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Archiv "Prävalenz und Einflussfaktoren von Übergewicht und Adipositas bei Einschulungskindern" (22.12.2008)

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(1)

A

uf die Bedeutung von Fehlernährung und Be- wegung weisen Koletzko und Mitarbeiter in ei- ner Übersicht hin (1).

Oft werden aus übergewichtigen Kindern und Ju- gendlichen übergewichtige Erwachsene mit einem erhöhten Risiko für Folgekrankheiten wie Diabetes mellitus Typ 2, orthopädischen Problemen und Herz- Kreislauf-Erkrankungen. Eine dänische Studie unter- suchte die langfristigen Auswirkungen von Überge- wicht bei Kindern auf das Auftreten von koronarer Herzkrankheit (KHK) im Erwachsenenalter. Danach steigt das Risiko, als Erwachsener an einer KHK zu erkranken, linear mit der Höhe des Body-Mass-Index (BMI) in der Kindheit (2). Die Bogalusa Heart Study befasste sich mit dem Verhältnis von Übergewicht und kardiovaskulären Risikofaktoren bei Kindern und Jugendlichen (3). Es zeigte sich eine verschieden star- ke Assoziation von Übergewicht und Insulinspiegel, Gesamtcholesterin, Triglyceriden, LDL und systoli- schem beziehungsweise diastolischem Blutdruck.

Auch das Anhäufen von Risikofaktoren bei schwerge- wichtigen Kindern und Jugendlichen wurde sichtbar.

Die ersten Ergebnisse des Kinder- und Jugendge- sundheitssurveys (KIGGS) veröffentlichte das Robert- Koch-Institut bereits. Sie identifizieren Übergewicht und Adipositas als die am häufigsten auftretenden ge- sundheitlichen Risiken für Kinder und Jugendliche (4).

Bei der Entwicklung von Übergewicht und Adipo- sitas handelt es sich um ein multifaktorielles Gesche- hen. Neben sozioökonomischen Einflüssen (5) sind eine gesunde Ernährung und körperliche Bewegung Schlüsselfaktoren bei der Prävention von Überge- wicht. Um der Evidenz aus Beobachtungsstudien zu folgen, sollen Leitlinien für gesunde Bewegung mehr auf die Akkumulation von körperlicher Aktivität ab- zielen, als auf spezifische, Fitness-orientierte Übun- gen. Spontane, dafür häufigere Bewegungseinheiten wirken bei Kindern effektiver, als ein auf Erwachsene zugeschnittenes Training und entsprechen eher dem natürlichen Bewegungsmuster von Kindern (6).

Zur Vorbeugung des Problems muss man im Sinne eines umfassenden Präventionsansatzes nicht nur indi- viduelle Ursachen erkennen, sondern auch die sozia- ORIGINALARBEIT

Prävalenz und Einflussfaktoren

von Übergewicht und Adipositas bei Einschulungskindern

Eine Untersuchung in Augsburg

Elisabeth Weber, Alexandra Hiebl, Ulrich Storr

ZUSAMMENFASSUNG

Einleitung: Zur Vorbeugung von Übergewicht und Adiposi- tas müssen im Sinne eines umfassenden Präventionsan- satzes die sozioökonomischen und kulturellen Einflüsse identifiziert werden. Ziel dieser Untersuchung in Augsburg war es, die Prävalenz von Übergewicht und Adipositas bei Einschulungskindern zu bestimmen. Ein weiteres Ziel galt der Erkennung bestimmter Einflussfaktoren und des Zu- sammenhangs der Ergebnisse mit der Muttersprache.

Methoden: Im Rahmen der Schuleingangsuntersuchung für das Schuljahr 2006/2007 wurden die Eltern von 2 306 Kin- dern mittels anonymer Fragebögen befragt. Das Untersu- chungsteam dokumentierte das Geschlecht, das Alter, das Gewicht, die Größe, die Muttersprache der Kinder und den besuchten Kindergarten. Die Daten wurden mittels SPSS 14.0 deskriptiv ausgewertet.

Ergebnisse: Insgesamt 13,1 % (n = 302) der Kinder waren übergewichtig, davon waren 4,9 % (n = 113) adipös. Die Prävalenz von Übergewicht und Adipositas war bei den Kindern, deren Muttersprache nicht deutsch ist, fast dop- pelt so hoch. Die Hälfte aller Kinder nahm nicht an einer Sport- oder Tanzgruppe teil. Über die Hälfte der überge- wichtigen Kinder sahen täglich ein bis drei Stunden fern.

Diskussion: Die Prävalenz unterscheidet sich nach ethni- scher Herkunft. Kinder mit Migrationshintergrund gelten als Risikogruppe. Gezielte Präventionsstrategien im Vor- schul- und Grundschulbereich sind notwendig. Anhand der erhobenen Daten lassen sich stadtteilbezogene Interventi- onsmaßnahmen entwickeln.

Dtsch Arztebl 2008; 105(51–52): 883–9 DOI: 10.3238/arztebl.2008.0883 Schlüsselwörter: Schulanfänger, Übergewicht, Prävention, Kindergesundheit, körperliche Aktivität

Gesundheitsamt Stadt Augsburg:

Dr. med. Weber, MPH, Dipl.-Oecotroph. (univ.) Hiebl, Dr. med. Storr

(2)

len, ökonomischen und kulturellen Einflüsse identifi- zieren, die zu der steigenden Prävalenz beitragen. Die KOPS-Studie (Kieler Adipositas-Präventionsstudie) zeigt, dass sich übergewichtige Kinder von normalge- wichtigen Kindern mehr im Bewegungsverhalten als im Ernährungsverhalten unterscheiden. Die Gewichts- unterschiede konnten im Wesentlichen durch unter- schiedliche körperliche Aktivität und Fernsehkonsum vor dem Hintergrund sozialer Faktoren (Schulbildung der Eltern) und eines möglichen genetischen Risikos (Gewicht der Eltern) erklärt werden (7).

In den vergangenen Schuljahren lagen die Augs- burger Daten für Übergewicht und Adipositas deutlich über dem bayerischen Durchschnitt (8). Im Schuljahr 2005/2006 waren insgesamt 11,6 % der Einschu- lungskinder in Augsburg übergewichtig, von ihnen waren 5,5 % adipös. Im Bayerischen Durchschnitt waren insgesamt 8,8 % übergewichtig, davon 3,4 % adipös (Grafik 1).

Ziel der vorliegenden Untersuchung war eine Prävalenzanalyse zur Feststellung der Einflussfakto- ren und zur Entwicklung eines kommunalen Präventi- onskonzeptes.

Methoden

Zur Analyse der Ist-Situation entwickelte das Gesund- heitsamt der Stadt Augsburg für die Schuleingangsun- tersuchung einen anonymen Fragebogen, der sich an die Eltern richtete. Dieser beinhaltete elf Fragen zum Ernährungsverhalten, zu den Bewegungsgewohnhei- ten und zum Fernsehkonsum der Kinder. Daneben wurden auch die Muttersprache und der besuchte Kin- dergarten dokumentiert.

Im Rahmen der Schuleingangsuntersuchungen wurden am Gesundheitsamt der Stadt Augsburg auch Körpergewicht und Körpergröße der Kinder erfasst.

Daraus errechnete man den Body-Mass-Index nach der Formel BMI = Körpergewicht in kg/Körpergröße in m². Anhand von Referenzdaten wird Übergewicht als BMI-Wert oberhalb der 90. alters- und ge- schlechtsspezifischen Perzentile definiert; Adipositas liegt vor bei einem Body-Mass-Index oberhalb der 97. Perzentile.

Weitere sozioökonomische Daten wie Einkommen oder Schulbildung der Eltern wurden von den Unter- suchern nicht erhoben.

Die Eltern von insgesamt 2 306 Kindern (93,2 % der Einschulungskinder) nahmen an der Befragung teil, wobei jeweils ein Elternteil pro Kind zu insge- samt elf Fragen verwertbare Angaben machte. Traten beim Ausfüllen des Fragebogens Sprach- oder Ver- ständnisprobleme auf, standen medizinische Fachan- gestellte den Eltern zur Seite. Das Untersuchungsteam dokumentierte das Geschlecht, das Alter, das Ge- wicht, die Größe und die Muttersprache der Kinder.

Die Daten wurden mittels SPSS 14.0 deskriptiv aus- gewertet.

Ergebnisse Prävalenz

Nach dem Referenzsystem von Kromeyer-Hauschild et al. (9) waren von den 2 306 Einschulungskindern insgesamt 13,1 % (n = 302) übergewichtig, davon 4,9 % (n = 113) adipös.

Nach Geschlecht unterschieden, ergaben sich Dif- ferenzen zwischen Mädchen und Jungen. Von den un- tersuchten Kindern waren 1 125 (48,8 %) Mädchen und 1 172 (50,8 %) Jungen. Bei neun Fragebögen (0,4 %) fehlte die Angabe zum Geschlecht des Kin- des. Von den Mädchen waren 8,7 % übergewichtig und 4,4 % adipös, von den Jungen waren 7,7 % über- gewichtig und 5,5 % adipös. Die Augsburger Mädchen waren häufiger übergewichtig als die Jun- gen, während die Jungen häufiger zu Adipositas neig- ten. Allerdings sind diese Unterschiede auf dem 5-%- Signifikanzniveau nicht signifikant.

Nach Muttersprache differenziert, ergibt sich eine deutliche Verteilung. Von den Einschulungskindern waren 61 % (n = 1 398) deutsch sprechend, während 39 % (n = 997) eine andere Muttersprache hatten.

Türkisch ist unter den Einschulungskindern mit 17 % (n = 395) die zweithäufigste und russisch mit 8 % (n = 183) die dritthäufigste Muttersprache (Grafik 2).

Insgesamt waren die Kinder mit der Angabe „nicht GRAFIK 1

Prävalenzen von Übergewicht

(inkl. Adipositas) in Prozent im Verlauf

GRAFIK 2 Verteilung der

Muttersprachen

(3)

deutsch“ als Muttersprache etwa doppelt so häufig übergewichtig als die deutsch sprechenden Kinder.

Kinder aus türkisch sprechenden Familien waren etwa 2,25-mal häufiger übergewichtig und 2,53-mal häufi- ger adipös als deutsch sprechende Kinder.

Diese Unterschiede sind signifikant (a = 0,05). In- nerhalb der russisch sprechenden Gruppe waren 7,6 % (n = 14) der Kinder übergewichtig, davon 1,6 % (n = 3) adipös (Grafik 3). Somit trat Übergewicht bei russischen sprechenden Kindern am seltensten auf.

13 % (n = 300) der Kinder haben eine andere Mutter- sprache, wie zum Beispiel kroatisch, italienisch oder vietnamesisch. Griechisch als Muttersprache haben 1 % (n = 19) der Kinder (Grafik 2). Die Fallzahlen in diesen Sprachgruppen sind niedrig; deswegen haben die Untersucher keine Signifikanzberechnung durch- geführt. Zusammengenommen leiden beide Gruppen zu 10,7 % an Übergewicht und 8,8 % an Adipositas (Grafik 3).

Zur besseren Bündelung von Kompetenzen der so- zialen Versorgung ist die Stadt Augsburg in vier Sozi- alregionen gegliedert. Nach der regionalen Verteilung gab es nur geringe Unterschiede bezüglich des Auftre- tens von Übergewicht oder Adipositas innerhalb der untersuchten Regionen.

Bewegungsverhalten

Die Eltern befragte man nach der Teilnahme ihrer Kinder an einer Sport- oder Tanzgruppe. 50,2 % (n = 1 157) aller Kinder waren nicht in einer Sport- gruppe aktiv. Von den adipösen Kindern nahmen 67,3 % (n = 76) an keiner Sportgruppe teil. Dement- sprechend geringer war der Anteil an wöchentlichen Trainingseinheiten bei übergewichtigen und adipösen Kindern.

Betrachtet man die Ergebnisse gruppiert nach der Muttersprache, fällt auf, dass über 65 % der türkisch sprechenden Kinder in keiner Sportgruppe aktiv wa- ren, ebenso wie 59 % der russisch sprechenden Kinder und 63,6 % der Kinder mit anderen Muttersprachen (Tabelle 1).

Ernährungsverhalten

In der vorliegenden Untersuchung nahmen knapp 60 % aller Kinder nach den Angaben ihrer Eltern täg- lich drei Mahlzeiten ein. Ein weiteres Drittel aller Kinder nahm fünf Mahlzeiten ein. Von den überge- wichtigen und adipösen Kindern wurden von etwa zwei Dritteln drei Mahlzeiten täglich angegeben und nur knapp ein Viertel aß fünfmal am Tag. Auf die Mut- tersprache bezogen, nahmen die türkisch sprechenden Kinder am seltensten (12,4 %) fünf Mahlzeiten ein (Tabelle 2).

Diese Ergebnisse spiegeln sich auch in der Frage nach der Häufigkeit eines gemeinsamen Familienti- sches wieder. Die übergewichtigen und adipösen Kin- der nahmen durchschnittlich weniger Mahlzeiten über den Tag verteilt ein. In diesen Familien wurde auch weniger häufig gemeinsam gegessen. 55,3 % der nor- malgewichtigen Kinder aßen zweimal am Tag mit der Familie. Von den übergewichtigen beziehungsweise adipösen Kindern waren es 43,4 % beziehungsweise 45,1 %. Im Bezug auf die Muttersprache aß die Mehr- heit (59,4 %) der deutsch sprechenden Kinder zwei-

TABELLE 1

Teilnahme der Kinder an einer Sportgruppe

Kinder Deutsch Türkisch Russisch Sonstige

insgesamt

n 2 306 1 398 395 183 319

1 x pro Woche 701 514 83 39 62

Training 30,4 % 36,8 % 21,0 % 21,3 % 19,4 %

mehrmals pro 362 269 29 30 33

Woche Training 15,7 % 19,2 % 7,3 % 16,4 % 10,3 %

nein 1 157 581 260 108 203

50,2 % 41,6 % 65,8 % 59,0 % 63,6 %

keine Angabe 86 34 23 6 21

3,7 % 2,4 % 5,8 % 3,3 % 6,6 %

Sonstige = inkl. Griechisch 16

14 12 10 8 6 4 2 0 Prozent

Russisch Deutsch Sonstige Türkisch 1,6 %

n = 3 6,0 % n = 11

3,4 % n = 48 6,3 % n = 88

8,8 % n = 28 10,7 % n = 34

8,6 % n = 34 14,2 %

n = 56 Übergewicht

Adipositas

GRAFIK 3 Übergewicht

und Adipositas nach Muttersprache, (Prozentanteil betroffener Kinder)

(4)

mal am Tag gemeinsam mit der Familie. Bei den Kin- dern mit türkisch als Muttersprache wurde in nur 40 % der Familien zweimal gemeinsam gegessen. Insge- samt nahmen 92 % aller Erstklässler mindestens ein- mal am Tag an einem Familientisch teil (Tabelle 3).

Fernsehkonsum

Die normalgewichtigen Kinder sahen größtenteils bis zu einer Stunde täglich fern beziehungsweise saßen vor dem Computer. Von den übergewichtigen Kindern verbrachte die Hälfte zwischen einer und drei Stunden vor dem Bildschirm, bei den adipösen Kindern traf dies für die Mehrheit zu (61,9 %). Bei der Frage nach dem Fernsehkonsum in Bezug zur Muttersprache sa- hen etwa zwei Drittel der türkisch und russisch spre- chenden Kinder täglich ein bis drei Stunden fern, dop- pelt so viele wie bei den deutsch sprechenden Kindern (Tabelle 4).

Diskussion

Die hier vorgestellte Untersuchung zeigte entgegen dem allgemeinen Trend einer gewissen Stagnation der Entwicklung von Übergewicht im Vorschulalter (10) einen deutlichen Anstieg der Prävalenzrate bei den Einschulungskindern in Augsburg. Auch in den Vor- jahren wurden deren Größe und Gewicht erhoben. Die Prävalenz von Übergewicht inklusive Adipositas stieg von 11,6 % (Schuljahr 2005/2006) auf 13,1 % (Schul- jahr 2006/2007).

Es ist bekannt, dass die Prävalenz von Übergewicht bei bestimmten sozialen Schichten größer ist (11). Bei der vorliegenden Untersuchung wurden keine sozioö- konomischen Daten wie Bildungsstand oder Einkom- men der Eltern erhoben. Über die Abfrage der Mutter- sprache wurde indirekt die Ethnie als Einflussfaktor auf die Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten miteinbezogen.

Körperliche Bewegung und Ernährung sind nur schwer valide messbar. Die Anwendung eines Frage-

bogens schränkt allgemein die Interpretation von Da- ten ein. Selbstreport und „recall“ sind nur bedingt ge- eignete Methoden zur Erfassung von Bewegungs- oder Ernährungsverhalten. Auch wenn die Ergebnisse teilweise auf der Einschätzung der Eltern beruhen und die Fallzahl in einzelnen untersuchten Gruppen klein ist, lassen sich bei der Betrachtung der verschiedenen Bereiche durchgängig eindeutige Verteilungen able- sen. Die Prävalenzraten spiegeln auf hohem Niveau die Lage in Bayern (8) und Deutschland (4) wieder.

Die vorliegende Untersuchung zeigt klar, dass in Augsburg eine ähnliche Tendenz wie bei den Ergeb- nissen der KIGGS-Studie vorliegt. Danach treiben Kinder mit Migrationshintergrund und niedrigem So- zialstatus etwa zwei- bis dreimal seltener Sport, als Kinder ohne Migrationshintergrund und mit hohem Sozialstatus (12).

Aus den Ergebnissen des Deutschen Kinder- und Jugendsportberichts geht hervor, dass sozial unterpri- vilegierte Kinder in Sportvereinen zahlenmäßig unter- repräsentiert sind (13).

Internationale Surveys weisen auf das insgesamt niedrige Maß von körperlicher Bewegung sowohl bei Grundschülern als auch bei älteren Schülern und Ju- gendlichen hin. Dem Bewegungsmuster von Kindern entsprechen spontane, kurz dauernde dafür häufigere Bewegungseinheiten (6). Damit ist die natürliche Form der Bewegung bei Kindern beschrieben – das Spielen. Kinder mit einer positiven Erfahrung von körperlicher Aktivität werden im Erwachsenenalter eher einen aktiven Lebensstil führen.

Das Forschungsinstitut für Kinderernährung in Dortmund (FKE) arbeitet seit vielen Jahren daran, wissenschaftlich begründete Empfehlungen für Her- anwachsende herauszugeben (14). Es entwickelte die optimierte Mischkost für Kinder, kurz „optimiX“. Da- nach liegt die empfohlene Mahlzeitenfrequenz bei fünf über den Tag verteilten Mahlzeiten. Neben der Kalorienaufnahme sind die Nahrungszusammenset- TABELLE 2

Anzahl der Mahlzeiten pro Tag

Kinder Deutsch Türkisch Russisch Sonstige

insgesamt

n 2 306 1 398 395 183 319

2 Mahlzeiten 53 16 26 4 7

2,3 % 1,1 % 6,6 % 2,2 % 2,2 %

3 Mahlzeiten 1 371 743 305 115 204

59,5 % 53,1 % 77,2 % 62,8 % 63,9 %

5 Mahlzeiten 771 585 49 53 79

33,4 % 41,8 % 12,4 % 29,0 % 24,8 %

über 38 23 – 5 9

5 Mahlzeiten 1,6 % 1,6 % 2,7 % 2,8 %

keine Angabe 73 31 15 6 20

3,2 % 2,2 % 3,8 % 3,3 % 6,3 %

Sonstige = inkl. Griechisch

(5)

zung, das heißt der Fett- und Kohlenhydratanteil mit entscheidend. Die kindgerechte Lebensmittelauswahl verdeutlicht eine Pyramide. Die Ernährungsgewohn- heiten werden oft von Eltern oder Geschwistern über- nommen, indem Rituale und Normen meist unbewusst während des gemeinsamen Essens vermittelt werden.

Somit ist der gemeinsame Familientisch der beste Weg zur Vermittlung von Esskultur, sowie der Aufge- schlossenheit gegenüber unbekannten Lebensmitteln.

Die Untersuchung zeigt aber auch, dass der gemeinsa- me Familientisch noch sehr häufig praktiziert wird.

Die Ergebnisse legen die Vermutung nahe, dass Kin- der ohne Familientisch häufiger und unkontrollierter essen und somit zu Übergewicht neigen.

Der Zusammenhang von Fernsehkonsum und der Neigung zu Übergewicht wurde bereits in mehreren Veröffentlichungen diskutiert. So ergab ein systemati- scher Review, dass als Intervention zur Vermeidung von Übergewicht die Reduzierung von sitzendem Ver- halten wirksam scheint (15).

Bereits vor zwanzig Jahren wurde eine signifikante Assoziation von Fernsehen und Übergewicht bei Kin- dern beschrieben (16). Dazu dienten die Daten des Na- tional Health Examination Survey aus den USA (17).

Man stellte einen dosisabhängigen Effekt der vor dem Fernseher verbrachten Zeit auf die Prävalenz von Über- gewicht fest. Beim Fernsehen werden oft Snacks kon- sumiert, die wiederum das Fernsehen bewirbt. Der ver- mehrte Verzehr dieser energiedichten Nahrungsmittel addiert sich im Effekt zu dem durch das passive Verhal- ten reduzierten Energieverbrauch (18). Daher sind die Angaben der Eltern zum täglichen Fernsehen des Kin- des beziehungsweise zur Computernutzung aufschluss- reich, auch wenn sie wenig objektivierbar und damit nur mit Einschränkungen verwertbar sind. Als Trend ist erkennbar, dass die Verweildauer vor dem Bildschirm und das Körpergewicht positiv korrelieren.

Prävention sollte möglichst früh ansetzen, da man gesundheitsbezogenes Verhalten bei Kindern leichter beeinflussen kann als bei Erwachsenen und die Mani- festation von Folgeerkrankungen besser vermeiden kann. Die Gruppen von Kindern sind nicht nur nach Alter und Geschlecht sondern auch nach dem sozioö- konomischen und ethnischen Hintergrund differen- ziert zu betrachten.

Familien mit Migrationshintergrund gelten als Ri- sikogruppe (4). Die sprachliche Kompetenz hat für die Nutzung von Einrichtungen und für die Erreichbarkeit durch Präventionsprogramme eine große Bedeutung.

Schlechte Sprachkenntnisse wirken oft als Barriere für einen aktiveren Lebensstil. Die Information der Eltern über ein altersadäquates Ernährungs-, Bewe- gungs- und Fernsehverhalten sollte in der jeweiligen Muttersprache erfolgen. Die Veränderungsbereit- schaft wird gesteigert, wenn man die ethnischen Fak- toren, wie kulturell und biografisch geprägte Verhal- tensweisen berücksichtigt.

Stadtteilbezogene Interventionsmaßnahmen setzen eine gute verkehrs- und kostengünstige Zugänglich- keit der Sport- und Spielangebote im Stadtviertel vor- aus. Ein besonderer Fokus sollte auf dem Elternhaus der Kinder liegen. Gerade bei den drei- bis sechsjähri- gen Kindern spielt die Vorbildfunktion eine große Rolle (19).

Die vorliegenden Daten zu Übergewicht und Adipo- sitas dienen als Grundlage für örtliche Präventionsmaß- nahmen. Sie geben Hinweise auf Einflüsse verschiede- ner Faktoren, die bei der Vorbeugung von Übergewicht eine Rolle spielen. In Augsburg dienen die erhobenen Daten und die davon abgeleiteten Ergebnisse zur weite- ren Konzeption gezielter und praktikabler Interven- tionsmaßnahmen in Zusammenarbeit mit den Leitun- gen der Kindertagesstätten und den Jugendabteilungen der hiesigen Sportvereine. Beispielsweise dient das TABELLE 3

Häufigkeit eines Familientisches

Kinder Deutsch Türkisch Russisch Sonstige

insgesamt

n 2 306 1 398 395 183 319

2 x am Tag 1 140 831 158 89 157

53,8 % 59,4 % 40,0 % 48,6 % 49,2 %

1 x am Tag 880 484 191 75 125

38,2 % 34,6 % 48,4 % 41,0 % 39,2 %

mind. 3 x 93 44 26 7 16

in der Woche 4,0 % 3,1 % 6,6 % 3,8 % 5,0 %

mind. 1 x 23 12 5 4 2

in der Woche 1,0 % 0,9 % 1,3 % 2,2 % 0,6 %

nie 1 1 – – –

0,0 % 0,1 %

keine Angabe 69 26 15 8 19

3,0 % 1,9 % 3,8 % 4,4 % 6,0 %

Sonstige = inkl. Griechisch

(6)

„1 + 1 = 3-Projekt“ (in Planung) der gezielten Integra- tion von Kindern mit Migrationshintergrund und mit Behinderung in Sportvereine. Anreize für eine gleich- zeitige Aufnahme eines deutschen Kindes und jeweils eines weiteren Kindes mit Migrationshintergrund und Behinderung befinden sich derzeit im politischen Dis- kussions- und Entscheidungsprozess. Innerhalb der Stadtverwaltung wurde die Gesundheitsförderung über Verhältnis- und Verhaltensprävention in den Hand- lungsräumen Vorschule und Schule zu einem wichtigen Ziel erklärt. Ein Beispiel der Projekte, die besonders gefördert werden, ist „Klasse2000“, das bundesweit größte Programm zur Gesundheitsförderung in der Grundschule (20). Unter der Koordination des städti- schen Gesundheitsamtes sollen künftig Modellschulen an dem Projekt „Unterwegs nach Tutmirgut“ der Bun- deszentrale für gesundheitliche Aufklärung BZgA teil- nehmen (21). Das Projekt wurde für die Grundschulen entwickelt und beinhaltet die Themen Ernährung, Be- wegung und Stressregulation. Die Gesundheitsverwal- tung ist bestrebt, durch Aufklärung und Kampagnen wie zum Beispiel eine Bio-Pausenbrotbox-Aktion eine gesunde Schulverpflegung weiter zu forcieren. Drei Schulen wurden im letzten halben Jahr mit Wasser- brunnen ausgestattet, damit die Kinder in der Schule auch eine kostengünstige Alternative zum zuckerrei- chen Getränkeangebot haben. Damit sind mittlerweile erfreulich viele Schulen an dem Projekt „Wasser trin- ken in Augsburger Schulen“ beteiligt.

Fazit

Am Gesundheitsamt der Stadt Augsburg wurden 2006 im Sinne einer erweiterten Schuleingangsuntersu- chung auch Daten zu Muttersprache und Lebensge- wohnheiten wie Fernsehkonsum, Ernährungsgewohn- heiten und körperlicher Bewegung erhoben.

Bereits in den Vorjahren lag die Prävalenz von Übergewicht bei den Augsburger Einschulungskin- dern über dem bayerischen Durchschnitt.

In der hier diskutierten Schuleingangsuntersu- chung unterscheiden sich die Befundhäufigkeiten zu Übergewicht und Adipositas nach der Muttersprache.

Kinder mit türkischer Muttersprache weisen die höchs- te Prävalenz auf.

In Zukunft sind die Erfassung des Körpergewichts eines Jahrgangs und der zeitliche Trend in der Stadt Augsburg in weiteren Erhebungen differenzierter zu betrachten. Zusätzliche mögliche Einflussfaktoren sol- len auch in ihrem Zusammenwirken untersucht wer- den.

Die Gewichtsentwicklung bei Einschulungskin- dern ist in den einzelnen Sprachgruppen und im Ver- gleich zueinander zu betrachten.

Damit ergibt sich eine Verbesserung in der Ent- wicklung und Implementierung von konkreten und an Risikogruppen orientierten Präventionsprogrammen.

Widmung

Der langjährigen Amtsleiterin Dr. med. Traude Löscher gewidmet.

Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Manuskriptdaten

eingereicht: 27. 12. 2007, revidierte Fassung angenommen: 29. 8. 2008

LITERATUR

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TABELLE 4

Täglicher Fernsehkonsum (inkl. DVD, Video, Computer)

Kinder Deutsch Türkisch Russisch Sonstige

insgesamt

n 2 306 1 398 395 183 319

< 1 Std. 1 104 812 122 44 122

47,9 % 58,1 % 30,9 % 24,0 % 38,2 %

1 – 3 Std. 990 459 234 126 166

42,9 % 32,8 % 59,2 % 68,9 % 52,0 %

> 3 Std. 61 19 21 5 15

2,6 % 1,4 % 5,3 % 2,7 % 4,7 %

kein Fernsehen 89 83 3 2 1

3,9 % 5,9 % 0,8 % 1,1 % 0,3 %

keine Angabe 62 25 15 6 15

2,7 % 1,8 % 3,8 % 3,3 % 4,7 %

Sonstige = inkl. Griechisch

(7)

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Ergebnisse der Schuleingangsuntersuchung zum Schuljahr 2005/2006.

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10. Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit:

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Anschrift für die Verfasser Dr. med. Ulrich Storr

Kinder- und Jugendarzt, Facharzt für Öffentliches Gesundheitswesen Gesundheitsamt Stadt Augsburg

Hoher Weg 8 86152 Augsburg

E-Mail: praev.gesundheitsamt@augsburg.de

SUMMARY O

Ovveerrwweeiigghhtt aanndd OObbeessiittyy iinn CChhiillddrreenn SSttaarrttiinngg SScchhooooll iinn AAuuggssbbuurrgg –– PPrreevvaalleennccee aanndd IInnfflluueenncciinngg FFaaccttoorrss

Introduction: A comprehensive approach to the prevention of over- weight and obesity requires identifying the socioeconomic and cultur- al factors involved. This study set out to determine the prevalence of overweight and obesity among children starting school in Augsburg, Germany. Another aim was to examine influencing factors and any associations between the findings and the children's first language.

Methods: In the context of the school entry health examination for the 2006/2007 school year, the parents of 2306 children were surveyed by means of an anonymous questionnaire. The investigators docu- mented each child's sex, age, body weight, height, and first language, as well as the preschool attended. The data were evaluated descrip- tively using SPSS 14.0.

Results: Overall, 13.1% (n = 302) of the children were overweight, including 4.9% (n = 113) who were obese. The prevalence of over- weight and obesity was nearly twice as high among children whose first language was not German. Half of all children did not attend a sports or dance group. More than half of the overweight children watched television for one to three hours each day.

Discussion: The prevalence of overweight and obesity differs depend- ing on ethnic origin. Children from immigrant families are a high-risk group. Targeted prevention strategies are necessary for children of elementary school age. Our data may serve as the basis for develop- ing neighborhood- or district-wide interventions.

Dtsch Arztebl 2008; 105(51–52): 883–9 DOI: 10.3238/arztebl.2008.0883 Key words: children starting school, overweight, prevention, children's health, physical activity

The English version of this article is available online:

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