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Archiv "Kindesmissbrauch: Schutzräume für Therapeuten gefordert" (25.01.2013)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 110

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Heft 4

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25. Januar 2013 A 137

Das Leser-Forum

Beiträge im Deutschen Ärzteblatt sollen zur Diskussion anregen. Deshalb freut sich die Redaktion über jeden Leserbrief. Wir müssen aus der Vielzahl der Zuschriften aber auswählen und uns Kürzungen vorbehalten. Leserbriefe geben die Meinung des Autors, nicht die der Redaktion wieder. E-Mails richten Sie bitte an leserbriefe@aerzteblatt.de, Briefe an das Deutsche Ärzteblatt, Ottostraße 12, 50859 Köln.

INTERVIEW

Prof. Dr. med. Jür- gen Windeler, Leiter des IQWiG, zur frü- hen Nutzenbewer- tung von Arzneimit- teln (DÄ 50/2012:

„Wie die Stiftung Warentest“ von Thomas Gerst und Hei- ke Korzilius).

Vermischung von Spieler und Schiedsrichter

„Problematischer ist das Verhältnis zu den Pharmaverbänden, weil sie Interessensvertretung pointierter wahrnehmen als die Firmen, mit denen man auf sachlich fachlicher Ebene gut zusammenarbeiten kann“

ist eine der Aussagen von Prof.

Windeler im aktuellen Interview des DÄ. Er variiert hier die derzeit von Vertretern der Selbstverwaltung gern bemühte These, dass das AMNOG und die frühe Nutzenbe- wertung auch aus Sicht der Firmen weitgehend unproblematisch seien und nur die Pharmaverbände von alldem noch nichts mitbekommen hätten.

Eine schöne Pointe, nur leider un- zutreffend.

Es ist aber ein Verdienst des Inter- views, zu verdeutlichen, dass es hier tatsächlich um verschiedene Dinge geht: Die hohe Kooperati- onsbereitschaft der Industrie in den einzelnen Bewertungsverfahren ei- nerseits, aber fortbestehende grund- sätzliche Probleme des Bewer- tungsverfahrens andererseits.

Einleitend in seinem Interview wer- tet Prof. Windeler: „Das Ergebnis ist besser, als viele erwartet haben.“

Diese Überraschung überrascht!

Selbst der kassennahe Arzneimittel- verordnungsreport identifiziert seit

INTERVIEW

P g d h t t

„ Warentest“von Thom

Jahren circa 70 Prozent der Wirk- stoffe in die Kategorien A oder B nach Fricke und Klaus. Es wäre deshalb eher überraschend, wenn nicht zumindest zwei Dritteln der neuen Arzneimittel ein Zusatznut- zen zugesprochen würde.

Bemerkenswert ist die Feststellung, dass das IQWiG bislang die höchste Nutzenkategorie nicht vergeben ha- be mit der apodiktischen Begrün- dung: „Das ist eine ganz klare Aus- nahmekategorie.“ Weder das Gesetz noch die AM-Nutzenverordnung benennen diesen Ausnahmestatus.

Es ist, um im vom DÄ gemachten Bild zu bleiben, als würde die Stif- tung Warentest die Kategorie „sehr gut“ praktisch nicht vergeben. Es ist an dieser Stelle zu ergänzen, dass das IQWiG auf der reinen Nutzen- seite, das heißt vor Saldierung mit

Schadensaspekten diese Kategorie durchaus schon mehrfach vergeben hat, dass aber der G-BA dies jeweils herabgestuft hat.

Überhaupt liegt ein grundsätzliches Problem auch gar nicht beim IQWiG: Die entscheidenden Schrit- te von der Beratung einschließlich der Auswahl der zweckmäßigen Vergleichstherapie bis zur Anhö- rung und dem Bewertungsbeschluss liegen beim G-BA und werden durch den späteren Verhandlungs- partner GKV-Spitzenverband we- sentlich mitgeprägt. Diese Vermi- schung von Spieler und Schieds- richter ist nach den bisherigen Er- fahrungen ein entscheidendes Pro- blem.

Birgit Fischer, Hauptgeschäftsführerin des vfa – Die forschenden Pharma-Unternehmen, 10117 Berlin

KINDE SMI SS BR AU CH

Betroffene finden nur unzureichende Hilfs- und Therapie- angebote (DÄ 44/

2012: „Sexueller Kindesmissbrauch:

Therapieplätze drin- gend gesucht“ von Petra Bühring).

Schutzräume für Therapeuten gefordert

Leider müssen meine Kolleg(inn)en und ich in unserem Praxisalltag sehr oft feststellen, dass es uns verun- möglicht wird, ausreichend Schutz- raum für unsere missbrauchten oder misshandelten Patienten zu gewähr- leisten.

Ob dieser zu schaffen ist, hängt meistenteils nicht von der Entschei- dung des Therapeuten, sondern von

der Tendenz zum Agieren bei den Eltern oder letztlich der Rechtspre- chung ab, also von der subjektiven Einschätzung des Familienrichters, eines therapeutischen Laien.

Dies betrifft insbesondere Fragen des Umgangs- und Besuchsrechtes sowie das Recht auf Auskunft über Inhalte der Therapie, das wiederum die Schweigepflicht konterkariert.

Hier erleben wir oft sehr dramati- sche und für Kinder traumatisieren- de Entwicklungen.

So werden Kinder gerichtlich ge- zwungen, den Vater zu besuchen, obwohl sie von sexuell getönten

„Spielen“ berichten und große Angst vor diesen Besuchen haben (in einem Fall musste ein Opfer so- gar den Täter im Gefängnis besu- chen); Atteste von Kinderärzten und involvierten Therapeuten werden vom Tisch gewischt und als nicht

KINDE SMI SS

B n H a 2 K T gend gesucht“von P

B R I E F E

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A 138 Deutsches Ärzteblatt

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25. Januar 2013 maßgeblich erkannt. Missbrauchte

Kinder sind gezwungen, jahrelang in unmittelbarer Nachbarschaft des Täters zu leben, der lediglich eine Bewährungsstrafe bekam.

Viele Kinder und Jugendliche ha- ben das Bedürfnis, den Täter in ih- rer Therapie „außen vor“ zu halten und erleben es als eine symbolische Kontaminierung, wenn er die Räu- me des Therapeuten betritt oder fürchten die Manipulation des The- rapeuten durch den Täter. Demge- genüber stehen das Recht auf Aus- kunftspflicht durch den sorgebe- rechtigten Elternteil, das nicht sel- ten eingeklagt wird – eine therapeu- tisch unhaltbare Situation, und meist ist das dann das Ende jeder Behandlung – sowie als Folge eine

Verwirrung des Kindes im Bereich des Unrechtsbewusstseins, wenn man dem Täter wesentlich mehr Rechte zugesteht als dem Opfer.

Dass das Phänomen PAS (systema- tische Entfremdung des Kindes von einem Elternteil) oder des vorge- täuschten Missbrauchs existent ist, ist natürlich unbestritten, aber ein Therapeut braucht Zeit und Ruhe, um dies herauszufinden, die Gele- genheit ist oft nicht gegeben, wenn man sofort in einen Krieg verstrickt wird. Es sollte hier eine Art „einst- weilige Verfügung“ geben . . . Viele Kollegen nehmen solche Fälle nur noch ungern an, da man oft in endlose, ärgerliche, Zeit und Ener- gie zehrende Auseinandersetzungen verstrickt wird, die nicht vergütet

werden, vielleicht noch mit Kosten für einen eigenen Anwalt verbun- den sind, und bei denen für die the- rapeutische Arbeit kein Raum mehr zur Verfügung steht.

Wir fordern also auch Schutzräume für Therapeuten, in denen wir mit den Opfern unbehelligt arbeiten und selbst über die Modalitäten der Be- handlung entscheiden können . . . Wir fordern auch ein Forum, an welches sich betroffene Therapeu- ten wenden und kostenfrei beraten und schützen lassen können.

Die wenigen Therapieplätze für Missbrauchsopfer sind auch ein Produkt der schlechten Erfahrungen von Therapeuten mit solchen Kon- stellationen.

Dipl.-Psych. Ursula Mayr, 83236 Übersee

FILM

In dem preisgekrön- ten Film „Liebe“ er- stickt ein Mann sei- ne schwerkranke Frau, um ihr weite- res Leiden zu erspa- ren (DÄ 44/2012:

„,Liebe‘: Unbehagen über ein Meister- werk“ von Adelheid Müller-Lissner).

Erschaudern

Herzlichen Dank für Ihren Kom- mentar im DÄ zum Film „Liebe“.

Ich habe den Film selbst nicht ge- sehen, aber die Geschichte und ihr schreckliches Ende hatte ich schon gehört und hatte deshalb ehrlich gesagt auch keine Lust, mir den Film anzusehen. Immer wieder gibt es diese „großen Filme“, die in einer Ausweglosigkeit auf die Tötung von Schwerstkranken hin - auslaufen, die auch mich erschau- dern lassen. Und Sie haben so recht: Palliativmedizinische Fra- gen sind eben nicht kleinlich. Sie taugen aber wohl nicht so für den großen dramatischen – oder in öf- fentlichen Diskussionen auch poli- tischen – Wurf. Immer geht es nämlich im Einzelfall darum, wie können wir im Leid so unterstüt- zen, dass es tragbar ist, wer braucht welche Unterstützung, was ist heute dran: ganz viel Kleinar-

beit, aber eben nicht kleinlich.

Und mit den vielen kleinen Bau- steinen entsteht dann immer wie- der das Große: dass Schwerstkran- ke und ihre Angehörigen in einem Raum, den wir ihnen frei halten können, sich enorm entwickeln, Kräfte bei sich entdecken, die sie sich selbst nicht zugetraut haben und diese anstrengende, schwere Zeit als sehr intensiv und wichtig erleben. Danke für Ihren Kom- mentar!

Bernd H.-Kämpfer, Klinik für Hämatologie, Onkologie und Palliativmedizin, Klinikum Ernst von Bergmann gGmbH, 14467 Potsdam

Menschliches Drama

Ihre Autorin Adelheid Müller-Liss- ner verspürt Unbehagen über die fatale Konsequenz, die Regisseur Michael Haneke in seinem Film

„Liebe“ zeichnet. Vielleicht hätte Müller-Lissner den Film als zu- tiefst menschliches Drama wirken lassen sollen und nicht als politi- sches Statement in einer von Hy- bris bestimmten Diskussion um Sterbehilfe. Vielleicht sind es aber die leisen Nebentöne, die eine Ant- wort darauf geben, was Haneke sich gedacht hat. Wenn die Tochter auftritt und sich aufregt, dass nicht genug getan wird, wenn die zweite Pflegekraft wegen mangelnder Em- pathie das Haus wieder verlassen

muss – dann ahnt man, dass es eben nicht so einfach ist, mit viel Pflege und Palliation jede noch so erdenkliche menschliche Katastro- phe zu beherrschen. Vielleicht geht es eben auch darum, dass Men- schen wie Anne und Georges ihre Autonomie verlieren, immer mehr Menschen – zumeist in bester Ab- sicht – in ihr Leben eindringen und die Zweisamkeit, die ihr Leben und ihre Liebe bestimmt hat, zu einem mehrköpfigen organisierten Ablauf verkommen lassen. Wo Aktionis- mus die Sache nur noch schlimmer macht. Und irgendwann der Mo- ment kommt, wo nichts mehr da ist von der Liebe und dem gemeinsa- men Leben, wo es nur noch ein Aushalten ist. Dann gibt es mutige Menschen wie Georges, die sich im Graubereich der Rechtslage dem Druck einer Gesellschaft, die Angst vor einer intensiven Diskus- sion um prolongiertes Sterben hat, weiter leben zu müssen, entgegen- stellen . . .

Haneke führt uns vor Augen, dass wir uns verabschieden müssen von dem Wunsch, jede noch so furcht- bare Situation kontrollieren zu kön- nen. Und manchmal Menschen, die über jeden Verdacht von niederen Motiven erhaben sind, die Entschei- dungen treffen, zu denen uns die Entschlossenheit fehlt.

Markus Wedemeyer, 27578 Bremerhaven

FILM

I t s n F r r Liebe‘: Unbehagen

B R I E F E

Referenzen

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