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Archiv "Die lepröse Neuritis: 1 Lepröse und diabetische Fuß-Läsionen" (29.10.1993)

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MEDIZIN

1 Lepröse und

diabetische Fuß-Läsionen Die Ausführungen von Prof. Dr.

Schliack zum trophischen Plantarul- kus bei der leprösen Neuritis — ein hierzulande eher seltenes Ereignis — lassen an ein Krankheitsbild denken, das dem leprösen Fuß sehr ähnlich ist, bei uns aber wesentlich häufiger vorkommt: an den diabetischen Fuß.

Mehr als 70 Prozent der Fußlä- sionen bei Diabetikern sind ursäch- lich auf eine Polyneuropathie mit teilweise oder vollständig erlosche- ner Sensibilität des Fußes zurückzu- führen (1). Wie bei der Lepra finden sich die neuropathisch infizierten diabetischen Fuß-Läsionen an den Stellen der größten Druckbelastun- gen, meistens plantarseitig im Be- reich der Metatarsalköpfchen. Wie bei der Lepra besteht beim neuropa- thischen diabetischen Fußulkus kei- ne nennenswerte Minderdurchblu- tung des Fußes, im Gegenteil, der neuropathische Fuß ist eher durch Hyperzirkulation gekennzeichnet (2). Neuropathisch infizierte diabeti- sche Fuß-Läsionen sprechen gut auf eine konservative Behandlung an (1,3), die aus drei Elementen be- steht: C) der kompletten Druckentla- stung,

©

der täglichen Wundtoilette und 0 der geeigneten Antibiotika- therapie. Der Diabetiker mit Poly- neuropathie muß — wie der Lepra- kranke — zur Prävention von Fuß-Ge- schwüren eine verletzungsfreie Haut- und Nagelpflege durchführen und mit weichgepolsterten Schutz-Schu- hen versorgt werden.

Auch in aktuellen Lehrbüchern der Chirurgie wird leider noch oft übersehen, daß die neuropathisch in- fizierte diabetische Fuß-Läsion bei konservativer Therapie eine sehr gu- te Prognose hat und daher keinesfalls wegen einer vermeintlichen obliterie- renden Mikroangiopathie („diabeti- sche Angiolopathie") großzügig am- putiert werden darf. Die bekannten Gemeinsamkeiten von leprösem und diabetischem Fuß sollten auch hier- zulande die Aufklärung dieses ver-

DISKUSSION

Zu dem Beitrag von

Prof. Dr. med. Hans Schliack in Heft 45/1992

hängnisvollen Mißverständnisses ver- anlassen, das anderswo vor Jahren schon korrigiert wurde (4).

Literatur beim Verfasser

Prof. Dr. med. E. Chantelau Diabetesambulanz MNR-Klinik Heinrich-Heine-Universität Moorenstraße 5

40225 Düsseldorf

2 Einige Ergänzungen Wir vermissen einen Hinweis auf die stark unterschiedlichen klini- schen Bilder der Lepra, die aus dem Spektrum der Immunantworten auf die Infektion mit Mycobacterium le- prae resultieren. Pathogenese, Noso- logie und Therapie der Lepra sind geprägt vom „Spektrum" der Reakti- onsmöglichkeiten zwischen tuberku- loider und lepromatöser Formen. Es handelt sich dabei um epitheliodzel- lige, granulomatöse (auf der tuberku- loiden Seite des Spektrums) oder quasi „anergische" Reaktionsmuster auf Mycobacterium leprae (auf der lepromatösen Seite), die genetisch festgelegt sind. Wenn es auch im All- tag der Klinik nicht immer möglich ist, genau festzustellen, wo ein Krankheitsbild in diesem Spektrum einzuordnen ist, muß doch bei jedem Fall von Lepra festgestellt werden, ob es sich um einen Zustand mit vie- len Bakterien („multibakteriell", MB) oder mit wenigen Bakterien („paucibakteriell", PB) handelt. Die- se Einteilung ist Grundlage für die Behandlung und hat auch Konse- quenzen für den Befall der Nerven.

Zu Punkt 1:

Frühsymptome sind unserer Er-

fahrung nach nur selten Schmerzen (es sei denn, wenn Patienten, die ein warmes Klima gewöhnt sind, europäi- scher Winterkälte ausgesetzt werden).

Polyneuritis (besser wäre viel- leicht, auch auf Grund des patholo- gisch-anatomischen Bildes, doch von Polyneuropathie zu sprechen) ent- wickelt sich am auffälligsten bei mul- tibakterieller Lepra („BL"- oder

„LL"-Typ der Jopling-Ridley-Eintei- lung). Beim Entstehen spielen zwar Reaktionen eine offensichtliche Rol- le, aber nur solche vom Typ 2 (Ery- thema nodosum leprosum). Diese treten aber viel weniger häufig auf als die für paucibakterielle Lepra (TT oder BT-Typ) charakteristische Re- aktion vom Typ 1, die fast ausschließ- lich mit Neuritis einzelner Nerven einhergeht. Zu beachten ist dabei die nicht selten auftretende stille Neuri- tis (im englischen Schrifttum „silent neuritis"), die ohne klinische Sym- ptome, das heißt ohne Schmerzen und ohne Fieber zum Ausfall der sensorischen, motorischen und vege- tativen Nervenfunktionen führt. In- wieweit „Mikroreaktionen", die kli- nisch unauffällig bleiben, bei der Pa- thogenese von Neuritiden eine Rolle spielen, ist noch ungeklärt.

Zu Punkt 2:

Porte d'entr6e der Leprabakteri- en ist in weitaus den meisten Fällen die Schleimhaut der Luftwege. Die Bakterien wandern wahrscheinlich nicht von der Haut zu den sensori- schen und vegetativen Nerven, son- dern werden hämatogen verbreitet, sowohl zu makrophagen Zellen der Haut, wie zu Schwannschen Zellen der peripheren Nerven. Wahrschein- lich spielen Temperatur und knö- cherne Vorsprünge eine Rolle bei der Lokalisation an Prädilektions- stellen (zum Beispiel N. ulnaris und N. fibularis).

Zu Punkt 6:

Verdickte Nerven sind nicht nur in fortgeschrittenen Fällen tastbar;

auch kann dieses — an sich fast pa- thognomische — Zeichen bei fortge- schrittener Erkrankung fehlen.

Zu Punkt 7:

Es trifft nicht zu, daß die taktile Aesthesie im allgemeinen ungestört ist. Auch bei frühen Fällen von Neuri- tis kann sie beeinträchtigt sein — und von den Patienten bemerkt werden.

Die lepröse Neuritis

A1-2864 (58) Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 43, 29. Oktober 1993

(2)

EDIZIN

Die Hautläsionen bei Lepra zeigen nicht nur bei unterschiedlicher Pig- mentierung der Haut sehr ungleiche Bilder, sondern vor allem auch bei den verschiedenen immunpatholo- gisch bedingten Typen der Erkran- kung. Die livide verfärbten Randsäu- me sind keineswegs charakteristisch für die Mehrzahl der Hauterschei- nungen bei Lepra.

Zu Punkt 8:

Bei der anamnestischen Klärung der Infektionsmöglichkeit muß daran gedacht werden, daß diese sehr lange zurückliegen kann. Üblicherweise liegt die Inkubationszeit für Lepra zwischen zwei und fünf Jahren; Fälle von über 30 Jahren sind aber bekannt.

Für Lepra suggestive Symptome sind vor allem anästhetische Hautlä- sionen und verdickte Nerven. Beide können aber sehr wohl fehlen. Dies gilt noch stärker für die Nachweisbarkeit von Leprabakterien, die bei tuberku- loiden Formen der Krankheit nicht ge-

Schlußwort

Die Ausführungen von Professor Dr. E. Chantelau über Differential- diagnose und vor allem Therapie des neurotrophischen Ulkus am Fuß bil- den eine beherzigenswerte Ergän- zung meines Aufsatzes über die le- pröse Neuritis. Selbstverständlich stimmen wir voll darin überein, daß solche Ulzerationen in unseren Brei- ten durch verschiedene Krankheiten

— vor allem durch Diabetes — häufiger verursacht werden als durch die Le- pra. Vielleicht wurde dieses Problem durch das Titelbild etwas zu sehr in den Vordergrund gestellt. Uns kam es darauf an, die Krankheitserschei- nungen der bei uns so wenig bekann- ten Lepra zu beschreiben und an ihre reale Existenz zu erinnern, weil sie tatsächlich im Zuge der großen Be- völkerungsverschiebungen und Kom- munikationen schon heute eine ernst zu nehmende Rolle spielt. Für den einzelnen Kranken ist die frühzeitige Diagnose — eben die richtige Einord- nung einer harmlos erscheinenden peripheren Nervenläsion als begin- nende Lepra — und damit die gezielte Therapie ebenso wichtig wie für die Allgemeinheit, um die Ausbreitung in unserem Lande zu verhüten. Ich wollte keine Abhandlung über die Le-

DISKUSSION

lingt. Die Beurteilung von Hautbiop- sien bei Lepra verlangt große Erfah- rung. Diese ist in Deutschland nur an wenigen Instituten vorhanden (zum.

Beispiel am Armauer-Hansen-Insti- tut in Würzburg, sowie am Bernhard- Nocht-Institut in Hamburg).

Der intrakutane Lepromintest (keine serologische Methode i. e. S.) hat für die Feststellung oder den Ausschluß der Lepra keine Bedeu- tung; er dient nur der Typisierung ei- nes Krankheitsfalls.

Literatur bei den Verfassern

Dr. med. G. Riedel, Lepra-Mission, Esslingen

Dr. med. E. Spang, Tropenklinik Paul-Lechler-Krankenhaus, Tübingen

A. H. van Soest, MD, Tropenklinik Paul-Lechler-Krankenhaus

Paul-Lechler-Straße 24 72076 Tübingen

pra schreiben. Das ist in dem gebote- nen Rahmen nicht möglich. Deshalb ist das Problem der verschiedenen Im- munitätssituationen auch nur am Schluß ganz kurz angesprochen wor- den. Mein Anliegen war, auf die um- schriebene lepröse Mononeuritis (oder auch Mononeuritis multiplex) aufmerksam zu machen, die in unse- rem Lande so gut wie immer verkannt wird. Es ging mir also vor allem um das diagnostische Problem.

Diese Mononeuropathien treten bei der tuberkuloiden (paucibakteri- ellen) Form auf. Sie sind sozusagen das Paradebeispiel einer echten gra- nulomatösen Entzündung (Neuritis s.str.). Sie können durchaus recht schmerzhaft sein, sind es nicht immer und auch im Einzelfall nicht andau- ernd. Aber zwei meiner Patienten suchten den Arzt eben wegen der Schmerzen auf.

Von Polyneuritiden (-pathien) sprechen wir nur bei systemischen Affektionen des peripheren Nerven- systems. Auch diese gibt es natürlich bei Lepra, besonders häufig im Rah- men der Leprareaktionen, also bei generalisierten immunologischen Prozessen, wie wir sie auch außer- halb der Lepra kennen. Die klassi- schen Entzündungszeichen müssen histologisch nicht immer sehr ausge-

prägt sein, dennoch zögert niemand, sie als Entzündung („itis") einzuord- nen und auch (erfolgreich) entspre- chend zu behandeln.

Über den Eintrittsweg gibt es meines Wissens unterschiedliche Meinungen. Der Ablauf der periphe- ren Mononeuropathien ist schlech- terdings nicht anders zu erklären als von der Haut nach zentral hin auf- steigend. Wir erleben dabei geradezu exemplarisch den fortschreitenden Ausfall der anatomisch determinier- ten Strukturen. Das läßt sich durch eine hämatogene Aussaat nicht er- klären. Und könnte es nicht sein, daß die Aussaat in den Lungen von der so oft massiv besiedelten Nasenschleim- haut her erfolgt? Warum werden sonst keine oder doch fast keine in- neren Organe von einer solchen hämatogenen Besiedelung betrof- fen? Aber auch das konnte nicht Thema unseres Beitrages sein.

Verdickte Nerven: Was ist

„früh" bei der Lepra mit einer oft jahrelangen „Inkubation"? Es han- delt sich ja eigentlich nicht um eine echte Inkubation, sondern um einen längst in Gang befindlichen, torpide verlaufenden infektiösen Krankheits- prozeß. Und sicher können klinisch noch latente granulomatöse Prozesse auch schon in einigen anderen Ner- ven vorliegen, wenn einer klinisch

„symptomatisch" geworden ist.

Zu der sogenannten dissoziierten Empfindungsstörung, das heißt Aus- fall der Schmerz- und Temperatur- empfindung bei erhaltener taktiler Aesthesie: Bei der Neuritis peripherer Nerven fallen alle Empfindungsquali- täten aus. Das ist richtig. Aber in den fleckförmigen Hautarealen, die gewiß nicht immer einen lividen Rand zeigen (aber bei hellhäutigen Menschen kön- nen solche Ränder eine Orientie- rungshilfe sein — deshalb soll man da- nach suchen) liegt praktisch stets eine dissoziierte Empfindungsstörung vor, gleichzeitig auch eine Anhidrose.

Daß man die Lepra, vor allem die

„lepromatöse" Form nicht mit Hilfe des intrakutanen Lepromintests aus- schließen kann, habe ich am Ende des Beitrages ausdrücklich gesagt.

Professor Dr. med. Hans Schliack Am Ortfelde 95

30916 Isernhagen (NB)

Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 43, 29. Oktober 1993 (59) A1-2865

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