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Die gegenseitigen Bezielmngen cler Verbalformen im
Grnndstamm des semitischen Verbs.
Von A. Ungnad.
In meinem Aufsatz ,Über Analogiebildungen im hebräischen
Verbum"*) versuchte ich die Ansicbt zu begründen, daß Perfekt-
und Imperativstamm die Grundformen des Verbs sind , von denen
alle anderen Formen abgeleitet werden müssen, der Wechsel in der
Vokalisation beider Formen demnach etwas durchaus Notwendiges
sei. Es ergaben sich dabei eine Reihe von Entsprechungen, die
rein äußerlicher Natur zu sein scbienen und deren Erklärung mir
damals entgangen ist, nämlich die Bildung der Jussive taktul, tiktal
und tuktal. Daß eine Grundform tuktal für intransitive Verba
existiert bat, habe icb an den Pormen Jükal und jükad nach¬
gewiesen-). Die Beziehungen, die zwischen den Vokalen der Jussive
taktul, tiktal, tuktal und den dazu gehörigen Perfekten katal,
katil, katul bestehen, erscheinen jedoch so schematisch, daß sie
die ganze Hypothese als ad hoc gemacht verdächtigen könnten.
Daß diese Entsprechungen jedoch ihre natürliche Erklärung haben,
mögen die folgenden Bemerkungen zeigen.
Daß der Vokalwechsel zwischen Perfekt und Imperativ etwas
durchaus Verständliches ist, wird jedem einleuchten s) ; es entsprechen
dem transitiven Perfekt katal die transitiven Imperative kutul
und kitil. Die intransitiven Formen des Perfekts waren katil und
Icatul. Daß diesen ein gemeinsamer Imperativ katal entspräche,
glaubte ich mit anderen annehmen zu dürfen*). Daß diese Annahme
aber vielerlei gegen sich hat, ergibt sich aus folgendem.
1. Die unregelmäßige Verkürzung des Imperativs katal zu
kvtal im Hebräischen entbebrt einer plausiblen Begründung. Nur
durcb Tonverhältnisse oder dnrch die Analogie der Imperative kutöl
oder endlich durch den Einfluß der Imperfekte jene Form zu er¬
klären, ist nicht ganz unbedenklich.
1) BA. V S. 251.
2) ib. S. 243.
3) Für Literaturnachweise u. s. w. vgl. BA. V.
4) BA. V S. 249.
Ungnad, Die gegenseitigen Beziehungen der Verbalformen etc. 767
2. Wenn wir eine Grundfomi katal ansetzen, so entsteht hier
eine Übereinstimmung mit dem Perfektstamm des transitiven Verbs,
die der ganzen Natur der Verbalbildung widerspräche.
Demnach wird man als Grundformen des hebräischen Imperativs,
wie des gemeinsemitischen überhaupt, die Formen kital und kutal
annehmen müssen , welche die-daraus entwickelte hebräische Form
k^tal ohne Weiteres erklären. So erklärt sich auch die arabische
intransitive Form iktal (aus kital) gegenüber den transitiven uktul
(aus kutul) und iktil (aus kitil), desgleichen das äthiopische intran¬
sitive kß^tal (aus kutal resp. kital). Auch im Assyriscben wird man
linuid so zu erklären haben. Hier liegen die Verhältnissen aller¬
dings recht schwierig. Im allgemeinen bilden ja hier die a-Praeterita
den Imperativ wie sahat. Daß sich in limad die Form erhalten
hat, geht aus der Vorliebe des Z-Lautes für den e-Vokal hervor.
So wird ja unbetontes la öfter zu Ii: libittu aus *labintu, limdttu^) aus "lamuntu. In limad erhielt sich betontes i unter dem Einfluß
des l, während es in sabat dem folgenden a assimiliert wurde.
Nun erklärt sich auch der Vokalwechsel im Jussiv, der die
zunächst vom Imperativ abgeleitete Form ist. Die Grundform der
Präfixe wird die mit a-Laut sein, wemgstens in Formen wie ta-
k(u)tul, wo die Beziehung zwischen ta- und an-ta noch klar vorliegt.
In den Jussiven, die von den Imperativen *kital und *kutal
gebildet wurden, trat nun eine Assimilation des a an den nächsten
Vokal ein ; man bildete also ti-k{i)tal und tu-k(u)tal für *ta-k{i)tal
und *ta-k{u)tal. Nur so erklärt sich das Nebeneinander der Jussive
und weiterhin Imperfekte ^) mit a, i und m- Vokal in der ersten
Silbe völlig ungezwungen. Daß in den Jussiven ta-k{u)tul und
ta-k(i)til jene Assimilation nicbt eintrat, dürfte hauptsächlich daran
gelegen haben, daß es der Sprache widerstrebte, dreimal denselben
Vokal aufeinander folgen zu lassen.
Identisch mit dem Imperativ ist im Hebräischen, wie in vielen
andern Sprachen, der gewöhnliche Infinitiv, der sich als Nomen nur
dadurch von ihm unterschied, daß er flektiert wurde.^) Daß der
inf. constr. im Hebräischen bei Verben rait a-Imperfekten wie Jisan
fast stets auf ö (j'^Sön) gebildet wurde, erklärt sich daraus, daß
man den inf. constr. als stat. constr. zum inf. absol. auffaßte, der
im Hebräischen regelrecht zu kätol (aus katdlu) geworden war.
Diese falsche Beziehung beider Formen geschah jedoch erst, als
die Form kutul zu kl^töl entwickelt und beide o-Laute in der
Aussprache identisch geworden waren. Auch die häufigen Plene-
1) Danach später auch limnu.
2) Über die Kntstehung des Imperfelcts aus dem Perfekt einerseits und
dem Jussiv andrerseits vgl. meine Bemerkungen in BA, V S. 251 nnd ZA.
XVII S. 370 f.
3) Daher im Hiphil: Impv. haktel aus haktil (und dieses ans haktil) gegenüber dem Infinitiv hakttl aus haktil{u).
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768 Ungnad, Die gegenseitigen Beziehungen der Verbalformen etc.
Schreibungen des inf. constr. deuten auf dasselbe hin: man bildete
nach der Analogie von kätol zu kf/töl, das man als fo'föZ auffaßte,
auch zu jäson die Form jy§6n.
Die Beziehungen der einzelnen Formen im Qal dürften demnach
folgende gewesen sein:
Perf. Impv. Inf. Juss. Impf.
1. trans. katal, kutul, kuMl(u), ja-k(u)tul, Jaktul{a),
2. , katal, kitil, kitil{u), ja-k{i)til, jaktil{a),
3. intrans. katil, kital, kital(u), ji-k{i)tal, jiktal(a),
4. , katul, kutal, kutal{u), ju-k(u)tal, juktal{a).
S i
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Das AirWb. im Lichte von ZDMG. 59. 686 flf.
Von Chr. Bartholomae.
Was ich auf Gmnd weitrer Forschung oder neuen Materials
an meinem AirWb. zu bessern oder ihm zuzufügen habe, das be¬
absichtige ich , von Zeit zu Zeit zu veröffentlichen , um so den
Benutzer meines Buchs auf dem Lanfenden zu erhalten. Dabei
gedenke ich auch auf die Einwendungen nnd Belebrungen einzu¬
gehen , die ich von den Rezensenten des Buchs und andem , die
sich gelegentlich darüber äußern, erfahren habe und erfahren werde.
Aber gegenüber der Besprechung des AirWb.s, die Scheftelowitz
an der oben angeführten Stelle hat abdrucken lassen*), glaube ich
eine Ausnahme machen und sofort erwidern zu müssen, schon zur
Aufklärung derer, die, der Iranistik fern stehend, doch mein Buch
benutzen wollen oder müssen.
Das Bild, das Sch. von der Einrichtung des AirWb.s ent¬
wirft, ist stark verzeichnet. S. 687 heißt es*): ,Die zum Teil alten,
sicherlich aus altiranischer Zeit stammenden Varianten , die das
Awesta aufweist, sind in dieses Wörterbuch gar nicht aufgenommen".
Soweit das richtig ist, hat es seinen guten Gmnd. Gewiß sind die
Stellen häufig, wo die Handschriften zwei verschiedene Wortformen
geben, die beide an sich gleich möglich sind, z. B. die mediale
neben der aktiven Form eines Präsens: vazaite — vazaiti Yt.S. 33,
die da- neben der t - Form des Ablativs : yenhäda — yei^hät
Y. 57. 34 u. a. m. Aber die gleichmöglicben Wortformen sind meines
Ermessens an keiner Stelle gleichberechtigt. Berechtigt ist an jeder
einzelnen Stelle nur die 6ine Form, die die Diaskeuasten setzten,
als sie in der Sasanidenzeit »aus vorhandenen Resten und Bruch¬
stücken einen neuen Kanon zusammenstellten" (Geldner, GIrPh.
1) Sie ist mir nnterm 5. XI. 05 zugegangen.
2) leb bemerke hier, dafi ich aUe Anführungen genan so gebe, wie sie a. O. gedrnckt sind, also mit allen Fehlem.