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Archiv "Spaltoperationen in der Dritten Welt: Grenzenloses Engagement" (14.06.2002)

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D

ie unzureichende medizinische Versorgung in Entwicklungslän- dern im Bereich der plastischen Chirurgie und der Mund-Kiefer-Ge- sichts-Chirurgie wird neben staatlichen Hilfsprogrammen vor allem durch großes Engagement von „Nicht-Regie- rungsorganisationen“ (NGOs) und pri- vaten Initiativen gefüllt. Insbesondere die Wiederherstellung von verbren- nungsgeschädigten Patienten und die operative Behandlung von angebore- nen Fehlbildungen ist häufig nicht ge- währleistet. Der Schwerpunkt der Akti- vitäten deutscher Chirurgen liegt bisher in Südostasien, in geringerem Umfang auch in einzelnen Ländern Afrikas und Südamerikas. Nach einer aktuellen Sta- tistik haben deutsche Chirurgen allein 4 678 Spaltoperationen durchgeführt.

Das Patientengut lässt sich nur ein- geschränkt spezifizieren, da eine Doku- mentation unter den häufig sehr schwierigen Arbeitsbedingungen nur begrenzt möglich war. Von 4 678 Spalt- eingriffen konnten 366 nicht mehr auf- geschlüsselt werden. Die verbleibenden 4 312 Eingriffe teilen sich auf in 3 628 primäre und 684 sekundäre Spaltplasti- ken. Bei den Primäroperationen han- delt es sich jeweils um den ersten Ver- schluss von 2 367 Lippenspalten und 1 261 Kiefer-, Gaumen- und/oder Ve- lumspalten. Es sind alle Formen der Lippenspalten einschließlich zwei que-

ren und einer doppelseitigen lateralen Gesichtsspalte sowie einer medianen Lippenspalte einbezogen. Die Sekun- däroperationen erfolgten zur Verbesse- rung des Aussehens und der Sprache.

Sie umfassen Reoperationen von Lip- pen und Gaumen, Nasenstegverlänge- rungen, Nasenkorrekturen, Osteopla- stiken und Pharyngoplastiken.

Die Tennisson-Randall-Technik wur- de bevorzugt zum Lippenverschluss ne- ben der Millard-Technik genannt. Selte-

ner wurde das Wellenschnittverfahren angewandt. Für die bilaterale Lippen- plastik stand die Methodik von Veau- Axhausen im Vordergrund. Die Gau- menspalten wurden mit den bewährten Brücken- und Stiellappen verschlossen.

Bei isolierten Velumsplastiken wurde die intravelare Veloplastik bevorzugt.

Die zeitlichen Abläufe wurden durch das Alter der Patienten, das Operations- risiko, die Möglichkeiten der Anästhesie und die Wohnortdistanz bestimmt. Mit

den Teameinsätzen bot sich für viele Pa- tienten die erste Gelegenheit für eine weitgehend kostenfreie Operation. So variierte das Alter zwischen dem ersten und 50. Lebensjahr mit Schwerpunkten im Kindes- und Jugendalter.

Zum Verständnis einzelner Zusam- menhänge soll kurz auf die Eingriffe im S. K. M. Hospital für plastische und rekonstruktive Chirurgie im Kathman- du-Tal (Nepal) eingegangen werden, in dem seit 1998 kontinuierlich unter der

Leitung eines deutschen Arztes und einer deutschen Oberschwester sowie Unterstützung von Spezialisten aus Eu- ropa, USA und Korea operiert wird.

Die Komplikationsrate im Kranken- gut des Hospitals war gering. Bei tägli- cher sorgfältiger Wundpflege – Reini- gung, Mercuchrom, Steristrip, bei Risi- kogaumen Abdeckung mit Jodoform- gaze – spielten die lokalen Infektionen fast keine Rolle. Nur eine Lippenplastik bei einem einjährigen Kind verheilte P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 24½½½½14. Juni 2002 AA1641

Spaltoperationen in der Dritten Welt

Grenzenloses Engagement

Die Versorgung von Patienten mit Lippen-Kiefer-Gaumen- Spalten in Entwicklungsländern durch deutsche Chirurgen

Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Mund-Kiefer- Gesichts-Chirurgie (DGMKG) haben ihre Einsätze in der Mehrzahl in Zusammenarbeit mit der NGO „Interplast Germany" (1) oder der „Deviemed" (2) durchgeführt – unter zeitlichem und finanziellem Engagement der Team- mitglieder. Materialspenden einzelner Pharmaunterneh- men haben die praktische Arbeit vor Ort erleichtert.

(1) Interplast Germany verfolgt das Ziel, Menschen der Dritten Welt operative Versorgungsmöglichkeiten durch freiwilligen unbezahlten Einsatz zu bieten und gleichzei- tig Ärzte und Schwestern des jeweiligen Landes für diese Arbeit zu schulen.

(2) Deviemed – Deutsch-Vietnamesische Gesellschaft zur Förderung der Medizin in Vietnam e.V.

Medizinreport

Prä- und postoperativ: 13-jähriges Mädchen aus Westnepal mit durchgehender Lip- pen-Kiefer-Gaumen-Spalte links, die von deutschen Chirurgen einseitig verschlos-

sen wurde Fotos: Hans-Dieter Pape

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sekundär. Es wurden fünf Restlöcher also bei knapp zwei Prozent der Gau- menplastiken registriert, darunter eine vollständige Nekrose des linken Stiel- lappens einer 30-jährigen Frau. Der Grund war eine anatomische Variation der A. palatina. Ein klinisch unauffälli- ges 14-jähriges Mädchen starb nach ei- ner Gaumenplastik an den Folgen einer malignen Hyperthermie.

Für das Gesamtkrankengut hat kei- ner der deutschen Ärzte trotz der häu- fig mangelhaften Operationsbedingun- gen über eine auffällige Komplikations- rate berichtet. Die große Zahl

von 4 678 Eingriffen auf dem Gebiet der Fehlbildungschir- urgie des Gesichtes, durchge- führt in den letzten zehn Jah- ren, spricht für die Bedeutung dieser Aufgabe in der Dritten Welt. Viele der jugendlichen und erwachsenen Patienten konnten durch den Operati- onserfolg aus einer sozialen Abseitsstellung in das norma- le Leben integriert werden.

Die positiven karitativen und medizinischen Aspekte des deutschen Engagements dürfen jedoch nicht davon ab- halten, die geleistete Arbeit und die örtlichen Ressourcen kritisch zu bewerten und reali- stische Zukunftsperspektiven

zu entwickeln. Folgende Punkte sind in diesem Zusammenhang hervorzuheben:

1. Das Fehlen fast jeder orthodonti- schen Behandlungsmöglichkeit, sowohl in Nepal wie auch in anderen Entwick- lungsländern, erfordert ein Abweichen von bei uns bewährten Behandlungs- strategien. Die Tendenz, gerade bei zeit- lich begrenzten Einsätzen, vorrangig Lippenspalten zu verschließen, ist aus- genommen bei Kleinkindern nicht ge- rechtfertigt. Bei gesunden Patienten und sorgfältiger Blutstillung ist es durchaus möglich, durchgehende Lip- pen-Kiefer-Gaumen-Spalten ab dem dritten Lebensjahr in einer Sitzung zu verschließen. Falls dies nicht möglich ist, sollte erst der Gaumen operiert wer- den und sofort der Lippenverschluss bis zu einem Jahr später fest terminiert werden. Die Eltern kommen häufig zur Gaumenoperation nicht wieder, aber immer, wenn das Kind noch eine offene

Lippe hat. Dies war in Nepal selbst bei einer Anreise von fünf Tagen über 1 000 km der Fall.

Für die Integrierung in das soziale Leben ist die frühe Sprachadaptation wichtiger als ein hinaus gezögerter Lippenverschluss im Kindesalter. Bei bilateralen Spalten ist dieses Vorgehen gegebenenfalls kombiniert mit Osteo- tomie der prominenten Praemaxilla noch wichtiger. Die isolierte doppel- seitige Lippenplastik bei kollabierten Oberkieferseitensegmenten und star- ker Protrusionsstellung der Praemaxilla

führt schon nach wenigen Jahren zu ei- ner fixierten Fehlstellung mit nasaler Verbindung durch die Kieferspalten, mit der betroffene Patienten ohne or- thodontische Behandlung keine Kor- rekturchance haben.

2. Einsätze in Entwicklungsländern sollten nur von erfahrenen Spaltchirur- gen und Anästhesisten verantwortet werden. Es wird von dem einheimi- schen Personal sehr genau registriert, ob junge Kollegen unter zeitaufwendi- ger sorgfältiger Assistenz des Älteren arbeiten oder alleine ihre ersten häufig negativen Spalterfahrungen machen.

3. Einfluss auf die örtlichen medizi- nischen Verhältnisse und die Fortset- zung der individuellen Weiterbehand- lung kann nur genommen werden, wenn die Teams keinen Medizintouris- mus mit jährlich wechselnden Orten und Ländern betreiben, sondern immer wieder in die gleiche Region kommen.

Unter den aufgeführten Projekten fin- den sich sehr positive Beispiele mit langjähriger Betreuung eines Hospitals.

Nur durch Personen- und Ortskonstanz können wir Vertrauen schaffen, Förder- gelder für die Infrastruktur mobilisie- ren sowie Ärzte des betreffenden Lan- des ausbilden. Im S. K. M. Hospital in Nepal stehen mit finanzieller Hilfe des Rotary Clubs Mönchengladbach und des Lady-Circle Deutschlands zwei nepalesische Kollegen in der Ausbil- dung. Das Engagement einheimischer Ärzte an unserer Arbeit wird von eini- gen Koautoren auch kritisch gesehen. Lokale Ärzte sind wiederholt an Technik und Instrumentarium interessiert gewesen, aber nur um damit später eigenständig Privatbe- handlungen durchzuführen.

Dieses Verhalten kann die Entwicklung von örtlichen Spaltzentren unterlaufen. Die Mehrheit der Patienten ist so arm, dass sie vielleicht die Ko- sten für den Lippenverschluss (in Nepal 5 000 bis 20 000 Ru- pien oder 80 bis 300 Euro) aufbringen, aber eine weiter- führende Behandlung nicht finanzieren können.

4. Es ist davon auszugehen, dass in den armen Ländern auch in den nächsten zehn Jahren keine staatlichen Mittel für die Behandlung der Spaltpatienten verfüg- bar sein werden. Es wird die Aufgabe der deutschen Mund-Kiefer-Gesichts- Chirurgen sein, mittelfristig mindestens für die nächsten zehn Jahre die Patien- ten mit Gesichtsfehlbildungen in Ein- satzländern kontinuierlich zu betreuen und parallel einheimische Ärzte auszu- bilden. Dabei hat sich die Zusammenar- beit mit den Ärzten für plastische Chir- urgie, deren Schwerpunkt die verbren- nungsgeschädigten Patienten sind, im Rahmen der Interplast-Einsätze sehr bewährt.

Prof. Dr. Dr. med. Hans-Dieter Pape Brunnenweg 12, 24211 Preetz

Koautoren des Artikels: S. Berge (Bonn), L. Breitsprecher (Greifswald), N. C. Gellrich (Freiburg), A. Hanecke (Solin- gen), J.-E. Hausamen (Hannover), H.-P. Howaldt (Gießen), K. Honigmann (Basel), H.-H. Horch (München), S. Jänicke (Aachen), Th. Kreusch (Hamburg), E. Machtens (Bochum), Ch. Michel (Würzburg), B. Niederhagen (Bonn), W. J. Spit- zer (Homburg), K.-D. Wolff (Bochum)

P O L I T I K

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A1642 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 24½½½½14. Juni 2002

22-jähriger Mann aus einem buthanesischen Flüchtlingslager in Ostnepal mit doppelseitiger LKG-Spalte.Durch ungesteuertes Wachstum der Oberkieferseg- mente war der Patient kau- und sprechunfähig.Rechts:Patient nach Verschluss der gesamten Spalte mit Korrekturen in fünf Sitzungen innerhalb von 2,5 Jahren

Referenzen

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