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Archiv "Gesundheitspass: Die Gefahr des Missbrauchs ist groß" (09.11.2001)

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aten sammeln ist in: Bundesin- nenminister Otto Schily (SPD) sammelt für die innere Sicher- heit, Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) für die Arzneimittelsi- cherheit. Aus dem geplanten Arznei- mittelpass, den Schmidt als Konse- quenz aus dem „Fall Lipobay“ auf den Weg gebracht hatte, soll nun ein um- fangreicher Gesundheitspass für alle Bürger werden.

Demnach soll die Krankenversicher- tenkarte künftig nicht nur die ver- ordneten Arzneimittel spei- chern, sondern auch Angaben über chronische Krankheiten, Allergien, Operationen, Rönt- genuntersuchungen und mögli- che Ansprechpartner bei Not- fällen aufnehmen. Geplant ist, die bisherige Chipkarte in meh- rere Felder aufzuteilen und teil- weise zu verschlüsseln. So sol- len in einem Fach Arzt und Apotheker die Mittel eintragen, die der Patient verordnet und erhal- ten hat. In einem anderen könnten weitere Gesundheitsdaten aufgeführt werden, etwa die Implantation eines Herzschrittmachers. Ein verschlüsseltes

„Blindfach“ soll Daten über Arzneimit- tel speichern, die nicht behandelnde Ärzte und Apotheker nicht einsehen können. Hierzu könnten HIV-Präpara- te, Viagra oder Methadon zählen. Der Gesundheitspass soll offenbar nicht verbindlich für den Patienten sein. Le- diglich Ärzte und Apotheker sollen verpflichtet werden, die Daten einzu- tragen. Denkbar sind aber Anreize für die Versicherten. Wer den Pass verwei- gert, zahlt zum Beispiel eine höhere Ei- genbeteiligung bei Arzneimitteln.

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) sieht ein Einsparpotenzial von bis zu zwei Milliarden DM jährlich, wenn der Gesundheitspass Wirklich- keit wird. Ärzte und Krankenhäuser müssten weniger Patienten mit Neben- wirkungen behandeln, die durch nicht miteinander harmonierende Medika- mente ausgelöst werden. Zudem gäbe es weniger Doppel- und Mehrfachun- tersuchungen. Auch würden die Ab-

rechnungen einfacher, und die Patien- ten könnten Zuzahlungen für Medika- mente nicht so leicht umgehen. Die Ko- sten für die Einführung des Gesund- heitspasses veranschlagen die Ministe- rialbeamten des BMG mit bis zu 1,1 Milliarden DM; Ärzte und Kranken- häuser müssten ihre Computer umrü- sten.

Die Idee, eine Patientenkarte einzu- führen, auf der alle medizinisch rele- vanten Informationen gespeichert wer- den, ist nicht neu und vom Ansatz her vernünftig. Ein Gesundheitspass bräch- te mehr Transparenz ins Gesundheits-

wesen, reduzierte die Kosten und er- leichterte den Ärztinnen und Ärzten die Arbeit. Doch der Preis ist hoch: Je- de Chipkarten-Speicherung birgt neues Missbrauchspotenzial.

Gesundheitsdaten sind sensible Da- ten. Nur zu gerne würde beispielsweise der Personalchef wissen, ob der vor ihm sitzende Bewerber gesundheitlich bela- stet ist. Auch für Krankenkassen und private Krankenversicherungen sind die Informationen bares Geld wert.

Denn nur gesunde Versicherte zahlen mehr Beiträge, als sie an Behandlungs- kosten verursachen. Je mehr Informa- tionen auf der Chipkarte gespeichert sind, desto interessanter wird sie für et- waige Nutznießer, und desto größer ist das Risiko, dass die Daten in die falschen Hände gelangen.

Zudem wäre es unvernünftig, wenn die Informationen nur auf dem Spei- cherchip des Gesundheitspasses gespei- chert blieben. Bei Verlust oder Dieb- stahl des Passes gingen dann sämtliche Informationen verloren. Die Speiche- rung der Daten auf einem Zentralrech- ner erhöht aber die Gefahr des Miss- brauchs weiter. Was passiert etwa, wenn es einem „Hacker“ gelingt, den Zen- tralrechner zu knacken? Wie viel wäre einem Arbeitgeber oder ei- ner Versicherung die Informati- on wohl wert? Oder ließe sich der Patient gar erpressen? Auch das Argument, dass der Ge- sundheitspass ja „nur“ auf frei- williger Basis eingeführt wer- den soll, beruhigt kaum. Die Freiwilligkeit wird schnell zur Floskel, wenn die Bereitschaft zur Speicherung von Daten

„erkauft“ wird – durch niedrigere Zuzahlungen oder andere Anreize.

Die Einführung eines umfassenden Gesundheitspasses für alle Bürger birgt Gefahren, die weitaus größer sind als die zu erwartenden positiven Effekte. Selbst wenn es gelänge, die Daten vor dem Zu- griff von Arbeitgebern, Versicherungen oder kriminellen „Hackern“ zu schüt- zen, bleibt ein Restrisiko. In Zeiten des Terrors kann auch ein Bundesinnenmi- nister auf die Daten zugreifen. Stich- wort: Rasterfahndung. Wie viele Infor- mationen darf ein Staat über seine Bürger haben? Missbrauch scheint auch hier nicht ausgeschlossen. Jens Flintrop P O L I T I K

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A2920 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 45½½½½9. November 2001

Zeichnung: Plaßmann/Frankfurter Rundschau

Gesundheitspass

Die Gefahr des Missbrauchs ist groß

Das Bundesgesundheitsministerium

beabsichtigt, mehr Informationen als bisher geplant

auf der Krankenversichertenkarte zu speichern.

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