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Gibt es jemanden in Deinem Bekanntenkreis, der schon mal im Internet oder übers Handy fertig gemacht

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(1)

Cybermobbing – Präventionsprogramm in der Schule

Hausarbeit zur Erlangung des akademischen Grades

Bachelor of Arts in Erziehungswissenschaft

vorgelegt dem Fachbereich 02 – Sozialwissenschaften, Medien und Sport der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

von

Maresa Anna Getto aus Landau in der Pfalz

Mainz 2014

(2)

Erstgutachterin: Frau Dr. Petra Bauer

Zweitgutachter: Herr Prof. Dr. Stefan Aufenanger

(3)

Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis ... IV Tabellenverzeichnis ... IV

1 Hintergründe ... 1

2 Mediennutzung von Jugendlichen ... 4

3 Cybermobbing - Was ist das eigentlich? ... 6

3.1 Abgrenzung von Mobbing und Cybermobbing ... 8

3.1.1 Schädigungsabsicht ... 8

3.1.2 Wiederholung ... 9

3.1.3 Machtungleichgewicht ... 9

3.1.4 Anonymität ... 10

3.1.5 Öffentlichkeit ... 11

3.1.6 Rollen ... 11

3.2 Formen von Cybermobbing ... 12

3.3 Ursachen und Motive ... 14

3.4 Folgen und Bewältigungsstrategien ... 15

3.5 Probleme ... 17

4 Maßnahmen gegen Cybermobbing ... 18

4.1 Intervention ... 19

4.2 Prävention ... 22

5 „Stoppt Cybermobbing!“ Ein Programm zur Prävention ... 24

5.1 Exkurs: Medienkompetenz ... 24

5.2 Organisation ... 26

5.3 Struktur und Ziele ... 27

5.4 Besonderheiten ... 34

6 Evaluation ... 34

7 Resümee ... 39

(4)

0 Abbildungsverzeichnis | IV

8 Literaturverzeichnis ... 41

Internetquellen ... 44

9 Anhang ... 47

Anhang: Kopiervorlagen ... 1

Anhang: Arbeitsblätter ... 3

Anhang: Fotografien negativen und positiven Verhaltens ... 7

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Kenntnis um Opfer von Cybermobbing im Bekanntenkreis ... 2

Abbildung 2: Mobile Internetnutzung über das eigene Smartphone ... 7

Abbildung 3: Art und Weise des Cybermobbings ... 13

Abbildung 4: Motive der der Täter ... 15

Abbildung 5: Wie Cybermobbing Jugendliche belastet ... 16

Abbildung 6: Ergebnisse der Medienkompetenzvermittlung in der Schule ... 26

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Thematischer Einstieg (Modul 1) ... 31

Tabelle 2: Let's Fight it Together (Modul 2) ... 32

Tabelle 3: Prävention (Modul 3) ... 33

Tabelle 4: Auszüge des Feedbacks ... 36

(5)

1 Hintergründe | 1

1 Hintergründe

„I have nobody. I need someone =(“ (vgl. TheSomebodytoknow 2012). So endet die Videoer- zählung der fünfzehnjährigen Amanda Todd aus Vancouver. 2012 dokumentierte Amanda in einem acht Minuten langen Video schweigend ihr Leid, indem sie Karteikarten in die Kamera hält und veröffentlicht diesen Hilferuf auf YouTube. Nach jahrelangen Cybermobbingattacken die trotz mehrfacher Schulwechsel nicht enden wollten, erträgt die Schülerin diese nicht mehr und begeht einen Monat nach Veröffentlichung ihres Videos Suizid. Rund 9,8 Millionen Men- schen sahen dieses Video bereits (vgl. Mitic-Pigorsch 2012).

2006 verliebt sich Megan Meier aus Dardenne Prairie in Josh, eine Internetbekanntschaft aus dem Sozialen Netzwerk MySpace. Das dreizehn Jahre alte Mädchen ahnt nicht, dass ihr virtuel- ler Freund eine Erfindung ihrer ehemaligen Freundin ist, die sich an Megan rächen will. Als sich Josh plötzlich von Megan abwendet und sie öffentlich verschmäht und Megan zusätzlich belei- digende Nachrichten von anderen MySpace-Nutzern1 erhält, bricht für die Jugendliche eine Welt zusammen und sie erhängt sich daraufhin (vgl. Patalong 2007).

Ein weiterer Jugendlicher aus Kärnten erfährt 2010 durch einen Link auf seiner Facebook- Pinnwand von einer Homepage, auf der er als homosexuell dargestellt wird. Aus Verzweiflung, was seine Mitschüler über ihn denken könnten, nimmt der dreizehnjährige sich das Leben (vgl.

Kaernten ORF.at 2011).

Diese drei international schockierenden Beispiele beschreiben dasselbe Phänomen: Cyber- mobbing. Auch wenn tödliche Ausgänge nicht monokausal auf Cybermobbing zurückzuführen sind, zeigen sie doch, wie sehr Jugendliche unter solchen Übergriffen leiden. Bei Cybermobbing geht es um das Beleidigen, Bloßstellen, Erniedrigen und Schikanieren einer „schwächeren“

Person mithilfe Neuer Medien, wie dem Mobiltelefon und dem Internet (vgl. Bibliographisches Institut GmbH 2013; Stephan 2010, S. 14f.; Schultze-Krumbholz et al. 2014c, S. 61ff.; Porsch und Pieschl 2014, S. 9; Kowalski et al. 2012, S. 56; Hafeneger 2013, S. 45). Doch Cybermobbing ist kein Phänomen, das nur im Ausland zu beobachten ist, dies bestätigen Studien zur Prä- valenz von Cybermobbing in Deutschland. In einem internationalen Vergleich einer Microsoft Studie geben 39 % der deutschen Jugendlichen zwischen 8 und 17 Jahre an, von Cybermobbing betroffen zu sein, damit lag Deutschland im Mittelfeld2 (vgl. Microsoft 2012, S. 3).

1 Aus Gründen der Lesbarkeit wird im Folgenden die männliche Form verwendet, schließt die weibliche Form der Begriffe jedoch selbstverständlich mit ein.

2 Das Maximum erreichte Brasilien mit 50 % (vgl. Microsoft 2012, S. 3).

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1 Hintergründe | 2 Aktuelle Zahlen der JIM3 Studie 2013, eine deutsche Basisuntersuchung zum Medienumgang von Heranwachsenden, zeigen, dass 32 % der Jugendlichen in Deutschland im Alter von 12 bis 19 Jahren angeben, jemanden in ihrem Bekanntenkreis zu kennen, der bereits über das Inter- net4 oder das Handy (5 %) fertiggemacht wurde (vgl. Feierabend et al. 2013, S. 44).

Abbildung 1: Kenntnis um Opfer von Cybermobbing im Bekanntenkreis5

Verglichen mit Ergebnissen der Forsa-Studie liegt diese Angabe mit 71 % (vgl. Porsch et al.

2011, S. 33) wesentlich höher. Die Zahlen werden von Porsch und Pieschl für das Jahr 2014 teilweise bestätigt und näher differenziert. In ihrer Studie unterscheiden sie zwischen Cyber- mobbing-Opfern6 (6 %) und Cyber-Opfern7 (34,2 %), was die Zahl der Cybermobbing-Fälle rela-

3 JIM Jugend, Information, (Multi-)Media

4 Im Internet wird auf folgenden Plattformen gemobbt: zu 23 % in einer Community, 6 % im Chat, 2 % in Foren und 1 % Woanders (vgl. Feierabend et al. 2013, S. 44).

5 (Feierabend et al. 2013, S. 44)

6 Cybermobbing-Opfer bezeichnen sich selbst als direkte Opfer von Cybermobbing (vgl Porsch und Pie- schl 2014, S. 11).

32

37

27

22

37 38

30 31

37 30

0 10 20 30 40 50 60

Gibt es jemanden in Deinem Bekanntenkreis, der schon mal im Internet oder übers Handy fertig gemacht

wurde?

Wo?

In einer Community:

23 %Im Chat: 6 % Übers Handy: 5 % In Foren: 2%

Woanders: 1%

Quelle: JIM 2013, Angaben in Prozent Basis: Internet-Nutzer, n=1.170

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1 Hintergründe | 3 tiviert (vgl. Porsch und Pieschl 2014, S. 13). Diese Daten zur Cyberviktimisierung decken sich ebenfalls mit der Forsa-Umfrage im Jahr 2011, hier geben 32 % der Jugendlichen im Alter von 14 bis 20 Jahre an, bereits selbst einmal Opfer von Cybermobbing geworden zu sein (vgl.

Porsch et al. 2011, S. 32). Nationale und internationale Studien zeigen, dass Cybermobbing besonders im Hinblick auf junge Heranwachsende im Alter von 12 bis 20 Jahre8 ein häufig un- tersuchter Gegenstand ist (vgl. Slonje und Smith 2008, S. 147ff; Tokunaga 2010, S. 282) und seinen höchsten Grad an Cyberviktimisierung in der 7. (12-13 Jahre) und 8. Klasse (13-14 Jahre) annimmt (vgl. Tokunaga 2010, S. 280). Besonders im Hinblick darauf, dass 72 % der Jugendli- chen (vgl. Feierabend et al. 2013, S. 8) über ein eigenes internetfähiges Smartphone verfügen, mit dem 60 % der Jugendlichen (vgl. Feierabend et al. 2013, S. 52) das mobile Internet frei nut- zen können, ohne dabei elterlicher Kontrolle ausgesetzt zu sein (vgl. Feierabend et al. 2013, S.

52; von Salisch 2014, S. 339), zeigt, dass junge Heranwachsende bereits sehr früh über Medi- enkompetenz verfügen müssen. Dennoch sind sich viele Jugendliche der Gefahren nicht be- wusst, die saus einer negativen Nutzung Neuer Medien resultieren können. Um das Risiko von Cybermobbing einzudämmen, müssen Jugendliche einen respektvollen, verantwortlichen Um- gang mit Neuen Medien erlernen. Mit dem Thema „Cybermobbing – Präventionsprogramm in der Schule“ soll in der vorliegenden Arbeit das Phänomen Cybermobbing im Allgemeinen so- wie das dazu eigenständig erarbeitete Präventionsprogramm gegen Cybermobbing und dessen Evaluation dargestellt werden. Dieses Programm zielt auf die Vermittlung von Medienkompe- tenz, Empathiefähigkeit, sozialen Kompetenzen und Wissen zum Thema Cybermobbing, um Risikofaktoren für Cybermobbing durch Sensibilisierung zu reduzieren und Jugendlichen eine Möglichkeit zu bieten sich intensiv mit diesem Thema auseinanderzusetzen.

Inhalte dieser Arbeit sind neben der Mediennutzung von Jugendlichen in Kapitel 2, eine aus- führliche Präzisierung des Begriffs Cybermobbing. Kapitel 3 geht hierzu auf die Abgrenzung des Begriffs Cybermobbing und traditionellem Mobbing, der Darstellung beteiligter Rollen, For- men, Ursachen, Motive, Folgen, Bewältigungsstrategien und Probleme in Bezug auf Cyber- mobbing vertiefend ein. Damit verflochten werden auch bisherige Studien zur wissenschaftli- chen Situation und dem aktuellen Forschungsstand im Verlauf der Arbeit dargestellt und ver- glichen. Kapitel 4 thematisiert Maßnahmen, besonders im Hinblick auf den Einsatz in Schulen, der Intervention und Prävention. Hier werden bereits bestehende und teilweise evaluierte Interventions- und Präventionsmöglichkeiten zu Cybermobbing beispielhaft aufgezeigt. An-

7 Cyber-Opfer haben bereist negative Erfahrungen im Internet gemacht (vgl. Porsch und Pieschl 2014, S.

11).

8 Diese Personen- und Zielgruppe wird im weiteren Verlauf überwiegend als Jugendliche definiert und ist zentral für diese Arbeit.

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2 Mediennutzung von Jugendlichen | 4 schließend wird in Kapitel 5 unter dem Titel „Stoppt Cybermobbing!“, ein Programm speziell zu Prävention von Cybermobbing vorgestellt und auf Ziele sowie Besonderheiten in der Durchfüh- rung eingegangen. Kapitel 6 präsentiert die Ergebnisse zur Zufriedenheit der Schüler, diskutiert die Nachhaltigkeit des Programms in einer Evaluation und einer Reflexion zum gesamten Pro- gramm. Die Arbeit endet in Kapitel 7 mit einer resümierenden kritischen Reflexion zur gesam- ten Arbeit und einem Ausblick weiterer Herausforderungen der Medienpädagogik zur Präven- tion von Cybermobbing.

2 Mediennutzung von Jugendlichen

Da das Phänomen Cybermobbing durch die Nutzung Neuer Medien verstärkt unter Jugendli- chen auftritt, ist es besonders interessant, zunächst die Mediennutzung dieser Altersgruppe zu betrachten. In der heutigen Zeit sind neue Informations- und Kommunikationsmedien wie das Smartphone, Tablet, Laptop, Computer und das Internet aus dem Alltag der Jugendlichen nicht mehr weg zu denken. Laut der JIM Studie 2013 haben 96 % der Jugendlichen im Alter von 12 bis 19 Jahren ein eigenes Mobiltelefon, wovon genauer 72 % mehrheitlich ein Smartphone besitzen (vgl. Feierabend et al. 2013, S. 7f.). Als zentrales Medium verbindet das Internet reale und virtuelle Lebenswelt. Der Zugang zum Internet erfolgt zunehmend über mobile Endgeräte (73%) was nahezu identisch mit der Internetnutzung über stationäre Endgeräte (87 %) ist (vgl.

Feierabend et al. 2013, S. 29f.).

Täglich beschäftigen sich Jugendliche in ihrer Freizeit, neben non-medialen Aktivitäten, wie Freunden treffen (83 %), Sport (73 %) oder Familienunternehmungen (27 %), zu 81 % mit dem Handy und 73% verbringen Zeit im Internet (vgl. Feierabend et al. 2013, S. 9ff.). Gemessen am Vorjahr verbringen Jugendliche 2013 mehr Zeit im Internet. Schätzten Jugendliche 2012 ihre Internetnutzungsdauer auf 131 Minuten am Tag, sind es 2013 bereits 179 Minuten (vgl. Feier- abend et al. 2013, S. 28f.). Hierbei darf nicht vergessen werden, dass die reale Internetnutzung bei Selbsteinschätzungen meistens unterschätzt wird, da viele Programme parallel oder im Hintergrund laufen und nur aktiv genutzt werden, wenn beispielsweise eine Facebookbenach- richtigung auf dem Smartphone empfangen und angezeigt wird. Jugendliche verbringen somit täglich mindestens bis zu drei Stunden im Internet. Dort tauschen sie sich mit Freunden aus, spielen Spiele oder surfen im Internet zu Unterhaltungszwecken, um Musik zu hören oder Vi- deos zu schauen oder sich zu informieren (vgl. Feierabend et al. 2013, S. 30f.). Hauptaktivität im Internet zum Schwerpunkt Kommunikation, stellt bei 75 % der Jugendlichen eine nahezu tägliche Nutzung in einem sozialen Netzwerk dar (vgl. Feierabend et al. 2013, S. 31f.). Mit 80 % ist Facebook die meistgenutzte Community von Jugendlichen (vgl. Feierabend et al. 2013, S.

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2 Mediennutzung von Jugendlichen | 5 38). Hier haben Heranwachsende durchschnittlich 290 „Freunde“, zu denen sie zu circa einem Drittel auch im realen Leben regelmäßigen Kontakt pflegen (vgl. Feierabend et al. 2013, S.

39f.). Das Internet verschafft Jugendlichen eine erweiterte Plattform, auf der sie sich selbst darstellen und Identitäten erproben können. Selbstdarstellung erreicht durch virtuelle Medi- enwelten und der Partizipation des Web 2.09 eine besondere Dimension. Jugendliche veröf- fentlichten beispielsweise einen eigenen Blog, einen YouTube Kanal oder ein Profil in sozialen Netzwerken wie Facebook, welches sie durch private Fotos, Videos sowie Kommentare indivi- duell gestalten und pflegen (vgl. von Salisch 2014, S. 338). Besonders in der Lebensphase der Adoleszenz, der fünften von acht Phasen des Stufenmodells nach Erik H. Erikson, ist die Ausei- nandersetzung der eigenen Identität und der Rollenkonfusion als psychosoziale Entwicklungs- krise zentral. Die Frage, die sich Jugendliche im Alter von 12 bis 18 Jahren verstärkt stellen, lautet Wer bin ich, wer bin ich nicht? (vgl. Erikson 1988, S. 70ff.). Unter Einfluss von Normen, Werten, Ideologien, gesellschaftlicher und sozialer Einbettung sowie differenzierten Weltan- sichten gilt es die eigene Rolle zu finden, diese zu etablieren und sich innerhalb der Peergroup zu behaupten (vgl. Erikson 1988, S. 95). Dabei ist die Wirkung auf andere und deren Meinun- gen besonders bedeutend zur Konstruktion des eigenen Ichs, beispielsweise durch positive Rückmeldung, Kommentare, Likes oder Follower. „Was wir von uns selbst halten dürfen, hängt im eminenten Maße von der Wertschätzung ab, die wir von Anderen empfangen“ (Franck 1998, S. 76).

Ereignet sich dieser maßgeblich prägende Entwicklungsprozess der Identitätsbildung zum Großteil über Medien, verändert sich auch das Gefüge von Darsteller, Rezipienten, Werten, Normen und Tugenden im Umgang mit den Rollen innerhalb der Peergroup. Welche Folgen dies in Zusammenhang mit einer negativen Mediennutzung und mangelnder Sozial- und Medi- enkompetenz haben kann, wird im folgenden Kapitel aufgeführt.

9 „Web 2.0 ist eine in sozio-technischer Hinsicht veränderte Nutzung des Internets, bei der dessen Mög- lichkeiten konsequent genutzt und weiterentwickelt werden. Es stellt eine Evolutionsstufe hinsichtlich des Angebotes und der Nutzung des World Wide Web dar, bei der nicht mehr die reine Verbreitung von Informationen bzw. der Produktverkauf durch Websitebetreiber, sondern die Beteiligung der Nutzer am Web und die Generierung weiteren Zusatznutzens im Vordergrund stehen.“ (vgl. Gabler Wirtschaftslexi- kon)

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3 Cybermobbing - Was ist das eigentlich? | 6

3 Cybermobbing - Was ist das eigentlich?

Cybermobbing, oder international auch als Cyberbullying10 bezeichnet (vgl. Stephan 2010, S.

14; Schultze-Krumbholz et al. 2014a, S. 362; Aksi 2014, S. 1), ist kein Begriff der allein in der Forschung verwendet wird. Durch die Aufnahme in den deutschen Rechteschreibduden im Jahr 2009, ist dieses Wort in den alltäglichen Sprachgebrauch übergegangen. Der Duden be- zeichnet Cybermobbing als: „Schikanieren, Diffamieren von Personen über das Internet“ (Bib- liographisches Institut GmbH 2013). Den meisten Jugendlichen ist dieses Phänomen11 bekannt und so geben 20-40 % an, in ihrem Leben bereits mit Cybermobbing Erfahrungen gemacht zu haben (vgl. Tokunaga 2010, S. 277; Porsch et al. 2011, S. 32). Jedoch unterscheiden viele Her- anwachsende nicht zwischen der realen und virtuellen Form (vgl. Schultze-Krumbholz et al.

2014a, S. 374), was vermuten lässt, dass beide Erscheinungsformen im Schulalltag zusammen- spielen (vgl. Porsch und Pieschl 2014, S. 10; Grimm et al. 2008, S. 230). Was Cybermobbing im wissenschaftlichen Kontext genau umfasst, wird im folgenden Abschnitt deutlich.

“Cyberbullying is any behavior performed through electronic or digital media by individuals or groups that repeatedly communicates hostile or aggressive messag- es intended to inflict harm or discomfort on others. […] In cyberbullying experi- ences, the identity of the bully may or may not be known. Cyberbullying can occur through electronically-mediated communication at school; however, cyberbully- ing behaviors commonly occur outside of school as well.” (Tokunaga 2010, S. 278)

Die meisten Autoren (vgl. Stephan 2010, S. 14f.; Schultze-Krumbholz et al. 2014c, S. 61ff.;

Porsch und Pieschl 2014, S. 9; Kowalski et al. 2012, S. 56; Hafeneger 2013, S. 45) beschreiben Cybermobbing als absichtliche und meist wiederholte Schädigung einer schwächeren Person mithilfe modernder Kommunikationsmitteln, wie dem Smartphone oder Internet. Darunter fallen Handlungen wie das Beleidigen, Schikanieren, Bloßstellen, Tyrannisieren, Bedrohen oder Belästigen eines anderen. Tokunaga ergänzt die drei Aspekte des klassischen Mobbings12 um zwei weitere Kriterien, die der Einsatz Neuer Medien mit sich bringt: Öffentlichkeit und Ano- nymität des Täters (vgl. Tokunaga 2010, S. 277ff.).

Durch die alltägliche Nutzung des Internets auch über das eigene Smartphone (Feierabend et al. 2013, S. 11), sind Jugendliche rund um die Uhr erreichbar. Bereits 88 % der Jugendliche

10 Die Begriffe Cybermobbing und Cyberbullying werden zur besseren Lesbarkeit in dieser Arbeit syno- nym verwendet. Auch wenn bei Cybermobbing bzw. Cyberviktimisierung eher von der Opferperspektive und bei Cyberbullying die Perspektive der Täters betrachtete wird.

11 Bereits 2011 gaben bei einer Studie der Techniker Krankenkasse 75 % der 14- bis 20-Jährigen an, den Begriff Cybermobbing/-bullying gehört zu haben (Porsch et al. 2011, S. 33).

12 Schädigungsabsicht, Wiederholung und Machtungleichgewicht (vgl. Grimm et al. 2008, S. 229; Olweus und Mortimore 1993)

(11)

3 Cybermobbing - Was ist das eigentlich? | 7 besitzen ein eigenes Internetfähiges Handy und 60 % der Jugendlichen können durch eine In- ternetflatrate das Internet auch mobil nutzen (siehe Abbildung 2).

Der positive Aspekt dieser neuen Kommunikationstechnologie wird von Tätern, auch Bully genannt, missbraucht und stellt für Jugendliche ein Risiko dar. In traditionellen Bullying- Situationen ist das Opfer nur währende der Schulzeit oder dem Heimweg aggressivem Verhal- ten des Bullys ausgesetzt. Bei Cyberbullying durchdringt der Täter auch die geschützte Pri- vatsphäre des Opfers und erreicht es über Medien wie E-Mails, Instant Messenger (z.B.

WhatsApp), Videoportalen (z.B. YouTube), in sozialen Netzwerken (z.B. Facebook) oder per Handy (z.B. SMS oder Anruf)13 rund um die Uhr an jedem Tag der Woche (vgl. Tokunaga 2010, S. 279; Porsch et al. 2011, S. 30; Slonje und Smith 2008, S. 148). Oft handelt der Täter anonym, sodass das Opfer nicht weiß, wer es angreift. Dies verstärkt das Machtungleichgewicht, sodass sich das Opfer in einer hilflosen und verunsicherten Position befindet, aus der es sich meistens nicht selbst befreien kann. Doch gerade bei Cybermobbing unter Jugendlichen zeigt sich, dass sich Opfer und Täter auch im realen Leben kennen (vgl. Rack und Fileccia 2013, S. 4; Porsch et al. 2011, S. 30; Aksi 2014, S. 1ff.; Tokunaga 2010, S. 278ff.).

Abbildung 2: Mobile Internetnutzung über das eigene Smartphone14

13 Beispielauswahl aus der Liste der Lieblings-Apps auf dem Smartphone (Feierabend et al. 2013, S. 54).

14 (Feierabend et al. 2013, S. 52)

88 88 89

78

91 92 92 94 90 87

60 62 59

41

62 67 69 69

60 59

0 25 50 75 100

Mobiles Internet 2013

- Ausstattung des eigenen Handys -

Internetfähiges Handy Internetflatrate fürs Handy

Quelle: JIM 2013, Angaben in Prozent Basis: Besitzer Handy/Smartphone, n=1.157

(12)

3 Cybermobbing - Was ist das eigentlich? | 8

3.1 Abgrenzung von Mobbing und Cybermobbing

Das Phänomen Cybermobbing ist relativ neu und noch nicht ausreichend erforscht, daher gibt es in der Fachliteratur neben verschiedenen Schreibweisen auch verschiedene Definitionen.

Aufgrund der konzeptionellen Ähnlichkeit in Machtungleichgewicht, Schädigungsabsicht und Wiederholung (vgl. Olweus und Mortimore 1993) sowie Überschneidungen der Rollen ist es notwendig auf die Differenzierung der beiden Begriffe Mobbing/Bullying15 und Cybermob- bing/Cyberbullying einzugehen, denn Cybermobbing gilt weitestgehend als eigene Kategorie, die sich vom traditionellen Mobbing abgrenzt (vgl. Tokunaga 2010; Slonje und Smith 2008;

Porsch et al. 2011; Stephan 2010; Schultze-Krumbholz et al. 2014a, S. 363; Pieschl und Porsch 2014; Menesini und Nocentini 2009; Katzer 2014; Grimm et al. 2008; Aksi 2014).

In welchen Aspekten die beiden Begriffe variieren, wird in folgenden Unterpunkten dargestellt.

Dazu werden zunächst die drei klassischen Aspekte dargestellt und verglichen. Im Anschluss zwei erweiterte Aspekte nach Tokunaga aufgefürht. Wichtig ist, dass die einzelnen Merkmale, bei Cybermobbing als auch bei Mobbing, nicht isoliert, sondern in ihrer Korrelation zueinander gesehen werden müssen.

3.1.1 Schädigungsabsicht

Egal ob im virtuellen oder realen Raum, der Täter verfolgt mit seinem negativen Handeln die Absicht jemanden zu schädigen, verletzen oder bloßzustellen. Auch bei Cybermobbing liegt häufig eine schädigende Absicht vor, besonders wenn der Täter dem Opfer nicht nur private Nachrichten (per E-Mail, Anruf, SMS) schickt, sondern es auch im semi-öffentlichen (per Face- book bzw. WhatsApp-Gruppen) und öffentlichen Raum (per YouTube) mobbt (vgl. Pieschl und Porsch 2014, S. 135). Frühere Studien zeigen, dass Jugendliche den Grad der Schädigung von Mobbing bedeutend schlimmer empfinden, wenn mehr Menschen von der Mobbingsituation erfahren, diese also öffentlich stattfindet (vgl. Schultze-Krumbholz et al. 2014a, S. 362).

Nicht immer entsteht Cybermobbing durch absichtsvolles Handeln. Im Cyberspace kann auch durch technische Probleme, unbeabsichtigtes Hochladen und Unkenntnis dazu beitragen, dass jemand unbeabsichtigt zu Schaden kommt. Denn durch den freien, öffentlichen Zugang zu Videos, bspw. über YouTube, erreichen die Inhalte ein größeres Publikum und können sich im Internet rasant und unkontrolliert verbreiten. Dadurch wird ein weiteres zwingendes Kriterium von Mobbing angerissen: Wiederholung.

15 Mobbing und Bullying werden ebenfalls synonym verwendet in Deutschland. (Schubarth 2013, S. 147)

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3 Cybermobbing - Was ist das eigentlich? | 9 3.1.2 Wiederholung

Unter anderem grenzt sich Mobbing durch wiederholte und über einen längeren Zeitraum andauernde Attacken von einmaliger Gewalt ab. Ähnlich ist dies auch bei Cybermobbing. Es ist jedoch umstritten, ob der Aspekt der Wiederholung durch Neue Medien nicht bereits bei ein- maliger semi- bzw. öffentlicher Verbreitung automatisch gegeben ist (vgl. Schultze-Krumbholz et al. 2014a, S. 363f). Der Wiederholungscharakter entsteht hierbei durch das wiederholte Aufrufen und Verteilen der Inhalte, die im Internet unbegrenzt zugänglich sind (vgl. Schultze- Krumbholz et al. 2014a, S. 374). Durch die enorme online Präsenz werden solche Inhalte zu Selbstläufern und entwickeln eine unkontrollierbare Eigendynamik, ähnlich dem Nacktbild von Amanda Todd, welches jahrelang im Netz kursierte (vgl. Stephan 2010, S. 16; Schultze- Krumbholz et al. 2014a, S. 374). Aufgrund des umstrittenen Wiederholungsaspekts, schlägt Fawzi 2009 vor, sich nicht mehr an der Anzahl der Handlungen, sondern an der Wirkungsdauer und der Wahrnehmung des Opfers zu orientieren (vgl. Schultze-Krumbholz et al. 2014a, S.

363).

3.1.3 Machtungleichgewicht

Der dritte klassische Aspekt im Mobbingprozess ist das Machtungleichgewicht. Der Täter drangsaliert ein ihm unterlegenes Opfer und wird von einer Gruppe von Mitläufern aktiv oder passiv unterstützt. Traditionell gründet ein Ungleichgewicht auf physischer, psychischer oder verbaler Stärke des Bully bzw. der Anzahl an Bullys. Diese Aspekte rücken bei Cybermobbing teilweise in den Hintergrund. Denn der Bully definiert sich nicht durch physikalische Stärke, sondern gewinnt durch die Neuen Medien an Macht. Nun ist die Disparität vor allem durch mangelnde Kontrolle der im Internet veröffentlichten Inhalte durch das Opfer gegeben. Der Aspekt der Hilflosigkeit von Opfern wird bei Cyberviktimisierung sogar verstärkt, denn Opfer von peinlichen Bild- oder Videoveröffentlichungen, können Internetinhalte nicht kontrollieren und sind machtlos gegen die Öffentlichkeit des Internets. „Was einmal im Internet ist, bleibt im Internet.“ oder „Das Internet vergiss nie!“ sind oft gepredigte Sätze der Medienpädagogik in Bezug zum Internetverhalten und Jugendmedienschutz. Verbreiter solcher Inhalte genießen eine gewisse Beliebtheit in sozialen Communities, weshalb sie auf die Unterstützung ihrer vir- tuellen „Freunde“ bauen können.

Autoren wie Schultze-Krumbholz et al. unterstellen „eine höhere Medienkompetenz des Täters als größere Macht“ (Schultze-Krumbholz et al. 2014a, S. 364). Diese Interpretation ist äußerst gewagt, denn der positiv besetzte Begriff der Medienkompetenz16 schließt nicht nur die „in- strumentell-qualifikatorische Unterdimension der Medienkunde“ (Baacke 1997, S. 99) ein,

16 Medienkompetenz nach Dieter Baacke (Baacke 1997, S. 98f.)

(14)

3 Cybermobbing - Was ist das eigentlich? | 10 sondern umfasst neben der Mediennutzung und Mediengestaltung auch die Dimension der Medienkritik. Sollte eine Person als medienkompetent bezeichnet werden, reicht hierzu die Fähigkeit, Bilder in Bildbearbeitungsprogrammen verändern zu können, um eine Person bei- spielsweise unvorteilhaft darzustellen nicht aus, sondern diese Person sollte reflexiv, respekt- voll und verantwortlich mit den genutzten Medien umgehen und keine Schädigungsabsichten verfolgen. Hier bleibt zu hinterfragen, wie diese Interpretation von Schultze-Krumbholz et al.

genau definiert ist und auf welchen Begriff von Medienkompetenz sich diese Aussage stützt.

3.1.4 Anonymität

„Die Schule ist zweifellos der Ort, an dem am meisten gemobbt wird.“ (Olweus 1996, S. 32).

Diese Aussage bezieht sich auch auf das Phänomen Cybermobbing, denn 85 % der Cybervic- tims werden auch in der Schule gemobbt (vgl. Tokunaga 2010, S. 279; Jäger et al. 2007, S. 13).

Doch während beim Schulmobbing die Opfer wissen, wer sie verspottet oder schlägt, ist dies im Netz anders. Denn durch die Möglichkeiten der Neuen Medien können die Belästigungen anonym verübt werden, beispielsweise durch Nicknames, Fake-Accounts oder geklaute Profile.

Der Täter kann seine Identität verheimlichen, sodass dem Opfer die Identität des Bullys nicht bekannt ist, obwohl es den Täter womöglich im realen Leben kennt. Die Anonymität verstärkt den oben genannten Aspekt des Machtungleichgewichts, denn die Ungewissheit um den Täter weckt Gefühle der Hilflosigkeit und des Misstrauens seitens der betroffenen Person. Dies kann Auswirkung auf Freundschaften haben, denn das Opfer reagiert seinen Freunden gegenüber misstrauisch und unsicher, da auch Freunde hinter den Attacken stecken können (vgl. Schultze- Krumbholz et al. 2014a, S. 373).

Die Rolle des Täters ist jedoch nicht immer unbekannt. Teilweise vermischen Täter traditionel- les Mobbing und Cybermobbing und führen den Schädigungsprozess elektronisch weiter, um den schädigenden Effekt zu verstärken. So sind 36 % der Jugendlichen sowohl Opfer von Cy- berbullying als auch von Bullying (vgl. Tokunaga 2010, S. 279). Beispielsweise wenn Bullys über den Instant Messenger WhatsApp mobben, ist den meisten Opfern die Identität des virtuellen Täters bekannt, da dieser einer ihrer Kontakte ist und damit bewusst nicht anonym auftritt. 12

% der Opfer geben an, die Identität des Bully zu vermuten bzw. 40-50 % wissen, wer sie online fertigmacht (vgl. Aalst 2011, S. 6; Tokunaga 2010, S. 279). Über die Hälfte der Schüler vermutet dabei, dass es sich um einen Mitschüler handelt (Jäger et al. 2007, S. 27).

Die Reaktion, die der Täter in dem Opfer auslöst, kann von diesem jedoch nicht über den Bild- schirm wahrgenommen werden und er erhält keine direkte Rückmeldung. Somit sind ihm sein Handeln und die Konsequenzen möglicherweise nicht bewusst. Es wird auch vermutet, dass Täter durch die räumliche Distanz zum Opfer weniger Hemmungen haben, dieses virtuell zu

(15)

3 Cybermobbing - Was ist das eigentlich? | 11 mobben und einen Mangel an Empathie17, da ihr Handeln unreflektiert ist und nicht aus der Sicht des Opfers betrachtet wird.

3.1.5 Öffentlichkeit

Typisch für Cybermobbing ist die online geführte Kommunikation, bei der sich Inhalte durch die Öffentlichkeit des Netzes unkontrolliert extrem schnell verbreiten. Während bei Mobbing nur das soziale Umfeld involviert ist, übersteigt die Öffentlichkeit der Neuen Medien jede klas- sische Schulmobbingsituation. Onlinegestellte Inhalte sind nicht mehr zu kontrollieren. Unan- genehme Bilder können beispielsweise einfach per Screenshot von jedem Internetnutzer abge- speichert werden und zu einem anderen Zeitpunkt wieder veröffentlicht werden, dies er- schwert es Opfern einen vergangenen Vorfall zu vergessen. Oft ist Jugendlichen nicht bewusst, wer die geposteten Inhalte sehen, speichern und wiederveröffentlichen kann. Fremde Perso- nen können theoretisch weltweit mitlesen. Durch unüberlegtes Klicken, mangels technischer Kenntnisse oder ungeahnter Konsequenzen, können teilweise ungeahnte Eigendynamiken entstehen, die nicht mehr rückgängig zu machen sind.

3.1.6 Rollen

Zwei Rollen wurden bereits erwähnt: Täter und Opfer. Das Cybervictim reagiert auf die Atta- cken ängstlich und unsicher. Im Machtverhältnis steht es unter dem Cyberbully, der meist als feindselig, gefährlich, impulsiv, aggressiv und selbstbewusst beschrieben wird. Bei Cybermob- bing wie auch bei Mobbing handelt es sich jedoch um ein Gruppenphänomen, das erst durch Assistenten, Verstärker, Außenstehende, Verteidiger verstärkt wird (vgl. Pfetsch et al. 2014b, S. 345). Assistenten unterstützen den Bully, während Verstärker dem Bully Aufmerksamkeit schenken und ihn ermutigen. Außenstehende versuchen sich herauszuhalten, werden jedoch durch ihr unbeteiligtes Verhalten zu „passiven Gewalttätern“ (Olweus 1996, S. 44) anders als Verteidiger, die sich für das Opfer einsetzen (vgl. Olweus 1996, S. 42ff.).

Im Gegensatz zu den festen Rollen beim traditionellen Bullying, zeigt sich in der Studie „Bewäl- tigung von Cyberviktimisierung im Jugendalter“18 (vgl. Pfetsch et al. 2014b), dass Rollen im Cyberbullyingprozess dynamisch wechseln und sich überschneiden können. Beispielsweise geben 32,5 % der als Cyberbullies klassifizierten Jugendlichen an auch Cybervictims zu sein.

Weiter geben Cybervictims zu 37,8 % an auch Cyberbulllies zu sein bzw. zu 76,8 % als Verteidi- ger und 50,6 % als Außenstehender aufzutreten. Insgesamt ordneten sich 40,4 % einer Rolle,

17 Die Fähigkeit sich in Andere hineinzuversetzen und nach zu empfinden, wie diese sich beispielsweise als Empfänger einer gemeinen Nachricht fühlen.

18 Die Daten beruhen auf der 2011 erhobenen Online-Studie.

(16)

3 Cybermobbing - Was ist das eigentlich? | 12 33,9 % zwei Rollen, 18,0 % drei Rollen und 7,7 % vier Rollen zu (vgl. Pfetsch et al. 2014b, S.

350).

Zusammenfassend zeichnet sich Cybermobbing durch zeitlich und räumlich grenzenlose Ver- fügbarkeit herabwürdigender Inhalte, potenzielle Anonymität der Cyberbullies, unkontrollier- bar großes Publikum, physische und emotionale Distanz zwischen Cyberbully und Cybervictim aus.

3.2 Formen von Cybermobbing

Die Unterteilung von Cybermobbing erfolgt in verschiedene Formen, beispielsweise die Art der Übergriffe, Art der Medien, Art der Methode. Kritikpunkt einiger Kategorisierungen ist, dass diese bisher kaum empirisch überprüft wurden und trotzdem als Messinstrumente dienen.

Willard überträgt theoretische Kategorien des konventionellen Mobbings19 auf Cyberbullying und unterscheidet daher acht verschiedene Typen, die die Art der Online-Übergriffe beschrei- ben (vgl. Willard 2007, S. 5ff.). Sie unterscheidet zwischen: „flaming“ (Beleidigung, Beschimp- fung), „harassment“ (Belästigen, Schikane), „denigration“ (Anschwärzen, Gerüchte verbreiten),

„impersonation“ (Auftreten unter falscher Identität), „outing and trickery“ (Bloßstellen, Betrü- gen, Verrat), „exclusion“ (Ausschließen, Ausgrenzen), „cyberstalking“ (fortwährende Belästi- gung und Verfolgung) und „cyberthreats“ (offene Androhung von Gewalt) (Willard 2007, S.

5ff.; Grimm et al. 2008, S. 229; Stephan 2010, S. 18f.; Pieschl und Porsch 2014, S. 136). Abbil- dung 3 zeigt die Ergebnisse der 2013 erhobenen Studie „Cyberlife – Spannungsfeld zwischen Faszination und Gefahr“ (vgl. Schneider et al. 2013), einer empirischen Bestandsaufnahme bei Eltern, Lehrern und Schülern in Deutschland20 durchgeführt vom Bündnis gegen Cybermobbing e.V.. Neben dem Kreisdiagramm, das unter 6739 Befragten 16,6 % erlebte Fälle von Cyber- mobbing aufweist, zeigt Abbildung 3 zusätzlich die Verteilung auf die oben aufgeführten Arten von Cybermobbing. Daraus geht hervor, dass Jugendliche am häufigsten über Neue Medien beschimpft oder beleidigt werden (Mädchen zu 63 %, Jungen zu 51 %). Etwa 40 % werden Op- fer von Lügen oder Gerüchten und ca. 30 % werden gehänselt. Ungefähr ein Viertel wird unter Druck gesetzt bzw. erpresst und bedroht oder ausgegrenzt, beispielsweise durch Kontakt- ablehnungen. 17 % erleben ungewollte Veröffentlichungen von Fotos und bei etwa 15 % wer- den unangenehme Foto- als auch Videoinhalte über das Internet veröffentlicht (vgl. Schneider et al. 2013, S. 94f.)

19 verbal, physisch und rational

20 Unterstützt wurde die Studie von der ARAG.

(17)

3 Cybermobbing - Was ist das eigentlich? | 13 Abbildung 3: Art und Weise des Cybermobbings21

Ein weiterer prominenter Ansatz zu den Formen von Cybermobbing ist die Berücksichtigung der verwendeten Medien, da bei Cybermobbing jedes Medium unterschiedlich ausgeprägt ist.

Smith et al. 2006 unterscheidet sieben verschiedene Kanäle: Bullying per SMS, E-Mail, Telefon, Verbreitung von Bildern/Videos, Chatrooms, Instant Messenger und auf Webseiten (vgl. Smith et al. 2006, S. 1). Mit zunehmender Medienkonvergenz vermischen sich die Formen jedoch und sind nicht mehr klar voneinander trennbar. Das Smartphone wird nicht als Handy, sondern als mobiler Mini-Computer genutzt. Auch soziale Netzwerke integrieren Text und E-Mail Funk- tionen (vgl. Stephan 2010, S. 19f.; Pieschl und Porsch 2014, S. 136; Jäger et al. 2007, S. 26).

Fawzi kategorisiert nach der Methode von Cybermobbing, direkt oder indirekt (Fawzi 2009, S.

38ff.). Direkt bedeutet, anders als beim indirekten Cybermobbing, dass dem Opfer bewusst ist, dass es verbal22 verspottet wird. Wie im Fall des österreichischen Jungen, der durch einen Link auf seiner Facebook-Seite auf eine Webseite stieß, auf der er als homosexuell verspottet wird.

Bei indirektem Cybermobbing, werden Schüler zu Opfern, ohne direkt zu bemerken, dass sie

21 (Schneider et al. 2013, S. 94)

22 Formen direkten Cybermobbings können sein: Flaming, Harassment, Cyberthreats, Cyberstalking (vgl.

Fawzi 2009, S. 38ff.; Aksi 2014, S. 15ff.).

51 33 27 24 22 18 15

63 47 32 27 27 15 14 Beschimpft / beleidigt

Verbreitung von Lügen und Gerüchten

Lustig gemacht / gehänselt Unter Druck gesetzt / erpresst

/ bedroht

Ausgrenzung / Ablehnung von Kontaktanfragen Veröffentlichen von Fotos Verbreitung unangenehmer /

peinlicher Fotos / Filme

Jungen Mädchen

Keine Angabe

4,6%

16,6% Ja Nein

78,8%

Cybermobbingfälle Art und Weise des Cybermobbings

n=6.739; Angaben in % n=1.117; Angaben in %

(18)

3 Cybermobbing - Was ist das eigentlich? | 14 aggressiv23 gemobbt werden (vgl. Fawzi 2009, S. 38ff.; Aksi 2014, S. 15; Stephan 2010, S. 18ff.;

Pieschl und Porsch 2014, S. 136).

3.3 Ursachen und Motive

„Grundsätzlich kann jeder von Cybermobbing betroffen sein, sei es als Opfer, […]

Beobachter […] oder sogar als […] Täter. Es ist nicht möglich, durch ein bestimm- tes Verhalten diesem Phänomen sicher zu entgehen.“ (Pieschl und Porsch 2014, S.

146)

Jugendliche sind häufig von sowohl Cyberbullying als auch von Bullying betroffen bzw. daran beteiligt (vgl. Porsch et al. 2011, S. 36). Die Zahl der Cyber-/ Mobbing-Opfer beträgt 36 % (vgl.

Tokunaga 2010, S. 279), weiter berichten 58.3 %, dass sie sowohl Cyberviktim als auch Cyber- bully sind (vgl. Schultze-Krumbholz und Scheithauer 2009, S. 225). Daher lässt sich vermuten, dass traditionelle Risikofaktoren24 auch auf Cybermobbing übertragbar sind (vgl. Porsch und Pieschl 2014, S. 10ff.; Pieschl und Porsch 2014, S. 146). Begünstigende Faktoren zur Entstehung von Bullying25 können: genetische Faktoren, Erziehungsstile, familiäre Variablen, Peer- Faktoren, Kontextfaktoren in der Schule, geschlechterspezifische Unterschiede, Persönlich- keitsfaktoren sein (vgl. Stephan 2010, S. 22).

Es gibt verschiedene Tätertypen die eine Schädigungsabsicht verfolgen, zum Beispiel kontrol- liert-reaktiv (Rache), impulsiv-reaktiv (Reizung) sowie, impulsiv-aktiv (Spaß) (vgl. Pieschl und Porsch 2014, S. 143). Letzteres ist die Hauptursache von Cyberbullying, 35 % mobben aus Lan- geweile und 33 % nur zum Spaß (vgl. Schneider et al. 2013, S. 100). Viele Jugendliche probieren einfach aus um zu schauen was durch die Cybermobbingattacken passiert und welche Konse- quenzen ihr Handeln hat. Sie testen Grenzen und probieren aus wie weit sie gehen können.

Besonders interessant an Abbildung 4 ist, dass meist nicht die gemobbte Person Ursache des Handelns ist, sondern es rein egozentrische Motive sind, die zum Mobbing führen.

23 Formen indirekten Cybermobbings sind: Denigration, Outing and Trickery, Impersonation, Exclusion (vgl. Fawzi 2009, S. 38ff.; Aksi 2014, S. 15ff.).

24 Unter Risikofaktoren können fallen: Alter, Geschlecht, Schulform, Internetnutzung, mediale Aufklä- rung (vgl. Porsch und Pieschl 2014, S. 11), sowie äußerliche Merkmale: Aussehen, Kleidung, soziale und kulturelle Herkunft (vgl. Pieschl und Porsch 2014, S. 136).

25 Diese Faktoren beziehen sich auf Täter und Opfer.

(19)

3 Cybermobbing - Was ist das eigentlich? | 15 Abbildung 4: Motive der der Täter26

Möglicherweise kann durch mangelnde mediale27 oder kommunikative Kompetenz, eine Hand- lung ohne Schädigungsabsicht, falsch gedeutet werden (vgl. Pieschl und Porsch 2014, S. 143).

Im Gegensatz zur para- und nonverbalen sowie verbalen Kommunikation, birgt die computer- vermittelte Kommunikation einige Hürden und erfordert ein besonderes Verständnis für die Wirkung von Worten. Zwar behelfen sich Jugendliche beim Verfassen von Nachrichten mit Emoticons, jedoch können auch Smileys zu Fehldeutungen von Nachrichten, Missverständnis- sen und Konflikten führen. Während in einer Face-to-Face Situation die Kommunikation um Ironie, Mimik, Gestik oder Betonung ergänzt wird, werden in einer Textnachricht nur Worte übermittelt. Damit dieser Dialog gelingen kann, sind gewisse Voraussetzungen bei den jeweili- gen Kommunikationspartnern notwendig. Die Partner befinden sich in einem Sender- Empfänger-Verhältnis, bei dem die gesendeten Inhalte, egal in welcher Form, vom Empfänger verstanden werden müssen, damit keine Kommunikationsprobleme aufkommen (vgl. Rusch, S.

165). Der Idealfall einer gelingenden Kommunikation tritt ein, wenn Person A sich von Person B verstanden und akzeptiert fühlt sowie umgekehrt (vgl. Watzlawick et al. 2007, S. 50ff.).

3.4 Folgen und Bewältigungsstrategien

Viktimisierung schließt eine gewisse Anzahl von persönlichen Schwierigkeiten, psychosoziale Probleme, rückläufige akademischen Leistungen und Probleme zu Hause ein. Diese können ein triviales bis ernsthaftes Level erreichen (vgl. Tokunaga 2010, S. 281ff.; Porsch et al. 2011, S.

35). In der Untersuchung „Meinungsimpuls Cybermobbing“ der Techniker Krankenkasse wur-

26 (Schneider et al. 2013, S. 100) Dieses Diagramm übersteigt in fünf Fällen die Gesamtheit von 100%, was vermutlich auf Rundungsfehler zurückzuführen ist.

27 Bspw. unbeabsichtigtes Hochladen von Dateien

35 33 24 21 17 16 11 11 10

18 19 12 9 6 11 8 3 6

19 18 14

13 14

15 14 8

13

10 11 11

12 10

13 15 8

13

19 19 40 45 54

45 53 71

58 Aus Langeweile

Nur zum Spaß Weil andere das auch machen Weil diese Person es verdient hat Weil es Ärger mit der betreffenden Peron gab Aus schlechter Laune Um andere, die gemobbt worden sind, zu…

Weil mich diese Person auch gemobbt hat Weil es cool ist

Motive der Täter

Trifft voll und ganz zu Trifft überhaupt nicht zu

n=1.285; Angaben in %

(20)

3 Cybermobbing - Was ist das eigentlich? | 16 den 2011 Jugendliche zwischen 14 und 20 Jahren nach Reaktion und Gefühlen infolge von Cy- bermobbing befragt. Es hebt hervor, dass 66 % wütend, 35 % verletzt, 21 % verzweifelt und 20

% hilflos sind. Über gesundheitliche Folgen wie Schlaflosigkeit klagen 18 %, 6 % der Befragten geben Kopf- und Bauchschmerzen an (Porsch et al. 2011, S. 35) (siehe Abbildung 5).

Abbildung 5: Wie Cybermobbing Jugendliche belastet28

Um diese Folgen zu verarbeiten, bedienen sich Jugendliche vier Kategorien von Bewältigungs- strategien. Demnach versuchen 60,3 % herauszufinden, wer zu ihnen steht und wer sie unter- stützt (soziale Bewältigung); 38,1 % versuchen im realen Leben, den Täter zum Aufhören zu bewegen (problemorientierte Bewältigung)29; 29,4 % ändern das Passwort ihres Accounts bzw.

27,8 % melden dem Seiteninhaber den Vorfall30 (technische Bewältigung); 52,4 % brechen den Kontakt zu denjenigen ab, die Cybermobbing unterstützten bzw. 49,2 % versuchen den Täter zu meiden (hilflose Bewältigung) (Pfetsch et al. 2014b, S. 350f.). Eine weitere Studie zeigt, dass 25 % der Jugendlichen nach einem passiven Muster handeln und keine Reaktion auf die Cybe- rattacken zeigen (Tokunaga 2010, S. 281). Als Ansprechpartner wählen Jugendliche üblicher- weise zuerst Freunde. Den Kontakt zu Erwachsenen, wie beispielsweise Eltern, Lehrer,

28 (Porsch et al. 2011, S. 35)

29 Auch Tokunaga stellt fest, dass 15-35 % der Opfer nach der Viktimisierung den Täter konfrontieren und ihn zum Aufhören auffordern (vgl. Tokunaga 2010, S. 281).

30 Durch Blockieren und Melden einer Person, bieten Community-Betreiber Nutzern mehr Schutz und Sicherheit.

66%

35%

21% 20% 18%

6% 6%

Wie Cybermobbing Jugendliche belastet

Das lösen Attacken per Internet oder Handy bei Teenagern (14 - 20 Jahren) aus

Mehrfachnennung möglich

(21)

3 Cybermobbing - Was ist das eigentlich? | 17 Schulsozialarbeiter, suchen sie meist jedoch erst, nachdem die Attacken durch Eigeninitiative nicht enden (vgl. Tokunaga 2010, S. 282; Pfetsch et al. 2014b, S. 351).

3.5 Probleme

Problem von Cyberbullying ist insbesondere die Anonymität, denn dadurch fühlen sich die Täter sicher und verlieren durch räumliche und relationale Distanz zum Opfer oft Hemmungen und greifen zu schwerwiegenderen negativen Handlungen, als es beim direkten Mobbing der Fall wäre.

Ein weiteres damit verbundenes Problem stellt die polizeiliche Verfolgung von Cyberbullies dar. Werden keine Fälle von Cybermobbing gemeldet, kann die Polizei nicht helfen. Sie sind auf die Hilfe und Zusammenarbeit von Opfern angewiesen, die wichtige digitale Beweise sammeln können und somit belegen, dass und von wem sie gemobbt werden (vgl. Tokunaga 2010, S.

279). Jedoch bleibt auch hier anzumerken, dass die Möglichkeiten gesetzlich begrenzt sind, da es in Deutschland, anderes als in anderen europäischen Ländern wie Frankreich, Norwegen, Schweden, Dänemark, Finnland, Belgien, den Niederlanden, Spanien, Serbien und der Schweiz oder auch den USA und Kanada, kein Gesetz gegen Cyber-/Mobbing gibt (vgl. Wolmerath 2012, S. 39ff.). National können lediglich verschiedene Handlungen31 von Cybermobbing strafrecht- lich verfolgt werden. Hierbei ist jedoch wiederum zu beachten, dass die meisten Cyberbullies noch minderjährig sind und ihr Handeln somit ohne ernsthafte Folgen bleibt.

Neue Medien können in den Händen von Jugendlichen, eine Gefahr darstellen. Durch man- gelnde Kontrolle in den Medien, ist die Sicherheit der Jugendlichen in Netz gefährdet, dies zeigt sich auch im Phänomen Cybermobbing (vgl. Tokunaga 2010, S. 277ff.). Dazu kommt, dass Medienerziehung heutzutage fester Bestandteil der Erziehung ist32, Eltern sich dieser Aufgabe jedoch entziehen und es für viele Jugendliche keinerlei Kontrolle oder Begrenzung der Inter- netnutzung gibt (vgl. Techniker Krankenkasse 2012, S. 6). Grimm schreibt, dass durch geringe Kontrolle Neuer Medien Minderjährige oftmals negative Erfahrungen machen und damit allei- ne gelassen werden. Eltern unterschätzen ihre Kinder oftmals in deren Internetverhalten und - nutzen (vgl. Grimm et al. 2008, S. 13). Früher bestand beispielsweise das viel diskutierte Prob- lem, dass gewisse Fernsehinhalte, die für Kinder nicht geeignet sind, erst ab einer gewissen Uhrzeit ausgestrahlt werden durften. Heute sind gewalthaltige oder pornografische Inhalte online jederzeit frei zugänglich bzw. Alterskontrollen leicht zu umgehen (vgl. Grimm et al.

2008, S. 15). Mit dieser Verantwortung umzugehen, müssen Kinder und Jugendliche erst ler-

31 Paragraphen des StGB: § 185 Beleidigung, § 186 Üble Nachrede, §187 Verleumdung, §238 Nachstel- lung, §22 (KUG) Recht am eigenen Bild (vgl. StGB, S. 99; Rack und Fileccia 2013, S. 28)

32 (vgl. Moser 2006, S. 28ff.)

(22)

4 Maßnahmen gegen Cybermobbing | 18 nen. „Digital Natives“33 nehmen gegenüber „Digital Immigrants“34 andere Optionen des Web 2.0 wahr und zeigen ein andres Internetnutzungsverhalten. Neben der Informationsrecherche konsumieren sie nicht nur vorgefertigte Unterhaltungsinhalte, sondern können diese auch selbst produzieren, bearbeiten, verarbeiten und einbinden, kommunizieren, interagierenund vernetzen sich in sozialen Netzwerken (vgl. Feierabend et al. 2013, S. 31). Im Vergleich dazu schrieb Grimm et al. 2008 noch: „Die Nutzung des Web 2.0 bzw. sog. „Mitmachnetzes“ erfolgt überwiegend noch rezeptionsorientiert“ (Grimm et al. 2008, S. 16, Hervorhebungen im Origi- nal).

Somit haben Nutzer des Internet prinzipiell die Möglichkeit alle Inhalte zu teilen, abzuspei- chern und zu veröffentlichen, auch wenn sie sich damit in eine strafrechtliche Zone begeben.

Solches Verhalten abzulehnen und es aus rechtlichen, moralischen, ethischen oder sozialen Gründen nicht zu tun, macht einen ersten Schritt zur Medienkompetenz aus (vgl. Grimm et al.

2008, S. 15f.). Zur Verdeutlichung ein kurzes Beispiel. Es ist technisch möglich mit einem Auto bei einer Geschwindigkeit von 100km/h durch die Stadt zu fahren, obwohl hier eine Richtge- schwindigkeit von 50km/h vorgeschrieben ist. Trotz der technisch Möglichkeit, wird innerorts nicht schneller gefahren. Dies hängt zum einen damit zusammen, dass es nicht erlaubt ist und mit rechtlichen Konsequenzen bestraft wird und zum anderen aus Rücksichtnahme der ande- ren Verkehrsteilnehmer. Das Bewusstsein um die Gefahr von Cybermobbing und der damit verbundenen medialen Kommunikation, die Ermutigung „NEIN“ zu Cybermobbing zu sagen, kann durch Prävention gestärkt werden.

4 Maßnahmen gegen Cybermobbing

Wie bereits erwähnt ist nicht nur die Schreibweise von Cybermobbing bzw. Cyber-Mobbing oder dessen Definition im wissenschaftlichen Kontext umstritten, sondern auch die vielfältigen Möglichkeiten zur Verringerung des Phänomens. Da manche Autoren wie Olweus (2012) davon ausgehen, dass Cybermobbing in den Medien zu sehr hervorgestellt wird und die eigentlichen Ursachen mit konventionellem Mobbing einhergehen, ist dieser der Ansicht, dass zur Präventi- on von Cybermobbing keine spezifische, sondern allgemeine Ansätze zur Reduzierung beitra- gen (vgl. Olweus 2012, S. 520ff.). Andere Forscher weisen auf die Besonderheiten von Cyber- mobbing hin, erkennen dies somit als ein eigenständiges Phänomen an und setzten daher auf

33 Als Digital Natives werden all diejenigen bezeichnet, die mit Neuen Medien, wie Computer, Internet und Smartphones aufgewachsen sind und diese selbstverständlich in ihren Alltag integrieren. (nach 1980 Geborenen) (vgl. Stephan 2010, S. 92)

34 Unter dem Begriff Digital Immigrants werden diejenigen Personen verstanden, die sich die Internet- Technologie erst im Erwachsenenalter angeeignet haben (vgl. Sommer et al. 2012, S. 10)

(23)

4 Maßnahmen gegen Cybermobbing | 19 speziell konzipierte Programme gegen Cybermobbing, welche Wissens-, Normen- und Medien- kompetenzvermittlung beinhalten (vgl. Pfetsch et al. 2014a, S. 277f.; Aksi 2014, S. 77).

Es gibt verschiedene Maßnahmen gegen Cybermobbing. Um einer Intervention, dem aktiven Eingreifen in den Prozess von Cybermobbing, vorzubeugen, gibt es Möglichkeiten der Präven- tion, die durch Aufklärung und Sensibilisierung des Themas, einem akuten Fall von Cybermob- bing „zuvorkommen“ (Bibliographisches Institut GmbH) soll. Beide Maßnahmen zielen ganz unterschiedlich auf die Reduktion von Cybermobbing. Ort solcher Maßnahmen ist häufig die Schule, denn diesem Ort kommt eine besondere Bedeutung in der Sozialisation von Jugendli- chen zu (vgl. Aksi 2014, S. 86). Auch unter Organisationsaspekten bietet die Schule einen an- gemessenen Rahmen für Intervention und Prävention, denn Schüler sind dort gut zu erreichen.

Der Einsatz und die Behandlung von Cybermobbing in der Schule verdeutlicht Schülern zusätz- lich, welche Relevanz diesem Thema zu kommt (vgl. Jannan 2010, S. 81f.).

Zumal Studien zufolge Täter häufig aus dem sozialen Umfeld Schule stammen und Klassenka- meraden zu Opfern werden (vgl. Schneider et al. 2013, S. 97f.). Als Fortführung von konventio- nellem Mobbing sollte Cybermobbing in dem Kontext geklärt werden in dem er entsteht.

Folgende Abschnitte sollen die Diskussion der Handlungsmöglichkeiten zur Reduzierung von Cybermobbing darstellen. Dazu werden verschiedene Ansätze der Intervention („Farsta“ und

„No Blame Approach“) als auch der Prävention („Medienhelden“ und „Surf-Fair“) dargestellt.

4.1 Intervention

Intervention, vom lateinischen „intervenire“, bedeutet, dass in einen akuten Prozess von Cy- bermobbing eingegriffen wird. Unter Berücksichtigung von verschiedenen Tätertypen, Kon- fliktsituationen und Spielräumen in der Verwendung von Methoden, ergeben sich bei der In- tervention verschiedene Handlungsmöglichkeiten mit jeweils angepassten Herangehenswei- sen, was eine empirische Untersuchung von Interventionsmaßnahmen schwierig macht (vgl.

Pfetsch et al. 2014a, S. 287). Wichtig dabei ist, dass die folgenden Ansätze und Methoden be- sonders im Schulkontext auf traditionellen Mobbinginterventionsstrategien beruhen. Nach Aussage der Schulsozialarbeiterin einer Realschule Plus, sei es wichtig zur Intervention von Cybermobbing, den virtuellen Konflikt in die Realität zu bringen und ihn dort direkt zu bespre- chen und zu klären. Dazu gibt es verschiedene Methoden. Ein bekannter Ansatz ist die Farsta- Methode (vgl. Taglieber 2008, S. 20f.; Jannan 2010, S. 124ff.). Hierbei werden Täter nicht ge- schont, sondern mit ihrem Handeln konfrontiert und versucht sie als Kooperationspartner ge- gen Mobbing zu gewinnen (vgl. Taglieber 2008, S. 20). Der Ansatz zur Farsta-Methode wird in vier Verlaufsschritte unterteilt: 1. dem Gespräch mit dem Gemobbten, 2. der Konfrontation

(24)

4 Maßnahmen gegen Cybermobbing | 20 mit dem Mobber, 3. der Erfolgskontrolle. Sollte aufgrund der Kontrolle im 3. Schritt keine Bes- serung der Cyber-/Mobbingsituation festzustellen sein, muss darauf in einem 4. Schritt reagiert werden, indem erneut mit dem Täter gesprochen wird oder neue Strategien entwickelt wer- den müssen (vgl. Jannan 2010, S. 124ff.).

Neben diesem oder ähnlichen Lösungsansätzen des Täter-Opfer-Ausgleichs, gibt es eine zu- nehmend angewendete sanfte Interventionsstrategie, um akutem Mobbing zu begegnen: „No Blame Approach“ (vgl. Jannan 2010, S. 127ff.). Der Ansatz wurde in den 1980er Jahren in Eng- land von Barbara Maines und George Robinson entwickelt und durch Christoph Szaday seit 2002 sowohl im deutschsprachigen Raum als auch in den Niederlanden und Belgien verbreitet (vgl. Bund für Soziale Verteidigung 2008, S. 12f.; Bildungsprotal des Landes Nordrhein- Westfalen). Grundidee ist die Lösungsorientierung unter Einbindung von Täter, Opfer und Mit- läufer (vgl. Bund für Soziale Verteidigung 2008, S. 13; Beck 2012). Wie der Name bereits an- deutet, geht es bei „No Blame“ nicht um Schuldzuweisung und Analyse zu Ursachen und Sank- tionen, sondern um die gemeinsame Konfliktlösung, dem Versöhnungsverhalten und der Un- terbindung von erneutem Mobbing. Der Ansatz vertraut auf die Fähigkeit zur Übernahme von Verantwortung der Jugendlichen, die als Experten in den Lösungsprozess der problematischen Situation einbezogen werden (vgl. Blum und Beck 2008, S. 25; Bund für Soziale Verteidigung 2008, S. 13). 1500 Lehrer, Polizisten, Schulsozialarbeiter und Mitarbeiter der Kinder- und Ju- gendarbeit haben bereits an dem eintägigen Workshop zur Vermittlung des „No Blame- Ansatzes“ teilgenommen. Die Vorgehensweise dieser Methode erfolgt in drei Schritten, teil- weise in der Literatur auch in vier Schritte unterteilt35. Zunächst erfolgt ein Gespräch mit einer geschulten Person und dem Opfer, indem das Opfer über die geplante Vorgehensweise, zur Beendigung des Cyber-/Mobbings aufgeklärt wird. Im zweiten Schritt folgt ein Gespräch mit einer sogenannten Unterstützergruppe des Pädagogen, die sich aus ca. sechs bis acht Schülern zusammensetzt, darunter sind Mitläufer, Jugendliche ohne aktive Rolle im Cyber- /Mobbingprozess als auch Hauptakteure des Cyber-/Mobbings. Der Pädagoge bindet diese Experten aktiv in den Lösungsprozess ein, indem sich alle gemeinsam Strategien überlegen, wie Cyber-/Mobbing unterbunden werden kann. Im dritten Schritt wird dem Pädagogen nach einem Zeitraum von ein bis zwei Wochen in zehnminütigen Einzelgesprächen der Mitglieder der Unterstützergruppe und dem Opfer über die Entwicklung der Situation berichtet (vgl. Blum und Beck 2008, S. 26; Bund für Soziale Verteidigung 2008, S. 14f.; Jannan 2010, S. 127ff.).

35 1. Gespräch mit dem Opfer, 2. Gespräch in der kleineren Gruppe/Klasse ohne das Opfer, 3. Verant- wortung übertragen, 4. Nachbereitung (vgl. Taglieber 2008, S. 24)

(25)

4 Maßnahmen gegen Cybermobbing | 21 Denn „Einzelgespräche sprechen die SchülerInnen auf einer persönlichen Verant- wortungsebene an und stärken die Nachhaltigkeit. Ist das Mobbing beendet, ge- nügt gelegentliches Nachfragen bei den Beteiligten, um die Dauerhaftigkeit der In- tervention abzusichern.“ (Bund für Soziale Verteidigung 2008, S. 15)

„No Blame Approach“ ist einer der wenigen evaluierten Ansätze zur Mobbingintervention. Im

„Evaluationsbericht. Der „No Blame Approach" in der schulischen Praxis“ vom Bund für Soziale Verteidigung (2008), werden zwei zentrale Aspekte beleuchtet, zum einen „die Anwendbarkeit und Tauglichkeit des Ansatzes für die schulische Praxis“ und zum anderen, „die Wirksamkeit des Ansatzes und die Nachhaltigkeit“ (Bund für Soziale Verteidigung 2008, S. 69). Aus der Stu- die36 geht hervor, dass die Anwendung in verschiedenen Klassenstufen, Schulformen als auch bei verschieden Verfestigungen des Konflikts erfolgreich durchzuführen ist. In 98,2 % sind die Opfer mit der Anwendung dieser Methode einverstanden und in 87 % werden die Ideen der Expertengruppen erfolgreich umgesetzt. In 87,3 % der Fälle konnte Mobbing gestoppt werden, somit sind 93 % der Anwender des „No Blame-Ansatzes“ zufrieden. Auch wenn bei 3,2 % der Fälle Mobbing nicht nachhaltig gestoppt wurde und sich in 2,3 % lediglich das Opfer gewech- selt hat, die Mobbingsituation jedoch bestehen blieb (vgl. Bund für Soziale Verteidigung 2008, S. 69), zeigt diese Methode eine hohe Erfolgsquote zur Eindämmung weiterer Mobbingfälle.

Diese Ergebnisse befürworten, je nach Möglichkeit, den Einsatz dieser Methode.

Allgemeiner Kritikpunkt von Interventionsmaßnahmen im Zusammenhang mit Cybermobbing besteht darin, dass diese Ansätze meist auf bereits eskalierte Mobbing- und Konfliktsituatio- nen im Schulkontext basieren, die dann direkt geklärt werden können. Nach Olweus ist Cy- bermobbing lediglich eine Fortführung von konventionellen Mobbing (vgl. Olweus 2012, S.

536). Daher ist seine Argumentation zur Verwendung mobbingspezifische Interventionsme- thoden bei Cybermobbing stimmig. Problematisch wird es allerdings dann für Schulen einzu- greifen, wenn Cybermobbing nicht als eine Fortführung oder Erweiterung von konventionellem Mobbing zu verstehen ist, also traditionelles Mobbing nicht mehr in der Schule ausgeübt wird, sondern nur noch privat über neue Kommunikationstechnologien in der virtuellen Welt statt- findet.

Denn bestätigt ist, dass „der größte Teil der für die Cybermobbing-Attacken Ver- antwortlichen stammt mehrheitlich aus dem sozialen Umfeld der Schule (44 %) und weniger aus reinen Online-Netzwerken (11 %), teilweise überschneiden sich

36 Gesamtanwendungen (n=220), 192 Fälle: Mobbing gestoppt, 28 Fälle: Mobbing nicht gestoppt (vgl.

Bund für Soziale Verteidigung 2008, S. 55)

(26)

4 Maßnahmen gegen Cybermobbing | 22 die beiden sozialen Felder (45 %). Mädchen und Jungen verorten die Delinquen- ten in etwa gleichem Maße.“ (vgl. Schneider et al. 2013, S. 97f.)

Da in den meisten Schulen ein striktes Handyverbot herrscht, kann Cybermobbing faktisch nicht in der Schule stattfinden. Der Austausch über Neue Medien findet häufig erst am Nach- mittag statt, wenn die Schüler zu Hause sind und wieder freien Zugriff auf Medien haben. Also verlagert sich ein „schulischer“ Konflikt in die Freizeit der Schüler, was die Handlungsmöglich- keiten der Schulleitung erheblich begrenzt und erschwert, denn diese betrachtet ihn dadurch oftmals faktisch nicht als ein schulisches Problem. Dennoch spielt die Schule weiterhin eine zentrale Rolle, so schreibt auch Jannan 2010 „Mobbing als schulisches Phänomen muss auch in Schulen gelöst werden.“ (Jannan 2010, S. 130, Hervorhebungen im Original).

Bei Cybermobbing gilt jedoch zusätzlich zu beachten, dass der Täter nicht immer Teil des sozia- len Umfelds ist, sondern anonym auftreten kann und die unüberschaubare Zahl der Mitläufer oder Helfer in der Realität nicht erreichbar ist. Somit stellt sich eine Zusammenkunft aller Be- teiligten des Online-Konfliktes als eine neue Herausforderung dar, der sich die Intervention stellen muss (vgl. Wagner et al. 2012, S. 61). Dieser Aspekt sollte bei der Überlegung der Über- nahme von mobbingspezifischen Interventionsmethoden für Cybermobbingfälle bedacht wer- den.

4.2 Prävention

Eine weitere Option das Thema Cybermobbing zu reduzieren gelingt durch Prävention. Ziel der Präventionsarbeit ist es, noch bevor ein Fall von Cybermobbing auftritt, bereits den richtigen Umgang mit Konflikten dieses Themas zu schulen und dadurch Risikofaktoren zu minimieren.

Für den deutschsprachigen Raum ist „klicksafe.de“ eine „bekannte Sensibilisierungskampagne zur Förderung der Medienkompetenz im Umgang mit dem Internet und den Neuen Medien“

(Aksi 2014, S. 77). „klicksafe.de“ veröffentlicht 2013 bereits die fünfte Auflage von „Was tun bei Cyber-Mobbing?“ einer Informationsbroschüre für Lehrer speziell zum Thema Cybermob- bing mit Materialien für den Schulunterricht ab Klasse 7 (vgl. Rack und Fileccia 2013). Des Wei- teren existieren beispielsweise Initiativen und Programme wie, „Bündnis gegen Cybermob- bing“ (Bündnis gegen Cybermobbing e.V.), „Medienscouts.rlp“ (Medienscouts.rlp), „Mobbing- freie Schule“ (Pädagogisches Landesinstitut Rheinland-Pfalz 2011) mit einem Zusatzbaustein zum Thema Cybermobbing, „Medienhelden“ (Medienhelden) und „Surf-Fair“ (Pieschl und Porsch 2012). Letztere sind zwei präventive Programme, die spezifisch auf die Prävention von Cybermobbing ausgelegt sind und bereits empirisch untersucht und evaluiert wurden (Pfetsch et al. 2014a, S. 278). Durch den Vorteil von Präventionsangeboten des curricularen Aufbaus

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4 Maßnahmen gegen Cybermobbing | 23 wird die empirische Untersuchung einzelner Programme, deren Wirksamkeit, Ziele und Erfolge durch Evaluation vergleichend messbar.

„Surf-Fair“ wurde als Reaktion der Problemlage von Cybermobbing entwickelt und richtet sich primär an Lehrer und deren Schüler in den Klassenstufen 5 bis 7. Der modulare Aufbau lässt Spielraum für die inhaltliche Schwerpunktsetzung und Umfang (vgl. Medienkompetenz Portal NRW). In dem ein oder zwei doppelstündigen Programm wird durch ein fiktives Filmbeispiel und Übungen auf soziale Rollen, Erfahrungen der Betroffenen oder Klassennormen eingegan- gen. In der Untersuchung zu „Surf-Fair“ wurde festgestellt, dass das Ziel der Förderung von Medienkompetenz zur Reduktion von Cybermobbing erreicht werden konnte und somit nach- haltig negative Handlungen im Zusammenhang mit Cybermobbing gestoppt werden können.

Die Schüler sind zufrieden und berichten von einem subjektiven Lernerfolg. Hervorzuheben ist die erhöhte Wirksamkeit des Trainingsprogramms in der Langzeitgruppe (180 Minuten), ge- genüber der Kurzzeit- (90 Minuten) und der Kontrollgruppe (vgl. Pfetsch et al. 2014a, S. 290f.).

Kritisch zu betrachten bleibt hierbei allerdings die geringe Gesamtheit (N= 87) und die darin begründete geringe Vergleichbarkeit. Die Evaluation wurde mit drei Klassen, einer Langzeit-, einer Kurzzeit- und einer Kontrollgruppe durchgeführt.

Eine weitere Handlungsmöglichkeit stellt das Programm „Medienhelden“ dar. Es ist konzipiert für Schüler der 7. bis 10. Klasse und wird von geschulten Lehrern in den Schulalltag miteinge- bunden. Es fördert ebenfalls die Medienkompetenz zur Eindämmung von Cybermobbing. Das Programm gibt es in zweifacher Ausführung: einem Curriculum, das über 10 Wochen mit je 90 Minuten in den Unterricht integriert wird und als achtsündigen, in vier Themenblöcke unter- teilten, Projekttag. Beide Formen sind strukturell gleich aufgebaut. Ergebnisse der Evaluations- studie (vgl. Schultze-Krumbholz et al. 2014c) weisen bei einer Gesamtheit von 590 befragten Schülern auf eine hohe Akzeptanz des Programms seitens der Schüler sowie der Lehrer hin.

Durch ein Prä-Post-Design37 wurde die Wirksamkeit überprüft und festgestellt. Während Cy- bermobbing in der Kontrollgruppe zunahm, blieb es in der Projekttag-Gruppe stabil, wohinge- gen in der Langzeit-Gruppe die Häufigkeit von Cybermobbing signifikant zurückging. Somit lässt sich sagen, dass mit einer längeren Dauer der Durchführung auch die Effekte zur Reduzie- rung von Cybermobbing zunehmen (vgl. Schultze-Krumbholz et al. 2014c, S. 61; Schultze- Krumbholz et al. 2014b). Als Schwäche dieser Evaluation gelten die erhobenen Daten in Form von Selbstberichten, hier könnten Peer-Berichte bessere und zuverlässigere Ergebnisse liefern.

37 Prä: vor dem Training, Post: 6 Monate danach (vgl. Schultze-Krumbholz et al. 2014c, S. 61)

(28)

5 „Stoppt Cybermobbing!“ Ein Programm zur Prävention | 24 Allgemein zeichnet sich bei den Präventionsprogrammen „Medienhelden“ wie auch bei „Surf- Fair“ eine Empfehlung für Schulen zur längeren Variante des Programms ab. Sollten keine Mit- tel zur intensiven Umsetzung zur Verfügung stehen, sollte zumindest an dem ressourcenscho- nenden Kurzprogramm teilgenommen werden.

Kritikpunkt der bereits bestehenden Programme (z.B. Medienhelden und „Was tun bei Cyber- mobbing“ von klicksafe.de) ist, dass diese zu spät ansetzten. Der Peak von Cybermobbing ist bereits in der 7. und 8. Klasse, also im Alter von 12 und 15 Jahren erreicht (vgl. Tokunaga 2010, S. 280; Schneider et al. 2013, S. 94). Es müsste daher eine neue Zielgruppe fokussiert werden und Konzepte für jüngere Klassengenerationen ausgearbeitet werden. Denn Schüler sollten bevor sie mit Cybermobbing in Kontakt kommen ein Präventionskurs absolvieren, sodass sie wichtige Kompetenzen entwickeln können und über Cybermobbing informiert sind. Daher wird im Folgenden ein Projekt vorgestellt, welches diese Aspekte berücksichtigt und eine jüngere Zielgruppe zur speziellen thematischen Behandlung von Cybermobbing vorsieht.

5 „Stoppt Cybermobbing!“ Ein Programm zur Prävention

Bisher beschäftigt sich die Arbeit allgemein mit dem Phänomen Cybermobbing in der Schule unter Heranwachsenden im Alter von 12 bis 18 Jahren und zeigt auf, wie Cyberbullying bereits positiv entgegengewirkt wird. Aufgrund der verschiedenen bereits angedeuteten Kritikpunkte bestehender Angebote wird nun ein Präventionsprogramm vorgestellt, welches sich zwar an vorhandenen Programme anlehnt, diese teilweise jedoch weiterentwickelt in drei Klassen der Sekundarstufe 1 praktisch umgesetzt und getestet wurde. „Stoppt Cybermobbing!“ lautet der Name sowie die Kernaussage des Präventionsprogramms gegen Cybermobbing an Schulen. Es ist es auf die Reduzierung von Cyberbullying ausgerichtet und fokussiert die Vermittlung von Wissen und die Stärkung sozialer, kommunikativer und medialer Kompetenzen.

5.1 Exkurs: Medienkompetenz

Um ein besseres Verständnis zu erlangen, wieso Medienkompetenz für die Präventionsarbeit zum Thema Cybermobbing relevant ist, soll diese kurz thematisiert werden. Medienkompetenz soll Nutzer dazu befähigen, an neuen Möglichkeiten der Informationsverarbeitung souverän teilhaben zu können. Zur Teilhabe benötigen diese nicht nur die technisch notwendigen Gerä- te, sondern auch die Fähigkeit sich innerhalb Neuer Medien zurechtzufinden. Wie bereits er- wähnt, meint Medienkompetenz nicht alleinig die Fähigkeit Geräte zu bedienen. Vielmehr umfasst der Begriff der Medienkompetenz nach Baacke die vier Dimensionen: 1. Medienkritik, 2. Medienkunde, 3. Mediennutzung und 4. Mediengestaltung (vgl. Baacke 1997, S. 98ff.,

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5 „Stoppt Cybermobbing!“ Ein Programm zur Prävention | 25 1999a, 1999b, S. 19f.). In Bezug auf das vorzustellende Präventionsprogramm sind vor allem die ersten beiden Dimensionen zur Vermittlung von Informationen zu Cybermobbing zentral.

Denn „Medienkritik und Medienkunde umfaßt [sic!] die Dimension der Vermittlung“ (Baacke 1997, S. 99) und ist daher zentral für die Konzeption der Module.

Medienkritik als erste Dimension zielt darauf vorhandenes Wissen und Erfahrungen immer wieder in dreifacher Weise reflektierend einzuholen. Zunächst sollten problematische gesell- schaftliche Prozesse, wie beispielsweise Cybermobbing, angemessen erfasst werden können, um dieses Wissen im nächsten Schritt reflexiv auf sich selbst und auf das persönliche Handeln beziehen und anwenden zu können. Zur Medienkritik gehört auch die ethische Dimension, die analytisches Denken und reflexive Rückbezüge als sozialverantwortet abstimmt und definiert.

Als zweite Dimension definiert Baacke die Medienkunde, die „informative“ Wissensbestände und „instrumentell-qualifikatorische“ Fähigkeiten umfasst (Baacke 1997, S. 99). Während „in- formative“ Wissensbestände auf Funktionen und Arbeitsweisen von Mediensystemen grün- den, ist bei der „instrumentell-qualifikatorischen“ Medienkunde die Bedienung von Program- men oder informationstechnischen Geräten gemeint. Es lässt sich beobachten, dass Digital Natives ihre Smartphones routiniert intuitiv nutzen und bedienen können, jedoch vielfach kein Verständnis dafür haben, wo und wie ihre persönlichen Daten gespeichert werden und wer darauf Zugriff. Dieses Beispiel verdeutlicht, dass Medienkompetenz nicht alle Dimension gleichzeitig umfassen muss. Es zeigt sich, dass trotzt der permanenten Präsenz der Neuen Me- dien nicht zwangsläufig auf einen richtigen Umgang der Jugendlichen mit den Neuen Medien geschlossen werden kann. Somit wird Medienkompetenzvermittlung im Schulkontext immer wichtiger. Schüler die bereits Themen wie Internet, Handy, Online-Communities oder Daten- schutz im Unterricht durchgenommen haben, geben an, die Inhalte besser zu verstehen. Gera- de junge Nutzer benötigen Unterstützung, um diese Themen besser zu verstehen. Die Not- wendigkeit für Medienkompetenzvermittlung in der Schule verdeutlicht die JIM Studie 2012 (siehe Abbildung. 6). Schüler können nach einem Präventionsprogramm, das speziell auf Medi- enkompetenzvermittlung im Zusammenhang mit Cybermobbing abzielt, dieses Phänomen besser verstehen und leichter mit ihren eigenen Nutzungserfahrungen verknüpfen und reflek- tieren. Dies bestätigen auch die Befragten der GEW-Studie 2008. Es wurden in mehreren Kommentaren darauf hingewiesen, dass Medienpädagogik durch eine gezielte Aufklärung, Schüler zu einer deutlichen Verringerung der Cybermobbing-Vorfälle und zu einem rücksichts- vollerem Umgang untereinander geführt haben. (Demmer und Kienel-Hemicker 2008, S. 11)

Abbildung

Abbildung 1: Kenntnis um Opfer von Cybermobbing im Bekanntenkreis 5
Abbildung 2: Mobile Internetnutzung über das eigene Smartphone 14
Abbildung 5: Wie Cybermobbing Jugendliche belastet 28
Tabelle 1: Thematischer Einstieg (Modul 1)
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