W
as viele befürchtet haben, ist eingetreten: Der Krieg gegen den Irak scheint nicht von kur- zer Dauer zu sein. Genaue Zahlen über Tote und Verletzte gibt es derzeit nicht.Auch von größeren Flüchtlingsströmen ist noch nichts bekannt. Nur so viel ist si- cher: In Basra, mit 1,5 Millionen Ein- wohnern die zweitgrößte Stadt im Irak, ist die Wasser- und Strom-
versorgung weitgehend zu- sammengebrochen. Insge- samt sind etwa 10 Millionen Menschen, vor allem in den großen Städten Bagdad, Mo- sul und Basra, von der Ver- sorgung abgeschnitten, sagte Heribert Röhrig von der
„Aktion Deutschland Hilft“
(ADH) bei einer Pressekon- ferenz Ende März in Berlin.
Die Helfer sind sich einig:
Dauert die Situation an, droht dem Irak eine huma- nitäre Katastrophe.
Das Hilfsbündnis ADH hat sich vor neun Monaten im Zuge der Flutkatastro- phe in Ostdeutschland gegründet. Nun setzen sich Malteser, ADRA Deutsch- land, Help, Arbeiterwohlfahrt, Care, Arbeiter-Samariter-Bund, World Vision, der Paritätische Wohlfahrtsverband so- wie die Johanniter gemeinsam für Flücht- linge aus dem Irak ein. Dabei kümmert sich ADH vorwiegend um die Trink- wasser- und Medikamentenversorgung.
Für das Ausbleiben der Flüchtlinge gibt es mehrere Erklärungen. „Die mei- sten Iraker haben kein Geld, einen Bus oder ein Sammeltaxi zu chartern, weni- ge besitzen ein Auto, um die Nachbar- staaten zu erreichen“, sagte Uli Post, Sprecher der Deutschen Welthungerhil-
fe in Bonn, dem Deutschen Ärzteblatt.
Die Deutsche Welthungerhilfe küm- mert sich hauptsächlich um die Versor- gung mit Nahrungsmitteln. Durch das Embargo, das am Ende des zweiten Golfkriegs verhängt wurde, ist die Bevölkerung völlig verarmt. Die Er- nährungssituation ist entsprechend schlecht. „16 Millionen Iraker – 60 Pro-
zent der Bevölkerung – sind auf das Pro- gamm ,Nahrungsmittel für Öl‘ angewie- sen“, betonte Röhrig. Nach ADH-An- gaben reichen die Vorräte noch vier Wo- chen. Drei Millionen Kinder seien oh- nehin schon chronisch unterernährt.
Bevor die Kämpfe nicht beendet sind und die Kriegsparteien einen „huma- nitären Raum“ freigegeben haben, kann es keine Hilfe geben, erklärte Dr. Wolf- gang Jamann von World Vision Deutschland e.V. Dennoch bereiten sich die Organisationen auf die Versorgung
von etwa 300 000 Flüchtlingen in ent- sprechenden Lagern vor. „Die Verein- ten Nationen rechnen mit mindestens 600 000 Betroffenen“, sagte ADH-Ver- treter Röhrig. „Wenn die Kämpfe vor- bei sind, werden die UN-Mitgliedstaa- ten gebeten, ihre Beiträge zu erhöhen;
die Europäische Union habe bereits ei- ne Unterstützung von 21 Millionen Eu- ro zugesagt“, erklärte Post.
Für die ADH sind zurzeit 30 interna- tionale Helfer mit dem Aufbau der Lager in den Grenzstaaten beschäftigt. Auch für die Organisation „Ärzte ohne Gren- zen“ sind 30 internationale Mitarbeiter an den Grenzen des Irak tätig. „Ein Team von sechs Leuten arbeitet zurzeit noch in Bagdad“, sagte Kattrin Lempp, Spre- cherin von „Ärzte ohne Grenzen“ in Berlin. Sorge bereitet ihr die Koordinati- on der humanitären Hilfe nach Kriegsen- de. Für sie wäre es „absolut inakzepta- bel“, wenn die USA als Kriegspartei die humanitäre Hilfe steuern will. Dies wi- derspreche dem Grundsatz der Unabhängigkeit huma- nitärer Hilfe, verdeutlichte Lempp ihre Kritik. Sie be- fürchtet, dass die Hilfsorga- nisationen ohne die Koordi- nierung durch das US-ame- rikanische Militär keinen Zugang zu den Flüchtlingen erhalten werden. Lempp er- innerte in diesem Zusam- menhang an die Ankündi- gung der USA, mit Ausnah- me des Internationalen Ro- ten Kreuzes keine Hilfsor- ganisation zu dulden.
Die finanzielle Lage der Helfer sieht ebenfalls wenig rosig aus. „Noch ist das Spendenbewusstsein in der Bevölke- rung nicht sehr ausgeprägt“, bedauerte Röhrig. Dies bestätigte auch das Deut- sche Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) in Berlin. Das DZI vergibt ein Spenden-Siegel, das den Spendenwilli- gen als Entscheidungshilfe dienen soll.
In einem Bulletin sind alle positiv ge- werteten Organisationen aufgelistet.
Es kann schriftlich beim DZI, Berna- dottestraße 94, 14195 Berlin, Telefon 0 30/83 90 01-0, gegen drei 55-Cent- Briefmarken angefordert werden. Die Informationen können auch im Inter- net unter www.dzi.de abgerufen wer-
den. Susanne Lenze
P O L I T I K
A
A886 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 144. April 2003
Irak-Krieg
Den Hilfsorganisationen fehlt Geld
Humanitäre Organisationen wie „Ärzte ohne Grenzen“ be- fürchten, dass die USA nach Beendigung der Kämpfe die Hilfs- aktionen für die irakische Bevölkerung kontrollieren wollen.
In der jordanischen Stadt Al-Ruweishid, etwa 60 Kilometer westlich der irakischen Grenze, haben Hilfsorganisationen eine Zeltstadt er- richtet und warten auf Flüchtlinge.
Foto:ap