A 2662 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 108|
Heft 49|
9. Dezember 2011 metrie) über einen Zeitraum bis zu9 Jahren vorgenommen. Ein IOD von weniger als 16 oder 18 mm Hg war nicht mit einer geringeren Ge- sichtsfeldprogression assoziiert, das Erreichen eines bestimmten absolu- ten Wertes also offenbar kein Schutzfaktor. Aber die Schwan- kungsbreite war ein Prädiktor für eine zunehmende Gesichtsfeldschä- digung. Eine gegenüber dem Durchschnitt der Patienten um 4,5 oder mehr mm Hg stärkere Fluktua- tion des IOD ging mit einer durch- schnittlichen Gesichtsfeldprogres- sion um 0,54 dB einher. Dies ge- schah allerdings nur bei medika- mentös behandelten Patienten; bei jenen, die sich einer Glaukomope- ration unterzogen hatten, führte die IOD-Fluktuation in gleicher Grö- ßenordnung nicht zu einer funktio- nellen Verschlechterung. Die Erklä- rung hierfür: Die chirurgische Opti- on führt im Allgemeinen zu einem
tieferen Druckniveau als die medi- kamentöse Therapie; auf diesem niedrigeren Niveau scheinen Fluk- tuationen weniger gefährlich zu sein.
Fazit: Die Ergebnisse der Studie unterstützen frühere Hinweise dar - auf, dass Fluktuationen des Intra- okulardrucks ein unabhängiger Ri- sikofaktor für die Progression eines Gesichtsfeldschadens sind. Vermut- lich wird dadurch die für den Schutz retinaler Ganglienzellen notwendige Homöostase unterbro- chen. Während der üblichen Arzt- praxiszeiten lässt sich das Ausmaß der IOD-Fluktuationen vermutlich nicht immer ermitteln. „Wir haben Patienten, deren Augeninnendruck in der Nacht plötzlich ansteigt“, kommentiert Prof. Dr. med. Lutz E.
Pillunat, Direktor der Universitäts- augenklinik Dresden. „Bei diesen Patienten sind 24-Stunden-Messun-
gen – also in aller Regel stationär – dringend geraten, um das richtige Therapieschema zu entwickeln, das nicht nur den IOD insgesamt senkt, sondern auch dessen Schwankun- gen in Grenzen hält.“ Ein weiterer Aspekt der Studienergebnisse: Die Chirurgie des Glaukoms scheint der für die Krankheit typischen Apop- tose der retinalen Ganglienzellen effektiver entgegenzuwirken als die meist lebenslang notwendige topi- sche Therapie. Bei der Entschei- dung über die adäquate Therapie- form muss dies gegenüber den potenziellen Komplikationen der verschiedenen operativen Metho- den (Trabekulektomie, Kanaloplas- tik, Drainageimplantat) abgewogen werden. Dr. med. Ronald D. Gerste
Musch DC, Gillespie BW, Niziol LM, et al.: In- traocular pressure control and long-term visu- al field loss in the collaborative initial glauco- ma treatment study. Ophthalmology 2011;
118: 1766–73.
Auch bei doppelter Plättchenhem- mung ist das Sterblichkeitsrisiko nach einem akuten Koronarsyn- drom (ACS) hoch. Ob es sich durch die zusätzliche Hemmung der plas- matischen Gerinnung durch den oralen Faktor-Xa-Inhibitor Rivaro- xaban senken lässt, wurde in der Studie ATLAS ACS 2-TIMI 51 ge-
prüft. In der Studie wurden 15 526 Patienten nach ACS (stabilisiert, nach 1 bis 7 Tagen) doppelblind randomisiert und placebokontrol- liert mit 2,5 mg (n = 5 174) oder 5 mg (n = 5 176) Rivaroxaban zweimal täglich zusätzlich zur Standardtherapie (ASS plus Thie- nopyridin) für durchschnittlich 13 (maximal 31) Monate behandelt.
Das Ergebnis: Rivaroxaban (bei- de Dosierungen) senkte den primä- ren kombinierten Wirksamkeits- endpunkt aus Herzinfarkt, Schlag- anfall (ischämisch und hämorrha- gisch) und kardiovaskulärer Morta- lität signifikant um absolut 1,8 % (10,7 versus 8,9 %, HR 0,84; 95-%- KI 0,74–0,96, p = 0,008), was einer Number needed to treat (NNT) von 56 entspricht. Die Rate an Stent- Thrombosen wurde ebenfalls signi- fikant vermindert (2,3 % vs. 2,9 %, p = 0,016).
Die Risikoreduktion war unter beiden Dosierungen signifikant (2,5 mg: 9,1 % vs. 10,7 %, p = 0,02, 5 mg: 8,8 % vs. 10,7 %, p = 0,03).
Nur die 2,5 mg-Dosierung aber führte zu einer signifikanten Re- duktion der kardiovaskulären Mor- talität (2,7 % vs. 4,1 %, p = 0,002) sowie der Gesamtmortalität (2,9 % vs. 4,5 %, p = 0,002). Es resultierte unter Rivaroxaban eine signifikante Steigerung der Blutungsrate (2,1 % vs. 0,6 %, p < 0,001) sowie der Rate intrakranieller Blutungen (0,6 % vs.
0,2 %, p = 0,009), aber ohne Zunah- me der Rate fataler Blutungen (0,3 % vs. 0,2 %, p = 0,66).
Fazit: Mit der ATLAS-ACS-Studie wurde nach Meinung von Prof. Dr.
med. Christoph Bode, Freiburg, erstmals belegt, dass die Hemmung der plasmatischen Gerinnung zu- sätzlich zu einer doppelten Anti- plättchenstrategie die Sterblichkeit nach Herzinfarkt signifikant senkt.
Das Ergebnis habe eine hohe Rele- vanz und sollte eine Änderung der Leitlinien zur Folge haben: „Es dürfte zu einem Paradigmenwech- sel in der Sekundärprävention des Myokardinfarktes führen“, kom- mentiert Bode. Christine Vetter Mega JL, et al.: Rivaroxaban in patients with a recent acute coronary syndrome. NEJM 2011/
10.1056/NEJMoa1112277 AKUTES KORONARSYNDROM
Oraler Faktor Xa-Hemmer senkt Mortalität signifikant
GRAFIK
Wirksamkeit von Rivaroxaban versus Placebo für den primären Endpunkt Herzinfarkt, Schlaganfall und kardiovaskuläre Sterblichkeit
Kumulative Inzidenz (Ereignisse primärer Endpunkt in %)
Zeit nach Randomisierung (Tage) Hazard Ratio: 0,84 (95-%-KI 0,74-0,96) p= 0,008
Patienten im Risiko
modifiziert nach: NEJM 2011 /10.1056/NEJMoa1112277