• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Mortalität von Aussiedlern aus der ehemaligen Sowjetunion – Ergebnisse einer Kohortenstudie: Inhomogene Gruppe" (14.09.2007)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Mortalität von Aussiedlern aus der ehemaligen Sowjetunion – Ergebnisse einer Kohortenstudie: Inhomogene Gruppe" (14.09.2007)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 37⏐⏐14. September 2007 A2511

M E D I Z I N

Hohe psychiatrische Morbidität bei Spätaussiedlern

Gleichwohl sogenannte „Spätaussiedler“ die größte Migrantengruppe in Deutschland bilden, existieren bislang tatsächlich kaum wissenschaftlich fundierte Daten zu Morbidität und psychosozialen Problemen speziell dieser Migrantengruppe (1), weswegen die vorliegende, methodisch gute und aufwendige Studie der Heidelberger Arbeitsgruppe besondere Beachtung verdient.

Das Ergebnis einer im Vergleich zur deutschen Be- völkerung signifikant höheren Rate an nicht natürli- chen Todesursachen bei osteuropäischen, mehrheit- lich aus der ehemaligen Sowjetunion stammenden Männern, verlangt nach einer Erklärung. Eine Migra- tion gilt als einschneidende Lebensveränderung und ist ein Risikofaktor für eine erhöhte Gefährdung der seelischen Gesundheit. So weisen auch die Ergebnisse der vorliegenden Studie auf eine überproportional ho- he psychiatrische Morbidität bei osteuropäischen Spätaussiedlern hin. Dafür spricht das um 70 bis 400 % erhöhte Risiko für sogenannte „andere, nicht natürliche Todesursachen“ und/oder „Verhaltens- störungen durch den Gebrauch psychoaktiver Sub- stanzen (Drogen)“. Insbesondere die aus der anglo- amerikanischen Literatur unter dem Begriff „Dual Diagnosis“ bekannte Komorbidität einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis mit einer Sucht- erkrankung soll bei Spätaussiedlern aus der ehemali- gen Sowjetunion häufig auftreten (2). Darüber hinaus berichten Studien über das gehäufte Auftreten von de- pressiven Erkrankungen, Anpassungstörungen und somatoformen Störungen bei Spätaussiedlern (3). Vor dem Hintergrund, dass depressive Erkrankungen ähn- lich wie Adipositas, Fettstoffwechselstörungen, Be- wegungsmangel, Rauchen und Diabetes einen weite- ren signifikant unabhängigen Risikofaktor für eine höhere kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität darstellen, ist die in der vorliegenden Studie gefunde- ne, im Vergleich zur deutschen Bevölkerung tendenzi- ell eher niedrige Herz-Kreislauf-Mortalität nicht zu- letzt unter Berücksichtigung der langen Follow-up- Zeitspanne von 12 Jahren sicher überraschend.

LITERATUR

1. Kornischka J: Psychische Störungen bei Spätaussiedlern. Kranken- hauspsychiatrie 1998; 8: 141–5.

2. Kitschfeld K, Novokov J, Wall E: Migranten aus der früheren So- wjetunion in stationärer Behandlung einer psychiatrischen Klinik in Hamburg. In: Heise T (Hrsg.):Transkulturelle Beratung, Psychothe- rapie und Psychiatrie in Deutschland. Berlin, VWB, 2002 (2. Aufla- ge): 189–99.

3. Kornischka J, Assion HJ, Ziegenbein M, Agelink MW: Psychosoziale Belastungsfaktoren und psychische Erkrankungen bei Spätaus- siedlern. Psychiatrische Praxis 2007; Heft 7.

Dr. med. Jürgen Kornischka PD Dr. med. Marcus W. Agelink

Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie & Psychosomatik Klinikum Herford

Akademisches Lehrkrankenhaus der MHH Schwarzenmoorstraße 70

32049 Herford

E-Mail:agelink@klinikum-herford.de

Inhomogene Gruppe

Zuerst über mich: Ich habe 6 Jahre Medizin in der ehe- maligen UdSSR studiert, betreue jedes Quartal bis zu 160 deutsche und jüdische Aussiedler, habe auch pri- vate Kontakte und kenne die Lebensweise sehr gut.

Sie behaupten, dass die Mortalität bei den Aussied- lern niedriger ist als bei Deutschen. Meiner Meinung nach sind Ihre Schlussfolgerungen falsch und können so nicht stehen bleiben. Die Aussiedler sind deutlich jünger, wie Sie selber angeben und der Lebensbaum auch eindrucksvoll zeigt. In Tabelle 3 verwenden Sie die zu erwartene Sterbehäufigkeit berechnet anhand der deutschen Population, die aber deutlich älter ist!

Kein Wort über das Sterbealter. Hier wäre ein Ver- gleich notwendig. Die Aussiedler leiden zu geschätzt 90 % an Helicobacter-Infektionen mit allen mögli- chen Komplikationen. Laut Ihrer Statistik starb nie- mand an Magenbluten, Magendurchbruch, akuter Pankreatitis (meistens alkoholbedingt). Dies kann ich nicht glauben.

Die Russlanddeutschen sind genauso inhomogen wie wir Deutschen. Dies sollte bei Subgruppenanaly- sen berücksichtigt werden. Als Beispiel sei die seit über 100 Jahren bekannte erhöhte Suizidrate in Sach- sen genannt.

Mein Fazit: In der jüngeren Gruppe der Aussiedler ist die Mortalität zwar geringer als bei uns Deutschen, aber diese Aussiedler sterben jünger!

Dr. Andreas Herzfeld Lützner Straße 195 04209 Leipzig

Schlusswort

Wir bedanken uns bei Herrn Dr. Jürgen Kornischka und Herrn PD Dr. Marcus W. Agelink für ihre positi- ven Kommentare und den Hinweisen zu ihren psy- chiatrischen Arbeiten zu der Thematik. Wir hoffen, in den nächsten Jahren weiter zu der Erklärung der über- raschenden Befunde zu Herz-Kreislauf-Krankheiten beitragen zu können.

zu dem Beitrag

Mortalität von Aussiedlern aus der ehemaligen Sowjetunion: Ergebnisse einer Kohortenstudie

von Prof. Dr. rer. nat. Heiko Becher, Prof. Dr. med. Oliver Razum,

Dr. sc. hum. Catherine Kyobutungi, Dr. med. Judit Laki, Dipl. Soz. Jördis Jennifer Ott, Dr. med. Ulrich Ronellenfitsch, Dipl. Biol. Volker Winkler, in Heft 23/2007

DISKUSSION

(2)

A2512 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 37⏐⏐14. September 2007

M E D I Z I N

Die Kritik von Herrn Dr. Herzfeld ist nicht zutreffend und basiert auf einem Missverständnis bei der Analyse epidemiologischer Kohortenstudien. In der Tat sind die Aussiedler, die wir untersucht haben, im Durchschnitt jünger als die deutsche Bevölkerung. Dies wird aber selbstverständlich bei der Analyse berücksichtigt. Das in der Tabelle 3 des Artikels angegebene SMR (standar- disiertes Mortalitätsverhältnis) ist eine übliche Maßzahl in der Epidemiologie, bei der die Anzahl der beobachte- ten Todesfälle einer Krankheit (nehmen wir als Beispiel Magenkrebs, also bei Männern 26) durch die Anzahl geteilt wird, die man in dieser Kohorte erwarten würde, wenn die alterspezifische Mortalitätsrate für diese To- desursache dieselbe wären wie in der deutschen Bevöl- kerung. Man kann es sich so vorstellen, dass man eine gleich große Stichprobe aus der deutschen Bevölke- rung, welche die gleiche (!) Altersverteilung hat wie die Aussiedlerkohorte, für einen gleich langen Zeitraum be- obachtet. Wenn man das täte, würde man im Mittel nur 18,5 männliche Magenkrebstodesfälle erwarten. Das SMR für Magenkrebs ist damit 26/18,5 = 1,41.

Die erwähnte erhöhte Rate der Helicobacter-pylori- Infektionen bei Aussiedlern ist vermutlich einer der Gründe für die erhöhte Mortalität bei diesem Tumor.

Ernährungsfaktoren kommen wahrscheinlich hinzu.

Aus Platzgründen sind in Tabelle 3 beziehungswei- se im Text nicht alle möglichen Todesursachen disku- tiert und aufgeführt. Insgesamt wurden 940 Todesfäl- le bei Männern und 865 bei Frauen beobachtet. Der Rest der nicht näher betrachteten Todesfälle teilt sich unter allen anderen Todesursachen auf, darunter auch die erwähnten Krankheiten gastrointestinale Blutung (K92.2), Magenulkusperforation (K25.5) und akute Pankreatitis (K85). Hier beobachteten wir 7, 1, und 4 Todesfälle.

Einig sind wir uns mit allen Leserbriefschreibern, dass weiterhin ein großer Bedarf nach neuen Studien besteht, um Höhe und Muster der Mortalität unter den 4,1 Millionen Aussiedlern und Spätaussiedlern, die seit 1950 nach Deutschland eingewandert sind, noch genauer aufzuklären.

Anschrift für die Verfasser Prof. Dr. rer. nat. Heiko Becher Universitätsklinikum Heidelberg Sektion Epidemiologie und Biostatistik Im Neuenheimer Feld 324 69120 Heidelberg

E-Mail: heiko.becher@urz.uni-heidelberg.de

Interessenkonflikt

Die Autoren aller Diskussionsbeiträge erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

REFERIERT

Nabelschnur später abklemmen

Ein spätes Abklemmen der Nabelschnur vermindert die Häufigkeit für eine kindliche Anämie. Dies ergab eine Literaturrecherche in den Da- tenbanken der Cochrane Collaboration zur Frage, wann beim reifen Neugeborenen die Nabelschnur abgeklemmt werden sollte. Die Auto- ren fanden 37 englischsprachige Untersuchungen und nahmen 8 ran- domisierte und 7 nichtrandomisierte kontrollierte Studien mit insge- samt 1 912 Neugeborenen auf. Man klemmte die Nabelschnur bei 911 Neugeborenen unmittelbar nach der Geburt und bei 1 001 reifen Kindern mit mindestens 2 Minuten Verspätung ab.

Die Wissenschaftler verglichen die möglichen Vor- und Nachteile von spätem versus frühem Abklemmen der Nabelschnur beim reifen Neugeborenen. Sie prüften die Häufigkeit von Ikterus, angewandter

Phototherapie, Polyzythämie, Tachypnoe oder Atemdepression, Auf- nahme auf die Intensivstation, Risiko für eine Anämie und Eisenman- gelanämie. Des Weiteren verglich das Team die absoluten Werte von Hämoglobin, Hämatokrit, Blutvolumen und -viskosität, Bilirubin, Ferritin und Speichereisen. Obwohl ein verspätetes Abklemmen einen leichten Anstieg der Blutviskosität und mehr Fälle von Polyzythämie nach sich zog, war dies für die Kinder nicht von Nachteil. Keines war symptomatisch oder benötigte eine Phototherapie oder gar eine intensivmedizinische Überwachung. Dem gegenüber waren das Risiko für eine Anämie (47 %) und einen Speichereisenmangel (33 %) im Vergleich zu den Kindern nach frühem Abklemmen signifikant ernied- rigt. Dieser Vorteil scheint sich auch über die ersten Lebensmonate

auszudehnen. Lu

Hutton EK, Hassan ES: Late vs early clamping of the umbilical cord in full-term neonates. JAMA 2007; 297: 1241–52, E-Mail: huttone@mcmaster.ca

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Ob neue und alte Bekanntschaften zu treffen, Freundschaften zu pflegen, am Nachmittag oder Abend einen Jass zu klopfen, um den Arbeitstag mit einem Mittagessen zu verschönern,

Fehlt das kalorische Überange- bot, oder kommt es sogar zum Zwang der unterkalorischen Ernäh- rung, wie im Krieg und in der Nach- kriegszeit, dann fehlen Übergewicht,

Auch für ältere Menschen gilt, daß die überwiegende Zahl depressiver Erkrankungen ambulant behandelt werden kann. Grundvoraussetzung für den Erfolg jeder Behandlungsform ist

Risiken für weitere Folgen stei- gen Greifen Menschen mit Diabetes Typ 1 oder Typ 2 zum Glimmstän- gel, steigt bei ihnen die Gefahr für Folgeerkrankungen.. „Da bei ihnen häufig

Befindet sich die Bundesregierung in Kontakt mit anderen Staaten hin- sichtlich der Frage, inwieweit jüdische EinwanderInnen von Deutschland aus in andere

Der in der Zeitung der Kommunistischen Partei der Ukraine 2007 veröffentlichte Artikel über den Besuch des von 1992 bis 2010 amtierenden Moskauer Bürger- meisters, Jurij Lužkov

Die einzelnen empfohlenen Parameter zur Basisdiagnostik bei einer ersten depressi- ven Episode, bei Verdacht auf eine dro- geninduzierte Symptomatik, bei Frauen im gebärfähigen

M ehr Resonanz verspricht sich die Deutsche Gesellschaft für Psych- iatrie, Psychotherapie und Ner- venheilkunde (DGPPN) davon, ihren Kongress ab sofort immer in Berlin und