• Keine Ergebnisse gefunden

Mystische Misteln

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Mystische Misteln"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Trotz einer Vielzahl von Untersuchungen vermögen auch aktuellere Studien eine klinisch relevante Wirksamkeit von Mis- teln im Bereich der Onkologie nicht über- zeugend nachzuweisen. Dennoch wurden 2003 im vertragsärztlichen Bereich ca. 6 Prozent der Ausgaben für onkologische Arzneimittel durch Mistel- verordnungen verursacht.

Die Misteltherapie basiert auf den Theorien der Anthroposophie und findet überwiegend im deutschsprachigen Raum Anwendung.

In Deutschland sind derzeit 6 verschiede- ne Mistelpräparationen (abnovaVISCUM®, Cefalektin®, Eurixor®, Helixor®, Iscador®, Lektinol®) verfügbar. Die zugelassenen on- kologischen Indikationen umfassen die Behandlung und Rezidivprophylaxe „bösar- tiger und gutartiger Geschwulsterkrankun- gen“ und „begleitende Störungen blutbil- dender Organe“ sowie nicht genauer definierte „Präkanzerosen“.

Systematische Übersichtsarbeiten

Drei systematische Übersichtsarbeiten zum Stellenwert von Mistelpräparationen in der Onkologie wurden 1994 und 2003 publi- ziert. Ein 2000 begonnenes Cochrane-Re- view ist noch nicht fertiggestellt. Die beiden aktuelleren Übersichten berücksichtigten Publikationen bis 12/02. Eingeschlossen wurden prospektive, kontrollierte Studien mit klinisch relevanten Endpunkten wie Gesamtüberlebensrate oder tumorfreies Überleben sowie Lebensqualität und Nebenwirkungen. Wesentliche Limitierun- gen erfahren die Ergebnisse durch Fehlen jeglicher Verblindung und wesentlicher sta- tistischer Kennzahlen (z. B. Fallzahlberech- nung) sowie durch inhomogene Patienten- kollektive (differente Neoplasien und Tu- morstadien). In einzelnen Studien finden sich zwar Hinweise, dass Mistelpräparate bei Tumorpatienten die Lebensqualität ver- bessern könnten. Der weiche Endpunkt „Le-

bensqualität“ ist aber ohne adäquate Ver- blindung anfällig für Verzerrungen und deshalb kritisch zu bewerten. Die Mehrheit der Studien entspricht nach Einschätzung der Autoren nicht dem Standard, der heute zum Nachweis einer Wirksamkeit gefordert wird. Ihr Fazit entspricht sich weitgehend und umfasst die Forderung nach Wirksam- keitsbelegen aus methodisch validen kon- trollierten Studien, bevor ein Einsatz von Mistelpräparaten empfohlen werden kann.

Weitere randomisierte, kontrollierte Studien Seit 12/02 wurden vier weitere randomi- sierte, kontrollierte Studien publiziert. Klee- berg et al. (2004) untersuchten an 204 Pa- tienten den Effekt einer 12monatigen Behandlung mit standardisiertem Mistelex- trakt (Iscador M®) im Vergleich zu einer nichtbehandelten Kontrolle bei kurativ ope- rierten Melanom-Patienten mit hohem Re- zidivrisiko (Lymphknoten-positiv oder Tu- mor-Dicke > 3mm). Primärer Endpunkt ist das rezidivfreie Überleben, die Nachbeob- achtungszeit beträgt 8,2 Jahre. Diese me- thodisch valide durchgeführte Studie zeigt keinen signifikanten Einfluss auf das rezi- divfreie Überleben. Semiglasov et al. (2004) prüften doppelblind gegenüber Placebo den Effekt von verschiedenen Dosierungen eines standardisierten Mistelextrakts (Lekti- nol®) bei 272 vorbehandelten Patientinnen mit Mammakarzinom im Stadium II/III. Pri- märer Endpunkt ist die Lebensqualität ge- messen anhand zweier Scores. Eine dosisab- hängige Wirksamkeit des Mistelextrakts lässt sich in den prädefinierten Analysen nicht zeigen. Piao et al. (2004) untersuch- ten an 233 chinesischen Patienten den Ef- fekt einer 6monatigen Behandlung mit standardisiertem Mistelextrakt (Helixor®) zusätzlich zur Standardchemotherapie bei verschiedenen histologisch gesicherten Ne- oplasien (Mamma-, Bronchial- oder Overi- alkarzinom). Die Auswertung erfolgt nur beschreibend ohne Prüfhypothese. Der Extrakt soll die Lebensqualität und die Ver- träglichkeit der Chemotherapie verbessern.

Cazacu et al. (2003) untersuchten an 64 Pa- tienten den Effekt von Isorel®zusätzlich zu Chemotherapie bei Patienten mit Kolonkar- zinom (Stad. DUKES C/D) nach palliativer oder kurativer Operation. Als Kontrolle dienten in der dreiarmigen Studie die Grup-

pen der nur Operierten und nur Chemothe- rapierten. Eine Auswertung wird ebenfalls nur deskriptiv vorgenommen. Danach soll der Mistelextrakt das mediane Überleben nach der Operation verlängern. Auch wegen weiterer grober methodischer Män- gel sind beide letztgenannten Studien nicht als Wirksamkeitsbeleg für den Einsatz von Mistelpräparaten in der Onkologie ge- eignet.

Nebenwirkungen

Die Nebenwirkungen sind meist nicht vital bedrohlich. Dennoch brechen in Studien bis zu 20 Prozent der Patienten die Mistelthe- rapie wegen Nebenwirkungen ab. Rötungen an Einstichstellen treten bei fast jedem zweiten auf. Kopfschmerzen, Myalgien und Fieber sind häufig. Wachstumsfördernde Effekte auf Tumorzellen sind in vitro ge- zeigt und lassen sich im Tierversuch mit Mi- stellektin in therapeutischer Dosis reprodu- zieren. Aus der klinischen Anwendung ist über Hautmetastasen an Injektionsstellen berichtet. Die Anwendung bei Hirn- und Rückenmarks-Tumoren sowie intrakraniel- len Metastasen kann zu Hirndruck führen.

Sie stellen deshalb ebenso wie akute oder chronische Infektionen eine Kontraindika- tion dar.

Zusammenfassung

Zusammenfassend steht trotz einer Vielzahl klinischer Studien zur Misteltherapie in der Onkologie ein überzeugender Wirksam- keitsnachweis weiterhin aus. Grundregeln der Studiendurchführung bzw. des Publizie- rens wie Verblindung, statistische Angaben zur Fallzahlberechnung, Flussdiagramme zur Patientennachverfolgung vermisst der Leser auch in den aktuellen Studien. Zum derzeitigen Zeitpunkt kann der Einsatz von Mistelpräparaten in der Onkologie nur in kontrollierten klinischen Studien befürwor- tet werden.

Literatur bei den Verfassern

Dr. Gerd Burmester, Dr. Hans Wille, Isabel Püntmann,

Institut für Klinische Pharmakologie, Krankenhaus Bremen-Mitte

13

B R E M E R Ä R Z T E J O U R N A L03 05

P H A R M A K O T H E R A P I E

Mystische Misteln

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

und die kürzliche Erkenntnis, dass das bislang einzige – aus einer ran- domisierten Studie stammende – positive Resultat gefälscht ist, be- hindern nun den Einschluss

Rückfahrt mit dem Boot oder Linienbus (je nach Saison) nach Paleochora (nicht im Preis inbegriffen).. Übernachtung im Hotel oder Familienpension in Paleochora T4 • Paleochora

Eine gute Balance zwischen Mass- nahmen umsetzen und ihre Wirkung messen ist für Gesundheitsförderung Schweiz entscheidend.. (2017): Wirkungen

Dabei vermögen die Naturheilverfahren eine entscheiden- de Rolle in Prävention und Gesund- heitserziehung sowie in der Therapie funktioneller Erkrankungen zu spie- len, können

Übersichtsarbeiten zur Studienlage der Homöopathie kommen zu dem Ergebnis: Eine Vielzahl von methodisch hochwertigen kontrollierten (Einzel-) Studien unterstreicht die Wirksamkeit

In diese Bewertungskategorie wurden auch die Proben mit Beschichtung auf Paraffin-Basis aufgenommen, die zwar keine Klebewirkung zeigten, aber deren Prüfblätter nach

Eine Verlängerung der Bearbeitungszeit der Abschlussarbeit ist unter bestimmten Voraussetzungen (s. jeweilige Prüfungsordnung) möglich und muss spätestens 14 Tage vor Ablauf

Plazebokontrollierte Doppelblindstudie mit 108 Patienten mit Halbseitenlähmung nach Schlaganfall (55 mit aktiver rTMS, 53 mit Plazebostimulation) im Schnitt 19 Tage nach