wenn der Arzt die problematischen Sachverhalte konsequent anspricht, es dabei jedoch vermeidet, den Mit- arbeiter persönlich zu beschuldi- gen. Brehm führt aus: „Indem er nie die Person, sondern stets die Auswirkungen der verwarnungs- würdigen Handlung in den Vorder- grund stellt, kann er die Verwar- nung vorbringen, ohne das Selbst- wertgefühl des Mitarbeiters zu be- schädigen.“
Das Vorgehen: Der Arzt legt die Fakten neutral auf den Tisch und spricht wiederum nur Dinge an, die er belegen kann. Die Folgen der Verstöße bringt er durch Äußerun- gen wie „Ist Ihnen bewusst, dass Sie durch Ihr Tun der Klinik einen Schaden zufügen?“ zum Ausdruck.
Zum Gesprächsabschluss holt er den Mitarbeiter zurück ins zu- kunftsorientierte Fahrwasser und vereinbart Ziele mit ihm, die si- cherstellen, dass sich eine ähnliche Situation nicht wiederholt. Aller- dings betont er zugleich, dass er sich nicht scheut, im Wiederho- lungsfall weitergehende Maßnah- men zu ergreifen.
Stufe 4
Sanktionen ergreifen
Zuweilen sind bei der Mitarbeiter- führung auch negative Sanktionen erlaubt – und erforderlich. Eindeu- tiges fortgeführtes Fehlverhalten auf Mitarbeiterebene darf nicht schöngeredet werden – negative Sanktionen gehören in den Füh- rungsköcher des Arztes.
Wichtig ist eine differenzierte Vorgehensweise: Der Mitarbeiter, der Kollegen permanent ins Mes- ser laufen lässt und eine Hauptrolle im Intrigantenstadel spielt, gefähr- det Betriebsklima, Teamgeist und Praxis- oder Klinikerfolg. So et- was darf nicht passieren und muss vom Chefarzt sanktioniert werden dürfen. Er muss ihn frühzeitig zur Rede stellen und ihm die Konse- quenzen seines Verhaltens vor Au- gen stellen. Der übereifrige Mitar- beiter hingegen kann zwar eben- falls zur Belastung werden. Im Grunde genommen jedoch meint er es gut, er will sich für das Team einsetzen. Der Arzt muss versu- chen, seine Energien in konstrukti- ve Bahnen zu lenken und für die
Entwicklung der Praxis oder Kli- nik zu nutzen. Wenn die Analyse des Fehlverhaltens zu dem Ergeb- nis führt, der Mitarbeiter habe eine Grenze überschritten, sollte der Arzt dies unmissverständlich zum Ausdruck bringen. Ansonsten er- weitern Mitarbeiter ihre Freiräume und nutzen diese immer mehr aus.
Unangenehmer Nebeneffekt: Mit- arbeiter, die sich an den Grenz - setzungen orientieren, fühlen sich demotiviert, wenn sie sehen, dass die Kollegen ohne Sanktionen durchkommen, während ihr regel- konformes Verhalten nicht aner- kannt wird.
Brehm fasst zusammen: „Wer als Arzt seine Führungsaufgabe ernst nimmt, sollte Maßnahmen einfüh- ren, um einerseits Leistungen zu belohnen. Andererseits jedoch darf er sich nicht davor scheuen, offen- sichtliche Fehlleistungen wie Mob- bing, Intrigenspiele und ungebühr- liches Verhalten gegenüber den Pa- tienten oder Kollegen zu sanktio-
nieren.“
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Eine Umfrage des Hartmannbundes unter 2 800 Medizinstudentinnen und jungen Ärztinnen hinsichtlich ihrer Aufstiegsmöglichkeiten ergab, dass ein großer Teil der Befragten von einer Chancenungleichheit im Gesundheitswesen ausgeht: Etwa die Hälfte glaubt, für ihre Karriere auf Familie verzichten zu müssen, zwei Drittel der Befragten, die eine Positi- on als Oberärztin oder Chefärztin anstreben, sind davon überzeugt, nicht die gleichen Karrierechancen wie ihre männlichen Kollegen zu haben.
Was sollte passieren, damit in Krankenhäusern mehr Geschlechtergerechtigkeit herrscht?
Kuhlmann: Zuallererst müssen die Krankenhäuser erkennen, dass sich die Interessen und Bedarfslagen ihrer Beschäftigten geändert haben und sich endgültig vom Geist vergangener Chefarztkönigreiche verab- schieden. Immer noch wird „Professionalität“ am Ideal der allzeitigen Verfügbarkeit früherer Ärztegenerationen gemessen, obschon Frauen heute die Hälfte der Ärzteschaft stellen und sich immer mehr Männer diesem Modell widersetzen.
Was muss passieren? Gefragt sind flexiblere Arbeitszeiten und neue Formen der Arbeitsorganisation, aber auch verbindliche Regelungen zur Weiterbildung und Karriereförderungen und eine konsequente Absage an Sexismus. Die Personalprobleme der Krankenhäuser sind nur zu lö-
sen, wenn die Kompetenzen von Frauen besser genutzt werden. Es geht jedoch um weit mehr als verbesserte Möglich- keiten der Kinderbetreuung und Teilzeit- arbeitsplätze für Frauen. Die Kranken- häuser müssen bereit sein, ihre etab- lierten Arbeitsroutinen und Funktionsab- läufe grundlegend zu überdenken. Ist
die frühe Morgenvisite wirklich ein Naturgesetz? Können neue IT-Tech- nologien zur Unterstützung flexibler Arbeitszeit und Weiterbildung einge- setzt werden? Wie können schwangerschaftsbedingte Engpässe präven- tiv durch einen hausinternen Stellenpool gemanagt werden? Wie können biografische Phasen/Alter und Karriereentwicklung entzerrt werden? Um diese und viele andere Fragen muss es gehen.
Nicht die Frauen oder die „Generation Y“ müssen sich ändern, die Organisation Krankenhaus ist gefordert. Utopisch? Das hätten die meis- ten wohl vor Jahren auch zu den heute selbstverständlichen Modellen verbesserter Patientenorientierung und Qualitätssicherung gesagt.
Das nächste Ziel muss der verantwortungsbewusste Umgang mit den
„Humanressourcen“ sein, und hier ist Geschlechtergerechtigkeit Motor
für Innovationen. Ol
FRAGE DER WOCHE AN . . .
Dr. rer. soc. Ellen Kuhlmann, Professorin für Rehabilitationswissenschaften an der Technischen Universität Dortmund
Patric P. Kutscher MasterClass Education, Zellertal