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Archiv "Ärztliche Gutachter: Berufsbild und Selbstverständnis" (23.03.2001)

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P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 12½½½½23. März 2001 AA735

D

er ärztliche Gutachter nimmt eine wichtige Aufgabe in der Gesell- schaft wahr. Das eng geknüpfte soziale Netz mit seinen vielfältigen Möglichkeiten der Inanspruchnahme kann nur funktionieren und finanzier- bar bleiben, wenn Kontrollinstanzen auf Verwaltungsebene eingebaut sind, die wiederum vom Sozialgericht über- prüft werden können. Die rechtswirk- samen Entscheidungen trifft stets der Jurist. Bei allen medizinischen Fragen ist jedoch ein ärztlicher Gutachter un- verzichtbar. Grundvoraussetzung sei- ner Tätigkeit sind neben

der als unabdingbar zu fordernden adäquaten Be- herrschung seines Fachge- bietes mit Erfahrungen in der Sozialmedizin seine Objektivität und Neutra- lität. Er steht im Span- nungsfeld zwischen den Vorstellungen des An- tragstellers, die von sei- nem Rechtsvertreter und meist von den behandeln- den Ärzten unterstützt werden, und den gezielten Fragen des Auftraggebers

auf der Basis der geltenden Rechtsvor- schriften, die die Interessen der Soli- dargemeinschaft der Versicherten und damit der Gesellschaft verkörpern. Der gutachtende Arzt muss ebenso An- sprüche wie überflüssige und unange- messene Sozialleistungen beurteilen.

Daraus resultiert seine erhebliche sozi- alpolitische Verantwortung. Durch sei- ne exponierte Stellung ist er dem Kreuzfeuer der Kritik aller Beteiligten ausgesetzt – gelegentlich auch der Me- dien. Innerhalb der Ärzteschaft sollte daher eine einheitliche Position zu diesem sozial wichtigen Aufgabenbe- reich vertreten und das Verständnis für dieses sensible Gebiet gefördert werden.

Der Gutachter entscheidet nicht selbst über den Ausgang des Verfah- rens, er ist vielmehr grundsätzlich

„Helfer und Berater“ des Juristen und trägt zu dessen Meinungsbildung bei.

Seine auf wissenschaftliche Erkennt-

nisse gestützte Expertise stellt eine

„Entscheidungshilfe zur Wahrheits- findung für medizinische Laien“ und ein „förmliches Beweismittel“ dar.

Kein Gutachter – auch nicht der fest angestellte – ist weisungsgebunden, sondern nur seinem ärztlichen Ge- wissen verpflichtet. Gefälligkeitsgut- achten sind von ihm nicht zu er- warten, weder für seinen Auftragge- ber noch für den Probanden. Ganz im Gegenteil zu gelegentlichen polemi- schen Äußerungen ist bisher noch nicht bekannt geworden, dass von

Versicherungen oder sonstigen Auf- traggebern Einfluss auf das Ergebnis des Gutachtens genommen wurde.

Oftmals wird dies jedoch vom Antrag- steller und seinen Rechtsvertretern versucht.

Die Aufgabe des Gutachters wird manchmal durch das Verhalten der behandelnden Ärzte erschwert, die als Anwalt ihrer Patienten durch eine einseitige Parteinahme – „in dubio pro aegroto“ – die Neutralität des Gutachters infrage stellen und durch Zustimmung zu nicht haltbaren Vor- stellungen zur Verlängerung des Ver- fahrens beitragen.

Man muss sich die unterschiedliche Rollenverteilung zwischen behan- delndem und begutachtendem Arzt vergegenwärtigen: Während der be- handelnde Arzt als uneingeschränkter Helfer, implizit als Diagnostiker, The- rapeut und Berater von seinem Pati- enten im Behandlungsvertrag gefor-

dert ist, steht der Gutachter mit Neutralität und emotionaler Unbe- stechlichkeit seinem Probanden ge- genüber, auch bei offensichtlich de- monstrativem oder aggravierendem Verhalten. Er hat dies hinsichtlich der eigenen Gegenübertragung mit Sympathie oder Antipathie in der Be- gutachtungssituation zu reflektieren.

Die Helferrolle des Behandlers kol- lidiert damit zwangsläufig. Es ist da- her nicht zweckmäßig, wenn der be- handelnde Arzt gleichzeitig als Gut- achter für seinen Patienten tätig wird.

Die im Rahmen der Be- handlung erstellten At- teste und ärztlichen Be- fundberichte stellen eine wichtige Informations- quelle dar, sind aber nicht selten unkritisch und ein- seitig gehalten und lassen präzise Befunde vermis- sen.

Gelegentlich fördern leichtfertige Bescheini- gungen eine iatrogene Fi- xierung, die sich später nur schwer korrigieren lässt. Im Gutachten wer- den nicht die Diagnose und Therapie des behandelnden Arztes kritisiert oder eigene Therapievorschläge un- terbreitet. Die Parteilichkeit des be- handelnden Arztes im Rentenverfah- ren oder beim Sozialgericht statt ei- nes aufklärenden Beratungsgesprä- ches erweckt beim Patienten oft Hoff- nungen, die sich nicht erfüllen, aber zu immer weiteren Rechtszügen und damit langfristig zum Nachteil des Betroffenen und der Allgemeinheit führen.

Dem Wohl des Patienten und der Gemeinschaft dient daher eine sachli- che Zusammenarbeit zwischen Haus- arzt und Gutachter, die von gegensei- tigem Vertrauen und Verständnis für die jeweilige Position geprägt ist.

Dr. med. Wolfgang Hausotter Facharzt für Neurologie und Psychiatrie – Sozialmedizin – Rehabilitationswesen Martin-Luther-Straße 8

87527 Sonthofen/Allgäu

KOMMENTAR

Ärztliche Gutachter

Berufsbild und

Selbstverständnis

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