A 238 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 112|
Heft 6|
6. Februar 2015STUDIEN IM FOKUS
Bei primär therapierefraktärer oder rezidivierter akuter lymphatischer Leukämie (ALL) ist die Prognose schlecht, die Lebenserwartung liegt im Allgemeinen zwischen zwei und acht Monaten. In einer Phase-2-Stu- die ist untersucht worden, ob der BiTE-Antikörper Blinatumomab in dieser Patientengruppe klinische Aktivität aufweist. Blinatumomab bindet an zwei unterschiedliche An- tigene: zum einen an CD3 auf T-Lymphozyten, zum anderen an CD19, das homogen auf B-Vorläu- fer-ALL-Zellen exprimiert wird, so dass der Antikörper eine serielle Ly- se der Zielzellen auslöst. 36 Patien- ten (median 32 Jahre) mit B-Vor - läufer-ALL wurden eingeschlossen (Kriterien u. a. > 5 % leukämische Blasten im Knochenmark, Lebens- erwartung ≥ zwölf Wochen; Aus- schlusskriterium u. a. Philadelphia- Chromosom+-ALL mit Option der Tyrosinkinaseinhibitortherapie.
Pro Therapiezyklus wurde Blina- tumomab kontinuierlich vier Wo- chen in verschiedenen Dosierungen infundiert (5 bis 30 μg/m2/Tag) ge- folgt von zwei Wochen ohne Thera- pie. Obligat war eine chemothera- peutische ZNS-Rezidivprophylaxe.
Primärer Endpunkt war der Anteil der Teilnehmer, die binnen zweier Zyklen komplett ansprachen (CR, komplette Remission) oder eine komplette Remission mit partiel- lem hämatologischen Ansprechen (CRh; ≤ 5 % Blasten im Knochen- mark, keine zirkulierenden Blas- ten oder extramedulläre Erkran- kung, Thrombozyten > 50 000/μL, Hämoglobin ≥ 7 g/dL, Neutrophile
> 500/μL). Zu den sekundären End- punkten gehörten rückfallfreies Über- leben und Gesamtüberleben.
Bei 69 % der Teilnehmer (n = 25) wurde eine CR oder eine CRh er- reicht. 88 % derer, die ansprachen, erfüllten die Kriterien der minima-
len Resterkrankung. Das mediane Gesamtüberleben betrug 9,8 Mona- te (95-%-Konfidenzintervall [KI]:
8,5–14,9 Monate), das rückfallfreie Überleben lag bei median 7,6 Mo- naten (95-%-KI: 4,5–9,5 Mona- te). Bei 17 % traten unerwünschte ZNS-Effekte wie Enzephalopathie, Desorientierung oder Konvulsionen auf, die zur Therapieunterbrechung führten, und bei zwei Patienten ein Zytokin-Releasing-Syndrom. Diese Effekte bildeten sich unter Therapie zurück.
Fazit: Mit dem bispezifischen An- tikörper Blinatumomab lassen sich komplette Remissionen bei thera- pierefraktärer oder rezidividerter B-Vorläufer-ALL erzielen, so das Ergebnis einer kleinen Studie – Ba- sis für die weitere klinische Prü- fung. Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze
Topp MS, et al.: Phase-II-trial of the Anti-CD19 bispecific T cell-engager Blinatumomab shows hematological and molecular remissions in patients with relapsed or refractory B-precur- sor acute lymphoblastic leukemia. JCO 2014;
DOI: 10.1200/JCO.2014.56.3247 Eine infektiöse Endokarditis wird
in der Regel erst erkannt, wenn die Herzklappen eines Patienten irre- versibel geschädigt sind, so dass die Erkrankung unter Antibiotika allein nicht ausheilt. Die durch die Insuf- fizienz der Herzklappen ausgelöste Pumpschwäche erhöht die Mortali- tät: bei manifester Herzinsuffizienz auf bis zu 50 %.
Um eine Basis für die Therapie- optimierung zu schaffen, trägt die Collaboration on Endocarditis-Pro- spective Cohort Study (ICE PCS) seit 2000 Behandlungsergebnisse aus 25 Ländern zusammen. Daten von 1 296 Patienten, bei denen die Herzklappen des linken Ventrikels geschädigt waren, sind ausgewertet worden. 57 % der Teilnehmer wur-
den nach stationärer Aufnahme operiert. In dieser Gruppe starben 14,8 % noch in der Klinik, nach sechs Monaten betrug die Mortalität 7,5 %. Sie war niedriger als in der Gruppe ohne Operation, in der 26 % in der Klinik starben und insgesamt 31,4 % binnen sechs Monaten.
Fazit: Eine frühe Operation kann bei infektiöser Endokarditis mögli- cherweise die Prognose verbessern.
„Viele Patienten mit infektiöser En- dokarditis sind allerdings bei Auf- nahme in die Klinik schon in einem Zustand, in dem eine Operation zu riskant wäre“, kommentiert Prof.
Dr. med. Raimund Erbel, Direktor der Klinik für Kardiologie am Uni- versitätsklinikum Essen. Dennoch:
Circa ein Viertel der Studienteilneh- mer wurde ausschließlich medika- mentös behandelt, obwohl nach Ein- schätzung von Erbel eine klare Indi- kation zur Operation bestand. Kon - traindikationen für die OP könnten schwere Leberfunktionsstörungen, Schlaganfälle in der Anamnese oder chronisch-obstruktive Lungener- krankungen sein. Bei länger beste- henden lokalisierten Entzündungs- herden sollte die infektiöse Endo- karditis in differenzial diagnostische Überlegungen einbezogen werden, fordert Erbel. Die transösophageale Echokardiographie habe das diag- nostische Fenster erweitert und soll- te frühzeitig erfolgen. Rüdiger Meyer
Chu VH, Park LP, Athan E, et al.: Association between surgical indications, operative risk, and clinical outcome in infective endocarditis:
a prospective study from the international col- laboration on endocarditis. Circulation 2015;
131: 131–40.
THERAPIEREFRAKTÄRE AKUTE LYMPHATISCHE LEUKÄMIE
Blinatumomab induziert komplette Remissionen
INFEKTIÖSE ENDOKARDITIS