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Versachlichung der Diskussion zu Biogas ist zwingend erforderlich

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LANDTECHNIK 72(5), 2017, 263–265

Biogas erfährt seit mehr als 20 Jahren ein großes Interesse in Deutschland. Durch die gesetzlichen Regelungen des EEG konnte sich die Biogaserzeugung zu einem wichtigen Standbein vieler landwirt- schaftlicher Betriebe entwickeln. Heute existieren mehr als 9.000 landwirtschaftliche Biogasanlagen, an denen überwiegend über BHKW Biogas in Strom und Wärme umgewandelt wird. Ergänzend wird an etwa 200 großen Anlagen auch Biomethan erzeugt und in das Erdgasnetz eingespeist. Etwa 6–7 % des deutschen Stromverbrauchs stammen derzeit aus Biogas.

Als Rohsubstrat für die Biogaserzeugung stehen tierische Exkremente, organische Abfallstoffe und gezielt für die Energieproduktion erzeugte nachwachsende Rohstoffe zur Verfügung. Durch die Verwendung von Abfallstoffen im Biogasprozess werden die darin enthaltenen Pflanzennährstoffe für die Pflanzendüngung verfügbar gemacht. Diese Rückführung der Nährstoffe in den natürlichen Stoffkreislauf schont Ressourcen und reduziert den Einsatz mineralischer Düngemittel. Auch die oft in der Öffentlichkeit als unökologisch eingestufte Verwendung von Energiepflanzen als Gärsubstrat bietet einige Vorteile für die Gesellschaft. Sie erlaubt es zum Beispiel, Wertschöpfung im ländlichen Raum zu erzielen und sichert somit wertvolle Arbeitsplätze in allzu oft vernachlässigten Gebieten.

Preise für landwirtschaftliche Produkte werden stabilisiert. Für Hofnachfolger wurde es dadurch wie- der interessant, den Beruf des Landwirts zu erlernen. Neuere Untersuchungen belegen zudem, dass Strom aus Biogas im Vergleich zum deutschen Strommix um ca. 50 % geringere CO2-Emissionen verursacht und dass die Biogaserzeugung aus Wirtschaftsdünger die Treibhausgas emissionen land- wirtschaftlicher Tierhaltungsbetriebe effizient minimiert.

Bei der politischen Entscheidung, die Unterstützung von Biogasstrom zukünftig über das EEG einzuschränken wurde nicht bedacht, dass damit eine wichtige und exzellente Quelle erneuerbarer Energien nach Ablauf von 20 Betriebsjahren Schritt für Schritt wegfällt. Eine Reduzierung der Pro- duktionskosten je Kilowattstunde Biogasstrom, wie ursprünglich angedacht, konnte bisher nicht er- reicht werden, da die durchaus vernünftigen Auflagen für den Bau und Betrieb der Fermenter (Leck- age-Erkennung, Sicherheitsauflagen, Wartungs- und Kontrollaufwand, Überbauung usw.) regelmäßig erhöht wurden und sich somit die Investitionskosten in den letzten 15 Jahren mehr als verdoppelt haben. Gleichzeitig verbesserte sich die technische Zuverlässigkeit, Flexibilität sowie die Sicherheit der Anlagen jedoch beträchtlich.

Wenn Biogas nicht mehr wirtschaftlich erzeugt werden kann, geht ein erneuerbarer Energieträger verloren, der viele Vorteile aufweist. Biogasstrom ist in gewissen Grenzen flexibel produzierbar und kann sowohl als kurzzeitige als auch als saisonale Regelenergiequelle eingesetzt werden. Gerade bei

Versachlichung der Diskussion zu Biogas ist zwingend

erforderlich

Streiflicht

DOI: 10.15150/lt.2017.3172

© 2017 beim Autor. Dieser Open-Access-Artikel steht unter den Bedingungen der Creative-Commons-Lizenz Namens- nennung (http://creativecommons.org/licenses/by/4.0)

Dr. Hans Oechsner

Foto: privat

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einem weiteren Ausbau der Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien, die zu einem steigen- den Regel energiebedarf führen wird, kann auf ein derart ausgleichendes Element nicht verzichtet werden. Im Gegenteil. Der Biogasprozess kann sogar dazu genutzt werden, überschüssigen Strom aus diesen fluktuierenden Quellen über die Elektrolyse zunächst in Wasserstoff umzusetzen, der dann auf biologischem Wege, der hydrogenotrophen Methanbildung, im Biogasfermenter zusammen mit CO2 zu Biomethan überführt wird. Dieses Biomethan ist unproblematisch im vorhandenen Erdgas- netz zwischenzuspeichern und kann dann zeitlich und räumlich dort genutzt werden, wo Bedarf be- steht. Biomethan kann aufgrund seiner hohen Energiedichte als CNG (Compressed Natural Gas) auch als Kraftstoff für Fahrzeuge genutzt werden, was zukünftig an Bedeutung gewinnen sollte. Zumindest bis zur Verfügbarkeit anderer leistungsstarker, kostengünstiger und umweltfreundlicher Speicher- technologien (z. B. Hochleistungsbatterien) ist diese Form der EE-Nutzung unschlagbar.

Es bleibt die Frage: Warum schneidet Biogas in der öffentlichen Diskussion der vergangenen 5 Jahre so schlecht ab? Es wurde teils von Interessengruppen leider viel zu viel einseitig negative Information gestreut, die keiner objektiven Bewertung standhält, die sich allerdings inzwischen im Bewusstsein der Bevölkerung festgesetzt hat. Heute ist es fast ausgeschlossen, Akzeptanz für den Bau einer Bioabfall-Vergärungsanlage in der Öffentlichkeit zu finden, die in jedem Fall, auch hinsichtlich der Geruchsentwicklung besser als Kompostierungsanlagen zu bewerten ist. Beispiele aus dem Stutt- garter Raum belegen dies. Dies hat mit der o. g. Informationskultur zu tun.

Unbestritten verteuert die EEG-Umlage (2018: 6,792 ct/kWh) den Strompreis – zumindest für den nicht privilegierten Endverbraucher. Bei der Verwendung von fossilen Energieträgern wie Öl und Kohle werden die Kosten für die Schädigung der Umwelt und die Kosten des Treibhauseffekts nicht von den Verursachern, den Konsumenten getragen, sondern eher unauffällig von der Weltge- sellschaft. Meist sogar von Gruppen, die am hohen Energiekonsum und den CO2-Emissionen nicht oder nur unterdurchschnittlich beteiligt sind. Besonders fällt diese Diskrepanz bei der Erzeugung von Atomstrom ins Auge. Die Kosten für die Erforschung und Erschließung von Lagern für abgebrannte Kernelemente werden nahezu unauffällig über den Steuerzahler und die kommenden Generationen gedeckt. Damit sind diese Kosten, anders als bei den erneuerbaren Energien, nicht auf der Stromrech- nung zu erkennen.

Fazit

Die nachhaltige Energieversorgung der wachsenden Weltbevölkerung auf der Basis erneuerbarer Ressourcen wird einen tiefgreifenden Wandel der Energieversorgungssysteme erfordern. Für die Zu- kunft ist unbedingt ein gesellschaftliches Umdenken bei der Bewertung der genutzten Energieträger erforderlich. Sicherlich kann die Einführung einer CO2-Steuer unter Berücksichtigung der sozialen Kosten der CO2-Emissionen (Social Cost of Carbon) eine gerechtere Verteilung der Kosten auf die Ver- ursacher bewirken. Wichtige Aufgabe der Politik wird es sein, solche Wege anzugehen und weltweit umzusetzen. Nur über eine objektive Information, Diskussion und Bewertung aller negativen Effekte sowie der Bereitschaft, für eine nachhaltige Weiterentwicklung auch gewisse Mehrkosten zu akzep- tieren, kann eine Energieversorgung mit geringeren negativen Effekten auf Umwelt und Weltklima gefunden und ausgebaut werden.

Biogas kann als einzige regelbare erneuerbare Energiequelle einen wesentlichen Baustein in zukünftigen Energieversorgungssystemen darstellen. Es ermöglicht die effiziente Nutzung von Ab- fallstoffen, reduziert die Treibhausgasemissionen landwirtschaftlicher Tierhaltungsbetriebe und er-

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möglicht den Einsatz erneuerbarer Treibstoffe ohne teure Speichertechnologien. In den vergangenen 20 Jahren wurden in Deutschland zahlreiche Arbeitsplätze in diesem Bereich geschaffen, große In- vestitionen in diese Technologie getätigt und in Wissenschaft und landwirtschaftlicher Praxis wurde ein unvergleichliches Wissen gesammelt. Wissen und Technik der Biogaserzeugung gilt es weiterzu- entwickeln und effizient in zukünftige Energieversorgungssysteme einzubinden.

Dr. Hans Oechsner Leiter der Landesanstalt für Agrartechnik und Bioenergie

an der Universität Hohenheim www.uni-hohenheim.de/labioenergie

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