Befallserkennung, Sanierung und Gegenmaßnahmen
Borkenkäferbekämpfung 2019
Rainer Hurling Ludwig Hemmer
Sachgebiet Käfer & Mittelprüfung
NW-FVA
Ausgangslage
Wie kam es zur aktuellen Befallslage?
Anfang 2018
• sehr viel Brutmaterial durch Stürme
Herbst 2017 und Januar 2018 (Friederike)
• Windwürfe nehmen vorhandene Borkenkäfer auf (Käfersenke) Ab Frühjahr 2018
• Extreme, langandauernde Trocknis bei hohen Temperaturen
• Verknappung der Aufarbeitungs- und Abfuhrkapazitäten für Windwurfholz
• Windwurfholz vielerorts nicht aufgearbeitet, bevor Jungkäfer schlüpfen Ab Juli 2018
• Fichten zunehmend unter Trockenstress, kaum noch Primärabwehr
• Umfangreicher Stehendbefall, erste Kronenverfärbungen ab etwa August
Komplexe Befallslage Ende 2018
• April/Mai 2018 Käferbäume vor allem in Windwurfbereichen
• Käferholz konnte lange nicht überall rechtzeitig aufgearbeitet werden
• Ab Juni auffälliger Befall an Lärchen durch Lärchenborkenkäfer
• im Sommer rasante Entwicklung von Stehendbefall durch Buchdrucker auch abseits von Vorbefall in geschlossenen Beständen
• Einzelne Fichten sterben allein an Trockenstress, im Ostharz sogar bestandesweise
• Neubefall findet bis etwa Ende Oktober statt
• regional starke bis sehr starke Beteiligung vom Kupferstecher, stellenweise auch ohne Buchdrucker
In ganz Mitteleuropa regional extreme Befallslagen, vielerorts Größenordnungen wie zuletzt am Kriegsende
Überbesiedelte Fichtenrinde des Buchdruckers
führte oft zum “Abwandern” von Weibchen mit befruchteten Eiern,
die in neuen Fichten abgelegt wurden Geschwisterbruten!
Exponentieller Schadensverlauf an Fichte
(moderate Annahmen, keine Geschwisterbruten, etc.)
Ausgangssituation für eine durch Buchdrucker besiedelte Fichte zu Saisonbeginn:
Überwinterer besiedeln 1 Fichte vollständig
• Fichte 2b (27 cm Mittendurchmesser) mit 15 Metern besiedelbarer Länge ≈ 12 m² Rindenfläche
• je 10x10 cm 1 Brutbild = 1 Weibchen, dass 50 Eier legt
• 12 m² x 100 Brutbilder/Quadratmeter x 25 neue Weibchen je Brutbild
≈ 30.000 weibliche Jungkäfer pro Fichte
Jungkäfer legen 2. Generation an
• Wenn 1.200 Weibchen zur vollständigen Besiedlung der nächsten Fichte benötigt werden, dann vom Ausgangsbaum 25 neue Fichten besiedelbar
3. Generation wird angelegt (Schaden auch dann, wenn Brut nicht fertig wird!)
• Jungkäfer 2. Generation können dann 625 (25 * 25) neue Fichten vollständig besiedeln, oder wesentlich mehr Fichten nur teilbesiedeln, oder in Überwinterung entkommen …
Zustand vieler Bruten Ende September 2018
Risikoabschätzung Frühjahr 2019
• Aktuell oft sehr viele vitale Käfer in den Beständen in Überwinterung
• Wenig Restholz für Erstbesiedelung vorhanden
• Neue Windwürfe über Winter/Frühjahr 2018/19?
• Mischbefall Buchdrucker + Kupferstecher zu erwarten, unbekannte Menge an Lärchenborkenkäfern
• Südliche Expositionen und größere Löcher werden ab Befallsbeginn zunächst bevorzugt befallen
• selbst ein „nasser Winter“ wird die Fichte nicht vollständig revitalisieren, d. h. geringe physiologische Abwehrpotentiale im Baum
Folgerung:
EXTREM HOHES BEFALLSRISIKO AB APRIL
(gilt für Buchdrucker, Kupferstecher und Lärchenborkenkäfer)
Strategisches
Probleme durch Befall mit Buchdrucker
Keine saubere Wirtschaft
Änderung des Einschlagsverhaltens
Umgang mit unrentablen Resthölzern
Witterungsextreme
Sturm und Windwürfe
(z.B. 2003, 2006, 2007 Kyrill, 2015 Niklas, 2018 Friederike)
Heiße trockene Sommer
begünstigen Käfer und schwächen Wirtsbäume (z.B. 2003, 2006, 2018)
Nach Vorschädigung
Folgeschäden entwickeln sich rasant und werden oft groß
AuchBefall von Holzpoltern am Bestandesrand ist als Vorbefall zu werten!
Aufarbeitungsstrategien Sturmholz im Hinblick auf Minimierung der Folgeschäden durch Borkenkäfer
Grundsätzlich haben Borkenkäfer das Potenzial, in den Folgejahren nach großen Stürmen ein Vielfaches der Sturmholzmenge an Käferschadholz zu produzieren
• Ruhe bewahren, Situation analysieren, planvoll vorgehen
• Nadelholz vor Laubholz
• Einzel- und Nesterwürfe vor Flächenwürfen
• Bruchholz vor Wurfholz
• Wärmere vor kühleren Lagen (tiefere vor höheren Lagen, Sonnhänge vor Schatthängen)
• „Lebendkonservierung“ ist nicht befallsvermeidend!
Bewährtes und wirksames Konzept:
Integriertes System der Borkenkäferbekämpfung
„Saubere Waldwirtschaft“ als Daueraufgabe
(Fichte, Lärche) Vermeidung bzw. Minimierung von bruttauglichem Materialim laufenden Betrieb (Kupferstecher sehr eingeschränkt)
Sanierung
Zeitgerechte Aufarbeitung und Beseitigung befallenen Materials
Massenfang
von BorkenkäfernLokale Dichtesenkung zur Vermeidung von Stehendbefall
(Einsatz von Trinet, Fangholzhaufen, Schlitzfallen; Fangmaterial ...)
=> Arbeitsschwerpunkt 1. Käfergeneration
Aktive Borkenkäferbekämpfung
Ziel ist die Vermeidung bzw.
massive Verringerung von Stehendbefall!
Dieses Ziel kann lokal erreicht werden,
indem bereits in den ersten Flugtagen die Elternkäfer der 1. Generation effektiv abgeschöpft werden
indem frischer Stehendbefall sofort zu Boden gebracht wird,
um Kettenreaktionen im Kronenraum zu unterbrechen
Frischen Stehendbefall unschädlich machen
Etwa Mitte April bis Ende Mai:
Arbeitsintensivste Zeit, effektivste Begrenzung von Stehendbefall möglich!
• Erkennen von frischem Stehendbefall möglichst schon, während noch eingebohrt wird und Brutsysteme angelegt werden
• Sofortige Fällung (möglichst in Stundenfrist) unterbricht dann Lockwirkung auf Nachbarbäume und damit Kettenreaktion des Befalls
• Gefällten Stehendbefall möglichst bald aus gefährdetem Bestand rücken, danach weitere Optionen wie Abtransport, Schälen, Poltern am Wegesrand und Behandeln mit Pflanzenschutzmittel
• Wenn Stehendbefall erst nach Brutanlage gefunden wird (keine Lockwirkung mehr), unbedingt unschädlich machen, bevor Käferbrut fertig und sich ausbohrt!
(Brutherde jetzt meist schon umfangreich)
• An Orten mit Vorbefall verstärkt und zeitnah Suche nach weiterem Stehendbefall
Stehendbefalls-
ansprache
Flaschenhals „Erkennung von frischem Stehendbefall“
Erste Priorität hat die Vermeidung (!) und effektive Begrenzung frischen Stehendbefalls im Frühjahr 2019 (ab etwa 01.04.2019)
Altbefall Frischer Stehendbefall
Stehendbefallsansprache
Wenn Harztrichter erscheinen, ist die Besiedlung erfolgreich
Stehendbefallsansprache
Bohrmehl kann auch in unteren Stammbereichen gefunden
werden, ist aber schnell verschwunden
Buchdrucker
Hallimasch
Hallimasch
im Frühstadium schwer erkennbar
Fangsysteme
Welche Fangsysteme
eignen sich in der Bekämpfung?
Fangholzhaufen und Trinet P
Wirkung sehr vom Aufstellungsort abhängig!
Kombination von Buchdrucker- und Kupferstecher-Lockstoffen möglich
Reduktion des Stehendbefalls kann70 bis 100 %betragen!
Schlitzfallen
Nicht geeignet bei höheren Käferdichten
Einsatz in der Bekämpfung durch Verwendung von Pheromonen umstritten (zukünftig zulassungspflichtig?)
Fangbäume werdengrundsätzlich nicht mehr empfohlen, da schwierig zu handhaben und zu organisieren.
ABER: Wenn Einsatz von PSM nicht erlaubt (FSC, Nationalparke), oftmals stärkstes Hilfsmittel zu Abschöpfung
Fallenpositionen
• Nur an Rändern mit Vorbefall!
• Grundsätzlich gesamten besonnten Bestandesrand abstellen, warme Bereiche (z.B. Buchten) berücksichtigen
• Bruttaugliches Material am Bestandesrand nach innen und außen beseitigen
• Aufstellen bis Anfang/Mitte April, „Scharfstellen“ erst vor Schwärmbeginn
• Während Saison Anflug zur Falle im Radius von mindestens 5 m freihalten
Fangsystem
Minimierung Risiko Stehendbefallsinduktion
Mindestabstand ca.
Optimierung Effektivität Maximalabstand ca.
Trinet P 9 m 12 m
Fangholzhaufen 7 m 9 m
Schlitzfalle
(nur Kupferstecher)
(nur Lärchenborkenkäfer)
12 m ( 6 m) ( 6 m)
15 m
( 8 m) ( 8 m)
Einsatzmöglichkeiten von Fangsystemen
im Frühjahr entlang besonnter Bestandesränder
Schlitzfallen binden nicht alle anfliegenden Käfer!
Einsatzgrundsätze zu Borkenkäfer-Pheromonen
• Für den Einsatz in Fangsystemen ist zu achten auf gleichmässige Abgaberate und hohe Lockwirkung.
• Die Wirkungsdauer der Pheromone darf die der Insektizide auf keinen Fall überschreiten
• Beispiele für den
• Buchdrucker Pheroprax und Typosan
• Kupferstecher Chalcoprax und Chalcosan.
• Kombinationen möglich, Pheromone dürfen sich aber nicht berühren!
• In Monitoringfallen (außerhalb der Bekämpfung) sind auch „aggressivere“
Lockstoffe geeignet, wie z.B. LangLock.
Pflanzenschutz-
mittel
Kenn-Nr Mittelname Gewässer- abstand
mind.
Zulassungs- Ende
Voraussichtliches Ende Aufbrauchfrist
005618-xx KARATE FORST flüssig (inkl. Fangholzhaufen)
30 m 31.12.2019 30.06.2021
024012-xx Fastac Forst Fastac Forst Profi (inkl. Fanholzhaufen)
30 m 31.07.2020 31.01.2022
007598-00 007691-00
TRINET P Storanet
10 m 31.07.2020 31.04.2022
006439-xx FORESTER Cyperkill-Forst
40 m 31.10.2019 30.04.2021
Im Forst zugelassene Insektizide gegen Borkenkäfer
Stand Januar 2019
Zurzeit zugelassene Parallelimporte der BK-Insektizide (Stand 17.01.2019)
• KARATE FORST flüssig: StarChem Lambda, Stinger Forst flüssig, Karate Forst flüssig, Attack Forst flüssig
• Fastac Forst: Silva
• Cyperkill-Forst / FORESTER: AGRO-CYP FORST, Keribo
bei festgestellter Gefährdung
KARATE FORST flüssig 0,2% (erforderlich 0,4%) Fastac Forst 1,0-2,0%
Cyperkill-Forst 1,0%
Verbrauch Spritzbrühe: bei Polterbehandlungen 3 – 5 l/m³ für Fangholzhaufen 2-3 l/m³
Vor Ausflug der Jungkäfer
KARATE FORST flüssig 0,4% (erforderlich meist nur 0,2%) Fastac Forst 1,0%
Cyperkill-Forst 1,0%
Verbrauch Spritzbrühe: 3 – 5 l/m³
Behandlungen durch Spritzen
„Zahlendreher“ für Karate in Zulassungsverfahren
Vom Fangholzhaufen
zum Fangsystem TRINET P
Ergonomische und umweltverträglichere Weiterentwicklung
Kriterien für Vorausflugbehandlung
(Betriebe ohne FSC-Zertifizierung)
Gefährdung muss vorliegen:
Rinde stark besiedelt mit Buchdruckern (Kupferstecher nachrangig)
Behandlungszeitpunkt:
• Puppen und erste Jungkäfer müssen vorhanden sein
• Behandlung mit
zugelassenem Kontaktinsektizid
Polterbehandlung mit Storanet
Einsetzbar für
- Vorausflugbehandlung
- Schutz unbesiedelter Polter
Netzgröße: 8 x 12,5 m² = 100 m² Kosten: ca. 200 € Kalkulation Mittelaufwand
pro Einzelstamm 50 m² Für Schichtholz 100 m² Für Langholz 200 m²
Insektizidbehaftetes Polyesternetz mit „Fastac Forst“-Beladung
- keine Abdrift
- Wasserschutzauflage nur 10m
Resümée
Bekämpfungsentscheidungen immer im Einzelfall
Fangsysteme nur dort , wo Vorbefall war und die Kontrolle auf und Beseitigung frischen Stehendbefalls sicher gewährleistet ist!
Bekämpfung prioritär dort, z. B.
• wo lokales Schadensausmaß hoch ist
• wo wertvoller Bestand betroffen ist
• wo ausreichend Abstand zur nächsten Bekämpfung gegeben
• wo nachbarrechtliche Probleme auftreten (vgl. Waldgesetzgebung)
• ...
Auf Bekämpfung kann oder muss verzichtet werden, z. B.
• bei stark vorgeschädigten, abgängigen Restbeständen
• wenn in unmittelbarer Nähe bereits bekämpft wird
• im Nahbereich von Gewässern, Naturschutzgebiet o.ä.
• …
Zeitlicher Verlauf der technischen Umsetzung
• Restliche Wochen vor Saisonbeginn nutzen, um mindestens in Bereichen für Fangsysteme vollständig saniert zu haben
• Bekämpfungskonzept nachlesen unter NW-FVA Praxisinformation Nr.1
„Integrierte Bekämpfung rindenbrütender Borkenkäfer“
• Aufstellung von Fangeinrichtungen etwa 1 bis 2 Wochen vor Beginn Käferflug (NW-FVA gibt Hinweise)
• Suche nach frischem Stehendbefall ab Flugbeginn
• Aufarbeitung und Unschädlichmachen von Käferbruten
• Einsatz von Pflanzenschutzmitteln
(„Vorausflugbehandlung“ wirksamste Methode)