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Archiv "Psychische Erkrankungen: Depressive unterversorgt" (07.12.2001)

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ehr Resonanz verspricht sich die Deutsche Gesellschaft für Psych- iatrie, Psychotherapie und Ner- venheilkunde (DGPPN) davon, ihren Kongress ab sofort immer in Berlin und im einjährigen statt bisher zweijährigen Turnus stattfinden zu lassen. Jedenfalls haben sich diesmal rund 1 500 Besucher angemeldet, im vergangenen Jahr in Aachen waren es 300 weniger. Auch die Zahl der Journalisten bei der Er- öffnungspressekonferenz war deutlich höher.

Prof. Dr. med. Matthias Berger, Vize- Präsident der DGPPN, wies auf aktuelle Schwerpunkte der Psychiatrie hin. So werden Aufmerksamkeitsstörungen im Erwachsenenalter (ADS) in letzter Zeit häufiger diagnostiziert. Von den ge- schätzten drei bis zehn Prozent der Kin- der, die an dieser Erkrankung leiden, nehmen zehn Prozent ADS mit ins Er- wachsenenalter. Die Prävalenz habe je- doch nicht zugenommen, sondern „die Erkrankung wird plötzlich als solche er- kannt“, sagte Berger. Die typische Sym- ptomatik bei Erwachsenen (unkonzen- triert, chaotisch, leicht ablenkbar) sei bisher eher als Charakterschwäche an- gesehen worden. „In den 80er-Jahren wurde die Bulimie ,entdeckt‘, in den Neunzigern die Posttraumatischen Be- lastungsstörungen und zu Beginn des neuen Jahrtausends ADS bei Erwachse- nen.“ Für therapeutisch wirksam hält Berger den Wirkstoff Methylphenidat, der auch in der Behandlung von Kin- dern eingesetzt wird, verbunden mit strukturierender Psychotherapie, vor al- lem Verhaltenstherapie.

Wie wirksam Suizid-Prävention sein kann, zeigen die Zwischenergebnisse des

„Nürnberger Bündnisses gegen Depres-

sion“, eines Forschungsprojekts des Kompetenznetzes „Depression, Suizida- lität“*. Die Suizidversuche in Nürnberg sind im Vergleich zum Vorjahr um 30 Prozent zurückgegangen, Suizide haben sich sogar um 40 Prozent reduziert. Das auf zwei Jahre angelegte Forschungspro- jekt unter der Leitung von Prof. Dr. med.

Ulrich Hegerl, Psychiatrische Klinik der Ludwig-Maximilians-Universität Mün- chen, begann im Januar 2001 durch Plakate und Veranstaltungen die Be- völkerung über

die Krankheit De- pression zu in- formieren. Zuvor hatte eine reprä- sentative Telefon- umfrage bei mehr als 1 400 Personen große Wissensde- fizite aufgezeigt.

Außerdem wer- den Hausärzte und Multiplikato- ren gezielt fortge- bildet. 70 bis 80 Prozent der de- pressiv Kranken werden in der Hausarztpraxis behandelt. Mit ei-

ner Prävalenz von sechs Prozent oder 3,1 Millionen Menschen ist die Depres- sion eine der häufigsten Erkrankungen in der Bevölkerung, stellte der Sachver- ständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen fest.

Die massive Unterversorgung De- pressiver beklagte Prof. Dr. med. Jürgen Fritze, Geschäftsführer der DGPPN.

Nur die Hälfte der depressiven Störun- gen würde erkannt; 20 Prozent davon würden richtig behandelt. Auf diese Versorgungsdefizite hatte bereits der Sachverständigenrat in seinem neuesten

Gutachten hingewiesen und empfohlen, den hausärztlichen Bereich in den Mit- telpunkt für Verbesserungen zu stellen:

Unter anderem sollen psychiatrische In- halte stärker in der allgemeinmedizini- schen Weiter- und Fortbildung berück- sichtigt werden; bei schwer depressiv Erkrankten sollte ein obligatorisches psychiatrisches Konsil erfolgen, und evi- denzbasierte Leitlinien zur Erkennung und Behandlung depressiver Störungen sollten implementiert werden.

Psychische Krankheiten seien inzwi- schen die sechsthäufigste Ursache für Arbeitsunfähigkeit, so Fritze. „Bei den Gründen für eine frühzeitige Verrentung haben sie die Muskel- und Gelenkerkran- kungen vom ersten Platz verdrängt.“

Schizophrene beispielsweise werden im Durchschnitt mit 41 Jahren frühverren- tet. Rund 10 Milliarden DM werden in Deutschland jährlich für die Schizophre- nie, die teuerste psychische Erkrankung, aufgewendet. Fritze fordert eine Verbes-

serung der ambulanten Rehabilitation für schizophren Erkrankte. Bundesweit stünden lediglich 800 Behandlungsplätze zur Verfügung. Ob die Soziotherapie zur ambulanten Rehabilitation beiträgt,

„muss abgewartet werden“. Die Sozio- therapie soll schwer psychisch Kranken helfen, psychosoziale Defizite abzubau- en, um ambulante Hilfen selbstständig in Anspruch nehmen zu können. Der Bun- desausschuss der Ärzte und Krankenkas- sen hat entsprechende Richtlinien (DÄ, Heft 48/2001) hierzu im August verab-

schiedet. Petra Bühring

P O L I T I K

A

A3258 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 49½½½½7. Dezember 2001

Psychische Erkrankungen

Depressive unterversorgt

Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde informiert über Aktuelles aus der psych- iatrischen Forschung und Versorgung psychisch Kranker.

* Informationen unter: www.kompetenznetz-depression.de und www.buendnis-depression.de. Zur Schizophreniefor- schung unter: www.kompetenznetz-schizophrenie.de

Depression Alkoholmissbrauch Osteoarthritis Demenz (degenerative ZNS-Erkrankungen) Schizophrenie Bipolare affektive Störungen Zerebrovaskuläre Erkrankungen Zwangsstörungen Verkehrsunfälle Diabetes mellitus

0 2 4 6 8 10

Maß der Beeinträchtigung unter Berücksichtigung von Dauer und Schweregrad

Quelle: Murray & Lopez 1997, WHO-Studie

Die Depression liegt bei der Schwere der Erkrankung und der Dauer der Be- einträchtigung vor allen anderen Krankheiten.

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Referenzen

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