• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Datentransparenz: „Gläsernen DMP-Patienten“ verhindern" (05.04.2002)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Datentransparenz: „Gläsernen DMP-Patienten“ verhindern" (05.04.2002)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

D

atenschutzrechtliche Belange müs- sen bei Einführung der Disease- Management-Programme (DMP) besonders sorgfältig beachtet werden.

Nach Ansicht des Bundesbeauftragten für den Datenschutz, Dr. Joachim Ja- cob, bedeuten die nunmehr festgeleg- ten vier DMP bei erfolgreicher Umset- zung nur eine erste Etappe hin zur Aus- weitung solcher Programme auf ande- re chronische Erkrankungen. Deshalb sollte von Anfang an die richtige Wei- chenstellung erfolgen, „damit diese Entwicklung für die Versicherten nicht bedeutet, dass ein weiterer Schritt in Richtung gläserner Patient ge- gangen wird, der politisch nicht gewollt ist“.

Beim Symposium der Kas- senärztlichen Bundesvereinigung (KBV) zum Thema „Daten- transparenz im Gesundheitswe- sen“ am 21./22. März in Königs- winter wies Jacobs nachdrück- lich darauf hin, dass im Rahmen von DMP eine versichertenbe- zogene Datenübermittlung an die Krankenkassen nur in den Fällen zulässig sei, in denen ein Versicherter freiwillig an einem solchen Programm teilnimmt;

der Patient müsse nach umfassender In- formation einwilligen, dass seine Da- ten zweckgebunden weitergegeben wer- den. Unter datenschutzrechtlichen As- pekten komme insbesondere der Fra- ge, inwieweit personenbezogene Daten verarbeitet werdenmüssen, besonderes Gewicht zu.

Die gesetzlichen Grundlagen ermög- lichten zwar im Zusammenhang mit DMP eine versichertenbezogene Erhe- bung und Weitergabe von Daten, doch

sei der Umfang der Datenerhebung nicht vorgeschrieben. Bei der noch aus- stehenden Rechtsverordnung sollte mit dem Ziel, den „gläsernen DMP-Patien- ten“ zu verhindern, das Gebot der Da- tenvermeidung, Datensparsamkeit und Pseudonymisierung möglichst beachtet werden.

Jacobs äußerte sich zuversichtlich, dass sich auch die Spitzenverbände der Krankenkassen an dieser Maßgabe ori- entieren würden. Deren Ziel müsse es sein, möglichst viele Ärzte für die Um- setzung der DMP zu gewinnen. „Man kann kein Programm gegen den Willen

derjenigen machen, die man für die Durchführung der Programme braucht.“

Ärzte, die DMP ablehnen, würden nicht geneigt sein, ihren Patienten eine Teil- nahme zu empfehlen.

Diesen Optimismus wollte Dr. med.

Leonard Hansen, Zweiter Vorsitzender der KBV, nicht teilen. Die Möglichkei- ten der Ärzte, DMP durch Boykott zu verhindern, seien sehr beschränkt. Er verwies in diesem Zusammenhang auf die Aktivitäten so genannter Call-Cen-

ter, die zurzeit im Auftrag der Kranken- kassen unter Umgehung des Arztes Diabetes-Patienten direkt ansprächen und zur Einhaltung bestimmter Unter- suchungen anhielten. Genau wie Han- sen sieht der KBV-Vorsitzende, Dr.

med. Manfred Richter-Reichhelm, in den Disease-Management-Programmen grundsätzlich einen Schritt in die richti- ge Richtung. Die Krankenkassen dürf- ten jedoch dabei nicht die Chance er- halten, sich in die ärztliche Behandlung einzumischen. Deshalb habe die KBV vorgeschlagen, einen gesplitteten Da- tensatz zu generieren, der den Kassen lediglich die für den Risikostruktur- ausgleich notwendigen Daten über- mittelt. Für die Evaluation der DMP benötige man keine versi- chertenbezogenen Daten. „Der Rubikon ist dort, wo es um den Datenschutz der Versicherten geht“, betonte Richter-Reich- helm. Sollten die Krankenkassen in Fragen des Datenschutzes nicht kompromissbereit sein, werde keine Kassenärztliche Vereini- gung zur Zusammenarbeit be- reit sein.

Kontrovers diskutiert wurde die Mitwirkungspflicht der Pa- tienten bei DMP. Dr. jur. Manfred Zipperer vom Aktionsforum Telematik im Gesundheitswesen (ATG) wies auf das Spannungsverhältnis zwischen dem Recht auf informationelle Selbstbe- stimmung und dem Anspruch auf best- mögliche Behandlung im DMP hin. Im Sozialgesetzbuch sei die Verpflichtung des Versicherten zur Mitwirkung fest- geschrieben; dies beinhalte auch die Pflicht zur Datenübermittlung. Dage- gen betonte Ulrike Wollersheim aus der P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 99½½Heft 14½½5. April 2002 AA901

Datentransparenz

„Gläsernen DMP-Patienten“

verhindern

Krankenkassen sollen nicht die Chance erhalten, sich in die

ärztliche Behandlung einzumischen. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung fordert Sensibilität beim Datenschutz.

„Von Anfang an die richtige

Weichenstellung“

Dr. Joachim Jacob, Bundesbeauftragter für den Datenschutz

Foto: Johannes Aevermann

(2)

KBV-Rechtsabteilung das Gesetz der Verhältnismäßigkeit: Dort, wo Grund- rechte der Patienten betroffen sind, könne die Mitwirkungsverpflichtung nicht greifen. Eine DMP-Teilnahme kann nur dann freiwillig sein, wenn der Versicherte bei einem Verzicht oder bei Verweigerung der Datenfreigabe keine Einschränkung der Behandlungsqua- lität befürchten muss. Eine minderwer- tige Behandlung dürfe nicht die Folge sein, forderte Christoph Nachtigäller von der Bundesarbeitsgemeinschaft Hilfe für Behinderte e.V.

Für Dr. Dieter Thomae, den gesund- heitspolitischen Sprecher der FDP- Bundestagsfraktion, steht ohnehin fest, dass es vor den Bundestagswahlen im September nicht mehr zu weitreichen- den Entscheidungen kommen wird.

Dies gilt wohl auch für das geplante Da- tentransparenzgesetz, mit dem nach den Vorstellungen des Bundesministe- riums für Gesundheit (BMG) ein Da- tenpool zur Analyse des Versorgungs- geschehens in der Gesetzlichen Kran- kenversicherung (GKV) und zur Un- terstützung politischer Entscheidungs- prozesse geschaffen werden soll. Im Ja- nuar wurde vom BMG ein neues Kon- zept vorgestellt, das den von verschie- denen Seiten vorgetragenen Einwän- den Rechnung trägt. Grundlage des Konzepts ist, dass die geltende Rechts- lage zur Abrechnung der Leistungsda- ten in der GKV beibehalten wird. Das heißt, dass die ambulant erbrachten ärztlichen Leistungen weiterhin über die Kassenärztlichen Vereinigungen fall- bezogen, alle übrigen Leistungen versi- chertenbezogen gegenüber den Kran- kenkassen abgerechnet werden. Zur kassen- und sektorenübergreifenden Auswertung sollen die Daten pseud- onymisiert in einen Datenpool übermit- telt werden. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz fordert, dass die Zwecke, für die die Daten aufbereitet werden sollen, im Gesetz festgelegt werden. Zwingend erforderlich sei zu- dem eine strikte Trennung der Da- tenaufbereitungsstellen von den Kran- kenkassen und den Kassenärztlichen Vereinigungen. Die Datenaufberei- tungsstellen dürfen die Daten der Ver- sicherten nur pseudonymisiert ohne ei- ne Möglichkeit der Re-Identifizierung

erhalten. Thomas Gerst

A

A902 Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 99½½Heft 14½½5. April 2002

K

rankenhäuser sollen heute dyna- mische, wettbewerbsorientierte, zugleich aber sozial verpflichtete Unternehmen sein, die im Wettbewerb untereinander und mit verwandten Ge- schäftsfeldern bestehen können. Auf dem Weg zu diesem Ziel hat sich die Krankenhauslandschaft entscheidend verändert. Dennoch: Kaum ein Ge- schäftsfeld moderner Gesundheitsöko- nomie erweist sich ähnlich verände- rungsresistent und zukunftssperrig wie die Arbeitsorganisation und die Ar- beitszeitbelastung im Krankenhaus.

Auswege: Flucht oder Kampf

Die veränderten Rahmenbedingungen im Krankenhaus haben die Arbeitsbe- lastung des Pflegepersonals und der Ärzte in unerträglicher Weise gestei- gert. Krankenhausschließungen und Bettenstreichungen, zunehmend kürze- re Verweildauern und immer mehr Pa- tienten – all dieses bewirkte eine gewal- tige Arbeitsverdichtung. Wir alle haben schon in den 80er-Jahren – und auch da- vor – viel gearbeitet. Wer in den Arzt- beruf strebte, durfte sich vor 80-Stun- den-Wochen nicht fürchten. Aber die Zunahme der Arbeitsintensität durch die Arbeitskompression im Kranken- haus hat die Kompensationsgrenzen selbst der höchstmotivierten Ärzte über- beansprucht. Folgerichtig sucht das Kran- kenhauspersonal Entlastung. Zwei Wege werden hierbei beschritten: Flucht oder Kampf.

Die Flucht entwickelt sich inzwischen zu einem Fluch für die Krankenhäuser.

In kaum einem Beruf ist die „Überle- benszeit“ so kurz wie beim Pflegeper-

sonal. Wertvolle Ausbildungszeit und volkswirtschaftliche Investitionen in die Ausbildung gehen durch diese Berufs- flucht verloren.

Aber auch bei den Ärzten hat sich das Blatt gewendet. Während vor ei- nem Jahrzehnt noch annähernd 100 Prozent der Medizinstudenten, die das Studium begonnen hatten, sechs bis sie- ben Jahre später in den Krankenhäu- sern auftauchten, sind es heute nur noch 7 200 von 12 000 Studienanfän- gern, die als Arzt im Praktikum eine Weiterbildung in klassischer, kurativer, klinischer Medizin nachsuchen. Eine noch vor fünf Jahren prognostizierte Arbeitslosigkeit durch Überangebot hat sich in ihr Gegenteil, einen eklatanten Ärztemangel, verkehrt. Dies ist das Er- gebnis eines desolaten Studiensystems genauso wie verheerender Arbeitsbe- dingungen im Krankenhaus. Spätestens im Praktischen Jahr erlebt der Student, wie katastrophal sich sein weiterer Be- rufsalltag gestaltet, und er sucht nach Alternativen. Diese bieten sich ihm in

„alternativen Berufsfeldern“ oder im Ausland. Ein inzwischen messbarer Anteil deutscher Medizinabsolventen

„flüchtet“ ins „skandinavische Paradies“

geregelter Arbeitsbedingungen oder nach Großbritannien, wo zwar auch viel gearbeitet werden muss, aber die gesell- schaftliche Anerkennung des Berufs größer und die Kollegialität besser ist als bei uns.

Aber auch in Deutschland regt sich (berechtigter) Widerstand gegen eine Fortschreibung des Status quo. Ver- heißungsvolle Signale aus der Europäi- schen Union müssen aufgenommen und umgesetzt werden. Im Jahr 1993 verab- schiedete die EU die Arbeitszeit-Richt- P O L I T I K

Arbeitszeiten im Krankenhaus

Resistent

gegen Veränderungen

Obwohl allen Beteiligten klar ist, dass das EuGH-Urteil zum

Bereitschaftsdienst in deutsches Recht übernommen werden

muss, sperren sich die Handelnden gegen schnelle Lösungen.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Eine Reduzierung der Pro- duktionskosten je Kilowattstunde Biogasstrom, wie ursprünglich angedacht, konnte bisher nicht er- reicht werden, da die durchaus vernünftigen Auflagen für

The political decision to limit support for biogas electricity in future through the EEG disregarded the fact that an important and excellent source of renewable energy will

Pulver-Inhalatoren als Al- ternative seien jedoch weder für Kleinkinder mit obstrukti- ven Lungenerkrankungen noch für den Notfall geeignet, da bei einem akuten Asthma- Anfall

In drei psychiatrischen Universitätsklinken** fand sich nur selten ein Mißbrauch von Antidepressiva, dar- unter auch von Doxepin (bei 0,5 Prozent der Patienten

Die dritte Realität ist, dass die euro- päischen Verteidigungshaushalte im Verlauf des letzten Jahrzehnts gesun- ken sind und auf absehbare Zeit auch nicht signifikant steigen

daran witzig oder lustig in plattem Sinn (ich will gar nicht auf Freuds Theorie des Witzes eingehen), Schreib- fehler aus Arztbriefen zu- sammenzustellen, die darauf beruhen, dass

Ich weiß, dass sich nicht alle Kollegen diese Mühe ma- chen und merke, dass der Datenschutz in diesem Be- reich völlig durchlöchert ist – zum Schaden für die Patien- ten, die sich

Dabei muss er zu einem Stichtag (Tag der Antrag- stellung) eine verbindliche Aussage über die erwartete Sterblichkeit des An- tragstellers machen, die zudem zu ei- nem