Gleichzeitig werden mehr zentrale Prüfungen durchge- führt.
Es wird früher einge- schult (Ausnahmen: Finnland und Schweden), die Kinder kommen spätestens im Alter von sechs Jahren in die Schule.
Die Schüler lernen län- ger gemeinsam (in der Regel mindestens acht Schuljahre) und werden erst spät auf un- terschiedliche Schulformen aufgeteilt.
Die Schüler dieser Län- der berichten von mehr Un- terstützung durch ihre Leh- rer. Die Schüler besuchen seltener Nachhilfeunterricht als deutsche Jugendliche.
Diese Gemeinsamkeiten seien eingebettet in eine Bil- dungskultur, in der die Förde- rung von Benachteiligten ein zentrales Anliegen darstelle, betonte Klieme. Regionale und soziale Ungleichheiten würden ernst genommen. Die gemeinsame Beschulung ver- schiedener Schülergruppen werde mit einer stärkeren In- dividualisierung der Unter- Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 423. Januar 2004 AA205
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PISA-Länder im Vergleich
Hoher Stellenwert
individueller Förderung
Bildung als Balanceakt zwischen verbindlichen Standards und Eigenverantwortung der Schulen
* Arbeitsgruppe „Internationale Ver- gleichsstudie“: Vertiefender Vergleich der Schulsysteme ausgewählter PISA- Teilnehmerstaaten. www.bmbf.de/pub/
pisa-vergleichsstudie.pdf
richts- und Lernprozesse ver- bunden: Wenn ein Kind eine bestimmte Kompetenz über den üblichen Weg nicht er- wirbt, wird es für einige Wo- chen mithilfe eines anderen Ansatzes in einer kleineren Schülergruppe unterrichtet.
Diese individuelle Förderung kommt insbesondere den Mi- grantenkindern zugute. Die Heterogenität in der Klasse bedeutet für den Lehrer eine besondere Herausforderung.
Entsprechend hohen Stellen- wert hat in den sechs Ländern die Aus- und Fortbildung der Lehrerkräfte.
Hinter diesen Einzelmaß- nahmen stehe, dass bei der PISA-Studie erfolgreichere Staaten frühzeitig, das heißt spätestens in den 90er-Jahren, systematisch und mit langem Atem Bildungsreformen in
Angriff genommen und neue Modelle der Steuerung des Schulsystems eingeführt hät- ten, erläuterte Bulmahn. Die Qualität der schulischen Ar- beit und der Lernergebnisse rückten in den Mittelpunkt.
Es wurden einheitliche, ver- bindliche Leistungserwartun- gen im Sinne von Bildungs- standards festgelegt und dar- auf aufbauende nationale Testverfahren entwickelt. Re- gelmäßige externe Leistungs- erhebungen sind in allen Vergleichsländern selbstver- ständlich. Entscheidend je- doch ist, dass gleichzeitig den Schulen eine stärkere Auto- nomie eingeräumt wird. Erst in der Kombination von exter- ner Evaluation und hoher Ei- genverantwortung der einzel- nen Schule zeige sich der Er- folg. Karin Dlubis-Mertens
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eder dritte Jugendliche im Alter zwischen 14 und 17 Jahren hat – wie die Studie zur Jugendsexualität der Bun- deszentrale für gesundheitli- che Aufklärung (BZgA) aus dem Jahr 2001 zeigt – Ge- schlechtsverkehr gehabt. Im Vergleich zu den 80er- Jahren ist das Einstiegsalter für den ersten Geschlechtsverkehr gesunken. Gerade im Hin- blick auf die Verhütungssi- cherheit spielt das Alter der ersten sexuellen Erfahrungen eine große Rolle. 18 Prozent der 14-Jährigen haben beim„ersten Mal“ nicht verhütet.
„Um Teenagerschwanger- schaften wirkungsvoll zu ver- hindern, muss Sexualaufklä- rung bereits in der Vorpubertät und Pubertät einsetzen“, so Dr.
Elisabeth Pott, Direktorin der BZgA. „Wichtig ist außerdem, dass sowohl im Elternhaus als auch in der Schule und in der außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit Sexualaufklä- rung stattfindet. Studien der BZgA belegen, dass eine früh-
zeitige altersgerechte Sexual- aufklärung zu einem verant- wortungsvollen Umgang mit Sexualität und Verhütung führen kann. Deshalb hat die Bundeszentrale das neue Me- dium „Dem Leben auf der Spur“ zur Sexualaufklärung Acht- bis Zwölfjähriger ent- wickelt, das sich in erster Linie an Mädchen richtet. Das Me- dium besteht aus dem Lese- buch „Mona, Lisa und Herr Hahnentritt“, einem Lexikon
„Das kleine Körper-ABC“, ei- nem Leporello „Das kleine 9 x 2“ und einem Eltern- und Multiplikatorenbrief. Die Ma- terialien klären Kinder einfühl- sam auf. Kinder- und Jugend- ärzte können im Rahmen der Vorsorgeuntersuchung auf die Materialien hinweisen.
Das Medienpaket „Dem Leben auf der Spur“ ist un- entgeltlich unter folgender Adresse zu bestellen: Bun- deszentrale für gesundheitli- che Aufklärung, 51101 Köln, Fax: 02 21/8 99 22 57, E-Mail:
order@bzga.de. PB