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Wissensintensive Branchen schaffen Stellen | Die Volkswirtschaft - Plattform für Wirtschaftspolitik

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DIGITALISIERUNG

16 Die Volkswirtschaft  1–2 / 2018

faktoren sowie auf Literaturrecherchen und Unternehmensfallstudien.

Dienstleistungssektor wächst

Zwischen 1996 und 2015 ist die Beschäftigung in der Schweiz um 19 Prozent auf knapp 4 Mil- lionen Vollzeitäquivalente gestiegen, wobei das Wachstum ausschliesslich auf den Dienst- leistungssektor zurückzuführen ist. Während der Industriesektor die Zahl der Beschäftigten knapp halten konnte, verzeichnete der Primär- sektor einen Rückgang von 30 Prozent.

Im Jahr 2015 stellte der Dienstleistungssek- tor fast drei Viertel aller Beschäftigten. Seit Mit- te der Neunzigerjahre haben einerseits staats- nahe Branchen wie das Gesundheits- und Sozialwesen, das Bildungswesen und die öffent- liche Verwaltung ihre Beschäftigung deutlich ausgeweitet. Andererseits legten auch die wis- sensintensiven Dienstleistungsbranchen stark zu (siehe Abbildung 1). Einige Branchen wie die IT-Dienstleistungen profitierten dabei direkt von der Digitalisierung.

Im Vergleich zur übrigen OECD sticht in der Schweiz die konstante Entwicklung des In- dustriesektors positiv hervor. Innerhalb die- ses Sektors wuchs die Beschäftigung seit 1996 im Baugewerbe, während sie im verarbeiten- den Gewerbe zurückging. Besonders ausge- prägt war der Rückgang in Lowtech-Branchen wie der Textil- und Bekleidungsindustrie oder der Holz-, Papier- und Druckindustrie. In High- tech-Branchen wie der Pharmaindustrie und der Sparte «Elektronik, Optik, Uhren» stieg die Zahl der Stellen hingegen.

W

ie in den meisten Industriestaaten ist der Arbeitsmarkt auch in der Schweiz durch einen Strukturwandel hin zur Dienst- leistungsgesellschaft geprägt. Angesichts der raschen Fortschritte im Zuge der Digitalisie- rung – beispielsweise bei der künstlichen Intel- ligenz, bei Big Data oder in der Robotik – wird intensiv diskutiert, ob in Zukunft ein erhebli- cher Teil der Arbeit durch Maschinen ausge- führt werden könnte und welche Auswirkun- gen dies auf den Arbeitsmarkt hätte.

Vor diesem Hintergrund haben wir im Auf- trag des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) untersucht, wie der Strukturwandel im Schweizer Arbeitsmarkt zwischen 1996 und 2015 verlaufen ist.1 Die Ergebnisse basieren auf Längsschnittanalysen diverser Beschäf- tigungsstatistiken, auf der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (Sake), auf einer Kom- ponentenzerlegung zur Analyse der Einfluss-

Wissensintensive Branchen schaffen Stellen

Seit Mitte der Neunzigerjahre hat die Zahl der Beschäftigten in der Schweiz um ein Fünftel zugenommen. Im Zuge der Digitalisierung wurden zahlreiche Jobs in wissens- intensiven Branchen geschaffen, während Routinetätigkeiten zurückgegangen sind.   

Carsten Nathani, Corina Rieser, Pino Hellmüller

Abstract    Vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion um die Aus- wirkungen der Digitalisierung und Automatisierung auf die Beschäfti- gung in der Schweiz hat das Forschungsunternehmen Rütter Soceco im Auftrag des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) untersucht, wie der Strukturwandel in den letzten zwanzig Jahren verlaufen ist, welches die wesentlichen Treiber waren und welche Auswirkungen dies auf den Arbeitsmarkt hatte. Die Studienergebnisse zeigen, dass sich sowohl die Branchenstruktur als auch Qualifikation und berufliche Tätigkeiten der Beschäftigten stark verändert haben. Der Anteil der Beschäftigten mit hoher Qualifikation und Tätigkeiten mit geringer Routineintensität ist deutlich gewachsen. Die wesentlichen Ursachen waren der technische Wandel und in geringerem Umfang Globalisierung und Veränderungen der Güternachfrage. Infolge eines sehr guten Bildungssystems, eines flexiblen und durchlässigen Arbeitsmarktes und des Zugangs zu spezia- lisierten Arbeitskräften im Ausland konnte die Schweiz die Folgen des Strukturwandels insgesamt gut bewältigen.

1 Nathani et al. (2017).

2 Vgl. auch Bouchiba- Schaer und Weber (2017).

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FOKUS

Die Volkswirtschaft  1–2 / 2018 17

Anforderungsniveau steigt

Der Strukturwandel zeigt sich auch bei den Be- rufen. So nahm der Beschäftigungsanteil von Berufen mit hohen Anforderungsniveaus seit Mitte der Neunzigerjahre deutlich zu, wäh- rend er bei Berufen mit mittleren Anforderun- gen sank und bei Berufen mit geringen Anforde- rungen konstant blieb.2 Mit den Anforderungen stieg auch die Qualifikation: Der Anteil der hoch qualifizierten Arbeitskräfte hat deutlich zuge- nommen, während er bei gering und mittel qua- lifizierten gesunken ist.

Diese Trends sind grundsätzlich auch in den einzelnen Branchen zu beobachten. Allerdings gibt es eine grosse Bandbreite zwischen Bran- chen mit geringen Veränderungen – wie bei- spielsweise dem Baugewerbe – und solchen mit erheblichen brancheninternen Verschiebun- gen wie dem Finanzsektor. Der starke Rückgang von Bürokräften kann direkt mit der Compute- risierung in Verbindung gebracht werden. Auch

beim Rückgang der handwerklichen und ma- schinennahen Berufe spielten wahrscheinlich der technische Wandel, insbesondere die Auto- matisierung, sowie in kleinerem Ausmass auch die Globalisierung eine Rolle.

Um den direkten Beitrag des technischen Wandels besser zu erfassen, haben wir die Beru- fe gemäss ihrer Routineintensität klassifiziert.

Zu den Routinetätigkeiten zählen Aufgaben, die einem vorgegebenen Ablauf folgen und deshalb besser für Maschinen kodifizierbar sind.

Die Analyse zeigt: In Berufen mit einer ho- hen Routineintensität hat sich die Beschäfti- gung in den beiden letzten Jahrzehnten unter- durchschnittlich entwickelt. Ihr Anteil an der Gesamtbeschäftigung sank von 36 Prozent im Jahr 1996 auf 24 Prozent im Jahr 2015. Stark zu- genommen hat hingegen der Anteil der Beschäf- tigten in hoch qualifizierten Berufen mit gerin- ger Routineintensität, bei denen überwiegend analytische oder interaktive Tätigkeiten ausge- übt werden. Ihr Anteil stieg von 38 Prozent auf

SHUTTERSTOCK

Software-Spezia- listen sind gefragte Arbeitskräfte.

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DIGITALISIERUNG

18 Die Volkswirtschaft  1–2 / 2018

50 Prozent. Bei eher gering qualifizierten Be- rufen mit geringer Routineintensität wie bei- spielsweise Gebäudeelektrikern und Kellnern, bei denen manuelle oder serviceorientierte Tä- tigkeiten charakteristisch sind, stagnierte der Beschäftigungsanteil bei 26 Prozent.

Niveau-, Struktur- und Branchen- effekte

Hinweise auf mögliche Ursachen dieser Ent- wicklungen gibt eine sogenannte Komponen- tenzerlegung. Dazu haben wir die Veränderung der Beschäftigung zwischen 1997 und 2014 zu den drei Faktorgruppen Niveaueffekte, bran- chenübergreifende Struktureffekte und bran- cheninterne Effekte zusammengefasst.

Die Niveaueffekte beinhalten das Wachs- tum der Bevölkerung und der Güternachfrage pro Kopf. Branchenübergreifende Strukturef- fekte umfassen die Veränderung der Zusam- mensetzung der in der Volkswirtschaft nach- gefragten Güter, der Importanteile in den einzelnen Gütergruppen und der Wertschöp- fungstiefe der Branchen. Zu den branchen- internen Effekten gehören schliesslich die Ver- änderung der Arbeitsproduktivität sowie die der Beschäftigungsanteile von Berufsgruppen mit unterschiedlichem Routineprofil innerhalb der Branchen.

Bei den Niveaueffekten zeigt sich, dass die- se in allen untersuchten Berufsgruppen die Be- schäftigung gesteigert haben, wobei das Nach- fragewachstum pro Kopf wichtiger war als das Bevölkerungswachstum (siehe Abbildung 2). Die verschiedenen branchenübergreifenden Struk- tureffekte waren hingegen in allen Gruppen beschäftigungsmindernd. Dies gilt besonders stark für manuelle Routineberufe. Ausschlag- gebend war dabei vor allem, dass sich die Gü- ternachfrage zu Produkten verschoben hat, für die weniger manuelle Routinetätigkeiten benö- tigt werden. Die gestiegene Arbeitsproduktivität hat naturgemäss zu einem Beschäftigungsrück- gang in allen Gruppen geführt – besonders aus- geprägt war dieser in Routineberufen und ser- viceorientierten Nichtroutineberufen. Bei den brancheninternen Effekten zeigten sich ausser- dem deutliche Verlagerungen von routineinten- siven Berufen zu interaktiven Berufen mit ge- ringer Routineintensität.

Technischer Wandel als Treiber

Insgesamt hat die Beschäftigung zwischen 1997 und 2014 deutlich zugenommen, und zwar auch wenn man das Bevölkerungswachstum aus- klammert. Allerdings wäre die Beschäftigung bei den Routineberufen ohne den Bevölke- rungsanstieg deutlich stärker zurückgegangen.

Wichtige Treiber für die oben beschriebenen Entwicklungen waren der technische Wandel, insbesondere die Digitalisierung und die Auto- matisierung, sowie in geringerem Umfang die Globalisierung und die Veränderungen der Gü- ternachfrage infolge des demografischen Wan- dels und veränderter Konsumpräferenzen. Der technische Wandel und die Globalisierung wir- ken dabei über verschiedene Einflusskanäle. So führt der technische Wandel zu einer Abnahme von routineintensiven Berufen, da solche Tätig- keiten von Maschinen übernommen werden.

Gleichzeitig nehmen Nichtroutineberufe zu, da hier die Technologien ergänzend wirken.

Über die Steigerung der Arbeitsproduktivi- tät und die Verlagerung von arbeitsintensiven Tätigkeiten ins Ausland wirken der technische Wandel und die Globalisierung einerseits zwar beschäftigungssenkend. Andererseits sorgen sie indirekt aber für beschäftigungssteigern- Abb. 1: Beschäftigungsentwicklung nach Technologieorientierung und

Wissensintensität (1996–2015)

BFS: BESTA, BZ, STATENT; BERECHNUNG: RÜTTER SOCECO / DIE VOLKSWIRTSCHAFT

Verarbeitendes Gewerbe:     Lowtech       Mediumtech       Hightech     Dienstleistungen:     nicht wissensintensiv       wissensintensiv 175 Index (1996=100)

150

125

100

75

50

1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014

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FOKUS

Die Volkswirtschaft  1–2 / 2018 19 de Wachstumsimpulse. Denn sowohl die Stei-

gerung der Arbeitsproduktivität infolge des technischen Wandels als auch das Offshoring im Rahmen der Globalisierung führen zu einer besseren Wettbewerbsfähigkeit von Schweizer Unternehmen und zu steigenden Realeinkom- men der privaten Haushalte. Dadurch wächst die Wirtschaft.

Insgesamt verlief der Strukturwandel mit einer Geschwindigkeit, die eine Anpas- sung durch Unternehmen und Arbeitskräf- te möglich machte. Zudem erfolgte der Struk- turwandel bei wachsender Bevölkerung und Wirtschaft, was die Bewältigung ebenfalls er- leichterte, da der Rückgang von Branchen, Be- rufen und Qualifikationen im wachsenden Umfeld abgefedert wurde.

Zur erfolgreichen Bewältigung des Struk- turwandels hat unter anderem das sehr gute Aus- und Weiterbildungssystem beigetra- gen, indem es die Qualifikationsstruktur der Arbeitskräfte verbesserte. Hilfreich waren zudem die Innovationskraft und die Wettbe- werbsfähigkeit der Schweizer Unternehmen sowie die guten wirtschaftlichen Rahmen- bedingungen. Die Bewältigung des Struktur-

wandels wurde auch dadurch erleichtert, dass die berufliche Mobilität zwischen Branchen und zwischen Berufen relativ ausgeprägt ist.

Allerdings bleibt der Fachkräftemangel, ins- besondere in technischen und naturwissen- schaftlichen Berufen, im Management und im Gesundheits- und Sozialwesen, eine anhalten- de Herausforderung für Wirtschaft und Poli- tik.

Literatur

Bouchiba-Schaer, S., Weber, B. (2017). Struktur- wandel dank hoch qualifizierten Arbeitskräf- ten gut gemeistert, in: Die Volkswirtschaft, 10/2017: 49–51.

Nathani, C., Hellmüller, P., Rieser, C., Hoff, O., Nesarajah, S. (2017). Ursachen und Auswir- kungen des Strukturwandels im Schweizer Arbeitsmarkt, Schlussbericht an das Staatsse- kretariat für Wirtschaft.

Carsten Nathani Dr. rer. pol., Mitglied der Geschäftsleitung, Rütter Soceco, Rüschlikon

Corina Rieser Projektleiterin, Rütter Soceco, Rüschlikon

Pino Hellmüller Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Rütter Soceco, Rüschlikon

Abb. 2: Beschäftigungsveränderung nach Einflussfaktoren und Tätigkeitsprofil (1997–2014)

Lesebeispiel: Die Be- schäftigtenzahl in Beru- fen mit dem Tätigkeits- profil «Nicht-Routine:

analytisch» ist zwi- schen 1997 und 2014 um 193 000 gestiegen. Das Bevölkerungswachstum hat dazu einen Beitrag von 91 000 Beschäftig- ten geleistet. Die mit dem Wirtschaftswachs- tum gestiegene Güter- nachfrage pro Kopf hat zu einem Zuwachs um 139 000 Beschäftig- te geführt. Wegen der gestiegenen Arbeits- produktivität ist die Zahl der Beschäftigten in dieser Gruppe um 19 000 gesunken.

BFS, SAKE; BERECHNUNG RÜTTER SOCECO

500 Beschäftigte (in 1000 Vollzeitäquivalenten) 400

300 200 100 0 –100 –200

Tätigkeitsprofil der Berufe Gesamtveränderung Bevölkerung

(Niveaueffekte) Güternachfrage

(Niveaueffekte) Struktureffekte Arbeitsproduktivi- tät (brancheninterne

Effekte)

Tätigkeitsanteil (brancheninterne

Effekte)

Nicht-Routine:     analytisch (z. B. Chemiker)       interaktiv (z. B. Führungskräfte)       manuell (z. B. Gebäudeelektriker)       Service (z. B. Kellner) Routine:     kognitiv (z. B. Schreibkräfte)       manuell (z. B. Maschinenschlosser)

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