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Archiv "Herzklappen/Medicalprodukte: Klappen-Report als Mittel zum Zweck" (18.07.1994)

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POLITIK LEITARTIKEL / AKTUELL

Z

war werden in dem vom Bun- desgesundheitsminister Horst Seehofer angeforderten „Kas- sen-Klappen-Report" wie bis- her schon die Ubernahme von wis- senschaftlichen Kongreßkosten, die Gewährung von Natural-Rabatten, von Dreingaben, produktabhängigen Spenden auf sogenannte Drittmittel- konten oder Geschenke und geldwer- te Vorteile angeprangert, ohne je- doch „Roß und Reiter" zu nennen.

Es sei Aufgabe der Staatsanwalt- schaft zu prüfen, ob bei einzelnen der präsentierten Fälle strafrechtlich re- levante Tatbestände vorliegen. Ein- zelheiten zu Berichten und Namen von Personen, Instituten oder Orten zu nennen, sei bei „dieser Sachla- ge . . . den Spitzenverbänden aber verwehrt". Allerdings seien die Straf- verfolgungsbehörden über Sachver- halte mit eventueller strafrechtlicher Relevanz unterrichtet worden. Ob einzelne Staatsanwaltschaften bisher tätig geworden sind, wurde nicht mit- geteilt. Neue konkrete Erkenntnisse scheinen die Krankenkassen nicht zutage gefördert zu haben. Ganz im Gegenteil! Auffällig oft beruft sich der Report auf „Insiderwissen" Drit- ter und die Presse, um Handelsusan- cen zu durchleuchten.

Der Report gibt offen zu, daß die Affäre vor allem auch deswegen inszeniert wurde, um Druck auf die angebliche Hochpreispolitik bei dem Medicalprodukt Herzklappen und anderen vergleichbaren Produkten

zu machen. Andererseits sollte die Gelegenheit genutzt werden, um vor der Schlußentscheidung des Ent- wurfs einer neuen Bundespflegesatz- verordnung '95 eine mindestens zehnprozentige Absenkung in der Kostenkalkulation aller operativen Fallpauschalen und Sonderentgelte zu erzielen. Dies ergäbe ein Einspar- volumen von insgesamt 1,4 Milliar- den DM zugunsten der Kassen und damit der Beitragszahler. Die gege- benen Marktkonstellationen und die angeprangerten Vertriebs- und Ver- kaufspraktiken im Medicalproduk- tensektor seien ein Indiz dafür, daß gerade im Krankenhausbereich hohe Wirtschaftlichkeitsreserven vorhan- den seien. Diese müßten durch harte, direkte Preisverhandlungen ausge- schöpft werden. Die bisher von den Krankenkassen und Krankenhäusern ausgehandelten Fallpauschalen und Sonderentgelte für Klappen-Opera- tionen seien — jedenfalls nach Kas- senlesart — unter falschen Vorausset- zungen zustande gekommen Nicht die Ist-Kosten und nicht die gegebe- nen Marktkonstellationen und Ko- stenstrukturen der Krankenhäuser dürften als Basis für die künftige Kal- kulation der Fallpauschalen und Sonderentgelte herangezogen wer- den, sondern das um die Wirtschaft- lichkeitsreserve von 6,9 Milliarden DM allein im Krankenhausbereich abgesenkte Preisniveau (die Ausga- ben der Kassen für stationäre Kran- kenhausleistungen liegen zur Zeit bei 51 Prozent —, ergibt sich folgende

faktorenbezogene Entwicklung:

• Demographiebedingte Ände- rungen in der Altersstruktur der Be- völkerung: + 7,2 Prozent;

• Veränderungen der morbidi- täts- und inanspruchnahmebedingten Veränderungen der Nachfragemu- ster: + 25,5 Prozent;

• Veränderungen in der Le- benserwartung der über 65jährigen Versicherten: + 4,1 Prozent;

• Leistungen zur Absicherung des Risikos bei Pflegebedürftigkeit:

+ 14,2 Prozent.

Daraus leitet der Geschäftsfüh- rer des Zentralinstituts, Dr. rer. pol.

Gerhard Brenner, folgende Wirkun- gen auf die Beitragsfinanzierung und den Beitragsbedarf der Krankenkas- sen ab:

• Das Beitragsaufkommen der Krankenversicherung müßte zur Fi- nanzierung der Mehrausgaben der Altersgruppe der über 60jährigen jährlich um real vier Prozent steigen.

Unter Einbeziehung der zu erwarten- den Inflationsrate von zwei bis drei Prozent jährlich müßten die Beitrags- einnahmen der gesetzlichen Kran- kenversicherung um sechs bis sieben Prozent wachsen, um die Einnahmen- Ausgaben-Balance zu halten.

Dies aber setzt eine überdurch- schnittliche Zunahme bei den versi- cherungspflichtigen Entgelten (Grundlohnsumme) voraus. Das Bruttosozialprodukt und die realen Einkommen müßten jährlich um min- destens vier Prozent steigen (Produk- tivitätsfortschritt), um die zur stabili- tätsorientierten Beitragsfinanzierung notwendigen Mittel aufzubringen.

• Selbst wenn es gelänge, mit- telfristig ein jährliches Plus von sechs bis sieben Prozent beim Bei- tragsaufkommen der gesetzlichen Krankenkassen zu erreichen, müßte beachtet werden, daß das gesamte zusätzliche Beitragsaufkommen aus- schließlich dazu notwendig wäre, die Ausgaben zur Gesundheitssiche- rung und Krankheitsbekämpfung der Altersgruppe der über 60jähri- gen zu bestreiten. Bedarfs- und nachfragebedingte Steigerungen, die durch jüngere Altersgruppen ausge- löst werden, könnten dann nicht mehr beitragsneutral finanziert wer- den. Dr. rer. pol. Harald Clade

Herzklappen/Medicalprodukte

Klappen-Report als Mittel zum Zweck

Von der als „Herzklappen-Skandal" hochstilisierten Öffentlichkeits- kampagne der Spitzenverbände der Krankenkassen und dem Kes- seltreiben gegen die herzchirurgischen Zentren, die Herzchirurgen und Verwaltungsdirektoren sowie von den Anschuldigungen gegen die zehn Herzklappenanbieter bleibt fürs erste an Substanz wenig übrig: Ganze 44 Seiten benötigen die Krankenkassen, um einen un- verhohlenen Rückzug vom Vorwurf anzutreten, die „breite Mehrheit der deutschen Herzspezialisten" sei von den Herzklappen-Herstel- lern systematisch bestochen worden.

A-1930 (18) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 28/29, 18. Juli 1994

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POLITIK

69 Milliarden DM p. a.). Die Kran- kenkassen glauben, Manipulations- möglichkeiten, Grauzonen in der Krankenhausfinanzierung und ko- stentreibende Systemfehler, die auch im (bis Ende 1992 gültigen) Kosten- deckungsprinzip begründet sind, auf- gedeckt zu haben. Dies könne „allzu leicht zu Fehlverhalten einzelner Be- teiligter" führen — kein „flächendek- kendes" berufs- und gesetzeswidriges Handeln, wie die Krankenkassen zu- gestehen, aber immerhin für die Kas- sen ein Beweis für die Intransparenz und die vielfältigen systemimmanen- ten Fehlsteuerungen, die jetzt abge- stellt werden sollen.

Es muß schon verwundern, daß beiläufig konzediert wird, daß das schon vor einem Monat errechnete Einsparpotential von 45 Millionen DM allein im Bereich der Herzklap- pen nicht mit einer „Schmiergeld- summe" gleichgesetzt werden darf.

Sosehr sich die Krankenkassen als

„Treuhänder der Krankenversicher- tengelder" aufspielen, so wäre ein Wort der Entschuldigung bei den pauschal angeprangerten Ärztinnen und Ärzten überfällig gewesen. Im- merhin hat sich aber zumindest der Geschäftsführer des Verbandes der Angestellten-Krankenkassen e. V.

(VdAK), Dr. med. Eckart Fiedler, gegenüber einem öffentlich ange- prangerten Herzklappen-Vertreiber (Firma AD Krauth GmbH & Co., Hamburg) dazu verpflichtet, aufge- stellte Behauptungen nicht weiter zu verbreiten. Die ursprünglich erhobe- ne Behauptung der „Abrechnungs- manipulationen" wurde vom VdAK inzwischen zurückgenommen

Es ist bedauerlich, daß sich die Krankenkassen durch ihr Foul-Spiel von einer sachbezogenen Diskussion über Wirtschaftlichkeitsreserven im Medicalprodukten- und Kranken- hausbereich abgemeldet haben. Kein Wunder also, daß die Deutsche Krankenhausgesellschaft e. V. und 55 (von 57) Verwaltungsdirektoren von Herzzentren ihre Kooperation verweigern. Jetzt müssen die Kran- kenkassen die Politik für Preiskor- rektur und zur Revision der Bundes- pflegesatzverordnung sowie des Me- dizin-Produktengesetzes gewinnen.

Dr. rer. pol. Harald Clade

AKTUELL

W

egen des Besitzes kleiner Mengen „weicher" Dro- gen sind im Juni bei Kon- zerten auf dem alten Münchner Flughafen Riem 25 Men- schen festgenommen worden. Wie das Bayerische Landeskriminalamt mitteilte, hatten die Männer und Frauen im Alter von 15 bis 40 Jahren jeweils weniger als ein Gramm Ha- schisch, Marihuana oder Ecstasy-Ta- bletten bei sich. Nach Angaben des Leitenden Oberstaatsanwalts am Landgericht München I, Dieter Em- rich, zeigte die Polizei die Festge- nommenen routinemäßig wegen Ver- stoßes gegen das Betäubungsmittel- gesetz an.

Allerdings werde das Verfahren gegen Ersttäter eingestellt, bei denen weniger als ein Gramm „weicher"

Haschisch-Raucher im Englischen Garten Foto: amw

Drogen für den Eigengebrauch ge- funden wird. Auch wer als Ersttäter mit bis zu fünf Gramm Haschisch er- wischt werde, könne unter Auflagen straffrei ausgehen. Erst ab dem Be- sitz von fünf Gramm werde in jedem Fall ein Strafverfahren eingeleitet.

Emrich betonte, die bayerische Justiz habe dies auch schon vor dem

„Haschisch-Urteil" des Bundesver- fassungsgerichts immer so gehand- habt. Ausschlaggebend für die Straf- verfolgung von Haschisch-Besitz in Bayern seien die Gefahr des Handels und eine mögliche Gefährdung ande- rer. „Rationen für drei Joints" bis zu einem Gramm Haschisch rechnen die Drogenfahnder nach Angaben ei- nes Sprechers des bayerischen Innen- ministeriums noch dem Eigenge- brauch an.

Bezweifelt wurde allerdings vom bayerischen Justizminister Hermann Leeb (CSU), ob es sinnvoll sei, ge- meinsam festzulegen, was eine ge- ringfügige Menge Haschisch sei. Das Bundesverfassungsgericht hatte hier- zu eine einheitliche Richtlinie von den Ländern gefordert. Bis zum Herbst sollten Arbeitsgruppen der Länder mögliche Konsequenzen des BVG-Urteils erörtern, sagte der Vor- sitzende der Justizministerkonferenz der Bundesländer in Hamburg, der Hamburger Justizsenator Klaus Har- drath (parteilos). Der niedersächsi- sche Justizminister Peter Caesar (SPD) zeigte sich jedoch skeptisch, ob die Länder sich bis zum Herbst ei- nigen können. Er schlug eine Grenze von 20 Gramm Haschisch als gering- fügige Menge vor.

„Haschisch-Urteil" des Bundesverfassungsgerichts

Kein Recht auf Rausch

Der Zweite Senat des Karlsruher Bundesverfassungsgerichts (BVG) äu- ßerte sich zu einer Verfassungsbeschwerde und sechs Richtervorlagen, darunter die des Lübecker Richters Wolfgang Neskovic, der die Verfas- sungsgemäßheit des Betäubungsmittelgesetzes bezweifelt hatte. Die Richter bestritten das „Recht auf Rausch" und erklärten das Betäubungs- mittelgesetz für verfassungskonform, doch Polizei und Justiz sollten von Strafverfolgung absehen, wenn Cannabisprodukte nur in geringen Men- gen zum Eigenverbrauch erworben und verkauft werden. Zur Festlegung der Mengen sollten die Länder eine einheitliche Regelung treffen.

Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 28/29, 18. Juli 1994 (19) A-1931

Referenzen

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