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Archiv "Hochschulmedizin: Angst vorm „Schmalspurarzt“ unbegründet" (26.01.2007)

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 4⏐⏐26. Januar 2007 A173

D

er „Bologna-Prozess“ ist seit seiner Initiierung im Jahre 1999 in aller Munde. Ziel dieser Re- form ist es, die Mobilität sowohl der Studierenden als auch der Graduier- ten akademischer Studiengänge zu erhöhen. Dazu soll einerseits die Vergleichbarkeit der Arbeitsleistung in einem bestimmten Studienab- schnitt durch die Einführung einer europaweit einheitlichen Maßein- heit studentischer Arbeit (European Credit Transfer and Accumulation System – ECTS) hergestellt werden.

Dadurch will man es den Studie- renden erleichtern, Austauschse- mester an ausländischen Univer- sitäten zu absolvieren, da langwie- rige Äquivalenzprüfungen entfal- len. Andererseits soll durch die Ver- einheitlichung der akademischen

Abschlüsse die Migrationsfähigkeit der Akademiker innerhalb des euro- päischen Arbeitsmarktes gesteigert werden.

Bessere Vergleichbarkeit durch einheitliche Abschlüsse

Bei einheitlich benannten akade- mischen Graden innerhalb der Eu- ropäischen Union (EU) fällt es dem potenziellen Arbeitgeber (auch außerhalb der EU) wesentlich leich- ter zu erkennen, welchen Abschluss der Bewerber hat. Heutzutage ist beispielsweise einem belgischen Arbeitgeber nicht unmittelbar die Qualität eines deutschen „Staatsex- amens“ geläufig, da dieser Begriff in unserem Nachbarland für den Ab- schluss der beruflichen Ausbildung gebraucht wird, also etwa für einen

Facharbeiterbrief. Ein weiteres Bei- spiel: In Südafrika muss der deut- sche Diplomabsolvent zunächst klar- machen, dass sein viereinhalbjähri- ges Studium durchaus anspruchs- voller ist als die üblicherweise ein- jährigen „Diplomas“ an dortigen Universitäten.

Eine der normativen Vorgaben der europäischen Vereinbarung ist die Einführung eines generell zweiglied- rigen Studienaufbaues. Dabei soll ein in der Regel dreijähriges Ba- chelorstudium zu einem ersten berufsqualifizierenden Abschluss führen. Ein konsekutives, in der Regel zweijähriges Masterstudium soll dann die Möglichkeit zur Ver- tiefung spezieller Kenntnisse in diesem Fach geben. Die Annahme, die Anpassung des Medizinstudi- ums an diese Struktur habe zur Folge, dass bereits ein dreijähriges Bachelorstudium für den Arztbe- ruf qualifiziere, hat zu empörten Protesten geführt (1). Von einem

„Schmalspurarzt“ war die Rede.

Solche Vorbehalte bestehen offen- bar nicht nur in Deutschland, son- dern werden auch von Ärztever- tretern auf europäischer Ebene geäußert (2). So überrascht es dann auch nicht, dass eine Studie zum Stand der Implementierung des Bo- logna-Prozesses feststellt, dass in allen betrachteten Ländern (Frank- reich, Niederlande, Norwegen, Öster-

HOCHSCHULMEDIZIN

Angst vorm „Schmalspurarzt“

unbegründet

Bachelor- und Masterabschlüsse halten viele für nicht vereinbar mit dem Medizinstudium. Doch eine solche Regelung würde Vorteile und Chancen bieten.

Ein Diskussionsbeitrag von Dr. med. Dirk Hagemeister

Foto:Photothek

T H E M E N D E R Z E I T

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A174 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 4⏐⏐26. Januar 2007

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reich, Ungarn, Vereinigtes König- reich) das Medizinstudium bis dato ausgenommen bleibt (3).

Ist also die Medizin prinzipiell mit den Vorgaben des Bologna-Pro- zesses unvereinbar? Schadet die Ein- führung eines „Bachelor of Med- icine“ und eines „Master of Med- icine“ dem Ansehen der Medizin?

Ein Blick nach Großbritannien lässt diese Sorge ein wenig abklin- gen, schließt doch der sechsjährige Studiengang der Medizin an der Universität Oxford mit dem Doppel- abschluss „Bachelor of Medicine &

Bachelor of Surgery“ (BMBS) ab (4). In der Tat handelt es sich bei diesem akademischen Grad um den üblichen akademischen Abschluss des Medizinstudiums, nicht nur im Vereinigten Königreich, sondern auch in zahlreichen durch die briti- sche Kolonialmacht geprägten Län- dern, wie zum Beispiel Pakistan, Singapur und Südafrika (5, 6, 7).

Zum Teil sind die Abschlüsse hier auch lateinisch bezeichnet: „Medi- cinae Bacchalaureus et Chirurgiae Bacchalaureus“ (MBChB). Bei al- len diesen Studiengängen handelt es sich um fünf- bis sechsjährige uni- versitäre Programme, sodass die In- terpretation, der Begriff „Bachelor“

stehe stets für ein drei- bis dreiein- halbjähriges Programm, falsch ist – sehr wohl eine etwas verwirrende Situation.

Vorbild England:

Bachelor of Science

Wie lässt sich nun aber die Zielvor- gabe des Bologna-Prozesses umset- zen, nach drei Jahren einen ersten be- rufsqualifizierenden Abschluss zu ermöglichen? Auch hier gibt das bri- tische Beispiel einen gangbaren Weg vor: Der naturwissenschaftlich aus- gerichtete erste, dreijährige Studien- abschnitt an der Universität Oxford endet mit einem Abschluss als „Ba- chelor of Science“ (BSc). Darauf baut der klinische, ebenfalls drei- jährige Studienabschnitt auf, Ab- solventen anderer Bachelorstudi- engänge in Biowissenschaften oder Chemie haben in diesem System die Möglichkeit, in ein verkürztes, vierjähriges Medizinstudium einzu- steigen (4) – ein Ablauf, der der US-amerikanischen Struktur ähnelt

(zunächst Bachelor, gewöhnlich BSc, danach „medical school“). Die- ses Modell mit der Zwischenschal- tung eines „Bachelor of Science“ auf dem Weg zum medizinischen Ab- schluss scheint auch in der Schweiz favorisiert zu werden (8).

Vielfalt an Masterabschlüssen

Bereits heute gibt es zahlreiche

„Master of Medicine“ auf der Welt.

In einigen der Länder, die nach dem britischen Vorbild das Medizinstu- dium mit dem Bachelorgrad been- den, stellt der „Master of Medicine“

den Abschluss einer universitären Weiterbildung in einem klinischen Fach dar und ist in diesem Sinne ein

Facharztexamen, häufig verbunden mit dem Verfassen einer Disserta- tion – zum Beispiel in Südafrika (9).

Daneben bestehen „Master of Med- icine“-Programme, die zwar eine mehrjährige klinische Weiterbil- dung beinhalten, aber ausdrücklich kein fachspezifisches Examen be- deuten, etwa in Singapur (10). Sol- che Programme bieten Allgemein- praktikern die Möglichkeit des Ver- fassens einer Forschungsarbeit in ein bis zwei Jahren (Melbourne, Australien [11]). In Kalifornien exis- tiert ein „Master of Science in Med- icine“, der sich an nichtmedizini- sche Doktoratsstudenten richtet, um diesen ein Verständnis der klini- schen Medizin zu vermitteln (12).

Auch in Österreich wird mittlerwei- le ein fünfsemestriger Aufbaustudi- engang zum „Master in Stroke Med- icine“ für Ärzte und Fachärzte an- geboten (13). Kurzum, eine verwir- rende Vielfalt unterschiedlichster postgradualer Masterprogramme.

Demgegenüber stehen die Ent- wicklungen in Belgien (14) und der Schweiz, zweier Teilnehmerstaaten am Bologna-Prozess, die in den nächsten Jahren den „Master of Medicine“ als Abschluss des Me- dizinstudiums einführen werden.

Der Blick über die Landesgrenzen hinaus offenbart, dass es durchaus

möglich ist, auch das Medizinstudi- um im Sinne der Bologna-Vorgaben zu strukturieren. Dem Sinn der Ver- einbarung würde dabei am besten Rechnung getragen, wenn das das Grundstudium abschließende Ex- amen („Physikum“) zu einem „Ba- chelor of Science“ aufgewertet wer- den würde. Die Vermittlung klini- scher Kenntnisse und die „Prägung zum Arzt“ würde dann in einem konsekutiven zweiten Abschnitt er- folgen, der mit der Verleihung des akademischen Grades eines „Master of Medicine“ nach sechs Jahren Stu- dium beendet würde – ob dieses auf der Basis einer Forschungsarbeit zu erfolgen hätte, wie etwa beim „Di-

plom-Mediziner“ in der DDR, blie- be zu entscheiden.

Durch die bessere und internatio- nale Vergleichbarkeit könnte man so sicherlich Vorteile bei der Qualitäts- sicherung der Ausbildung erreichen.

Daneben würde sich auch die „Mi- grationsfähigkeit“ der angehenden Ärzte und Fachärzte verbessern.

Wenn im Laufe dieses Prozesses die Verleihung der Erlaubnis zur ärztli- chen Tätigkeit vom Postboten in ei- nen etwas würdigeren akademi- schen Rahmen verlagert würde, wä- re dies das Ende einer „deutschen Tradition“, die sicherlich viele bereit sind aufzugeben. Eine zukunftsfähi- ge Politik sollte nicht nur an Be- währtem festhalten. Sie muss gleich- zeitig die Erfordernisse der Zukunft erkennen und umsetzen. In diesem Sinne sollte sich auch die Medizin in Deutschland an den künftigen Gege- benheiten Europas ausrichten.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2007; 104(4): A 173–4

Anschrift des Verfassers Dr. med. Dirk Hagemeister POB 6299

Rustenburg 0300 Südafrika

E-Mail: Dirk@Dr-Hagemeister.de

Literatur im Internet:

www.aerzteblatt.de/lit0407

@

Den Bologna-Vorgaben würde am besten

Rechnung getragen, wenn das Physikum zu einem

Bachelor of Science aufgewertet würde.

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 4⏐⏐26. Januar 2007 A1

T H E M E N D E R Z E I T

LITERATUR

1. Richter-Kuhlmann, E: Hochschulmedizin - Gegen den Schmalspurarzt. Dtsch Arztebl 2005;102(36): A 2368.

2. Vonhoff, R: Europäische Ärzte - gegen Ba- chelor und Master. Dtsch Arztebl 2005;

102(11): A 740.

3. Alesi, B et al.: Stand der Einführung von Bachelor- und Master-Studiengängen im Bologna-Prozess sowie in ausgewählten Ländern Europas im Vergleich zu Deutsch- land. http://www.bmbf.de/pub/bachelor_

u_ma ster_im_bolognaprozess_in_eu.pdf am 18. 10. 2006.

4. http://www.medsci.ox.ac.uk/study/medici ne/courses am 18. 10. 2006.

5. http://www.zmu.edu.pk/mbbs.html am 22. 10. 2006.

6. http://www.nus.edu.sg/nusbulletin/0405/

med/index.htm am 22. 10. 2006.

7. http://www.uct.ac.za/faculties/health/dd.

php am 22. 10. 2006.

8. Rektorenkonferenz der Schweizer Univer- sitäten. Hochschulmedizin 2008 – Konzept zur Reform der medizinischen Lehre und Forschung an den Universitäten der Schweiz. http://www.vsm-aems.ch/down loads/Hochschulmedizin2008.pdf am 21. 10. 2006.

9. http://www.uct.ac.za/faculties/health/dd.

php am 22. 10. 2006.

10. http://www.nus.edu.sg/nusbulle tin/0405/

med/index.htm am 22. 10. 2006.

11. http://www.gp.unimelb.edu.au/courses/

pgrad/mmed.html am 22. 10. 2006.

12. http://msm.stanford.edu/

am 22. 10. 2006.

13. http://www.donau-uni.ac.at/de/studium/

fachabteilungen/umwelt/zentren/neuro/- studienangebot/stro kemedicine/index.php am 22. 10. 2006.

14. http://www.opleidingen.ugent.be/studie gids/2006/EN/FACULTY/GE/

MABA/DMARTS/INDEX.HTM am 22. 10. 2006.

LITERATURVERZEICHNIS HEFT4/2007, ZU:

HOCHSCHULMEDIZIN

Angst vorm „Schmalspurarzt“

unbegründet

Bachelor- und Masterabschlüsse halten viele für nicht vereinbar mit dem Medizinstudium. Doch eine solche Regelung würde Vorteile und Chancen bieten.

Ein Diskussionbeitrag von Dr. med. Dirk Hagemeister.

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