• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Depressive Erkrankungen älterer Menschen" (08.01.1982)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Depressive Erkrankungen älterer Menschen" (08.01.1982)"

Copied!
4
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

ÜBERSICHTSAUFSATZ

Depressive Erkrankungen sind an sich schon ein hochdifferenziertes Arbeitsfeld der Forschung und Pra- xis. Der Arzt steht dort auch heute noch vor zahlreichen ungelösten Problemen. Treten depressive Er- krankungen bei älteren Menschen auf, erfordert das noch mehr Über- sicht und Weitsicht: Zusätzlich sind geriatrische Kenntnisse erforderlich.

Seit Kraepelin (1896) werden de- pressive Erkrankungen älterer Men- schen immer wieder als eigenständi- ge Krankheitsbilder herausgestellt, zum Beispiel als Involutions- oder Rückbildungsmelancholien, also als typische Alterserkrankungen. Die Diskussion, ob solche Sonderfor- men tatsächlich existieren, scheint heute abgeschlossen. Nach langen, zum Teil heftigen wissenschaftli- chen Auseinandersetzungen besteht die nahezu einhellige Auffassung, daß spezifische Formen depressiver Erkrankungen des höheren Lebens- alters nicht existieren (6)*). Mit dem immer größer werdenden Anteil älte- rer Menschen an der Gesamtbevöl- kerung hat auch die Zahl depressi- ver Erkrankungen des höheren Le- bensalters zugenommen. Die betrof- fene Personengruppe setzt sich aus erst- und wiedererkrankten Depres- siven zusammen. In unserer Unter- suchung an 210 Depressiven beträgt der Anteil der nach dem 45. Lebens- jahr Wiedererkrankten etwa 30 Pro- zent (5). Es ist also davon auszuge-

hen, daß gerade in der zweiten Le- benshälfte depressive Erkrankun- gen besonders häufig erstmals auf- zutreten pflegen (Darstellung 1).

Frauen scheinen häufig im 5. bis 6.

Lebensjahrzehnt zu erkranken. Der Häufigkeitsgipfel liegt bei Männern offenbar ein Jahrzehnt später.

Die depressiven Patienten wenden sich mit ihren Beschwerden in der Regel zuerst an ihren „Hausarzt", der dann die Diagnose stellt und die Therapie einleitet. Der Anteil von Pa- tienten mit depressiven Störungen wird in der Allgemeinpraxis auf etwa 10 Prozent aller untersuchten Pa- tienten geschätzt. Nach einer Unter- suchung von Pöldinger (3) behan- delt der praktische Arzt in der Bun- desrepublik Deutschland, Frank- reich oder der Schweiz seine de- pressiven Patienten in mehr als 60 Prozent der Fälle selbst. Somit ist die Depressionsbehandlung über- wiegend eine Tätigkeit der Allge- meinpraxis. Nur die schweren, häu- fig therapieresistent erscheinenden Erkrankungsformen werden an den Psychiater überwiesen.

Was sind nun die Merkmale, die die depressiven Erkrankungen des hö- heren Lebensalters von denen der jüngeren und mittleren Lebensjahre abheben und Probleme aufwerfen?

Hierzu einige Daten aus der bereits erwähnten klinischen Studie.

Die depressiven Erkrankun- gen im höheren Lebensalter scheinen sich auf den ersten Blick von denen jüngerer Pa- tienten zu unterscheiden.

Grundsätzliche Unterschiede zwischen den depressiven Er-

krankungen jüngerer und älte- rer Patienten gibt es aber nicht. Wird der organische und psychologische „Alters- faktor" berücksichtigt, so bie- ten solides psychiatrisches

Basiswissen und gute Kennt nisse der Geriatrie eine gute Gewähr für eine adäquate Diagnostik und Therapie.

Anamnestische Daten

Schon bei der Erhebung biographi- scher, sozial- und krankheitsana- mnestischer Daten ist eine Reihe deutlicher Unterschiede zwischen jüngeren und älteren Depressiven zu erkennen.

Die Angaben älterer Menschen sind wesentlich umfangreicher: Im Laufe des längeren Lebens haben sich viel mehr positive und insbesondere ne- gative Erfahrungen angesammelt.

Daraus aber den Schluß zu ziehen, daß es sich bei depressiven Erkran- kungen älterer Menschen um beson- dere Erkrankungsformen handelt, ist nicht gerechtfertigt.

Solche Daten müssen in Abhängig- keit von der durchlebten Zeitspanne, vor dem Hintergrund zeitgeschichtli- cher Umstände und unter Berück- sichtigung der durch das Lebensal- ter bedingten individuellen Lebens- phase interpretiert werden. Sie hän- gen vom aktuellen Lebensalter der Betroffenen ab.

Auch bei den Angaben über psychi- sche Erkrankungen in der Familie spielt das aktuelle Lebensalter zum Zeitpunkt der Befragung eine we- sentliche Rolle. Ältere Menschen

Die in Klammern stehenden Ziffern bezie- hen sich auf das Literaturverzeichnis.

GERIATRIE-SERIE:

Depressive Erkrankungen älterer Menschen

Gerhard A. E. Rudolf

Aus der Klinik für Psychiatrie

(Direktor: Professor Dr. med. Rainer Tölle) der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster

Ausgabe A/B DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 1 vom 8. Januar 1982

53

(2)

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Altersdepressionen

überblicken einen größeren Zeit- raum und müßten demnach umfang- reichere Aussagen machen können.

Dem widersprechen jedoch die An- gaben der von uns untersuchten äl- teren Depressiven: Ähnlich früheren Befunden (1) stellte sich heraus, daß nach dem 45. Lebensjahr erstmals Erkrankte aus Familien stammen, in denen seelische Störungen wesent- lich seltener vorkommen. Daraus könnte geschlossen werden, daß die genetische Determinierung bei spät- erkrankten Depressiven geringer ist.

Diese Interpretation bleibt jedoch weiterhin umstritten.

Werden Patienten mit manifesten körperlichen Störungen aus dem Vergleich ausgeschlossen, finden sich in der Anamnese jüngerer und älterer Depressiver vorangegange- ne, aber abgeheilte Erkrankungen gleich häufig. Dagegen berichten jüngere Patienten häufiger über

Suchtverhalten.

Auch vorangegangene Suizidversu- che kommen bei jüngeren Depressi- ven öfter vor. Dennoch ist die Suizid- gefährdung auch bei älteren Men- schen insgesamt sehr hoch.

Die Dauer der depressiven Erkran- kung ist seit dem Erstmanifesta- tionstermin bei jüngeren und älteren Depressiven bis zum Zeitpunkt -der Untersuchung etwa gleich lang. Das gilt in gleicher Weise für die Zeit vom Beginn der aktuellen Erkran- kungsphase bis zum ersten Arztkon- takt wegen dieser Erkrankung.

Nehmen depressive Erkrankungen bei jüngeren und älteren Patienten einen periodischen Verlauf, spielen das aktuelle Lebensalter wie das Ersterkrankungsalter für die Zahl der durchlaufenen Phasen keine we- sentliche Rolle.

Belastende Faktoren im Vorfeld ei- ner depressiven Erkrankung ent- stammen bei älteren Menschen eher dem Bereich körperlicher Gesund- heit. Das liegt wahrscheinlich an der höheren Anfälligkeit des älteren Menschen für körperliche Stö- rungen.

Psychopathologische Symptome Die psychopathologische Sympto- matik depressiver Erkrankungen des höheren Lebensalters unterscheidet sich nur unwesentlich von der jün- gerer Depressiver. Auch ältere Pa- tienten leiden unter gedrückter Stimmung, Grübeleien, fehlender In- itiative, Hoffnungslosigkeit und dar- aus resultierender Verzweiflung. Ein Teil der älteren Patienten wirkt psy- chomotorisch unruhig, ein anderer gehemmt. Nicht zu übersehen ist je- doch eine deutliche Akzentuierung ihrer Klagen über körperliche Be- schwerden. Wenn der untersuchen- de Arzt sich dann allein auf die Dia- gnostik im somatischen Bereich be- schränkt, kann das tatsächliche Krankheitsgeschehen verkannt wer- den. Es ist daher zwingend notwen- dig, bei älteren Menschen auch nach seelischen Symptomen zu su- chen. Sind diese vorhanden und können gleichzeitig keine körperli- chen Ursachen nachgewiesen wer- den, liegt die Diagnose eines de- pressiven Syndroms nahe.

Hirnorganische Störungen

Gerade bei älteren depressiven Men- schen sind oft Erkrankungen wie ze- rebro-vaskuläre Insuffizienz, senile Demenz oder anderer hirnorganisch bedingter Abbauprozesse (zum Bei- spiel nach chronischen Intoxikatio- nen mit Alkohol oder Medikamen- ten) zu beobachten. Bereits in frü- hen Stadien derartiger, organisch bedingter Störungen sind depressi- ve Syndrome geläufig. Sie können gelegentlich Schweregrade errei- chen, die an eine Melancholie (en- dogene Depression) denken lassen.

Dennoch wird die Diagnose einer symptomatischen, hirnorganisch bedingten Depression zu häufig ge- stellt. Die scheinbar durch den Ver- lust von Hirnsubstanz bedingten Störungen (Herabsetzung der Kon- zentrations- und Merkfähigkeit, Ver- langsamung und Erschwerung des Denkens, körperliche und seelische Erschöpfbarkeit usw.) treten oft nach erfolgreicher antidepressiver Behandlung zurück.

Die differentialdiagnostische Abklä- rung erfordert also gerade bei einem älteren Menschen besondere Sorg- falt bei der Untersuchung körperli- cher, vor allem hirnorganischer Ent- stehungsbedingungen. Finden sich deutliche somatische Veränderun- gen, ist eine auf diese Ursachen zie- lende Therapie indiziert. Eine Thera- pie allein mit Antidepressiva kann in solchen Fällen den Zustand ver- schlechtern. Nur in seltenen Fällen

ist auch eine thymoleptische Be- handlung mit niedrig dosierten Anti- depressiva angezeigt. Sie kann dann parallel zur Behandlung des Grund- leidens durchgeführt werden.

Seelische Auslöser und Ursachen Dem organischen „Altersfaktor" ste- hen psychologische und psychody- namische Aspekte des Alterns als mögliche Ursachen für ein depressi- ves Syndrom gegenüber.

Der depressiv Kranke im höheren Lebensalter ist ein nicht nur in Jah- ren meßbar und oft auch organisch nachweisbar gealterter Mensch, sondern auch ein Wesen, das sich selbst und seine Zeit mit allen guten und schlechten Schicksalen erlebt hat. Hinzukommt, daß er sich in sei- ner Krankheit, mag sie organisch oder funktionell bedingt sein, wahr- nimmt und sich in einer für ihn cha- rakteristischen Weise verhält. In die- ser Situation reagiert ein älterer Mensch anders als einer in jüngeren oder mittleren Lebensjahren. Inso- fern also spielt auch ein psychody- namisch zu fassender „Altersfaktor"

eine Rolle bei der Entstehung und Ausgestaltung eines depressiven Syndroms.

Diagnostische Zuordnung

Depressive Syndrome des höheren Lebensalters sind in noch geringe- rem Maße als solche der jüngeren Lebensjahre auf eine einzige Ursa- che zurückzuführen (multifaktori- elle Genese). Die diagnostischen Schwierigkeiten werden mit zuneh- mendem Alter größer. Wenn in frü- heren Phasen des Rückbildungsal- 54 Heft 1 vom 8. Januar 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A/B

(3)

Relative Häufigkeitsverteilung des Ersterkrankungsalters (e• .... ••••• männi. Pat., N - 57,

■-•••-■ webt. Pat., N = 153)

- 24 - 29 - 34 - 39 - 44 - 49 - 54 - 59 - 64 über 65 Jahre 20

18 16 14 12 10 8 6 4 2

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

Altersdepressionen

Darstellung 1: Relative Häufigkeitsverteilung des Ersterkrankungsalters

ters eine Trennung nach den tradi- tionellen Diagnosengruppen (endo- gene, neurotisch-reaktive oder orga- nische Depression) vielleicht noch möglich erscheint, so wird das in späteren Jahren nahezu unmöglich.

Vor längerer Zeit schon machte man daher den Vorschlag, bei erstmals im hohen Alter auftretenden Depres- sionen nur noch zwischen solchen ohne und mit Demenzzeichen, das heißt zwischen funktionellen und or- ganisch bedingten Depressionen, zu unterscheiden. Dennoch muß fest- gehalten werden, daß sich auch im höheren Lebensalter reaktive und (nach der traditionellen Auffassung) endogene Depressionen entwickeln können, wie sie in den Lehrbüchern beschrieben werden. Die weitaus größte Zahl depressiver Störungen paßt aber nicht in ein strenges Dia- gnosenschema. Diesen diagnosti- schen und damit auch therapeuti-

schen Problemen wird man am ehe- sten gerecht, wenn sich die Diagno- stik auf der syndromalen Beschrei- bungsebene bewegt.

Das heißt für die ärztliche Praxis:

Alle Grundregeln der Diagnostik de- pressiver Erkrankungen im allge- meinen sind auch auf Depressionen des höheren Lebensalters anzuwen- den. Das freilich ist, wie oben bereits angedeutet wurde, wegen der not- wendigen Berücksichtigung des

„Altersfaktors" recht schwierig.

Therapie

Die Behandlung depressiver Erkran- kungen des höheren Lebensalters kann die grundsätzlichen Aspekte und Regeln der allgemeinen Depres- sionstherapie befolgen (4). Es sind aber Einschränkungen und Beson- derheiten zu beachten, deren Ursa-

chen im höheren Lebensalter der Patienten liegen. Dabei handelt es sich um alterstypische Phänomene, die von der Gerontologie und Geria- trie während der letzten Jahrzehnte zunehmend differenzierter beschrie- ben worden sind.

Im Rahmen der allgemeinen Depres- sionsbehandlung steht die Somato- therapie in Form einer medikamen- tösen Therapie an erster Stelle. Die Behandlung mit Antidepressiva (Thymoleptika) zeigt auch bei älte- ren Depressiven befriedigende Er- gebnisse.

Folgende Punkte müssen jedoch be- achtet werden: Grundsätzlich darf die Tagesmenge des verordneten Medikamentes nur etwa halb so groß sein wie die durchschnittlich empfohlene Tagesdosis für 'Patien- ten im mittleren Lebensalter. Dabei ist das aktuelle Lebensalter des Be-

Ausgabe A/B DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 1 vom 8. Januar 1982

55

(4)

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Altersdepressionen

handelten zu beachten. Es zieht the- rapeutische Konsequenzen nach sich, ob ein Patient 60, 70 oder gar 80 Jahre alt ist. Die Möglichkeiten und Grenzen der Somatotherapie werden grundsätzlich durch die kör- perliche Verfassung des älteren Menschen abgesteckt. Die Behand- lung muß immer einschleichend be- ginnen. Zudem ist der Leistungszu- stand des Herzens zu beachten.

Die älteren trizyklischen Antidepres- siva haben eine wahrscheinlich mit steigender Dosis zunehmende kar- diotoxische Wirkung, die sich be- sonders deutlich an vorgeschädig- ten Herzen zeigt.

Wegen ihrer offenbar geringeren Kardiotoxizität haben sich in der Al- terspsychiatrie z. B. das ältere trizy- klische Dibenzepin (Noveril®) oder die neuere trizyklische Substanz Lo- fepramin (Gamonil®) bewährt.

Einen deutlichen Fortschritt brach- ten die tetrazyklischen Antidepressi- va, zum Beispiel Maprotilin (Ludio- mil®) und Mianserin (Tolvin®).

Unbedingt notwendige kontrollierte klinische Studien über die Behand- lung älterer Menschen sind ausge- sprochen selten oder stehen für manche neuentwickelte Substanzen noch aus.

Neben der Behandlung mit Antide- pressiva ist bei älteren Menschen stets eine Herz-Kreislauf-Therapie zu empfehlen.

Die Überlegungen zur multifaktoriel- len Genese depressiver Erkrankun- gen des höheren Lebensalters ge- statten auch eine Behandlung, die auf eine Optimierung des Hirn- stoffwechsels zielt. Es können die von der pharmazeutischen Industrie zahlreich angebotenen Substanzen verwendet werden, doch sollten die Erwartungen hinsichtlich ihrer Wir- kung nicht zu hoch angesetzt werden.

Die Entscheidung, ob eine Behand- lung ambulant oder stationär durch- geführt werden soll, ist von der Schwere des Krankheitsbildes, dem

Ausmaß der vitalen Bedrohung, zum Beispiel durch Suizidtendenzen, und von den sozialen Verhältnissen abhängig, in denen der Kranke lebt.

Auch für ältere Menschen gilt, daß die überwiegende Zahl depressiver Erkrankungen ambulant behandelt werden kann.

Grundvoraussetzung für den Erfolg jeder Behandlungsform ist ein guter psychotherapeutischer Kontakt zwi- schen Arzt und Patient. Ermöglicht wird damit eine vorsichtige, stützen- de psychotherapeutische Beglei- tung durch die depressive Erkran- kung.

Bei den sehr häufigen reaktiv ent- standenen Depressionszuständen reicht eine dann konfliktzentriert ar- beitende Psychotherapie oft als ein- zige Maßnahme aus.

Große Entlastung und Hilfe kann der ältere Depressive dadurch erfahren, daß von dem Therapeuten aktuelle Probleme auf einer interpersonal- kommunikativen Ebene angespro- chen und gemeinsam bewältigt wer- den. Der Zugang zu dem Depressi- ven muß sehr oft mit recht persön- lichkeitsgebundenen Mitteln des Therapeuten gesucht werden.

Aber auch psychotherapeutischen Maßnahmen sind durch die psychi- sche Leistungs- und Verarbeitungs- fähigkeit des älteren Menschen Grenzen gesetzt. Gleiches gilt für soziotherapeutische Interventionen, die wie jede Therapie nur dann ei- nen positiven Effekt haben, wenn sie individuell angepaßt sind und das allgemeine Leistungsvermögen des Patienten nicht überfordern.

Verlauf und Prognose

Wie das äußere Erscheinungsbild und Verhalten werden auch Verlauf und Prognose durch das Lebensal- ter geprägt. Mit dem Nachlassen der körperlichen und seelischen Adap- tationsfähigkeit verändert sich gleichzeitig die Fähigkeit zur Rege- neration. Die Rekonvaleszenz kann sich verzögern, der Verlauf er-

scheint länger, die Prognose wird, wie bei allen Erkrankungen des hö- heren Lebensalters, durch interkur- rierende Störfaktoren verschlech- tert.

Zusammenfassung

Die bei älteren Menschen festzustel- lende Andersartigkeit zwingt zu ei- ner Umorientierung von einer allzu globalen zu einer wesentlich diffe- renzierteren Betrachtungsweise, die den „Altersfaktor" mitberücksich- tigt. Weitere, über den dargestellten Rahmen hinausgehende Rücksicht- nahmen und Verhaltensweisen scheinen im ärztlichen Umgang mit depressiven älteren Menschen nicht nötig. Ein solides psychiatrisches Basiswissen und Kenntnisse des Arztes in Geriatrie und Alterspsycho- logie bieten dem depressiven älte- ren Menschen die beste Gewähr für eine adäquate Diagnostik und The- rapie seines Leidens.

Literatur

(1) Angst, J.: Zur Ätiologie und Nosologie en- dogener depressiver Psychosen, Springer, Berlin/Heidelberg/New York (1966) — (2) Irni- ger, W.: Die Depression als tägliches Problem des Allgemeinpraktikers, in: Kielholz, P.

(Hrsg.), Der Allgemeinpraktiker und seine de- pressiven Patienten, Huber, Bern/Stuttgart/

Wien (1981)— (3) Pöldinger, W.: Zusammenfas- sende Darstellung der Fragen und Ergebnisse einer Umfrage bei Allgemeinärzten und nichtpsychiatrischen Fachärzten in der Bun- desrepublik Deutschland, Berlin, Frankreich, Osterreich und der Schweiz, in: Kielholz, P.

(Hrsg.), Die Depression in der täglichen Praxis, Huber, Bern/Stuttgart/Wien (1974)— (4) Rudolf, G. A. E.: Therapie depressiver Syndrome, Dt.

Med. Wschr. 104 (1979) 277-280 — (5) Rudolf, G. A. E.: Depression und Lebensalter, Eine klinische Studie, Habilitationsschrift, Bd. I, Münster (1980)— (6) Rudolf, G. A. E.: Depressi- ve Erkrankungen des höheren Lebensalters in der psychiatrischen Forschung. Eine kritische Bilanz aus klinischer Sicht, Habilitations- schrift, Bd. II. Münster (1980)

Anschrift des Verfassers:

Privatdozent Dr. med.

Gerhard A. E. Rudolf Klinik für Psychiatrie der Universität Münster

Albert-Schweitzer-Straße 131 4400 Münster

56 Heft 1 vom 8. Januar 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A/B

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

In Deutschland lebten Ende 2014 rund 81,2 Millionen Menschen, von denen 22,2 Millionen 60 Jahre oder älter waren.. Somit hatte zwischen Rügen und Alpen mehr als jede vierte Person

Im Folgenden wird es dann schwammig, dabei wäre gera- de hier ein wie auch immer präferierter Algorhythmus hilfreich: Bei leichten und mittelgradigen depressiven Störungen – das ist

Eine generelle Empfehlung gegen trizyklische Antidepressiva können wir unserem Artikel nicht entnehmen und dies entspräche auch nicht unserer In- tention.. Den ausgesprochenen Rat

M ehr Resonanz verspricht sich die Deutsche Gesellschaft für Psych- iatrie, Psychotherapie und Ner- venheilkunde (DGPPN) davon, ihren Kongress ab sofort immer in Berlin und

Letztlich macht dieser Befund deutlich, dass an einer Erwerbstätigkeit interessierte Menschen mit schwerer psychischer Erkrankung am besten von einer entsprechenden

Bei hoher Suizidalität ist in der Regel eine sofortige Überweisung zum Facharzt oder in die Klinik erfor- derlich, eine Notfallbehandlung mit Benzodiazepinen kann dabei hilfreich

Bei leichten und mittelgradigen Depressionen sollte monotherapeutisch mit Pharmako- oder Psychotherapie begonnen werden (nach Verfügbarkeit der Behandlung und nach Präferenz

Die Autoren weisen in den letzen Abschnitten ihres CME-Artikels darauf hin, dass „die Ernährung über ei- ne PEG-Sonde keine terminale oder gar symbolische Maßnahme bei Patienten