Etablierung neuer Methoden zur in vitro Kultivierung der Baumart
Fraxinus excelsior L. und Entwicklung von Verfahren zur
Kryokonservierung von in vitro Sprossspitzen
Inaugural-Dissertation
zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der
Naturwissenschaften (Dr. rer. nat.) am Institut für Biologie
der Universität Kassel
vorgelegt von
Katja Schönweiß
aus Kassel
Als Dissertation dem Fachbereich eingereicht am: 02.12.2005
1. Referent: Prof. Dr. R. Grotha
Teile dieser Arbeit wurden vorab in folgenden Zeitschriften oder Kongressbänden veröffentlicht:
REED B. M., KOVALCHUK I., KUSHNARENKO S., MEIER-DINKEL A., SCHOENWEISS K.,
PLUTA S., STRACZYNSKA K. (2004). Evaluation of critical points in technology transfer
of cryopreservation protocols to international plant conservation laboratories, Cryoletters 25: 341-352.
SCHÖNWEIß K. (2004). In vitro culture and cryopreservation of selected genotypes of Common Ash (Fraxinus excelsior). In: Bayrisches Landesamt für forstliche Saat- und Pflanzenzucht (Ed). Ergebnisse forstgenetischer Feldversuche und Laborstudien und ihre Umsetzung in die Praxis. Tagungsbericht zur 11. Arbeitstagung vom 20.-22. September 2004, Teisendorf, 266-274.
SCHOENWEISS K., MEIER-DINKEL A., GROTHAR. (2005). Comparison of cryopreservation techniques for long-term storage of ash (Fraxinus excelsior L.). CryoLetters 26 (3): 201-212.
SCHOENWEISS K., MEIER-DINKEL A. (2005). In vitro propagation of selected mature trees and juvenile embryo-derived cultures of Common Ash (Fraxinus excelsior L.). Journal of Ornamental Plant Propagation 5 (3): 137-145.
1
Einleitung ...1
2
Zielsetzung und theoretische Grundlagen...3
2.1 Politische Grundsatzentscheidungen der deutschen Forstpolitik ...3
2.2 Ziele und Aufgaben der Forstpflanzenzüchtung ...3
2.2.1 Vorteile der Gewebekultur für die Forstwirtschaft ...4
2.2.2 Langzeitlagerung von in Prüfung befindlichem Material ...5
2.3 Die Gemeine Esche (Fraxinus excelsior L.) ...5
2.3.1 Morphologie ...5
2.3.2 Vorkommen und Bedeutung der Gemeinen Esche in Deutschland und Europa ...7
2.3.3 Konservierungsmaßnahmen und Versorgung mit Pflanzgut in Deutschland...9
2.4 Das europäische Eschenprojekt RAP...10
2.5 Gewebekultur ...11
2.5.1 In vitro Kultur von Gehölzen ...11
2.5.2 Vermehrungsverfahren der Achselsprossmethode...12
2.5.2.1 Etablierungsphase in vitro...12
2.5.2.2 Vermehrungsphase in vitro ...13
2.5.2.3 Bewurzelungsphase in vitro...13
2.5.2.4 Überführung in unsterile Bedingungen und Anpassung an Freilandbedingungen ...13
2.5.3 Nährmedien ...14
2.5.4 Phytohormone ...15
2.5.4.1 Cytokinine ...16
2.5.4.2 Auxine...17
2.5.4.3 Einsatz von Cytokininen und Auxinen in der in vitro Kultur...18
2.5.4.4 Thidiazuron (TDZ)...19
2.5.5 In vitro Vermehrung von Fraxinus excelsior L...19
2.5.6 Strategie zur Entwicklung eines in vitro Protokolls für Fraxinus excelsior L. 20 2.6 Kryokonservierung...21
2.6.1 Theoretische Grundlagen der Kryokonservierung ...21
2.6.1.1 Gefrierprozesse in pflanzlichen Systemen...22
2.6.2 Kryokonservierungsverfahren...23
2.6.2.1 Kryoprotektantien...23
2.6.2.2 Grundlagen der Vitrifikationsmethode...24
2.6.2.3 Alginat- / Dehydrationsmethode ...25
2.6.2.4 Vitrifikation mit PVS2 ...25
2.6.2.5 Regeneration kryokonservierter Sprosse...26
2.6.3 Kryokonservierung von Fraxinus excelsior L. ...26
2.7 Besonderheiten und Zielsetzung der vorliegenden Arbeit ...27
3.2.3.1 Saatgut ...30
3.2.3.2 Ausgewählte Plusbäume aus dem 1985 angelegten Eschenherkunftsversuch...30
3.2.4 Etablierung und Vermehrung von juvenilen Sprosskulturen aus zygotischen Embryonen...32
3.2.4.1 Medium ...32
3.2.4.2 Oberflächensterilisation des Saatgutes, Präparation und Vermehrung ...32
3.2.5 Etablierung adulter Kulturen mit Explantaten geworben von den Mutterbäumen...33
3.2.5.1 Oberflächensterilisation, Präparation und Etablierung frischer Triebe von Mutterbäumen...33
3.2.5.2 Oberflächensterilisation, Präparation und Etablierung ruhender Knospen von Mutterbäumen...35
3.2.5.2.1 Einfluss des Werbungsdatums auf die Regeneration von Winterknospen ...36
3.2.6 Etablierung adulter Kulturen aus Explantaten von Pfropflingen der Mutterbäume...37
3.2.6.1 Einfluss des Sterilisationsmittels auf Kontaminationen der Explantate...39
3.2.6.2 Einfluss von Umweltfaktoren auf Kontaminationen der Explantate ...39
3.2.6.3 Einfluss der Jahreszeit auf Kontaminationen der Explantate...40
3.2.6.4 Optimierung der Etablierungsrate durch Zusatz von TDZ ...40
3.2.7 Optimierung der Vermehrungsrate von etablierten juvenilen und adulten in vitro Kulturen...40
3.2.7.1 Wahl des optimalen Basismediums ...40
3.2.7.2 Einfluss des verwendeten Cytokinins und des Cytokinin / Auxin-Verhältnisses auf die Vermehrungsrate...41
3.2.7.3 Einfluss des Kulturgefäßes auf die Vermehrungsrate...41
3.2.7.4 Einfluss von TDZ auf die Vermehrungsrate ...42
3.2.7.5 Einfluss von Agar und TDZ auf die Vermehrungsrate ...42
3.2.7.6 Vergleich der Vermehrungsraten des Standardmediums in Weckgläsern mit einem abgewandelten Medium in Honiggläsern ...42
3.2.8 Bewurzelung juveniler und adulter etablierter Kulturen ...43
3.2.8.1 Einfluss von Dunkelheit und IBA-Konzentrationen auf die Bewurzelung...44
3.2.8.2 Einfluss von IBA und BAP auf die Bewurzelung ...45
3.2.8.3 Einfluss einer zusätzlichen Kultivierung auf Kohlemedium auf die Bewurzelung ...45
3.2.8.4 Einfluss verschiedener Auxine und deren Applikationsform auf die Bewurzelung ...45
3.2.9 Optimiertes in vitro Protokoll zur Etablierung adulter Kulturen von Fraxinus excelsior L...45
3.3 Methoden zur Kryokonservierung von Fraxinus excelsior...47
3.3.1 Herstellung von sterilen Lösungen und Medien...47
3.3.2 Pflanzenmaterial und Kulturbedingungen ...47
3.3.2.1 Abhärtungsbedingungen...47
3.3.3 Sprosspräparation ...47
3.3.4 Alginat- / Dehydrationsmethode ...48
3.3.4.1 Bestimmung des Wassergehaltes der Kugeln ...49
3.3.4.2 Bestimmung der Regeneration nach den einzelnen Behandlungsschritten .50 3.3.5 Vitrifikationsmethode mit PVS2...50
3.3.5.1 Erwärmung und Regeneration der Proben ...50
3.3.5.2 Einfluss zweier Vorbehandlungslösungen (BSA und Glycerol) auf die Regeneration juveniler Kulturen nach Kryokonservierung...51
Kryokonservierung von juvenilen Kulturen...51
3.3.5.5 Langzeitlagerung in flüssigem Stickstoff von fünf juvenilen Kulturen ...52
3.3.5.6 Vergleich der Regenerationsfähigkeit von juvenilen und adulten Kulturen nach dem für juvenile Kulturen optimierten Kryokonservierungsprotokoll ....52
3.3.5.7 Optimierung der Kulturperiode, der Vorkultur und der PVS2-Inkubation für die Kryokonservierung von adulten Kulturen ...52
3.3.5.8 Langzeitlagerung von neun adulten Kulturen in flüssigem Stickstoff...53
3.3.5.9 Optimiertes Kryokonservierungsprotokoll für juvenile und adulte in vitro Kulturen von Fraxinus excelsior...53
3.4 Beschreibung des Versuchsdesigns und statistische Auswertung...54
4
Ergebnisse ...56
4.1 In vitro Vermehrung von Fraxinus excelsior...56
4.1.1 Etablierung und Vermehrung von juvenilen Sprosskulturen aus zygotischen Embryonen...56
4.1.2 Etablierung adulter Kulturen mit Explantaten, geworben von den Mutterbäumen...56
4.1.2.1 Oberflächensterilisation, Präparation und Etablierung frischer Triebe von Mutterbäumen...56
4.1.2.2 Oberflächensterilisation, Präparation und Etablierung ruhender Knospen von Mutterbäumen...58
4.1.2.2.1 Einfluss des Werbungsdatums auf die Regeneration von Winterknospen ...59
4.1.3 Etablierung adulter Kulturen aus Explantaten von Pfropflingen der Mutterbäume...61
4.1.3.1 Einfluss des Sterilisationsmittels auf Kontaminationen der Explantate...61
4.1.3.2 Einfluss der Umweltfaktoren auf Kontaminationen der Explantate ...62
4.1.3.3 Einfluss der Jahreszeit auf Kontaminationen der Explantate...62
4.1.3.4 Optimierung der Etablierungsrate durch Zusatz von TDZ ...63
4.1.4 Optimierung der Vermehrungsrate von etablierten juvenilen und adulten in vitro Kulturen...64
4.1.4.1 Wahl des optimalen Basismediums ...64
4.1.4.2 Einfluss des verwendeten Cytokinins und des Cytokinin / Auxin-Verhältnisses auf die Vermehrungsrate...65
4.1.4.3 Einfluss des Kulturgefäßes auf die Vermehrungsrate...65
4.1.4.4 Einfluss von TDZ auf die Vermehrungsrate ...66
4.1.4.5 Einfluss von Agar und TDZ auf die Vermehrungsrate ...68
4.1.4.6 Vergleich der Vermehrungsraten des Standardmediums in Weckgläsern mit einem abgewandelten Medium in Honiggläsern ...68
4.1.5 Bewurzelung juveniler und adulter etablierter Kulturen ...69
4.1.5.1 Einfluss von Dunkelheit und IBA-Konzentration auf die Bewurzelung...70
4.1.5.2 Einfluss von IBA und BAP auf die Bewurzelung ...71
4.1.5.3 Einfluss einer zusätzlichen Kultivierung auf Kohlemedium auf die Bewurzelung ...72
4.1.5.4 Einfluss verschiedener Auxine und Applikationsformen auf die Bewurzelung ...73
4.1.6 Ergebnisse der Etablierungs- und Bewurzelungsversuche über die gesamte Projektlaufzeit...75
Regeneration juveniler Kulturen nach Kryokonservierung...80
4.2.3.2 Optimierung der Kulturperiode für die Kryokonservierung von juvenilen Kulturen ...81
4.2.3.3 Optimierung des Abhärtungszeitraumes und des Vorkulturmediums für die Kryokonservierung von juvenilen Kulturen...81
4.2.3.4 Langzeitlagerung in flüssigem Stickstoff von fünf juvenilen Kulturen ...83
4.2.3.5 Vergleich der Regenerationsfähigkeit von juvenilen und adulten Kulturen nach dem für juvenile Kulturen optimierten Kryokonservierungsprotokoll ....83
4.2.3.6 Optimierung der Kulturperiode, der Vorkultur und der PVS2-Inkubation für die Kryokonservierung von adulten Kulturen ...84
4.2.3.7 Langzeitlagerung von neun adulten Kulturen in flüssigem Stickstoff...85
5
Diskussion ...88
5.1 In vitro Vermehrung...91
5.1.1 Kontaminationen...91
5.1.2 Explantatquelle ...92
5.1.3 Optimierung der Etablierungserfolge und der Vermehrungsrate ...93
5.1.4 Optimierung der Bewurzelung ...96
5.2 Kryokonservierung...99
5.2.1 Alginat- / Dehydrationsmethode ...100
5.2.2 Vitrifikationsmethode mit PVS2...101
5.3 Fazit der vierjährigen Forschungsarbeit ...103
5.4 Ausblick und Zukunft der in vitro Kultur und Kryokonservierung von Gehölzen...103
6
Zusammenfassung...106
6.1 In vitro Kultur von Fraxinus excelsior ...106
6.2 Kryokonservierung...106
7
Literatur und Quellenangaben ...107
7.1 Literatur ...107
7.2 Persönliche Mitteilungen ...115
7.3 Berichte ...115
7.4 Zitierte Projektpartner des RAP-Projektes ...116
AAO Ascorbinsäureoxidase
ABA Abscissic acid (Abscisinsäure)
Abb. Abbildung
BAP 6-Benzylaminopurin
BSA Bovine Serum Albumin
°C Grad Celsius
d day (Tag)
DMSO Dimethylsulfoxid
g Gramm
h hour (Stunde)
IAA Indoleacetic acid (Indol-3-Essigsäure) IBA Indole-3-butyric acid (Indole-3-Buttersäure) l Liter m Meter M molare Masse mM Millimolar mg Milligramm min Minute ml Milliliter µl Mikroliter µmol Mikromol mm Millimeter
n Anzahl der Messwerte
Kap. Kapitel
NFV-C Niedersächsische Forstliche Versuchsanstalt Abteilung C MS Murashige & Skoog
PVS2 Vitrification Solution Number 2 rpm rotations per minute
RAP Realising Ash´s Potential s Sekunde
SEM Standardfehler des Mittelwertes (standard error of the mean)
1 Einleitung
Die vorliegende Arbeit wurde im Rahmen des europäischen Eschenprojektes mit dem Akronym RAP (Realising Ash´s Potential) innerhalb des fünften europäischen Rahmenprogramms mit Vertragsnummer QLK5-2001-00631 durchgeführt. Ziele dieser Arbeit waren die Entwicklung eines kommerziell anwendbaren in vitro Vermehrungs-protokolls für die Gemeine Esche und die erstmalige Entwicklung einer Methode zur Langzeitlagerung des pflanzlichen Materials über Kryokonservierungsverfahren.
Alle in dieser Arbeit beschriebenen Versuche wurden an der Niedersächsischen Versuchsanstalt Abteilung Waldgenressourcen (NFV-C) durchgeführt. Die wissenschaftliche Entwicklung und Betreuung wurde begleitend zu den praktischen Arbeiten zum einen durch das wissenschaftliche Fachwissen von Dr. Meier-Dinkel im Bereich der Gewebekultur und zum anderen durch Professor Dr. Grotha des Fachgebietes Pflanzenphysiologie am Institut für Biologie der Universität Kassel gewährleistet. Ein internationaler wissenschaftlicher Austausch im Rahmen der Kryokonservierung erfolgte durch einen Forschungsaufenthalt an der Universität Abertay, Dundee, Schottland in der Arbeitsgruppe von Dr. Erica Benson und durch enge Zusammenarbeit mit Barbara Reed vom National Clonal Germplasm Repository, Corvallis, USA.
Die vorliegende Arbeit gliedert sich in sieben Kapitel. In dem einführenden allgemeinen Teil des zweiten Kapitels werden vor allem die grundlegenden politischen Rahmenrichtlinien der Forstwirtschaft dargelegt. Diese sind für das Verständnis des Nutzens, der Rolle und der Richtung in die sich die Forstpflanzenzüchtung bewegt bedeutend. Nur durch eine Forstpflanzenzüchtung, die Erhaltung, Verbesserung und Nutzung des genetischen Potentials vereint, ist eine ökologische und wirtschaftliche Sicherung unserer Wälder gewährleistet. In diesem Teil werden neben der Morphologie und Verbreitung die Bedeutung der Gemeinen Esche in Deutschland herausgestellt und das Interesse und der Forschungsbedarf, der sich in dem europäischen Eschenprojekt widerspiegelt, dargestellt. Weiterhin werden in Kapitel 2 das Verfahren der in vitro Vermehrung erläutert und die bis heute in der Literatur beschriebenen Forschungsergebnisse über die Gattung Fraxinus diskutiert sowie die Besonderheit der
physikalischen Grundzüge der Kryokonservierung dargelegt und die bekanntesten Kryokonservierungsverfahren erörtert.
Kapitel 3 und 4 beschäftigen sich mit den in der 4-jährigen Forschungszeit
durchgeführten Versuchsreihen. In Kapitel 3 werden die Materialien und Methoden beschrieben, die bei den durchgeführten Versuchen erprobt und verwendet wurden. Kapitel 4 stellt anschließend die Ergebnisse dar. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse werden in Kapitel 5 herausgestellt, mit der Literatur verglichen und diskutiert. Kapitel 6 enthält eine Zusammenfassung der Forschungsergebnisse. Verwendete Literatur und Expertengespräche sind in Kapitel 7 aufgeführt.
Die erzielten Forschungsergebnisse wurden in Teilen bereits präsentiert bzw. veröffentlicht. Zu nennen sind hier der Tagungsband zur internationalen Tagung des
Forums Genetik-Wald-Forstwirtschaft in Teisendorf (SCHÖNWEIß 2004), die
Darstellung der Ergebnisse zur Kryokonservierung von in vitro Kulturen der Gemeinen
Esche in der internationalen Zeitschrift „CryoLetters“ (SCHOENWEISS et al. 2005) und
die Ergebnisse zur in vitro Etablierung in der internationalen Fachzeitschrift
„Propagation of Ornamental Plants“ (SCHOENWEISS und MEIER-DINKEL 2005). Unter
der Leitung von Babara Reed wurden ebenfalls die Ergebnisse eines internationalen Projektes zur Problematik und Effektivität des Methodentransfers im Bereich der Kryokonservierung veröffentlicht (Reed et al. 2004).
2 Zielsetzung und theoretische Grundlagen
2.1 Politische Grundsatzentscheidungen der deutschen
Forstpolitik
Ausgehend von den gewonnenen Erfahrungen und maßgeblich beeinflusst von internationalen Resolutionen wie dem internationalen Übereinkommen über die biologische Vielfalt von Rio de Janeiro 1992 und der Ministerkonferenzen zum Schutz der Wälder in Europa von Straßburg 1990, Helsinki 1993 und Lissabon 1998 wurde im Jahr 2000 eine Neufassung des 1987 veröffentlichten Konzepts zur Erhaltung forstlicher
Genressourcen verabschiedet (PAUL et al. 2000). Das Ziel dieses Konzeptes ist es, durch
eine bewusste und nachhaltige Forstwirtschaft die Vielfalt der Arten und die Vielfalt innerhalb von Baum- und Straucharten zu erhalten, forstliche Genressourcen nachhaltig zu nutzen und lebensfähige Populationen gefährdeter Arten wieder herzustellen. Nur so kann ein Fortbestand leistungsfähiger und gesunder Wälder für die Zukunft gesichert werden.
2.2 Ziele und Aufgaben der Forstpflanzenzüchtung
Der Wald ist mit einem Flächenanteil von 30 % der bedeutendste großflächige naturnahe Lebensraum in Deutschland. Die Forstwirtschaft in Deutschland geht von dem Leitbild der multifunktionalen Bewirtschaftung aus, welche die nachhaltige Bereitstellung der Nutz-, Schutz- und Erholungsfunktionen des Waldes in sich vereint. Aus heutiger Sicht ist die Förderung von Mischwaldbeständen mit einem hohen Anteil an Laubbäumen vorrangiges Ziel. Hierbei kommt der Verwendung von leistungsfähigem Vermehrungsgut durch standortangepasste Herkünfte eine große Rolle zu. Immer wieder entstehen hohe wirtschaftliche Schäden durch biotische und abiotische Kalamitäten, die darin begründet sind, dass bei der Aufforstung ungeeignete Herkünfte angepflanzt wurden, die nicht an klimatische Bedingungen des Standortes angepasst sind, z. B. nach dem Orkan Wiebke
1990 (FRANKE 2001). Für den Wirtschaftsbetrieb ist daher die Auslese von
anpassungsfähigem, gesundem und leistungsfähigem Material, dessen Qualität durch
Herkunftsversuche belegt ist, unerlässlich (BUTTER 2001). Die Anlage von
Samenplantagen mit ausgelesenen Phänotypen dient zum einen der Erhaltung der Arten und ihrer genetischen Vielfalt, zum anderen bildet sie die Basis für weitergehende Züchtung. Zusätzlich zu den Herkunftsversuchen werden sogenannte
Einzelbaum-nachkommenschaftsprüfungen durchgeführt. Sie erlauben sowohl eine grobe Einschätzung der geographischen Variation als auch eine Prüfung der Variation zwischen den
Einzelbäumen und die Auswahl von Elitebäumen (KLEINSCHMIT et al. 2001). Von
besonderem Interesse sind hierbei die wertvollen Laubbaumarten, zu denen z. B. die Esche aufgrund ihrer ökologischen Bedeutung und des wirtschaftlichen Interesses der Waldbesitzer gehört.
2.2.1 Vorteile
der
Gewebekultur für die Forstwirtschaft
Da sich die genotypbedingten Wuchseigenschaften wie Gradschaftigkeit, Zwieselung und Wuchsleistung bei Nachkommen von frei abgeblühten Bäumen erst mit zunehmendem Alter einigermaßen sicher erfassen lassen, bietet vor allem die Gewebekultur die Möglichkeit, ausgewählte Elite-Bäume guter Qualität und Wüchsigkeit schnell und in hoher Stückzahl zu vermehren. Konventionelle Methoden wie die Anlage von Samenplantagen über die Veredelung durch Pfropfung hochwertiger Genotypen sind nur mit zeitlicher Verzögerung zur Gewinnung von Vermehrungsgut nutzbar. Die Vermehrung über makrovegetative Stecklinge ist einerseits in ihrer Stückzahl begrenzt und andererseits führt zunehmendes Alter der Mutterbäume zu einer Abnahme der Regenerations- und
Bewurzelungsfähigkeit (BÄRTELS 1996). Verwendung können solche hochleistungsfähigen
Klongemische in erster Linie auf ehemaligen landwirtschaftlichen Flächen finden aber natürlich auch auf Waldstandorten als Mischbaumart in Beständen anderer Baumarten. Hierbei ist zu betonen, dass aufgrund der nicht vorhersagbaren Nachfrage des Holzmarktes möglichst viele wertvolle Laubbaumarten neben der Erhaltung auch züchterisch bearbeitet werden sollten, um mit entsprechenden Pflanzenangeboten auf die jeweilige Marktnachfrage reagieren zu können. Vorlaufzeiten zwischen Beginn einer Klonprüfung sowie der Bereitstellung und Zulassung von geprüftem Material von mehr als 20 Jahren
müssen dabei berücksichtigt werden.[KLEINSCHMIT et al. 2001]
Ein weiterer großer Vorteil der genotypgleichen Vermehrung durch in vitro Kulturen ist, dass nur mit dieser Methode besondere genetisch bedingte Qualitätsmerkmale des Holzes, die oft erst mit dem Umtrieb sichtbar werden, erhalten werden und für die Forstpflanzenzüchtung genutzt werden können. Bei Esche ist ein solches Merkmal
2.2.2 Langzeitlagerung von in Prüfung befindlichem Material
Für den Zeitraum laufender Prüfungen muss das genetische Material der Mutterbäume sicher erhalten werden. Die Erhaltung von in vitro Kulturen über mehrere Jahrzehnte ist ohne Probleme möglich, erfordert aber einen hohen Arbeitsaufwand durch ständiges Rekultivieren und bietet die Gefahr von Verlusten durch Kontaminationen, unsachgemäßes Arbeiten oder technische Defekte. Die Lagerung von etablierten Kulturen mit Hilfe der Kryokonservierung, das Einfrieren von Gewebe, Organen oder Zellverbänden in flüssigem Stickstoff bei -196 °C, stellt dagegen eine kostengünstigere und sichere Möglichkeit dar, etablierte Klone über einen beliebig langen Zeitraum zu konservieren, und schafft die Grundlage zur Entwicklung von Klongenbänken (Benson 1999 a). In Deutschland wurden bis jetzt Kryogenbänke zur Erhaltung landwirtschaftlich nutzbarer Kulturpflanzen ange-legt. Führend hierbei sind das Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben (IPK) mit einer Kryogenbank für Knoblauch und die Forschungsanstalt für Landwirtschaft in Braunschweig (FAL) mit einer existierenden Kryogenbank für Kartoffeln. Eine Vorreiterrolle bei der Kryokonservierung von Gehölzen in Deutschland
hat die Niedersächsische Forstliche Versuchsanstalt in Escherode. Für Ulme (HARVENGT et
al. 2004), Pyrus pyraster und Sorbus torminalis (NFV-C Tätigkeitsbericht2001) konnten
dort funktionierende Kryokonservierungsprotokolle entwickelt werden.
2.3 Die Gemeine Esche (Fraxinus excelsior L.)
2.3.1 Morphologie
Morphologisch zeichnet sich die Esche durch ein monopodiales Sprosssystem aus, das ohne negative Umwelteinflüsse eine gerade, sich nicht gabelnde Stammachse mit einer Wuchshöhe von durchschnittlich 30 m bei einem Alter von 100 Jahren erreichen kann. Seitentriebe, die nicht mehr genügend Licht empfangen, sterben nach drei bis fünf Jahren ab und brechen durch mechanische Belastung ab. Die Länge des astfreien Stammabschnitts beträgt ca. 60 bis 70 % der Baumhöhe. Eine Besonderheit der Esche sind ihre dunklen, schwarz-braunen Knospen. Sie sind kurz pyramidenförmig, dicht filzig und mit schwarzen und gerbstoffhaltigen Becherhaaren versehen. Die dichte Haarschicht der Knospenschuppen dient dem Verdunstungsschutz (siehe Abbildung 1).
Abbildung 1: Apikal- und Achselknospen der Gemeinen Esche kurz vor dem Austreiben im Frühjahr. Die Achselknospen sind noch vollständig geschlossen, die Apikalknospe ist leicht ergrünt und fängt an, sich zu öffnen.
Die Terminalknospe ist auffallend größer (ca. 1 cm) als die Seitenknospen (ca. 0,5 cm). Die Primärblätter der Esche sind ungeteilt, alle Laubblätter stehen kreuzweise gegenständig und sind 7 bis 15-zählig gefiedert. Die Blühfähigkeit der Esche tritt mit 15 bis 30 Jahren ein. Eschenblüten sind zwittrig, wobei aber auf einem Baum das eine oder andere Geschlecht mehr oder weniger reduziert sein kann bis hin zu rein männlichen oder weiblichen Blüten. Dieses gleichzeitige Vorkommen monozözischer und diözischer Individuen wird auch als triözisch bezeichnet. Die Früchte sind Flügelnüsse und befinden sich an dünnen Stielen in Rispen.
Die Samen sind stark dormant. Die Keimhemmung ist z. T. dadurch bedingt, dass der Embryo zur Zeit der Fruchtreife noch nicht völlig entwickelt ist. Weiterhin fördert die im Endosperm lokalisierte Abscisinsäure zusätzlich den Ruhezustand. Aus diesem Grund muss vor der Anzucht von Sämlingen aus Saatgut zunächst die starke Keimhemmung überwunden werden. Dies geschieht durch ein mehrmonatiges Stratifizierungsverfahren, bei dem das Embryowachstum durch Temperaturen um 20 °C gefördert und danach durch
Kühllagerung die Keimhemmung der Abscisinsäure überwunden wird. [ROLOFF und
2.3.2 Vorkommen und Bedeutung der Gemeinen Esche in Deutschland
und Europa
Die Gemeine Esche ist eine wuchskräftige, mitteleuropäische Baumart mit einem ausgedehnten Verbreitungsgebiet (siehe Abbildung 2). Die dargestellte Abbildung stammt aus dem im Internet veröffentlichten Projektbericht „Fraxigen“, einem weiteren europäischen Eschenprojekt (www.fraxigen.net).
Abbildung 2: Natürliche Verbreitung von Fraxinus excelsior L.
In der Veröffentlichung von MARIGO et al. (2000) wird besonders hervorgehoben, dass das
Verbreitungsgebiet an den südlichen Grenzen nicht scharf abzugrenzen ist, da es dort immer häufiger zu einer Hybridisierung zwischen Fraxinus excelsior und der in Südeuropa beheimateten Art Fraxinus angustifolia kommt. Die Differenzierung von Fraxinus
excselsior und Fraxinus angustifolia anhand von morphologischen Merkmalen ist in diesen
Gebieten erschwert. Dies bestätigt auch die Arbeitsgruppe der UNIVERSITÉ PARIS-XI um
Nathalie Frascaria-Lacoste (RAP-Projektbericht 2003) mit ihrem Forschungsprojekt. Die Arbeitsgruppe untersuchte die genetische Diversität und die Verteilung dieser beiden Arten mit Hilfe von Mikrosatelliten und morphologischen Merkmalen. Die Untersuchungen
fanden vor allem in den Regionen statt, wo beide Arten vorkommen, um so den Genfluss zu dokumentieren.
Fraxinus excelsior besiedelt aufgrund der großen Amplitude hinsichtlich des
Wasserhaushaltes sowohl Standorte mit zeitweiligem Trockenstress als auch
Auenstandorte (ROLOFF und PIETZARKA 1997, MARIGO et al. 2000). In diesen
Extrembereichen kann sich die Gemeine Esche gegen konkurrenzstärkere Schattenbaumarten wie z. B. die Buche behaupten, während sie in ihrem optimalen Bereich oft von diesen verdrängt wird. Ein Grund hierfür ist die Veränderung der Lichtansprüche der Esche im Laufe des Alters von einer schattentoleranten zu einer
lichtbedürftigen Baumart (ROLOFF und PIETZARKA 1997).
Die Esche zählt aufgrund ihrer Holzqualität zu den Edellaubbäumen des mitteleuropäischen Waldes. Neben dem Ahorn ist die Gemeine Esche zahlenmäßig die
wichtigste Baumart in dieser Gruppe (KLEINSCHMIT undLÜCK 2001). Die Esche gehört zu
den ringporigen Laubhölzern wodurch das Holzbild wesentlich beeinflusst wird. Splint und Kernholz sind meist gleichfarbig (siehe Abbildung 3), ein farbig abgesetztes, olivfarbenes Kernholz entsteht erst im Alter von 60 bis 70 Jahren und wird als Olivesche (siehe Abbildung 4) mit einem teilweise hohen Holzwert, abhängig von Nachfragetrends der Möbelindustrie, gehandelt.
Bei den holztechnischen Eigenschaften weist Eschenholz hervorragende Merkmale wie eine besondere Zug-, Biege- und Schlagfestigkeit auf und wurde früher aus diesem Grund besonders in der Wagnerei und Tischlerei für Radreifen benutzt. Heute erfreut sich Eschenholz einer hohen Verwendungsbreite, die vom Furnier über Möbelholz, Parkettholz, Treppenbauholz bis hin zur Nutzung für Geräteteile mit besonders anspruchsvollen
mechanischen Eigenschaften reicht. [ROLOFF 2001]
Zur Zeit ist das Holz der Esche im Vergleich zu anderen Laubbaumarten auf Grund ihrer
Häufigkeit und der geringen Nachfrage unterbewertet (KLEINSCHMIT undLÜCK 2001). Die
Durchschnittspreise für Stammholz in Deutschland lagen im Jahr 2001 zwischen 111 und
180 Euro pro Festmeter (HOLZ-ZENTRALBLATT 2001) und 2004 zwischen 78 und 133 Euro
(HOLZ-ZENTRALBLATT 2004). Stammholz besserer Qualität erzielte Preise bis zu 265 Euro
pro Festmeter (HOLZ-ZENTRALBLATT 2004). Dies macht deutlich, dass nur über besondere
Qualitäten des Eschenholzes ein erhöhter wirtschaftlicher Profit erzielt werden kann.
In anderen europäischen Ländern wie z. B. in Irland ist die Esche eine der Hauptbaumarten bei der Wiederaufforstung von ehemals landwirtschaftlichen Flächen (Douglas, persönliche Mitteilung), oder ihr natürlicher Bestand ist so gering wie z. B. in Belgien, dass ihr Vorkommen durch Aufbau neuer Populationen gesichert werden muss (De Cuyper, persönliche Mitteilung). Dies zeigt, dass die Esche im gesamteuropäischen Kontext als eine wirtschaftlich bedeutende und erhaltungswürdige Baumart angesehen werden muss.
2.3.3 Konservierungsmaßnahmen
und
Versorgung mit Pflanzgut in
Deutschland
Vermehrungsgut der Esche ist in der Vergangenheit in großem Umfang aus anderen
Ländern, vor allem Südosteuropa, nach Deutschland eingeführt worden (KLEINSCHMIT und
LÜCK 2001). Seit 1979 unterliegt die Esche dem Gesetz über forstliches Saat- und
Pflanzgut. In den verschiedenen Bundesländern wurden in der Vergangenheit Samenplantagen mit regionalen Vorkommen angelegt und interessante Einzelbäume in Klonarchiven zusammengefasst. Angesichts unregelmäßiger Fruktifikation und auf Grund der günstigen Kosten für die Saatguternte im Ausland wird Eschensaatgut auch in Zukunft
über größere Distanzen verbracht werden (KLEINSCHMIT und LÜCK 2001). Dies
unterschiedlicher Herkünfte sowie den Forschungsbedarf zur Anbaueignung sowohl deutscher als auch nicht heimischer Herkünfte. Um breite Informationen über die geographische Variation der Esche zu gewinnen, wurde 1985 ein europäischer Eschenherkunftsversuch mit 250 Einzelbaumnachkommenschaften aus 52 europäischen
Herkünften angelegt (KLEINSCHMIT et al. 1996). Eine Verbesserung der Qualität kann
zusätzlich durch in vitro Vermehrung ausgewählter Einzelbäume und anschließender Klonprüfungen erreicht werden. Besonders das Angebot von leistungsstarken Klongemischen ist bei Waldbesitzern von großem anbaulichen Interesse, wie die
Entwicklung z. B. bei Wildkirsche (MEIER-DINKEL 2003) zeigt.
2.4 Das europäische Eschenprojekt RAP
Die europaweite Bedeutung der Esche wird durch das 2001 gestartete EU-Projekt mit dem Akronym RAP unterstrichen. Die Langform des Projekttitels lautet „Improving Fraxinus (Ash) productivity for European needs by testing, selection, propagation and promotion of improved genetic resources“ (Verbesserung der Produktivität von Fraxinus excelsior (Esche) für europäische Bedürfnisse durch Prüfung, Selektion, Vermehrung und Förderung verbesserter genetischer Resssourcen). Die NFV-C war ein Partner dieses am 01.02.2001 angelaufenen europäischen Eschenprojektes. Die Laufzeit betrug 48 Monate mit einem Fördervolumen von insgesamt 2.000.874 Euro. Im Rahmen des Forschungsprojektes sollten in Zusammenarbeit mit 15 Projektpartnern aus zehn EU-Ländern verschiedene Aspekte zur Verbesserung der Produktivität der Baumart Esche für europäische Bedürfnisse untersucht und weiterentwickelt werden. Entsprechend seiner Hauptziele war das Projekt in drei Arbeitsschwerpunkte eingeteilt:
I. Bestimmung der genetischen Diversität und Struktur von Populationen der
Esche mit Hilfe konventioneller und molekularer Mittel.
II. Entwicklung und Bereitstellung von Verfahren der vegetativen Vermehrung
und Blühinduktion zur praktischen Nutzung von selektiertem knappen Ausgangsmaterial.
III. Übermittlung der Fortschritte und Ergebnisse an alle potentiellen Endverbraucher, um eine effektive Nutzung des Holzes und Weiterentwicklung
Die in dieser Arbeit vorgestellten Untersuchungen zur in vitro Kultivierung und Kryokonservierung von Fraxinus excelsior waren Hauptbestandteil des zweiten Arbeitsschwerpunkts mit folgenden Zielen:
• Entwicklung eines in vitro Vermehrungsprotokolls für Esche und dessen Übertragung in die kommerzielle Anwendung.
• Anlage von Klonprüfungen mit den selektierten in vitro vermehrten Genotypen. • Entwicklung von Kryokonservierungsverfahren zur Langzeitlagerung genetischer
Ressourcen der Esche.
Ausgangspunkt für die wissenschaftliche Arbeit war die Auswertung des 1985 angelegten europäischen Eschenherkunftsversuchs auf zwei Versuchsflächen und die Auswahl von je 31 hervorragenden Einzelbäumen zur vegetativen Vermehrung.
2.5 Gewebekultur
2.5.1 In vitro Kultur von Gehölzen
Während die Gewebekultur im Bereich der Kultur- und Zierpflanzenforschung nicht mehr wegzudenken ist, entwickelt sich erst seit den 80er Jahren das Interesse an der
Mikro-vermehrung von Gehölzen (JESCH undPLIETZSCH 1996). Für die Forstpflanzenzüchtung ist
die Entwicklung von Verfahren zur erbgleichen Vermehrung ausgewählter adulter Bäume mit guten Wuchseigenschaften in Bezug auf Gesundheit, Leistung und Form von
Bedeu-tung (KLEINSCHMIT et al. 2001). In vitro Kulturen von Gehölzen bieten über die
Achselsprossmethode die Möglichkeit der schnellen und effektiven klonalen Vermehrung mit einem geringen Risiko somaklonaler Veränderungen. Als Explantatquelle werden meristematische Pflanzenteile, meist austreibende Sprossspitzen oder Terminal- und Achselkospen des Mutterbaumes, benutzt. Die Regeneration neuer Triebe wird mit Hilfe von Phytohormonen erreicht.
Im Gegensatz zu der Vermehrung von krautigen Pflanzen spielt bei den Gehölzen die ontogenetische Alterung eine große Rolle. Mit zunehmendem Alter der Mutterpflanze
sinkt die Regenerationsfähigkeit der Explantate der zu etablierenden Pflanzen (AHUJA
1993). Eine Möglichkeit, adulte Gehölze in Kultur zu nehmen, ist die Durchführung von reaktivierenden Behandlungen wie beispielsweise das Pfropfen auf Sämlingsunterlagen.
Weiterhin ist bekannt, dass durch die in vitro Vermehrung selbst ein rejuvenilisierender Effekt adulter Pflanzen stattfindet. Der Grad der Juvenilisierung ist hierbei abhängig von der Anzahl der in vitro Subkulturen und manifestiert sich in einer ansteigenden
Vermehrungs- und Bewurzelungsfähigkeit (MEIER-DINKEL 1989, 1993).
2.5.2 Vermehrungsverfahren
der Achselsprossmethode
Das Verfahren der in vitro Vermehrung kann grob in vier nacheinander folgende Etappen eingeteilt werden:
1. Etablierungsphase in vitro 2. Vermehrungsphase in vitro 3. Bewurzelungsphase in vitro
4. Überführung in unsterile Bedingungen und Anpassung an Freilandbedingungen
2.5.2.1 Etablierungsphase in vitro
Der erste Schritt der in vitro Vermehrung ist die Etablierung einer sterilen Kultur. Bei der Mikrovermehrung ausgewählter Genotypen ist dieser Schritt in seiner Wiederholbarkeit begrenzt, da als Explantatquelle nur eine Mutterpflanze oder eine limitierte Anzahl an Pfropflingen zur Verfügung steht. Allgemein ist der Etablierungserfolg abhängig von dem gewählten Explantat, der Jahreszeit, der Methode der Oberflächensterilisation, dem physiologischen und ontogenetischen Zustand der Mutterpflanze sowie dem Genotyp. Häufig benutzte Sterilisationsmittel sind Natriumhypochlorit (NaOCl), Calciumhypochlorit (Ca(OCl)2) oder Quecksilberchlorid (HgCl2) unterschiedlicher Konzentration und Einwirkdauer. Der Sterilisationseffekt kann zusätzlich durch Applikation von Wasserbädern, gründlichem Waschen der Explantate unter fließendem Wasser, geringe Explantatgrößen sowie durch die Entfernung von Knospenschuppen oder Haaren unterstützt werden. Optimierte Oberflächensterilisationsverfahren werden je nach Explantatquelle und Baumart empirisch ermittelt und beruhen meist auf Erfahrungswerten
völligem Absterben der Sprosse oder Schwierigkeiten bei der Bewurzelung. Gegenmaß-nahmen wie Behandlungen mit Antibiotika oder Subkultivierung von Meristemkulturen
sind meist nicht oder nur in Einzelfällen erfolgreich (MEIER-DINKEL 1989).
2.5.2.2 Vermehrungsphase in vitro
Während der Vermehrungsphase werden Sprossbüschel in etwa einmonatigen Zyklen in Einzelsprosse oder Sprosssegmente zerteilt und zur Vermehrung auf frischem Nährmedium subkultiviert. Der Erfolg der Mikrovermehrung ist abhängig von den herrschenden Kulturbedingungen wie Lichtintensität, Lichtdauer und Temperatur sowie der Zusammensetzung der Nährmedien, ihrer Phytohormonkonzentrationen und den verwendeten Kulturgefäßen. Insbesondere der Verschluss von Kulturgefäßen reguliert die Belüftung innerhalb des Gefäßes. Gasförmige Stoffwechselprodukte wie z. B. CO2 können positive Effekte auf das Wachstums haben, dagegen kann eine zu hohe Luftfeuchtigkeit
zur Hyperhydrizität und Deformation der Sprosse führen (MEIER-DINKEL 1989). Vor allem
aber ist der Erfolg der Mikrovermehrung von der Art und dem Genotyp abhängig (JESCH
undPLIETZSCH 1996).
2.5.2.3 Bewurzelungsphase in vitro
Die dritte Phase, die Bewurzelungsphase, weist in der Literatur verschiedene Varianten auf. Vorwiegend wird die Bewurzelung von Gehölzmikrostecklingen in vitro auf einem auxinhaltigen Bewurzelungsmedium oder durch Kultur von wenigen Tagen auf einem Wurzelinduktionsmedium und anschließendem Stecken der unbewurzelten
Mikrosteck-linge ex vitro durchgeführt (MEIER-DINKEL 1989). Weiterhin wird in der Literatur der
Wechsel zwischen einem auxinhaltigen Medium und einem hormonfreien Kohlemedium
beschrieben (SANCHEZ et al. 1996) oder eine einmalige Auxinapplikation durch Inkubation
für wenige Sekunden oder Minuten mit einer hohen Dosis (KIM et al. 1998). In weiteren
Veröffentlichungen wird die grundsätzliche Effektivität einer exogenen Auxinbehandlung
diskutiert (HAUSMAN 2002,TONON et al.2001).
2.5.2.4 Überführung in unsterile Bedingungen und Anpassung an Freiland-bedingungen
Der Transfer bewurzelter oder unbewurzelter in vitro Sprosse aus dem Kulturraum in eine unsterile Umgebung bedeutet einen gravierenden Umweltwechsel für die Pflanze. Die
bisherige heterotrophe bzw. mixotrophe Ernährungsweise der Pflanze muss in eine autotrophe Ernährung umgestellt werden. Unter in vitro Bedingungen sind die Blätter der Sprosse nicht voll arbeitsfähig ausgebildet. Mesophyll und Palisadengewebe sind nicht ausreichend entwickelt, die Kutikula nur teilweise oder gar nicht vorhanden und die Spaltöffnungen nur eingeschränkt funktionsfähig. Um einen hohen Wasserverlust der Pflanzen zu vermeiden, wird in den ersten drei bis vier Wochen nach dem Pikieren der Luftfeuchtigkeitsgehalt unter einem Plastiktunnel sehr hoch gehalten und dann schrittweise reduziert. Nach ca. vier Wochen werden die sich entwickelnden Pflanzen in
Anzuchtgefäße getopft und unter normalen Gewächshausbedingungen gehalten. [JESCH
undPLIETZSCH 1996]
2.5.3 Nährmedien
Die Zusammensetzung der Nährmedien für die Etablierung, Vermehrung und Bewurzelung ist für den Erfolg der Mikrovermehrung von entscheidender Bedeutung. Das verwendete Medium steht immer in Interaktion mit dem physiologischen Zustand des in vitro Materials und zusätzlich in Interaktion mit den Kulturbedingungen wie Lichtintensität, Lichtdauer, Temperatur, Agargehalt und pH-Wert. In der Praxis werden Nährmedien für neu zu etablierende Pflanzen meist durch Versuchsreihen mit schon bekannten Nährmedien
durchgeführt. MS-Medium (MURASHIGE und SKOOG 1962) ist das bekannteste
Nährmedium. Ausgehend von diesem Medium wurden für bestimmte Gehölze neue Medien mit geändertem Gehalt an Makro- und Mikronährstoffen und verändertem
Vitamingehalt entwickelt (BONGA und VON ADERKAS 1992). In Tabelle 1 sind die für die
Tabelle 1: Häufig angewendete Nährmedien bei der in vitro Vermehrung von Gehölzen (aus BONGA
und VON ADERKAS 1992)
Medium Nährstoffe Vitamine Ionen-Konzentration
Makro Mikro mM
Murashige & Skoog (MS) MS MS MS 95,8
Lloyd & McCown1 (WPM) WPM WPM WPM 44,0
Gamborg et al.2 (B5) B5 B5 B5 61,9
Gresshoff & Doy3 (GD) B5 GD B5 61,9
1Llyod & McCown B. (1980), 2Gambourg et al. (1968), 3Gresshoff and Doy (1972)
2.5.4 Phytohormone
Unter Phytohormonen versteht man bestimmte Molekülklassen oder Effektoren, deren Ausbreitung im Gewebe von Zelle zu Zelle, über Leitbündel oder über den interzellularen Gasraum erfolgt. Phytohormone werden in bestimmten Geweben der Pflanze gebildet und von dort zu ihren Wirkorten transportiert, oder aber Bildungsort und Wirkungsort sind identisch. Ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Hormone beeinflusst die Wachstums- und Entwicklungsvorgänge teils antagonistisch teils synergistisch.
In den letzten Jahren konnten durch die Entschlüsselung des Arabidopsis-Genoms entscheidende Fortschritte über die Wirkweise von Phytohormonen erzielt werden. Die Entschlüsselung der Gene und die Möglichkeit der Herstellung von Knock-out Mutanten
oder transgenen Pflanzen mit erhöhter endogener Hormonproduktion (HOWELL et al. 2003,
SCHMÜLLING 2002) lieferten die Möglichkeit der Erforschung der Wirkweise von Phytohormonen und ihrer Signaltransduktionswege.
Die Wirkung von Phytohormonen unter in vitro Kultur lässt sich nicht vollständig mit denen von intakten Pflanzen vergleichen, da es hier meist nicht das Ziel ist, physiologische Bedingungen zu erhalten und zu simulieren, sondern optimierte und zielgerichtete Effekte
zu erhalten (HOWELL et al. 2003). Für das Verständnis der Wirkweise sind aber die
gewonnenen Grundlagenkenntnisse unerlässlich. Die Wirkung von Phytohormonen bei in
vitro Kulturen ist daher nie allein zu betrachten, sondern immer im Zusammenspiel
zwischen endogen produzierten und exogen zugeführten Hormonen. Der Erfolg der Mikrovermehrung hängt neben den richtigen Hormonkonzentrationen und -kombinationen
ADERKAS 1992). Die am häufigsten zugesetzten Phytohormone sind Auxine und Cytokinine.
2.5.4.1 Cytokinine
Unter Cytokininen werden Substanzen zusammengefasst, die in einem Biotestsystem
(Tabakmarkzylinder) Zellteilungen (Cytokinesen) auslösen können (KUTSCHERA 1995).
Sie sind zudem an zahlreichen biologischen Prozessen des Pflanzenwachstums sowie der -entwicklung beteiligt und werden hauptsächlich in den Wurzeln produziert. Zu einem
geringen Anteil erfolgt die Produktion auch in dem Spross (SHIMIZU-SATO und MORI
2001). Cytokinine spielen sowohl bei der Kontrolle der Zellteilung, dem Brechen der Samenruhe, der Kontrolle der Knospenentwicklung und der Differenzierung sowie der
Sprossbildung und -initiierung eine Rolle. In der Veröffentlichung von ROITSCH und
EHNEß (2000) wurde weiterhin nachgewiesen, dass Cytokinine die Produktion von
extrazellulärer Invertase und von Hexose-Transportern induzieren und somit eine Rolle im Kohlenhydrattransport spielen.
Seit der Entdeckung des ersten Cytokininrezeptors im Jahr 2000 (SCHMÜLLING 2002) und
der Entdeckung von neun Cytokininsynthese-Genen in Arabidopsis 2001 (HOWELL et al.
2003) sind die Voraussetzungen geschaffen worden, die Signaltransduktionswege, die eine Sprossentwicklung bewirken, näher bestimmen zu können. Dies ist gerade für die Bereitstellung effektiver in vitro Kulturmethoden eine Voraussetzung. Bis heute beruhen die Angaben über benötigte Hormonkonzentrationen auf empirischen Beobachtungen, können aber nicht verifiziert und physiologisch erklärt werden.
2002 wurde von der Arbeitsgruppe CHE et al. die Genexpression während der
Sprossent-wicklung von Arabidopsis analysiert. Die Bildung von Sprossen aus Wurzelexplantaten wurde über eine Präinkubation in auxinreichem Kallusinduktionsmedium (CIM) mit folgender Überführung in cytokininreiches Sprossinduktionsmedium (SIM) erreicht. Durch diese Arbeit konnten Aufschlüsse über bestimmte Schlüsselprozesse in der Genexpression während der in vitro Sprossentwicklung gewonnen werden. 2 % der analysierten Gene (insgesamt ca. 8000) von Arabidopsis wurden während der verschiedenen
Entwicklungs-„shoot commitment phase“ (Phase an der die Wurzelexplantate anfangen Sprosse zu bilden, wenn sie auf hormonfreies Medium gesetzt werden) hochreguliert und Gene, die für Komponenten des Photosyntheseapparates codieren, erst wesentlich später. Weiterhin war erstaunlich, dass mit fortschreitender Entwicklung nicht entsprechend mehr Gene hochreguliert wurden. Nach drei Tagen waren 141 Gene hochreguliert, nach 15 Tagen nur
die doppelte Anzahl. In der anschließenden Veröffentlichung von HOWELL et al. 2003
wurde der Cytokinin-Signaltransduktionsweg untersucht und es wurde ein hypothetisches Schema zwischen den Cytokininsignalen und verschiedenen Genaktivierungsmustern je nach Entwicklungsstadien aufgestellt.
Die hier aufgezeigten Veröffentlichungen sollen den enormen Fortschritt im Verständnis über die Wirkung von exogen appliziertem Cytokinin auf die Sprossentwicklung demonstrieren. Sie zeigen aber auch die Komplexität, die die Hormonregulation der Sprossentwicklung aufweist. Diese grundlegenden Erkenntnisse können in Zukunft sicherlich dazu beitragen, Strategien zur Regeneration von recalcitranten Pflanzen und zur Optimierung von in vitro Kulturen zu entwickeln. Es wird aber auch deutlich, dass die aufgezeigten Ergebnisse im Moment noch nicht für die Praxis relevant sind und ihre Allgemeingültigkeit für andere Pflanzenarten erst überprüft werden muss.
In der Mikrovermehrung von Gehölzen besteht die Hauptaufgabe der Cytokinine in der Unterdrückung der Apikaldominaz und in der Förderung der Achselsprossbildung. In zu hohen Konzentrationen bewirken Cytokinine oft Adventivsprossbildung, die aufgrund der
Entwicklung somaklonaler Variationen nicht erwünscht ist (BONGA und VON ADERKAS
1992). Häufig verwendete Cytokinine sind 6-Benzylaminopurin (BAP), Kinetin, 2-Isopentenyladenin (2-iP) und Zeatin. BAP ist das aktivste, autoklavierbare und preisgünstigste Cytokinin und von daher für den kommerziellen Bedarf von großem Interesse.
2.5.4.2 Auxine
Auxine werden hauptsächlich in Laubblättern, Embryonen und Meristemen synthetisiert und sind die Ursache der Apikaldominanz. Hierunter versteht man die Unterdrückung des Austriebs der Seitenknospen einer Sprossachse durch das Apikalmeristem. Wird diese durch Dekapitation entfernt, treibt die nächstniedere Achselknospe aus. Der Transport in
Auxine den Austrieb axillärer Sprosse hemmen, fördern Cytokinine diesen. Die Steuerung des Austriebes hängt von dem Verhältnis der beiden Hormone zueinander ab und nicht von
der absoluten Konzentration (SHIMIZU-SATO undMORI 2001).
In der Arbeit von SHIMIZU-SATO undMORI (2001) wird ein Modell vorgestellt, dass den
Kontrollmechanismus der Apikaldominanz im Zusammenspiel der beiden Hormone Cytokinin und Auxin erklärt. Es wird vermutet, dass bei dekapierten Sprossen Cytokinine in den Internodien der Sprossachse synthetisiert werden, da die Hemmung durch Auxin wegfällt. Von dort wird das Cytokinin in die Knospe transportiert und bewirkt ein Austreiben der Achselknospen. Bei intaktem Spross unterdrückt Auxin die Cytokininsynthese. Weiter konnten die Transkripte von Genen aus ruhenden Knospen isoliert werden, die homolog zu ABA (Abscissic acid, Abscisinsäure) induzierten Transkripten waren. Zusätzlich ließ sich eine hohe ABA-Konzentration in den Knospen nachweisen. Dadurch wurde die Vermutung unterstützt, dass ABA die Knospenruhe in den Knospen erhält oder beeinflusst und nicht Auxin. Obwohl das vorgestellte Modell spekulativ ist, zeigt es die gegenseitige Beeinflussung der Hormone.
Auxin ist neben der Apikaldominanz auch maßgeblich an der Wurzelbildung beteiligt. In
der Arbeit von KERK et al. (2000) wird das Zusammenspiel von Auxin und
Ascorbinsäureoxidase (AAO) betrachtet, deren Interaktion besonders in vitro eine Rolle spielt. AAO kann Auxin oxidativ dekarboxylieren und zu einem verminderten Auxineffekt führen. In der Arbeit wird gezeigt, dass die Interaktion zwischen Auxin und AAO die Wurzelentwicklung durch Regulierung der mitotisch inaktiven Zellen im Wurzelmeristem beeinflusst.
Das am häufigsten verwandte Auxin in der Mikrovermehrung von Pflanzen ist IBA (Indole-3-butyric acid, Indole-3-Buttersäure). Im Gegensatz zu dem natürlich vorkommen-den sehr instabilen IAA (Indoleacetic acid, Indol-3-Essigsäure) ist IBA wesentlich unempfindlicher gegenüber Lichteinwirkung und hohen Temperaturen beim Autoklavieren.
Wurzelbildung seit langem bekannt. Durch Variation der Konzentrationen von Auxin und
Cytokinin ist es möglich, Wurzel oder Sprossbildung zu induzieren (KUTSCHERA 1995). In
der in vitro Kultur von Pflanzen wird zur Optimierung der Vermehrungsphase je nach Pflanzenart ein bestimmtes Cytokinin / Auxin-Verhältnis im Medium empirisch ermittelt,
bei dem der Auxingehalt sehr gering ist (KYTE undKLEYN 1996). In einigen Arten reicht
zudem das endogen produzierte Auxin zur Sprossbildung aus und zusätzlich zugeführtes
Auxin kann einen hemmenden Effekt auf die Sprossentwicklung haben (BONGA und VON
ADERKAS 1992). Weiterhin kann ein zu hoher Auxingehalt zu starker Kallusbildung und Sprossanomalitäten führen.
2.5.4.4 Thidiazuron (TDZ)
TDZ ist ein hochpotentes Cytokinin-Analogon, das vor allem in der in vitro Vermehrung von recalcitranten Gehölzen eingesetzt wird. Es ist ein im Gegensatz zu den Aminopurin-Cytokininen, wie BAP, ein Derivat des Diphenylharnstoffs und beeinflusst vor allem den Metabolismus endogener Cytokinine. Ein Vorteil des Einsatzes von TDZ ist die Unterdrückung des starken monopodialen Wachstums von Gehölzen und somit der
Förderung von Achselsprossbildung (HUETTEMAN und PREECE 1993). Gleichzeitig kann
die Applikation von TDZ starke Kallus- und Adventivsprossbildung bewirken und stellt somit eine potentielle Gefahr für die Induktion somaklonaler Veränderungen dar.
In der Arbeit von ROITSCH und EHNEß (2000) wird beschrieben wie Cytokinine eine
wesentliche Rolle bei der apoplastischen Verteilung von Saccharose in der Pflanze spielen. Exogen zugeführte natürliche Cytokinine wie Zeatin führten zu einem Anstieg an mRNA für extrazelluläre Invertase, dem Schlüsselenzym für den apoplastischen Entladungs-mechanismus. Weiter wird gezeigt, dass TDZ im Gegensatz zu synthetisch hergestellten Adeninderivaten wie BAP und Kinetin einen signifikant höheren Anstieg dieses Schlüsselenzyms bewirkt.
2.5.5 In vitro Vermehrung von Fraxinus excelsior L.
Die erfolgreiche in vitro Vermehrung juveniler und adulter Sprossspitzen zweier nicht in Deutschland vorkommender Eschenarten (F. pennsylvanica und F. americana) wurde
erstmals von PREECE et al. 1987 beschrieben. Seitdem wurden verschiedene Protokolle
zur Vermehrung von juvenilem und adultem Material unterschiedlicher Eschenarten (F. ornus, F. pennsylvanica, F. angustifolia und F. americana) entwickelt.
Veröffentlichungen über die Mikrovermehrung von Fraxinus excelsior beziehen sich dagegen meist auf in vitro Kulturen, die als Ausgangspunkt für die Etablierung
Embryokulturen aus Saatgut nutzen (CHALUPA 1990, HAMMATT und RIDOUT 1992,
RAQUIN et al. 2002, TABRETT undHAMMATT 1992) oder juvenile drei bzw. vier bis sieben
Jahre alte Mutterbäume (LEFORESTIER et al. 1990, SILVEIRA et al. 1994). In der
Veröffent-lichung von HAMMATT (1994) wird erstmals die erfolgreiche in vitro Etablierung eines 70
Jahre alten adulten Baumes der Gemeinen Esche dargestellt. Die Weiterführung der Versuche sowie die Etablierung eines zweiten adulten selektierten Plusbaumes wird in der
Veröffentlichung 1996 (HAMMATT 1996) beschrieben. Die Arbeitsgruppe von PIERIK und
SPRENKELS arbeitete ebenfalls von 1990 bis 1994 erfolgreich an der Etablierung eines 30
Jahre alten Baumes (PIERIK und SPRENKELS 1997). Beide Arbeitsgruppen beschreiben eine
schlechte Regeneration der Primärexplantate, sehr hohe Kontaminationen am Anfang sowie während der Etablierung und geringe Bewurzelungserfolge. Es ist herauszustellen, dass sich alle ermittelten Ergebnisse der beiden Arbeitsgruppen auf jeweils nur einen bzw. zwei verschiedene Genotypen beziehen. Die genannten Veröffentlichungen können somit nur als Anstoß für die hier vorliegende Arbeit gesehen werden, deren Ziel es ist, ein bis jetzt in der Literatur noch nicht existierendes in vitro Protokoll für eine Vielzahl von Genotypen der Baumart Fraxinus excelsior zu entwickeln. Nur so kann das Ziel der Wertsteigerung von Fraxinus excelsior durch die Selektion von Elitebäumen, deren Vermehrung im kommerziellen Maßstab und die Anlage von Klonprüfungen zur Qualitätssicherung erreicht werden. Im Anhang 1 sind alle mir bekannten Arbeiten zur Gattung Fraxinus dargestellt.
2.5.6 Strategie zur Entwicklung eines in vitro Protokolls für Fraxinus
excelsior L.
Bei der Entwicklung des vorliegenden Protokolls wurden folgende Faktoren berücksichtigt und empirisch untersucht:
3. Oberflächensterilisation (Vorbehandlung, Sterilisationsmittel, Konzentration und Dauer)
4. Etablierungs-, Vermehrungs- und Bewurzelungsmedium (Basismedium, Hormon-konzentrationen und Agargehalt)
5. Kulturbedingungen (Gefäße, Temperatur und Lichtdauer)
2.6 Kryokonservierung
Unter Kryokonservierung (engl.: cryopreservation) versteht man die Lagerung von Organen, Zellen und Zellverbänden in flüssigem Stickstoff bei -196 °C. Bei dieser Temperatur kommt es zum Stillstand aller Stoffwechselprozesse, so dass über Jahre und Jahrzehnte hinweg der zum Einlagerungstag vorherrschende physiologische Zustand des
pflanzlichen Materials erhalten bleibt (SAKAI 1995). Dies ist der bedeutende Vorteil der
Kryokonservierung gegenüber personal- und kostenaufwendigen traditionellen Erhaltungsmethoden wie der Langzeitlagerung von in vitro Kulturen in Kühlräumen bei 4 °C oder ex situ in Klonarchiven als Pfropflinge oder Stecklinge. Die Erhaltung von pflanzlichem Material über Kryogenbänke stellt somit eine kostengünstige und sichere
Alternative der Langzeitlagerung dar (BENSON 1999 a). Vor allem die Gefahr von
Verlusten durch Kontaminationen der in vitro Kulturen durch Kühlraumlagerung oder umweltbedingten Schädigungen bei Pfropflings- oder Stecklingsklonarchiven wird vermieden.
2.6.1 Theoretische
Grundlagen der Kryokonservierung
Die zentrale Rolle in der Kryobiologie nimmt Wasser ein. Unter alltäglichen Bedingungen gefriert Wasser in Anwesenheit eines Gefrierkeimes bei 0 °C. Je kleiner dieser Keim ist, desto tiefer kann Wasser, bis zu einer Temperatur von -40 °C, unterkühlt werden. Unterhalb dieser Temperatur kommt es zur selbstinduzierten homogenen Eisbildung. Dabei entstehen Eiskristalle auch ohne die Anwesenheit von Kristallisationskeimen. Intrazelluläre Eisbildung und der Zelltod sind dabei unvermeidlich. Arten, die unter natürlichen Bedingungen Temperaturen von -40 °C aushalten, erreichen dies durch ihre
Adaptionsfähigkeit an eine langsame Dehydrierung (LINCOLN und ZEIGER 1999), deren
Potential, starke Volumenänderungen zu tolerieren und durch ihre Fähigkeit, natürliche Gefrierschutzproteine, die z. B. die mechanische Belastbarkeit der Zellmembranen
Eiskristallbildung innerhalb der Zellen verhindert, stattdessen kommt es zur Vitrifikation vorhandener Zellflüssigkeiten. Beispiele hierfür sind einige Harthölzer oder Insekten aus
Extremgebieten wie z. B. Alaska (MERYMAN und WILIAMS 1985).
Die Verhinderung von intrazellulärer Eisbildung bei Temperaturen von -40 °C geschieht dann, wenn die vorhandene Zellflüssigkeit zu viskos ist, um Eiskristalle zu bilden. Hierbei kommt es zu einem direkten Übergang der Wassermoleküle von der flüssigen Form in eine
amorphe Glasform (BENSON 1999 a, HOEKSTRA et al. 2001). Die Viskosität der
Zellflüssigkeiten wird durch die Konzentration gelöster Stoffe und den Wassergehalt bestimmt. Im Gegensatz zur Eisbildung, bei der es zu einer Volumenänderung aufgrund des Phasenübergangs von flüssig zu fest und zur Bildung von Kristallen kommt, bleibt bei der Glasbildung das Volumen erhalten. Ausschlaggebend für eine Glastransformation ist die Temperatur Tg (Glastransformationstemperatur). In der Kryokonservierung ist eine Lösung unterhalb der Temperatur Tg zu viskos, um Eiskristalle zu bilden. Der entstehende Glaszustand ist metastabil, eine Erhöhung der Temperatur kann zur Rekristallisation
führen (MERYMAN und WILIAMS 1985). Eine Glastransformation des Cytoplasmas bei
pflanzlichen Organismen kann aufgrund einer Dehydration der Zellen stattfinden. Ursachen hierfür können ein Absenken der Temperatur, Trockenheit oder osmotische
Extremsituationen sein (HOEKSTRA et al. 2001).
2.6.1.1 Gefrierprozesse in pflanzlichen Systemen
Die Möglichkeit der Glasbildung bei sehr kalten Temperaturen ist für den Einsatz der Kryokonservierung zur Erhaltung pflanzlichen Gewebes entscheidend, da in biologischen Systemen Gefrierprozesse immer sehr langsam und in Anwesenheit von gelösten Stoffen
stattfinden (BENSON 1999 a).
Unter natürlichen Bedingungen findet Eisbildung zuerst im Extrazellularraum der Pflanze statt und ist für pflanzliche Zellen nicht tödlich. Bei länger andauerndem Frost kommt es zur Dehydration der Protoplasten durch Abgabe von Wasserdampf durch die Plasmamembran nach außen. Dies bewirkt ein weiteres Wachsen der Eiskristalle im Extrazellularraum und eine Erhöhung des Wasserpotentialdefizits zwischen Intra- und
können auf diese Weise, durch die Anhäufung endogener Kryoprotektantien und die dadurch mögliche Unterkühlung ihrer Zellflüssigkeit bis weit unter den Gefrierpunkt,
Frostschäden vermeiden (STUSHNOFF et al. 1998). Die Pflanzenzellen tolerieren einen
Wasserverlust von 55 bis 75 % unter natürlichen Bedingungen, bevor es zur Plasmolyse der Zellen und Schädigung der Membranen durch zu hohe Konzentrationen der gelösten
Stoffe innerhalb der Zelle kommt (MERYMAN undWILIAMS 1985).
2.6.2 Kryokonservierungsverfahren
Durch die Untersuchungen der natürlichen Frosttoleranz von Pflanzen (WEISER 1970,
WITHERS und KING 1979) sowie der ablaufenden physikalischen und physiologischen Effekte innerhalb des Protoplasten, an den Zellmembranen und im Extrazellularraum (MERYMAN undWILIAMS 1985, SINGH undMILLER 1985) und der Bereitstellung geeigneter Kryoprotektantien wie Dimethylsulphoxid (DMSO), Glycerol und verschiedener Zucker (BERNARD et al. 1985, RUDOLPH und CROWE 1985, TURNER et al. 2001a, b) wurden bis heute verschiedene Verfahren der Kryokonservierung entwickelt. Die bisher am häufigsten angewandte Methode ist die des langsamen Einfrierens (ca. 1 °C / min) basierend auf den
Arbeiten von WITHERS (1979). In den neunziger Jahren wurden zusätzlich zu diesem
bisher vorherrschenden teuren und meist computergesteuerten Verfahren zwei neue Protokolle, beruhend auf der Vitrifikation vorhandener Zellflüssigkeit während der Überführung in flüssigen Stickstoff, entwickelt. Vor allem in der Kryokonservierung von Gehölzen spielen diese Methoden der Vitrifikation mit Hilfe der sogenannten „Plant
Vitrification Solution Number 2“ (PVS2, SAKAI et al. 1990) und der Alginat- /
Dehydrationsmethode (DEREUDDRE et al. 1990) eine bedeutende Rolle. In der
Veröffentlichung von SAKAI et al. (2000) werden beide Methoden erfolgreich kombiniert.
2.6.2.1 Kryoprotektantien
Man kann Kryoprotektantien in zwei Klassen unterteilen, die kolligativen und die osmotischen. Unter kolligativen Kryoprotektantien versteht man Substanzen wie DMSO und Glycerol, die die Fähigkeit besitzen die Zellmembranen zu durchdringen und somit in das Zellinnere eindringen. Dort erhöht sich ihre Konzentration innerhalb der Zellflüssig-keitslösung. Die damit verbundene Erniedrigung des chemischen Potentials der Lösung führt zu einer Gefrierpunktserniedrigung als reiner Entropieeffekt. Weiterhin dürfen kolligative Kryoprotektantien in den Konzentrationen, die zur Gefrierpunkterniedrigung
benötigt werden, nicht toxisch sein. DMSO und Glycerol erfüllen diese Eigenschaften. Bei einigen kältetoleranten, in Alaska vorkommenden Insektenarten hat man z. B festgestellt, dass sie hohe Glycerolkonzentrationen von 25 % in ihrem Körper ansammeln können (MERYMAN und WILIAMS 1985). Glycerol ist im Gegensatz zu DMSO auch in sehr hohen Konzentrationen nicht toxisch für Zellen. Ein Nachteil während der Kryokonservierung ist die langsame Passagezeit von Glycerol in die Zellen, womit die Voraussetzungen für die
Entstehung eines schädigenden osmotischen Gradienten gegeben sind (MERYMAN und
WILIAMS 1985). DMSO dagegen durchdringt schneller die Zellmembranen, ist aber bei zu langer Inkubation und zu hoher Konzentration dagegen toxisch.
Osmotische Kryoprotektantien sind vor allem Zucker wie z. B. Sacharose oder
Makromoleküle wie Polyethylenglykol. Diese Substanzen bewirken eine osmotische Dehydration der Zellen und eine Erhöhung der extrazellulären Viskosität. Die Konzentration der Substanzen und die Applikationszeit müssen so optimiert werden, dass es zu keiner Schädigung der Zellmembranen durch Dehydration kommt. Eine optimale Kryoprotektanz liegt vor, wenn osmotische Substanzen die Zellen dehydrieren, aber gleichzeitig ein Gleichgewicht zwischen kolligativen Substanzen im Extra- und Intrazellularraum hergestellt wird. Die starke Viskosität bei niedrigen Temperaturen fördert die Glasbildung und beugt somit Zellschädigungen vor.
2.6.2.2 Grundlagen der Vitrifikationsmethode
Unter Vitrifikation versteht man den Prozess, bei dem eine wässrige Lösung unterhalb des Gefrierpunktes von Wasser ohne Phasenübergang von der flüssigen Form in eine nicht kristalline amorphe Form (Glaszustand) übergeht. Dieser Zustand tritt ein, wenn eine Lösung so hoch konzentriert ist, dass die Bildung von Kristallisationskeimen unterbunden
wird (BENSON 1999 a). Um bei pflanzlichem Gewebe diesen Zustand zu erreichen, können
zwei verschiedene Methoden angewandt werden, die nachfolgend beschrieben werden.
Anmerkung: Der Begriff Vitrifikation wird in dieser Arbeit ausschließlich für das Entstehen eines Glaszustandes verwendet. In älterer Literatur zur Gewebekultur von Pflanzen wird der Begriff Vitrifikation als Beschreibung des Sprosszustandes von in vitro Kulturen benutzt, die einen
Sprosse zurückzuführen. In neuerer Literatur und in dieser Arbeit wird dieser Zustand als Hyperhydrizität bezeichnet.
2.6.2.3 Alginat- / Dehydrationsmethode
Bei dieser Methode wird pflanzliches Material (z. B. Sprossspitzen) zuerst in
Calziumalginatkügelchen eingekapselt, daraufhin erfolgt eine osmotische Dehydration des Gewebes durch Inkubation der Kugeln in 1,2 M Saccharoselösung, gefolgt von einer definierten Trocknungsphase über Silicagel bis zu einem kritischen Feuchtigkeitsrestgehalt
von ca. 25 %. An diesem Punkt liegt fast alles Wasser gebunden vor (LEOPOLD 1990, REED
2001 a). Beim Eintauchen in flüssigen Stickstoff kommt es somit aufgrund der hohen Viskosität der Zellflüssigkeit nicht zur Eisbildung sondern zur Vitrifikation.
2.6.2.4 Vitrifikation mit PVS2
Bei dieser Methode handelt es sich um eine Vitrifikation der extra- und intrazellulären Zellflüssigkeiten mit Hilfe einer hochkonzentrierten Lösung aus verschiedenen
Kryoprotektantien. Die von SAKAI entwickelte PVS2-Lösung (SAKAI et al. 1990) besteht
aus einer Mischung von 30 % Glycerol, 15 % DMSO und 15 % Ethylenglykol gelöst in einer 0,4 M Saccharoselösung.
Der Effekt dieser Lösung beruht auf einer Dehydration der Zellen durch osmotische Substanzen wie Saccharose und Ethylenglykol sowie auf der Änderung der Zellmembran-struktur durch DMSO und das Eindringen von Glycerol und DMSO in das Zellinnere. Durch gleichmäßige Verteilung dieser beiden kolligativen Kryoprotektantien im Extra- und Intrazellularraum und gleichzeitiger Erhöhung der Zellviskosität wird die Eiskristallbildung verhindert und somit auch phasenübergangsbedingte Zellschädigungen
durch Volumenänderungen (BENSON 1999 a). Kritische Faktoren dieser Methode sind die
Einwirkzeit und der Temperaturverlauf. Bei zu langer Applikation der PVS2-Lösung wirken die genannten Stoffe toxisch. Ebenso ist der Zustand der vitrifizierten Proben nur metastabil. Um eine Kristallisation der Flüssigkeit zu vermeiden, muss der Erwärmungsvorgang sehr schnell und unter definierten Temperaturen (meist 45 °C) stattfinden, gefolgt von einem schnellen Austausch der PVS2-Lösung durch eine 1,2 M
2.6.2.5 Regeneration kryokonservierter Sprosse
Neben der Entwicklung von artspezifischen Kryokonservierungsverfahren spielt die Rege-neration der Sprosse in vitro unter optimalen Kulturbedingungen eine entscheidende Rolle. Zur Vermeidung somaklonaler Variation ist es entscheidend, dass die Sprossregeneration aus den ursprünglichen organisierten Strukturen wie den Sprossmeristemen hervorgeht und
nicht über extensive Kallus- oder Adventivsprossbildung (HARDING 1999).
2.6.3 Kryokonservierung
von
Fraxinus excelsior L.
In der Literatur wurde bisher keine Methode zur Kryokonservierung von vegetativ erzeugtem Pflanzenmaterial der Gemeinen Esche oder anderer Arten der Gattung Fraxinus veröffentlicht. Für die Kryokonservierung von zygotischen Embryonen von Fraxinus
excelsior existiert eine Veröffentlichung (BREARLEY et al. 1995). Als Ausgangspunkt für die Entwicklung eines spezifischen Kryokonservierungsprotokolls für Fraxinus excelsior wurden zwei vorhandene Standardprotokolle für Wildbirne und Johannisbeere, die auf den Prinzipien der Alginat- / Dehydrationsmethode und der Vitrifikationsmethode mit PVS2
beruhen, verwendet (REED 2001 a). Beide Methoden wurden zunächst am Material der
Johannisbeere getestet, um zu gewährleisten, dass nicht technische oder handwerkliche Fehler den Erfolg beeinflussen. Nach einem erfolgreichen Übertrag der Technik auf
Kulturen der Johannisbeere, wurden die Methoden zunächst an juvenilem Material von
Fraxinus excelsior getestet und zu einem späteren Zeitpunkt für adultes Pflanzenmaterial
optimiert.
Entscheidend für den Erfolg eines Kryokonservierungsprotokolls ist die Optimierung aller
die Regeneration beeinflussender Faktoren (BAJAJ 1995). Bei der Entwicklung des
Protokolls für Fraxinus excelsior wurden folgende in Abbildung 5 dargestellten Faktoren untersucht und jeweils die zu dem Untersuchungszeitpunkt besten Bedingungen als Standard für weitere Versuche festgelegt, beibehalten oder weiterentwickelt.
I Innvviittrro Kultur o kontaminationsfrei Kulturalter Abhärtung Kälteabhärtung Zuckermedien Vorbehandlung DMSO, Glycerol BSA Kryoprotektanzien Vitrifikation Alginat- / Dehydrationsmethode Vitrifikation mit PVS2 Andere Methoden Dauer & Konzentration
Abbildung 5: Diagramm der verschiedenen Optimierungsschritte bei der Entwicklung eines Kryokonservierungsprotokolls. (Abkürzungen: BSA= Bovine Serum Albumin;
DMSO = Dimethylsulfoxid; PVS2 = Plant Vitrification Solution Number 2)
2.7 Besonderheiten und Zielsetzung der vorliegenden Arbeit
Ein kritischer Teil dieser Arbeit ist die Bewertung des Erfolges der in vitro Kultur und der Kryokonservierung. Hierbei muss die Gesamtheit dieser Methoden beachtet werden, da der Erfolg der Versuche von einem komplexen Zusammenspiel vieler beeinflussbarer, aber auch nicht beeinflussbarer Faktoren abhängig ist. Unter gleichen Versuchsbedingungen kommt es oft zu Variationen der Entwicklung unterschiedlicher Klone einer Art, aber auch innerhalb eines Genotyps. Die Entwicklung von in vitro Kulturen ist abhängig von ihrem Alter, dem physiologischen Zustand, der Jahreszeit und nicht zuletzt von ihrer Behandlung
(BAJAJ 1995). All diese Faktoren erschweren die eindeutige Reproduzierbarkeit der
Versuche, da nie nachweisbar mit Pflanzen desselben physiologischen Zustandes gearbeitet werden kann. Das Ziel der dargestellten Untersuchungen war die Erarbeitung eines bis dato noch nicht vorliegenden Verfahrens zur in vitro Vermehrung und Kryokonservierung einer Vielzahl verschiedener Genotypen der Baumart Fraxinus
excelsior. Hierbei war zu jedem Zeitpunkt die fortschreitende Entwicklung
anwendungsfreundlicher Methoden zur kommerziellen Nutzung von großer Bedeutung. Aufgrund des hohen Anwendungsbezuges der Arbeit wurden Methoden, die nur einen geringen sichtbaren Erfolg lieferten, ohne mehrmalige Wiederholungen verworfen und nur die Optimierung erfolgreicher Versuche fortgesetzt.
3 Methoden und Material
3.1 Geräte, spezieller Laborbedarf und Chemikalien
3.1.1 Geräte
Sterilbank Heraeus HPH 12, Bj. 1995, Querstrom, Strömungsgeschwindigkeit
ca. 0,430 m/s, Hanau , Deutschland
Trockenschrank Typ Ul 30, Regelbereich 10-280 °C, Firma Memmert Schwabach,
Deutschland
Lichtschrank Ru/med, Rubarth Apparate GmbH, Deutschland
Autoklav Varioklav Dampfsterilisator, Typ 400, H+P Labortechnik,
Oberschleißheim, Deutschland
Analysewaage Sartorius 140 / MP8, Genauigkeit ± 0,01 mg, Göttingen,
Deutschland
Waage Sartorius MC 210 P / MP8, Genauigkeit ± 0,05 g, Göttingen,
Deutschland
Schwenk-Schüttler Typ 1083, GfL, Burgwebel, Deutschland
Reinstwasseranlage Barnstead Nanopure, Wilhelm Werner GMBH, Bergisch Gladbach,
Deutschland
Kryotank Taylor-Wharton 35HC (35 l), Theodore, USA
3.1.2 Spezieller Laborbedarf
Kryoröhrchen Cellstar 2 ml, Greiner Labortechnik, Frickenhausen, Deutschland
Pikiertöpfe Jiffy 4 × 4, Firma Jiffy, Dänemark
Basissubstrat 3 Blumenerdenwerk Stender GmbH, Schermbeck, Deutschland
Vermehrungssubstrat Blumenerdenwerk Stender GmbH, Schermbeck, Deutschland
Perlite Perlite-Dämmstoff GmbH & Co, Dortmund, Deutschland
Weckgläser 250 ml Gläser, Weck GmbH, Werl, Deutschland
Honiggläser 250 ml Gläser, Firma Meli, Veurne, Belgien