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Archiv "Das Auge bei metabolischen Störungen" (08.01.1976)

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Das Auge

bei metabolischen Störungen

Jiri gvejcar

Die immer mehr klinisch orientierte Humangenetik untersucht nicht nur die Art der Vererbung, sondern auch ihr Wesen. Ein therapeuti- sches Eingreifen in die pathogenetische Kette scheint reellere Aus- sichten zu haben als eine direkte Einwirkung auf die Gene selbst.

Die genetischen Defekte in der Augenheilkunde umfassen ein brei- tes Spektrum von der Rotgrünblindheit über die Retinopathien, Ka- tarakte, Pigmentstörungen und Speicherkrankheiten bis zu Defek- ten des Bindegewebes. Die moderne Biochemie vermag es, die Mechanismen der Erbfehler in den differenzierten Geweben des Au- ges zu lokalisieren.

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin ÜBERSICHTSAUFSATZ

Im Jahre 1798 untersuchte Dalton als erster die Farbsinnstörungen mit wissenschaftlichen Methoden;

er selbst und zwei seiner Brüder waren rotgrünblind — daher auch die Bezeichnung „Daltonismus".

Nach dem für die Hämophilie auf- gestellten Gesetz wurde fast hun- dert Jahre später die Gültigkeit der X,-chromosomalen rezessiven Verer- bung erkannt, im Prinzip die Über- tragung vom Großvater über die Tochter-Konduktorin auf den En- kel. Mit einer Häufigkeit von acht Prozent bei europäischen Männern ist die Rotgrünblindheit das ver- breitetste Beispiel einer wahr- scheinlich metabolischen Störung des Auges. Bekanntlich lassen sich die Betroffenen in vier Gruppen mit verschiedenem Grad der Rotblind- heit — Protanopie und Protanoma- lie — und der Grünblindheit — Deuteranomalie und Deuteranopie unterteilen. Aus der Häufigkeit der einzelnen Typen beim Mann lassen sich die Häufigkeiten bei der Frau mit 0,64 Prozent errechnen; die tat- sächliche Häufigkeit ist mit 0,41 Prozent jedoch niedriger. Um diese Differenz zu erklären, hat Waaler 1927 die Hypothese aufgestellt, daß die Gene für die Protan- und Deu- tanstörungen keine Allele sind, son-

dern zwei verschiedene Loci dar- stellen. 40 Jahre später revidierte er auf Grund von Nachuntersu- chungen seines Patientengutes und auf Grund neuer molekularbio- logischer Erkenntnisse seine Hypo- these, daß für die Rotgrünblindheit zwei verschiedene Mutationen in- nerhalb desselben Gens verant- wortlich seien. Die postulierten Mu- tationsereignisse lokalisiert er in den Eiweißteil des lichtempfindli- chen Pigments der Retina — das Opsin. Die molekulare Verände- rung bewirke dann die Bindung ei- nes unterschiedlich konfigurierten prosthetischen Teils — des Reti- nens. Der endgültige Beweis des biochemischen Defekts bei der Rotgrünblindheit der Retina läßt noch auf sich warten.

In den folgenden Ausführungen bleibt die diabetische Retinopathie unbeachtet. Hier liegt zwar wirklich eine allgemeine metabolische Stö- rung vor, bei der jedoch weder die Genetik noch die Pathophysiologie genügend geklärt sind. Nun zu den in ihren klinischen, biochemischen und genetischen Eigenschaften deutlich ausgeprägten Krankheits- bildern. Der Facharzt erlebt sie nur selten und der praktische Arzt

überhaupt nur rein zufällig. Um so mehr gilt das Gebot, an die Mög- lichkeit einer metabolischen Stö- rung zu denken. Die praktischen Konsequenzen einer frühen und richtigen Diagnose sind wegen der dann möglichen individuellen ge- netischen Beratung nicht zu über- schätzen.

Abbaustörungen der komplexen Li- pide, vor allem der Gangloiside und Sphingomyeline, haben unter dem gemeinsamen Namen der amaurotischen Idiotien den cha- rakteristischen Befund eines kirsch- roten, rundlichen Flecks am Augenhintergrund in der Gegend der Macula lutea. An der Stelle des gelben Flecks findet sich ein grö- ßerer, grauweißer oder graugrüner, runder Bezirk, der durch eine Lipo- idspeicherung in den dicht ge- stellten Ganglienzellen zustande kommt. Der rote Fleck im Zentrum erklärt sich aus dem Durchschei- nen der Chorioridea. Bei der Nie- mann-Pickschen Krankheit variiert der Schweregrad offenbar sehr stark, um so dramatischer ist der Verlauf der verschiedenen Typen der Tay-Sachsschen Krankheit.

Normal tritt ein Fall unter einer hal- ben Million Neugeborener auf; bei den Aschkenazy-Juden dagegen bereits unter 6000 Neugeborenen.

Diese wahrscheinlich wegen der über Generationen anhaltenden In- zucht in den osteuropäischen Ge- bieten entstandene Häufung des mutierten Gens, löste in den USA gesundheitspolitische Maßnahmen großen Stils aus, mit Erfassung der

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

Genetische Defekte des Auges

Heterozygoten, mit gezielter gene- tischer Beratung und mit pränata- ler Diagnose.

Als nächster Teil des Auges soll die Linse besprochen werden.

Trotz der häufigen und verschiede- nen Formen der genetischen Kata- rakte wissen wir nur wenig über den biochemischen Vorgang und demnach auch über die kausale Beziehung zu dem mutierten Gen.

Bestes untersuchtes Beispiel ist die Galaktosämie. Die Linse be- steht aus einem besonderen Ei- weiß, dem Alpha-Kristallin, einge- schlossen in eine bindegewebsarti- ge Kapsel. Bei experimenteller

Fütterung von 40 bis 50 Prozent ga- laktosehaltiger Diät an eben abge- stillte Ratten entstehen bei den Jungtieren innerhalb von zwei bis drei Wochen Katarakte. Das ange- häufte Nebenprodukt des Galakto- se-Stoffwechsels das Galaktitol, bindet Wasser und verursacht rasch eine Trübung der sonst was- serklaren Linsensubstanz. Galakto- se ist neben Glukose Baustein des Milchzuckers Laktose. Der Säug- ling mit einem genetischen Mangel an dem Enzym Galaktose-1-Phos- phat-Uridyltransferase kann die angebotene Galaktose nicht verar- beiten. Das durch Reduktion ent- stehende Galaktitol führt dann ver- mutlich zur Starbildung. Die Kata- rakt bei Galaktosämie entsteht be- reits in den ersten Lebenstagen, wird jedoch meistens erst zwi- schen der vierten und der siebten Woche erkannt. Es handelt sich um eine Trübung der tieferen Linsen- zonen, die entweder einer diffusen Kernkatarakt oder einer Zonularka- tarakt zu entsprechen scheint — ein öltropfähnliches Aussehen wird beschrieben. Eine Einschränkung der Galaktosezufuhr muß mögli- cherweise bereits für die Mutter während der Schwangerschaft er- folgen, um außerdem die Entste- hung eines Schwachsinns beim Kind zu verhindern. Die Häufigkeit des Defekts wird mit etwa eins auf 40 000 Neugeborene angegeben, mit einer Häufigkeit der Heterozy- gotenträger von ein Prozent.

Schwachsinn und Katarakte mit ei- ner renalen Aminoazidurie charak-

terisieren auch das okulo-zerebro- renale Lowe-Syndrom. Bei diesem sind der Entstehungsmechanismus und die genetische Frage nicht ge- sichert; möglicherweise liegt ei- ne X-chromosomale Vererbung vor.

Die Galaktosämie als Ursache ei- ner Katarakt stellt heute bereits ein klassisches Beispiel eines metabo- lisch-genetischen Defekts dar. Die vermutliche Genmutation führt zu einer labortechnisch feststellbaren Abwesenheit der Aktivität eines En- zyms, auf die wiederum die klini- sche Symptomatik zurückgeführt werden kann. Bei Geschwistern be- steht ein Erkrankungsrisiko von 25 Prozent und bei beiden nicht er- krankten Eltern sind im Einklang mit der autosomal rezessiven Ver- erbung etwa auf 50 Prozent herab- gesetzte Aktivitäten des Enzyms nachweisbar. Nur eine erhöhte Blutsverwandtschaftsrate, die für die Wahrscheinlichkeit des Zusam- mentreffens solcher seltenen Mu- tationen gefordert wird, fehlte in den meisten Fällen. Es sieht so aus, als ob auch verschiedene Mu- tationen am gleichen Gen im ho- mozygoten Zusammentreffen zur vollen Manifestation führen könn- ten. Ein ähnliches Beispiel ist auch bei den weiter erwähnten Mukopo- lysaccharidosen bekannt gewor- den.

Als Beispiel für die Beziehung zwi- schen einem Gen und einem Wirk- stoff in Form eines Enzyms und ebenso für die engeren Beziehun- gen zwischen Krankheit, Verer- bung und einem abnormen chemi- schen Befund hat zuerst Garrod 1908 in England den Albinismus herangezogen. Die okulo-kutane, autosomal-rezessiv vererbte Form des Albinismus ist in allen Rassen durch einen Mangel an Melaninpig- ment in den Haaren, in der Haut und in den Augen gekennzeichnet.

Bei Inkubation von Haarwurzeln solcher Menschen in einer tyrosin- haltigen Lösung bilden sich bei ei- nem Teil der Patienten tyrosinase- positive Melaningranula — dies bei einer Häufigkeit von eins zu 60 000 bei Europiden und eins zu 14 000 bei Negern. Bei anderen Teilen der Patientengruppen

kommt es zu keiner Melaninbil- dung; die Häufigkeit dieser Form beträgt eins zu 36 000 beziehungs- weise eins zu 34 000 bei den bei- den erwähnten Rassen. Das Seh- vermögen ist in beiden Fällen her- abgesetzt. Die Retina enthält kein Pigment und reflektiert rötlich. Die Augenfarbe reicht von Grau zu Blau, bei der Tyrosinase-positiven Form kommt mit steigendem Alter ein gewisses Nachdunkeln vor.

Nystagmus, Durchsichtigkeit der Iris und Photophobie gehören zum Augenbild. Bei der X-chromosomal erblichen okulären Form des Albi- nismus kann die Verfärbung des Fundus bei den Konduktorinnen mosaikartig sein, im Sinne der zu- fallsmäßigen Aktivität des X-Chro- mosoms gemäß der Lyon-Hypothe- se.

Ein Mangel an Melanin kann sich im Verlauf einer anderen Krankheit entwickeln, die ähnlich wie der Al- binismus auf einem einzigen Gen- defekt beruht: bei der Phenyl- ketonurie. Zum Glück ist diese Form des metabolisch-genetischen Schwachsinns heute bereits einer erfolgreichen Behandlung zugäng- lich. Bei einer Häufigkeit bis zu eins auf 6000 Neugeborene — bei den Aschkenazy-Juden ist sie sehr sel- ten — wurde in vielen zivilisierten Ländern ein Massen-Screening der Neugeborenen aufgebaut und wird durch eine Diätbehandlung mit hochgradiger Einschränkung der Aminosäure Phenylalanin bis zum achten Lebensjahr eine Hirnschä- digung vermieden. Der metaboli- sche Block entsteht durch die feh- lende Aktivität des Enzyms Phenyl- alaninhydroxylase, das in der menschlichen Leber den Abbau des Phenylalanins über die Amino- säure Tyrosin einleitet. Der Block führt einerseits zum Erscheinen ei- nes metabolischen Nebenweges, dessen Produkte auf noch unbe- kannte Art für die Pathologie wahr- scheinlich verantwortlich sind und im Urin vor allem als Phenylbrenz- traubensäure vorkommen. Anderer- seits sinkt der Serumspiegel des Tyrosins und führt eine mangelnde Bildung des Pigments Melanin zu albinotischen Symptomen.

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

Mit den nächsten beiden geneti- schen Stoffwechseldefekten sind sichtbare und diagnostisch wichti- ge Ablagerungen einmal von orga- nischen und zum anderen von an- organischen Kristallen in den Au- gengeweben verbunden. Die Cysti- nosis ist ein autosomal rezessiv ver- erbter Stoffwechseldefekt. Infolge einer nicht geklärten Abbaustörung der schwer löslichen Aminosäure Cystin lagern sich mikro- und ma- kroskopisch sichtbare Cystinkri- stalle in der Hornhaut und in der Bindehaut des Auges und in ver- schiedenen anderen Geweben ab.

Gefährlich ist die Nephropathie der malignen Form, die als eine Ursa- che des Fanconi-Syndroms mit al- len seinen Konsequenzen in Er- scheinung tritt. Photophobie ent- wickelt sich früh im Leben. Eine Retinopathie gehört zur nephropa- thischen malignen Form.

Oft stellt der Augenarzt die Diagno- se: Bei der benignen Form ist sein Untersuchungsbefund ausschlagge- bend. Gesunde heterozygote Träger des Gens haben in ihren Leukozy- ten und Fibroblasten fünf- bis sechs- mal höhere Cystinkonzentrationen.

Der grünliche Kayser-Fleischer- sche Ring in der Descemetschen Membran der Kornea kennzeichnet die Ablagerung von Kupfer als Teil- symptom der hepatolentikulären Degeneration der Wilsonschen Krankheit. Unbehandelt ver- schlechtern sich die neurologische Symptomatik und die Leberzirrho- se immer mehr. Erst die Behand- lung mit kupferbindendem D-Peni- cillamin brachte eine Wende in der Prognose, eine rechtzeitige Dia- gnose ist seitdem entscheidend.

Das Alter der manifesten Erkran- kung liegt zwischen dem sechsten und dem 50. Lebensjahr.

Das Auge ist jedoch nicht nur ana- tomisch und physiologisch ein

höchst raffiniertes Organ, sondern bietet dem Biochemiker viel Inter- essantes. Der Bulbus und seine Strukturen entsprechen mit nur zwei Ausnahmen, und zwar des Nervengewebes von Fundus und

der Linse, verschiedenen Arten von mehrere Krankheitstypen einteilen, Bindegewebe. Für den Biochemi- je nachdem, ob die Überdehnbar- ker enthält das Auge dabei die ver- keit der Haut, der Gelenke oder die schiedensten chemischen Kompo- Verletzlichkeit der Gefäße im Vor- nenten des Bindegewebes, seine dergrund steht. Uns dürfte hier der einzelnen Teile sind aus unter- Typ VI interessieren, das heißt die schiedlichen Kombinationen dieser Kombination einer schweren Sko- Bestandteile aufgebaut. liose und einer Augenfragilität mit

Sklera- oder Kornearuptur, sowie Vor allem besitzen sie die einma- eine Ablatio retinae nach nur klei- lige Eigenschaft der absoluten nen Traumen. Im Kollagen dieser Durchsichtigkeit, darüber hinaus Patienten fehlt auf Grund des Man- zeichnen sie sich durch Festigkeit gels einer Hydroxylase die Amino- und Elastizität aus. säure Hydroxylysin. Dadurch wird

die Querverletzung der Kollagen- Im Glaskörper wurde die Hyaluron- moleküle zur festen Kollagenfaser säure — ein nichtsulfatiertes, sau- behindert. Die Homozystinurie be- res Mukopolysaccharid — erstmals ruht auf einem genetischen Stoff- entdeckt, etwas später fand man wechselblock im Abbau der Amino- sie in der Nabelschnur. Sie bildet säure Methionin. Hochwuchs mit nur 0,02 Prozent des Gesamtge- überlangen Röhrenknochen, Spin- wichts des Glaskörpers, hat ein nengliedrigkeit, Gefäßthrombosen Molekulargewicht von 1,7 Millionen und Osteoporose gesellen sich zu und eine lineare, nicht verzweigte dem Augenbefund einer Linsenek- Struktur. Die Endform ihres Mole- topie, die durch Myopie, Glaukom küls ist kugelförmig mit der Fähig- und Ablatio retinae kompliziert keit, das eigene Volumen mit Was- sein kann. Die Symptomatik ist ser auf etwa das Tausendfache aus- ähnlich dem Marfan-Syndrom, bei zudehnen. Die Lösungen der Hya- dem auch noch eine Überstreck- luronsäure sind sehr viskös und barkeit der Gelenke vorliegt. Die elastisch; mit sinkender Konzentra- Vererbung der Homozystinurie ist tion sinkt aber die Viskosität sehr autosomal rezessiv; es besteht ein rasch. Sie wirkt als Molekularsieb Enzymdefekt. Die Vererbung des und duldet nur Makromoleküle be- Marfan-Syndroms ist autosomal stimmter Größe in ihrem Netzsy- dominant; ein vermuteter Struktur- stern. defekt des Kollagens ist noch nicht

geklärt. Man weiß nur, daß ein grö- Der Bulbus selbst ähnelt in seiner ßerer Teil des Kollagens löslich Zusammensetzung den anderen bleibt, als das sonst üblich ist. We- Typen von straffem Bindegewebe, gen der hierdurch verminderten wie sie in der Haut, den Sehnen, Festigkeit des Bindegewebes ist den Gefäßen, Bändern und Gelenk- bei beiden Syndromen eine Linsen- kapseln zu finden sind. Hauptbe- ektopie die Folge. Nur: beim Mar- standteile sind das Eiweiß Kollagen fan-Syndrom wird die Linse gleich und die sulfatierten Mukopolysac- ab Geburt nach oben und hinten charide, von diesen vor allem das luxiert, es entsteht sehr bald eine Dermatansulfat. Die Vermutung lag Aphakie, während sie bei Homozy- schon lange nahe, daß es sich bei stinurie erst während der Kindheit bestimmten erblichen Defekten des nach unten absinkt. Besonders be- Binde- und Stützgewebes um Ab- troffen scheint die Entwicklung der weichungen in der Kollagenstruk- Zonula Zinnii zu sein. Meßbar tur handelte. Die bedeutendsten dünnere Fasern weist das Kolla- Vertreter dieser Krankheitsgruppe gen bei der Osteogenesis imper- sind das Marfan-Syndrom, das Eh- fecta auf. Die Symptomentrias die- lers-Danlos-Syndrom, die Osteoge- ser Krankheit besteht aus blauen nesis imperfecta und die Homozy- Skleren, Knochenbrüchigkeit und stinurie. Das Ehlers-Danlos-Syn- Hörschäden.

drom, auch Hyperelastosis cutis

genannt, mit einem autosomal do- Für den regelrechten Ablauf der minanten Erbgang, läßt sich in Quervernetzungsreaktionen des

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 2 vom 8. Januar 1976 65

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

Genetische Defekte des Auges

Kollagens sind Eisen und Kupfer erforderlich, für die MPS-Synthese Mangan. Die durchsichtige avasku- läre Kornea besteht anatomisch — von außen nach innen gesehen — aus fünf Schichten: Epithel, Bow- manische Membran (modifiziertes Stroma), Stroma, Descemetsche Membran (modifizierte Basalmem- bran) und Endothel. Die sauren Mukopolysaccharide der Hornhaut bestehen zu 50 Prozent aus Kera- tansulfat, zu 45 Prozent aus Chon- droitin und zu fünf Prozent aus Chondroitin-4-Sulfat. Den größten Bestandteil bildet auch hier das Ei- weiß Kollagen.

Elektronenmikroskopische Studien der Hornhautstruktur haben eine strenge Ordnung in der Aneinan- derreihung der Kollagenfasern mit den Mukopolysaccharidmolekülen gezeigt. Sie bedingt die optischen Eigenschaften der Kornea. Sowohl der Durchmesser als auch die An- ordnung der Kollagenfibrillen, die man mit einer Dachziegelstruktur verglichen hat, werden bereits während der Embryonalentwick-

lung festgelegt und dürften für die Durchsichtigkeit ausschlaggebend sein.

Das Keratansulfatmolekül unter- scheidet sich von den anderen

Mukopolysacchariden durch seine stabähnliche schwer biegsame Form und ähnelt in seiner Zusam- mensetzung den Glykoproteinen der Innen- und Außenmembran der Hornhaut, die wahrscheinlich für die immunologische Spezifität die- ser Gewebe verantwortlich sind.

Beim Korneaödem sinkt der Gehalt an Mukopolysacchariden.

Eine erfolgreiche Keratoplastik ist durch ein normales Mukopoly- saccharidmuster gekennzeichnet;

kommt es zur Störung der Trans- parenz, dann wird vermindert Kera- tansulfat gefunden; eine Narbe ent- hält das in der Kornea sonst nicht übliche Dermatansulfat.

Zur Trübung der Kornea können aber auch generalisierte geneti- sche Stoffwechselstörungen füh-

ren, so ist eine Hornhauttrübung häufig Symptom für eine Mukopoly- saccharidose. Die Pathogenese dieser Gruppe von genetisch be- dingten Enzymdefekten im Abbau der Bindegewebsmukopolysaccha- ride konnte in den letzten Jahren weitgehend mit Hilfe der. kultivier- ten Hautfibroblasten aufgeschlüs- selt werden.

Eine Speicherung der verschiede- nen Mukopolysaccharidtypen ist die Folge von Enzymdefekten, die auch sonst noch mit einer vielfältigen klinischen Symptomatik verbunden sind, unter anderem mit der Hur- lerschen Fazies, mit einer genera- lisierten Knochendysplasie, mit pro- gressivem Schwachsinn, mit Hyper- trophie innerer Organe und mit Be- hinderung der Sinnesorgane. Eine Hornhauttrübung entwickelt sich zum Beispiel bereits früh bei Typ I, dem Hurler-Syndrom; der Typ V, die Scheiesche Krankheit oder Spät-Hurler, ist nach diesem Symptom überhaupt begrenzt wor- den.

Hornhauttrübung findet sich auch beim skeletalen Typ VI Maroteaux- Lamy ohne Schwachsinn und ebenfalls beim Typ IV, dem Mor- quio-Syndrom. Sie ist, einige alt ge- wordene Patienten ausgenommen, diagnostisch abwesend beim Typ III Sanfilippo mit schwerem Schwach- sinn und beim einzigen — zum Un- terschied von der autosomal rezes- siven Vererbung der übrigen — X- chromosomal vererbten — Typ II Hunter. Vom biochemischen Ge- sichtspunkt her sollte vermerkt werden, daß die Hornhauttrübung bei der Mukopolysaccharidose durch Ablagerung der nicht abge- bauten Mukopolysaccharide ent- steht, wobei das Dermatansulfat oder die Knorpel-Mukopolysac- charide nicht abgebaut werden können. Stoffwechselblocks im Ab- bau des Heparansulfats, die bei den Typen Sanfilippo und Hunter im Vordergrund stehen, haben meist keine Hornhauttrübung zur Folge. Die Speicherungen können allerdings auch die übrigen Augen- strukturen betreffen, vor allem die Retina.

(Referat eines Vortrages, gehalten im Rahmen einer Veranstaltung der Hessischen Akademie für ärztliche Fortbildung in Bad Nauheim.)

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med. J. ''vejcar Institut für Humangenetik im Klinikum der

J.-W.-Goethe-Universität (Geschäftsführender

Direktor: Professor Dr. med.

K.-H. Degenhardt) 6 Frankfurt am Main Paul-Ehrlich-Straße 41

ECHO

Zu: Entwicklung und Verlauf des operierten Mammakarzinoms von Dr. med. Bodo Hinningsen in Heft 35/1975, Seite 2401

Konservative Brustkrebschirurgie

„Gegen die pauschale An- wendung von weniger radika- len Eingriffen bei Brustkrebs- operationen hat sich B.

Henningsen von der Chirurgi- schen Universitätsklinik Hei- delberg gewandt. In einem Beitrag im DEUTSCHEN ÄRZTEBLATT (35/75, S. 2401) schreibt Henningsen, daß noch keine statistisch ein- wandfreien Untersuchungen vorliegen, die die Gleichwer- tigkeit oder gar Überlegen- heit von weniger radikalen Eingriffen beweisen. Da die radikale Brustoperation, bei der die Achselhöhlen ausge- räumt und der Brustmuskel entfernt wird, für die Behand- lung der fortgeschrittenen Brustkrebse entwickelt wur- de, ist allerdings die Frage berechtigt, ob die jetzt früh- zeitigere Erkennung der Tu- moren eine Änderung der Operationstechnik erlaubt."

(R. F., Frankfurter Allgemeine Zeitung)

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Referenzen

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