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Archiv "Hyperinsulinämie bei Diabetes, Hypertonie und Adipositas" (17.07.1989)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT KURZBERICHT

Kurzfassung nach einem Vortrag, ge- halten in Davos im März 1989, 37. In- temationaler Fortbildungskongreß der Bundesärztekammer und der Österreichischen Ärztekammer

D

as führende endokrine Sym- ptom bei Fettsucht stellt die massive Hyperinsulinämie dar, die sich dann auch lange Zeit noch beim übergewichtigen Typ-Il-Diabetes in Form generell erhöhter Insulinwerte messen läßt. Ohne Hyperinsulinis- mus kommt kein Übergewicht zu- stande. Es kann auch ohne Hyperin- sulinismus nicht aufrechterhalten werden. In der Regel steht die über- kalorische Ernährung aber am An- fang. Fehlt das kalorische Überange- bot, oder kommt es sogar zum Zwang der unterkalorischen Ernäh- rung, wie im Krieg und in der Nach- kriegszeit, dann fehlen Übergewicht, nicht insulinbedürftiger Diabetes, Bluthochdruck und Arteriosklerose.

Schon die Einführung der Lebens- mittelmarken bewirkte bei den von der Arteriosklerose bedrohten Typ- II-Diabetikern einen dramatischen Rückgang von Herzinfarkt und Schlaganfall in den kriegführenden Ländern Europas in den beiden letz- ten großen kriegerischen Auseinan- dersetzungen. Diese Zäsur fehlte in Tokyo und New York im 1. Welt- krieg, und im 2. Weltkrieg nur noch in New York.

Unter der Voraussetzung des ausreichenden und übermäßigen ka- lorischen Angebotes haben wir be- reits Anfang der 70er Jahre das Sta- dium des sogenannten „Proto-Dia- betes" beschrieben, charakterisiert durch die Trias von Hyperinsulin- ämie, Hypertriglyzeridämie und her- abgesetzter i. v. Glukosetoleranz (3).

Dieses Stadium verschwindet in der

Regel nach Gewichtsreduktion in den Bereich des Normal- und Ideal- gewichts. Nach Diabetes-Manifesta- tion bleibt andererseits lange noch der normale Nüchternblutzucker festzustellen, in deutlichem Kontrast zur postprandialen Hyperglykämie.

Die verzögerte Insulinabgabe nach Blutzuckeranstieg kontrastiert mit der prompten Insulinausschüttung nach Rastinon, Arginin und anderen pharmakologischen Substanzen. Die Existenz der gleichzeitig bereits be- stehenden Insulinresistenz wird durch das Mißverhältnis zwischen hohen Insulinspiegeln bei noch nor- malen Blutzuckerkonzentrationen nach Stimulierung der Insulinsekre- tion mit den genannten Stoffen an- gezeigt.

Insulinresistenz allein kann je- doch zwischen Adipositas und Typ- II-Diabetes nicht unterscheiden.

Zum manifesten Typ-Il-Diabetes ge- hört die verzögerte Insulinsekretion auf Blutzuckeranstieg. Dieser De- fekt des Signalsystems ist durch kei- nerlei Maßnahme heilbar. Er läßt sich oft durch orale Antidiabetika vom Typ der Sulfonylharnstoffe par- tiell korrigieren. Im weiteren Ver- lauf des nicht insulinbedürftigen Diabetes kommt es dann auch zu ei- nem Rückgang der generell insulin- sekretorischen Kapazität, das heißt nach Stimulierung der Insulinsekre- tion mit Substanzen außerhalb des Zuckerkomplexes. Sukzessive schä- digt anscheinend die nicht korrigier- te Hyperglykämie die Vitalität der insulinproduzierenden Betazellen der Inseln.

Zusammenfassend ist damit die Pathophysiologie des manifesten Typ-Il-Diabetes charakterisiert durch eine Störung des auf der Oberfläche der Betazellen der Lan- gerhansschen Inseln lokalisierten

„Glukose-Sensor-Mechanismus", die

— ergo hoc auf propter — auf der so- genannten Post-Rezeptor-Ebene ei- ne besondere Insulinresistenz mit sich bringt, sowie schließlich zu einer erhöhten Glukoseproduktion durch die Leber als Folge der unzureichen- den Insulinversorgung Hinzutritt im Rahmen des Alters ein Rückgang der biologischen Fähigkeit zur Pro- duktion und Sekretion des Insulins, die weiter das Insulindefizit ver- stärkt. Das Wechselspiel zwischen Obesitas, Störungen des Fettstoff- wechsels, Typ-Il-Diabetes und Arte- riosklerose ist im Einzelfall nicht im- mer zu präzisieren. Die arterioskle- rotischen Erkrankungen bedrohen den Patienten im gleichen Stadium des „Proto-Diabetes" wie nach Ein- tritt in die therapiebedürftige, nicht insulinbedürftige Zuckerkrankheit.

Die vielen Beobachtungen der Zusammenhänge zwischen Uberge- wicht, Typ-Il-Diabetes und Hoch- druck wurden bisher jedoch vor- nehmlich unter rein quantitativen Überlegungen gesehen. Die qualita- tiven Aspekte des Musters der Fett- sucht, das heißt der unterschied- lichen „gynoiden" und „androiden"

Verteilung, haben erst in neuerer Zeit wieder Interesse hervorgerufen.

Dieses „androide Stoffwechselsyn- drom" läßt sich rückwirkend bei den Patienten, über die in früheren Pu- blikationen berichtet wurde, nicht mehr analysieren. Sie müssen neu unter dem Aspekt des Proto-Diabe- tes, der androiden Fettverteilung und der Arteriosklerosegefährdung aufgearbeitet werden (Hauner und Pfeiffer in diesem Heft).

Die besondere Rolle der Hyper- triglyzeridämie als angeblich isolier- ten Risikofaktor der Arteriosklerose (4) muß man jedoch mit Zurückhal- tung betrachten. Sie ist eher als Par- tialsymptom der beiden Syndrome von Proto-Diabetes und androider Fettverteilung anzusehen. Die Ge- fährdung der früh manifestierten Ar- teriosklerose im Bereich von Koro- narien und zerebraler Gefäßversor- gung ist jedoch auf jeden Fall bei diesen Syndromen klinische Rea- lität, und der „Glucose-Fatty-Acid- Cycle" paßt auch theoretisch in die Landschaft.

Ebenfalls unter neuen qualitati- ven Aspekten ist die isolierte Kombi-

Hyperinsulinämie

bei Diabetes, Hypertonie und Adipositas

Ernst Friedrich Pfeiffer

A-2092 (60) Dt. Ärztebl. 86, Heft 28/29, 17. Juli 1989

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nation von Hypertonie und Hyperin- sulinämie diskutiert worden. Die Häufigkeit der Hypertonie bei Über- gewichtigkeit ist uns aber seit Franz Volhards klassischer Periode geläu- fig. Die Kombination von Hoch- druck, Hyperinsulinismus und Obe- sitas ist uns ebenfalls seit langem ver- traut. Sie ist neuerdings in Amerika bei frisch übergewichtig gewordenen Doppelamputierten und Graviden wieder entdeckt worden (7).

Signifikant normalgewichtige Hypertoniker mit Hyperinsulinismus sind mit Skepsis zu betrachten. Die Fälle von Ferrannini (1) sind auf je- den Fall eher als Grenzfälle zwi- schen Normal- und Übergewichtigen anzusehen. Der „Body Mass Index"

der beschriebenen Fälle lag mit 26 ± 1 kg nach anderer Definition sogar bereits im Obesitas-Bereich. Ahn- liches gilt für andere Mitteilungen.

Umgekehrt hat die isolierte Hyperin- sulinämie ohne Übergewicht, zum Beispiel zu Beginn des organischen Hyperinsulinismus beim Insulinom, Hypertonie nicht zur Folge.

Gustav Simon (1824 bis 1876) eröffnete mit der am 2. August 1869 durchgeführten ersten erfolgreichen Nephrektomie in Heidelberg die To- re zur modernen Nierenchirurgie.

Die Behandlung von Nierenerkran- kungen war bis dahin der inneren Medizin vorbehalten gewesen.

Durch zahlreiche Versuche an Hun- den hatte Gustav Simon, dessen Werdegang vom praktischen Arzt zum akademischen Spezial-Chirur- gen ungewöhnlich war, gezeigt, daß die Entfernung einer Niere vom Or- ganismus toleriert wird, sofern die Restniere gesund ist.

Nach Erarbeitung der Nephrek- tomietechnik an der Leiche wagte Si- mon den entscheidenden Schritt, in- dem er vor einem großen Auditori- um zugereister Ärzte und Studenten bei der 46jährigen Margaretha Kleb in Chloroformnarkose die linke Nie- re entfernte. Er benutzte hierzu ei- nen linksseitigen Lumbalschnitt un- ter der 12. Rippe, um einen retrope-

So bleibt also für viele Epigonen genügend Raum, um die Querbezie- hungen zwischen androider Hor- monproduktion und Fettverteilung, Aktivierung von Sympathikus, Natri- umretention und Hochdruckmanife- station mit dem „Missing Link" der Hyperinsulinämie mit mehr Enthu- siasmus als Fakten im Pathogenese- mechanismus zu verbinden. Nach wie vor stimmt heute wie bereits 1972 der Satz aus dem damals dem Symposium vorangestellten Vorwort der vier Gast-Herausgeber Greten, Levine, Pfeiffer und Renold (6):

„Offensichtlich bedeutet bereits ein geringes Mehr an Nahrungsangebot oberhalb des „Lebensminimums"

den gemeinsamen Boden, aus dem sich der Baum der Krankheitsfrüchte entwickelt, der Stamm als gemeinsa- mer Träger der Zweige Übergewicht, Hyperlipidämie und Hyperglykämie, die zur Arteriosklerose führen".

Literatur

1. Ferrannini, E.; Buzzigoli, G.; Bonadonna, R.;

Giorico, M. A.; Oleggini, M.; Graziadei, L.;

Pedrinelli, R.; Brandi, L. and Bevilacqua, S.:

ritonealen Zugang zur Niere zu er- reichen. Er befreite die Patientin durch diese Operation von einer quälenden Harnleiter-Scheiden- und Hautfistel, die nach einer eineinhalb Jahre zuvor durchgeführten Entfer- nung der Gebärmutter aufgetreten war.

Die Operationsdauer betrug 40 Minuten, der gemessene Blutverlust 50 ml. Der postoperative Verlauf war nicht komplikationslos: Pneumo- nie und Wundinfekte stellten mehr- fach den Operationserfolg in Frage.

Die Behandlung erfolgte in Form ei- ner durchaus zu empfehlenden Sub- stitutionstherapie mit eisgekühltem Champagner, Ei und Fleisch, so daß die Patientin nach 36 Tagen erstmals aufstehen konnte.

Da die Patientin aus Offenbach stammte und nach der Entlassung aus der Klinik immer wieder anrei- sen mußte, um auf Simons Wunsch den erfolgreichen Verlauf der Ope- ration zu demonstrieren, nahm die

Insulin Resistance in Essential Hypertension.

N. Engl. J. Med. 317 (1987) 350-357 2. Hauner, H.; Pfeiffer, E. F.: Bedeutung von

Körperfettverteilung und Hyperinsulinämie.

Dt. Ärztebl. 86, Heft 28/29 (1989)

3. Pfeiffer, E. F.: Obesity, Islet Function and Diabetes Mellitus. Horm. Metab. Res.

(Suppl.) 4 (1972) 143-152

4. Reaven, G. M.: Role of Abnormal Free Fatty Acid Metabolism in the Development of Non-Insulin-Dependent Diabetes Mellitus.

Am. J. Med. 85, Suppl. 5 A (1988) 106-112 5. Vague J.: La diff6renciation sexuelle, Facteur

ddterminant des formes de 1'ob6sit6, Presse med 55 (1947) 339-340

6. Lipid Metabolism, Obesity, and Diabetes Mellitus: Impact upon Atherosclerosis. Inter- national Symposium April 1972, Eds.: Gre- ten, H.; Levine, R.; Pfeiffer, E. F.; Renold, A.

E.: Hormone and Metabolic Research Sup- plement Series No. 4, Thieme Verlag Stutt- gart—New York (1974)

7. Yalow, R. A.; Rose, H. G.; Baumann, W. A.:

Hyperinsulinaemia. The Am. J. of Med. Vol.

85, Suppl. 5 A (1988) 22-30

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med. Dr. h. c. mult.

Ernst Friedrich Pfeiffer Medizinische Klinik und Poliklinik der Universität Ulm Postfach 38 80 • 7900 Ulm

NOTIZ

Patienten schließlich eine Stelle in der Küche der Klinik an, so daß sie für eine Vorstellung vor Ärzten und Studenten jederzeit zur Verfügung stand.

Das Bahnbrechende dieser fun- damentalen Pioniertat erfährt der Leser im Vorwort zur Chirurgie der Nieren 1871. Hier heißt es: „Der Ti- tel dieser Schrift ,Chirurgie der Nie- ren' wird manchen Kollegen seltsam erscheinen. Denn man war bisher ge- wohnt, die Nierenkrankheiten der inneren Medizin zur Behandlung zu- zuweisen. Durch die von mir vor zwei Jahren mit glücklichem Erfolg ausge- führte Exstirpation einer Niere dürf- te die Ansicht der Unantastbarkeit dieses Organs beseitigt sein" (Simon 1871 bis 1876).

Dr. med.

Mechthild Amberger-Lahrmann Deinghaushöhe 4

4300 Essen 11

Erste erfolgreiche Nephrektomie 2. August 1869

Dt. Ärztebl. 86, Heft 28/29, 17. Juli 1989 (63) A-2095

Referenzen

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