fachen Kausalitätsverhältnissen. Sie ist nicht eben einfach Folge der qua- litativen und quantitativen Merkma- le des Erregers. Das Gesetz wie: viel Arterienstenose gleich viel krank, wenig Arterienstenose gleich weni- ger krank, hat hier keine Gültigkeit.
Hier beginnt die Infektiologie unbe- quem zu werden. In der Tropenme- dizin kommt der notwendige Um- gang mit einer Vielzahl von hier meist unbekannten Erregern hinzu, bei seltenster Konfrontation in unse- ren Breiten.
Organisatorische und strukturel- le Verbesserungen sind anzustreben in der Grundlagenforschung, in der klinischen Forschung und in der Lehre. Da ist zu hören von der Uni- Niersität, wo der Unterricht in Tro- penkrankheiten gemacht wird von demjenigen, der so gut wie kaum je eine behandelt, vom Unterricht in Infektionskrankheiten vorzugsweise dort, wo es keine Patienten gibt, nämlich in der Hygiene. Zu hören ist von dem Krankenhaus, in dem der Tropenmediziner nicht einmal ein Hinsweisschild erhält auf seine Tä- tigkeit, ja von einem Krankenhaus, in dem dem Tropenmediziner die Ein- richtung einer kleinen Tropenmedi- zinischen Ambulanz verwehrt wird durch den Krankenhausträger. Es läßt sich eben alles Unbeliebte ganz einfach vom Halse halten.
Gibt es Folgen? Zu hören ist von einem geschwollenen Hoden bei Mumps, der operiert wird, da nicht an Mumps gedacht wird, zu hören ist von einem Patienten mit Meningitis, der zu Fuß in ein Krankenhaus kommt mit Kopfschmerz und Fieber, bei kleiner Pleozytose mit Penicillin- derivaten und Penicillin behandelt wird, in ein Koma bei tuberkulöser Meningitis verfällt und nach vielen Monaten erst als Krüppel entlassen werden kann. Da wird erzählt von ei- nem schwerst darniederliegenden Patienten mit einer Streptokokken- sepsis. Das Penicillin wird deswegen nicht gegeben, weil es dem Patienten zu schlecht geht. Ein höher potentes Antibiotikum muß herbei: das fal- sche, nämlich der sogenannte Alles- killer, der aber nicht alles kann, wird eingesetzt. Der Patient verstirbt. In wieder einem anderen Krankenhaus wird eine 80jährige Patientin nicht
lumbalpunktiert, weil sie angeblich noch zu wach ist und keine Meningi- tis haben könne. Sie verstirbt an ei- ner Pneumokokken-Meningitis.
Über die unnötigen Malaria-Toten berichten die Zeitungen alljährlich.
Sind das alles nur Episoden des Alltags in Klinik und Praxis, oder ha- ben wir sie als Symptome zu verste- hen? — Tropenmedizin und Infektio- logie bedürfen dringend einer weit intensiveren Zuwendung, beide ste- hen an, zu Entwicklungsgebieten in der Bundesrepublik zu werden. Es wird höchste Zeit. Der Einsatz der Verantwortlichen ist gefordert!
Dr. med. Heinz Vollnberg, Alter Kirchweg 18, 4900 Herford
Unverhältnismäßig großer Einfluß
Es sei ergänzt, daß die Tropen- medizin im weiteren Sinne, oder bes- ser, die Medizin in den Tropen, ge- messen an der Größe des Fachs und den zur Verfügung stehenden Mit- teln, bis in die jüngste Vergangenheit auf die westliche Medizin einen un- verhältnismäßig großen Einfluß aus- geübt hat.
Ein Beispel unter vielen ist dafür das in Ostafrika Ende der 50er Jahre von einem Chirurgen erstmalig be- schriebene und heute nach ihm be- nannte Burkitt-Lymphom, eine Ent- deckung, die in der Folgezeit die Entwicklung der Onkologie und auch benachbarter Disziplinen ent- scheidend beeinflußte (1). Es ist da- her in unserem eigenen Interesse, daß wir selber kontinuierlich und in der Zukunft wieder in verstärktem Maße in den Tropen ärztlich tätig sind ungeachtet ökonomisch oft un- stabiler Verhältnisse. Unterlassen wir dies, so fügen wir unserer eige- nen Medizin schweren Schaden zu.
PD Dr. med. R. Schmauz, Insti- tut für Pathologie, Kreiskranken- haus, 5270 Gummersbach.
(1) Burkitt's lymphoma: a human cancer model. Hrsg. G. M. Lenoir, G. T. O'Conor, C. L.
M. Olweny, IARC Scientific Publications No. 60, International Agency for Research an Cancer, Lyon 1985.
Schlußwort
Dem Kollegen Vollenberg ist zu- zustimmen. Es ist in den vergange- nen Jahren im scheinbaren Vollbe- sitz der antibiotischen Macht nicht nur die Tropenmedizin, sondern auch die Infektiologie insbesondere in der Lehre auf der Strecke geblie- ben. Dies führt in der Tat zu unver- antwortlichen Defiziten im ärzt- lichen Handeln. Das gleiche gilt für so wesentliche Fächer der Gesund- heitslehre wie Ernährungslehre, Prä- ventivmedizin oder Sozialmedizin und Epidemiologie. Der Ruf nach ei- ner „School of Public Health", jüngst im DA aufgegriffen, und nach einer bevölkerungsbezogenen Gesund- heitsforschung, wird immer dringen- der.
Daß unsere westliche Medizin von den wissenschaftlichen und praktischen Erkenntnissen der Me- dizin in den Tropen profitiert, be- trifft nicht nur das Fach Onkologie, wie Kollege Schmauz am Beispiel des Burkitt-Lymphoms aufzeigt.
Orale Rehydrierung bei Säuglings- durchfällen oder die Renaissance des Bruststillens sind weitere Bei- spiele, ebenso wie gesundheitspoliti- sche Initiativen aus der Dritten Welt zu einer verbesserten Primären Gesundheitspflege. Die internatio- nale Diskussion um Prioritäten in der Gesundheits- und medizinischen Forschung, die bisher an der Bun- desrepublik Deutschland weitge- hend vorbeigeht und bestenfalls aus Kostengründen geführt wird, ver- danken wir den Entwicklungslän- dern.
Herrn Kollegen Spyra ist wirk- lich zu raten, nicht in die Tropen zu reisen, nur so kann er der Bevölke- rungsexplosion oder der Kriminalität entgehen. Diese von ihm in die Kate- gorie der Tropenkrankheiten verwie- senen Probleme haben Ursachen, die, wie so viele andere Gesundheits- probleme im weiteren Sinn des Wor- tes, nicht mit medizinischen Maß- nahmen zu lösen sind.
Prof. Dr. med.
Klaus Jochen, Diesfeld A-1520 (36) Dt. Ärztebl. 87, Heft 19, 10. Mai 1990