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Archiv "Metastasen bei unbekanntem Primärtumor: Das CUP-Syndrom" (01.04.2005)

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A904 Deutsches ÄrzteblattJg. 102Heft 131. April 2005

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enngleich in den vergangenen 30 Jahren die Diagnostik von Patienten mit onkologischen Erkrankungen außerordentlich erwei- tert wurde, werden Ärzte in Praxis und Klinik immer wieder mit Patienten konfrontiert, bei denen histologisch ge- sicherte Metastasen festgestellt wur- den, ohne dass es gelingt, den Primärtu- mor zu identifizieren. Inzwischen ist bekannt, dass diese Konstellation ein eigenes Krankheitsbild, ein Syndrom,

repräsentiert, das durch bestimmte bio- logische und klinische Merkmale cha- rakterisiert ist und das nicht die Un- fähigkeit des Arztes widerspiegelt, den Primärtumor zu entdecken. Für dieses Syndrom ist im deutschen Sprachraum der Begriff „Metastasen bei unbekann- tem Primärtumor“ üblich, im anglika- nischen wird am häufigsten „cancer of unknown primary site“ (CUP) ge- braucht. Das CUP-Syndrom ist für Arzt und Patient gleichermaßen eine Her- ausforderung: für den Arzt, weil er nicht akzeptieren mag, dass der Primär- tumor nicht zu finden sein soll, und für den Patienten, weil für ihn eine erfolg-

reiche Behandlung ohne Kenntnis des Primärtumors unvorstellbar ist. So kommt es, dass sich Arzt und Patient zu einem gewaltigen diagnostischen Auf- wand antreiben, der für den Patienten höchst strapaziös sein kann, mit mehr- wöchigem Krankenhausaufenthalt ein- hergeht und für das Gesundheitssy- stem mit beträchtlichen Kosten ver- bunden ist. Bei der überwiegenden Mehrzahl der Patienten bleibt per defi- nitionem der Primärtumor unerkannt, und für den Patienten kann wertvolle Zeit bis zum Beginn der Therapie verloren gegan- gen sein.

Im Folgenden werden bio- logische, klinische und thera- peutische Aspekte des CUP- Syndroms dargestellt, insbe- sondere jedoch Wege einer rationalen Diagnostik aufge- zeigt.

Definition

Die Definition des CUP-Syn- droms ist schwierig und da- durch uneinheitlich (8). Al- len Definitionen gemeinsam ist der initiale histologische Nachweis einer Metastase, die zufällig oder aufgrund einer Symptomatik bei einem Patien- ten entdeckt wurde, dessen Anamnese keinen Hinweis auf eine Tumorer- krankung bietet oder bei dem durch die „üblichen“ klinischen Untersu- chungen kein Primärtumor identifi- ziert werden kann. Das CUP-Syndrom ist eine klinische Diagnose; sie ist nicht beschränkt auf Fälle, bei denen selbst durch die Autopsie kein Primärtumor gefunden wird. Problematisch ist, was unter „üblichen“ klinischen Untersu- chungen zu verstehen ist, und dieses

Metastasen

bei unbekanntem Primärtumor

Das CUP-Syndrom

Zusammenfassung

Trotz beträchtlicher diagnostischer Fortschritte werden Ärzte in Praxis und Klinik immer wie- der mit Patienten konfrontiert, die Metastasen aufweisen, ohne dass die Identifikation des Primärtumors gelingt. Auch aufgrund eigener Erfahrungen plädieren die Autoren erneut dafür, bei diesen Patienten unter Berücksichti- gung der Klinik und der Histologie eine be- schränkte, zielgerichtete Diagnostik durchzu- führen. Allgemeinzustand des Patienten, Hi- stologie, Lokalisation und Ausdehnung der Metastasierung bestimmen die Therapie, de- ren Resultate weiterhin für die Mehrzahl der Patienten schlecht sind. Für einzelne, seltene Untergruppen stehen hingegen sogar kurative Therapiemöglichkeiten zur Verfügung.

Schlüsselwörter: CUP-Syndrom, Metastase, Un- tergruppe, Diagnostik, Therapie, Primärtumor

Summary

Metastatic Disease With Unknown Primary Tumour: The CUP-Syndrome

Despite considerable diagnostic advances phy- sicians continue to be confronted with patients who have metastatic disease but without detectable primary tumour. Based on their own experience the authors again stress that in such patients the diagnostic work-up should be limited and target-oriented taking into account mainly clinical aspects and histology. General condition of the patient, histology, localization and extent of metastases determine the type of therapy, results of which are poor for the majority of patients while there are subgroups for which even curative approaches are avail- able.

Key words: CUP-syndrome, metastasis, sub- group, diagnosis, therapy, primary tumour

1Medizinische Klinik II – Onkologie und Hämatologie (Direktor: Prof. Dr. med. Dieter Kurt Hossfeld), Univer- sitätsklinikum Eppendorf, Hamburg

2Institut für Pathologie (Direktor: Prof. Dr. med. Christian Wittekind), Universität Leipzig

Dieter Kurt Hossfeld1 Christian Wittekind2

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Problem ist die Ursache einer beträcht- lichen diagnostischen Unsicherheit, die demzufolge zwischen minimalem und maximalem Aufwand schwankt. Aus Gründen, auf die noch eingegangen wird, meinen die Autoren, dass es für Patienten mit CUP-Syndrom kein all- gemein gültiges Diagnoseprogramm geben kann. Dieses sollte sich vielmehr an Histologie und Lokalisation der Me- tastasen orientieren. Die Autoren defi- nieren somit das CUP-Syndrom als ei- ne Erkrankung, bei der unter Berück- sichtigung der Histologie und der Lo- kalisation der Metastasen eine gezielte Diagnostik nicht zum Nachweis des Primärtumors führt.

Epidemiologie

Analysen repräsentativer internationa- ler Krebsregister besagen, dass zwei bis vier Prozent der Patienten mit soliden Tumoren ein CUP-Syndrom aufweisen (8). Die altersadaptierte jährliche Inzi- denz beträgt 6,5 bis neun Fälle pro 100 000 in der Bevölkerung. Sie ent- spricht damit etwa der Inzidenz des Speiseröhren- oder Kehlkopfkarzinoms (3). Männer sind etwas häufiger betrof- fen als Frauen.

Pathologie

Die Histologie hat bei der Betreuung von Patienten mit CUP-Syndrom einen über- ragenden Stellenwert. Um diesem zu ent- sprechen, muss der Pathologe eine reprä- sentative Gewebeprobe (Stanzbiopsie, Exzisionsbiopsie) sowie detaillierte klini- sche Informationen erhalten. Die Not- wendigkeit der Kommunikation zwi- schen Kliniker und Pathologen mit be- sonderer Berücksichtigung der Anamne-

se (frühere Tumorerkrankung, vorausge- gangene operative Entfernung einer

„gutartigen“ Läsion?), der klinischen Be- funde (Lokalisation des Tumors, singulä- re oder multiple Absiedlungen) und auf- fälliger Laborbefunde kann gar nicht ge- nug betont werden.

Der Kliniker erwartet vom Patholo- gen vornehmlich Informationen zum Sitz des Primärtumors. Im Zusammen- spiel mit dem Kliniker kann der Patho- loge entscheidende Hilfestellung leisten, wie Grafik 1 am Beispiel einer Hals- lymphknotenmetastase zeigt. Die histo- logischen Präparate werden zunächst mit Hämatoxylin-Eosin gefärbt und dann in Abhängigkeit des Befundes so- wie der klinischen Daten Immunpero- xidase-Reaktionen zugeführt. Diese um- fassen Reaktionen auf Zytokeratine,Vi- mentin, HMB-45, Melan-A, „leucocyte common antigen“ (LCA), CD-Epitope, neuronspezifische Enolase, Chromo- granin, HCG, AFP, TTF-1, Thyreoglo- bulin, prostataspezifisches Antigen, Österon-Progesteron-Rezeptoren. De- finitionsgemäß führen die immunhisto- chemischen Untersuchungen bei Pati- enten mit CUP-Syndrom nicht zur Iden- tifizierung des Primärtumors.

Sie sind aber bei undifferenzierten Malignomen und undifferenzierten Kar- zinomen wichtig zur Charakterisierung der Neoplasie (Grafik 2) und damit zur Festlegung der therapeutischen Strategie sowie zur Abschätzung der Prognose.

In Übereinstimmung mit der Litera- tur (1, 8) überwog auch im eigenen re- trospektiv untersuchten Patientenkol- lektiv (n = 136) die Kategorie Adeno- karzinom mit 60 Prozent der Fälle. Etwa 30 Prozent wurden als undifferenzierte beziehungsweise neuroendokrine Kar- zinome, sechs Prozent als Plattenepi- thelkarzinome und fünf Prozent als un- differenzierte maligne Tumoren klassifi- ziert (11).

Die pathogenetischen Grundlagen, die bewirken, dass der Primärtumor bei Patienten mit CUP-Syndrom zu Lebzeiten nicht und sogar nach Aut- opsie bei etwa 5 Prozent der Fälle nicht entdeckt wird, liegen noch im Dunkeln. Im eigenen Kollektiv konnte nur bei 16 Prozent der Fälle eine Aut- opsie vorgenommen werden, die in 74 Prozent zum Nachweis des Primär- tumors führte. Die Existenz eines Pri- märtumors muss unterstellt werden.

Nur so ist zu erklären, dass bei 70 bis 80 Prozent der Patienten eine polyto- pe, histologisch identische Metastasie- rung nachweisbar ist (1, 15, 11). Ent- weder ist der Primärtumor so klein, dass er unerkannt bleibt, oder er hat sich spontan zurückgebildet. Die Zel- len des zu implizierenden Primär- tumors verfügen offenbar über eine genetische Signatur, die sie von dia- gnostizierbaren Primärtumoren unter- scheiden (14). Dadurch werden eine sehr frühzeitige Metastasierung und Dissemination, eine rasche Proliferati- M E D I Z I N

Deutsches ÄrzteblattJg. 102Heft 131. April 2005 AA905

Halslymphknotenmetastase und möglicher Sitz des Primärtumors Grafik 1

CUP-Syndrom

Informationen für den Pathologen

>Symptomatologie, Vorgeschichte, Berufs- und Genussmittelanamnese

>klinische Befunde, Lokalisation der Metastase(n)

>Resultate bildgebender Verfahren Kasten

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on sowie ungewöhnliche Metastasie- rungswege ermöglicht. Als Beispiel für eine atypische Metastasierung ist das Prostatakarzinom anzuführen, das als CUP-Syndrom überwiegend in Lunge und Leber metastasiert, wohingegen das zu Lebzeiten des Patienten dia- gnostizierte Prostatakarzinom in den Knochen absiedelt (1, 6). Es sind unge- wöhnliche genetische Veränderungen, die das Krankheitsbild einerseits zu ei- nem Syndrom machen und die ande- rerseits erfordern, dass bei der Dia- gnostik und Therapie von den in der Onkologie üblichen Strategien abzu- weichen ist.

Diagnostik

Bevor ein CUP-Syndrom diagnosti- ziert werden kann, muss bei einem Pa- tienten, bei dem vermutet wird, dass der Tumor einer Metastase entspricht, ein Primärtumor ausgeschlossen wer- den. Anamnese und körperliche Un- tersuchung sind die Grundpfeiler der Diagnostik. Sie werden ergänzt durch eine Röntgenuntersuchung der Thorax- organe, eventuell einer Computerto- mographie des Abdomens mit kleinem Becken und das Routinelabor. Alle an- deren Diagnoseverfahren hängen vom Histologiebefund und der Lokalisati- on der Metastasen ab. Exzision und hi- stologische Untersuchung sollten also frühzeitig im diagnostischen Prozess erfolgen. Es macht keinen Sinn, bei Nachweis eines verhornenden Platten- epithelkarzinoms in einem Halslymph- knoten eine Mammographie oder eine Kolonoskopie zu veranlassen. Ebenso ist es nicht sinnvoll, nach Diagnose ei- ner Adenokarzinommetastase in der Leber eine Spiegelung und eine Com- putertomographie der Kopf-Hals-Re- gion durchführen zu lassen. Wenn bei Berücksichtigung der Histologie, der Lokalisation der Metastase und der tu- mortypischen Metastasenwege (deren Kenntnis erforderlich ist) der Primär- tumor nicht nachzuweisen ist, sollte die Diagnostik beendet werden. Die Auf- forderung zu einer begrenzten, zielge- richteten, vernünftigen Diagnostik bei dem CUP-Syndrom ist alt (13) und wurde in zahllosen Fortbildungsveran- staltungen wieder und wieder vorge-

tragen. Ihre Umsetzung scheitert aber immer wieder an der Furcht des Arz- tes, etwas zu übersehen, an angeblich aussagekräftigeren, neuen Diagnose- verfahren, nicht selten an ärztlicher In- kompetenz und häufig an den drän- genden Forderungen der Patienten.

Tatsache ist, dass eine ausufernde Dia- gnostik bei der überwiegenden Mehr- zahl der Fälle nicht zum Ziel führt und – wesentlicher – dass sich keine thera-

peutischen und prognostischen Konse- quenzen ergeben. Relevant ist die Dia- gnostik bezüglich der Frage, ob die Metastasierung uni- oder multilokulär ist. Hingegen ist es therapeutisch und prognostisch irrelevant, zu untersu- chen, ob der Patient zum Beispiel ne- ben multiplen Lebermetastasen auch noch Lungen-, Skelett-, Hirnmetasta- sen et cetera aufweist.

Die Serum-Tumormarker gehören nicht zur Routinediagnostik. Unstrittig ist der Wert von Alphafetoprotein (AFP) und humanem Choriongonadotropin (HCG) bei jüngeren Männern mit mediastinalen oder retroperitonealen Raumforderungen (Keimzelltumor?), von Thyreoglobulin bei Schilddrüsen- karzinom und von AFP bei Verdacht auf ein hepatozelluläres Karzinom.Wenn bei Männern die histologische Diagno- se Adenokarzinom oder undifferen- ziertes Karzinom lautet, ist nicht nur bei nachgewiesener Knochenmetasta- sierung, sondern auch im Hinblick auf die für das CUP-Syndrom charakteri-

stische atypische Metastasierung (Lun- ge, Leber) die PSA-Bestimmung (PSA, prostataspezifisches Antigen) angezeigt.

Karzinoembryonales Antigen (CEA), CA 19-9, CA 15-3, CA 125 tragen bei Pa- tienten mit CUP-Syndrom nicht zur Dia- gnostik bei (15).

Die Positronen-Emissionstomogra- phie (PET) ist sinnvoll bei CUP-Patien- ten mit Plattenepithelkarzinom-Meta- stasen im Bereich der Halslymphkno- ten. Hier kann die Methode auf den Primärtumor hinwei- sen (7). Darüber hinaus ist der Wert von PET beschränkt auf die Klärung, ob die Metasta- sierung lokal begrenzt oder disseminiert ist, sofern einfa- chere Verfahren (Röntgenun- tersuchung der Thoraxorgane, Sonographie des Abdomens) hierzu nicht bereits Informa- tionen geliefert haben (10).

Das Postulat, dass sich der Diagnoseaufwand den Mög- lichkeiten der Therapie unter- zuordnen hat, ist bei Patienten mit CUP-Syndrom besonders wichtig. Die Mehrzahl der Pa- tienten hat eine Lebenserwar- tung von sechs bis zehn Mona- ten (1, 6, 8). Häufig ist der Krankheitsverlauf so rapide, dass durch eine ausufernde, zeitraubende Diagno- stik der Allgemeinzustand des Patienten derart abnimmt, dass therapeutische Maßnahmen nicht mehr in Betracht kommen. Selbst wenn es gelingt, zum Beispiel bei disseminierter Metastasie- rung eines Plattenepithelkarzinoms oder Adenokarzinoms den Primärtumor, der dann am häufigsten in der Lunge oder der Bauchspeicheldrüse lokalisiert ist (8), auszumachen, steht der Kliniker vor einem diagnostisch-therapeutischen Scherbenhaufen, weil diese Erkrankun- gen weitgehend chemotherapieresistent sind.

Therapie und Prognose

Die wenigen Patienten mit CUP-Syn- drom und solitärer Metastase sollten einer lokalen Therapie (Operation und/oder Radiatio) zugeführt werden.

Im eigenen Patientenkollektiv (11) war diese Situation bei 18 von 136 Patien- M E D I Z I N

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Histologisches Spektrum undifferenzierter Karzinome Grafik 2

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ten gegeben; ihre mediane Überlebens- zeit betrug 13,4 Monate. In Überein- stimmung mit der Literatur (1, 6, 8) musste bei 80 Prozent der eigenen Pati- enten eine disseminierte Erkrankung festgestellt werden; Lymphknoten, Le- ber, Skelett und Lunge waren die am häufigsten involvierten Organe; mehr als 70 Prozent dieser Patienten hatten ein Adenokarzinom. Bei 14 dieser Pati- enten war der Allgemeinzustand so re- duziert, dass auf eine gegen die Tumor- erkrankung gerichtete Therapie ver- zichtet werden musste; die mediane Überlebenszeit betrug 2,7 Monate.

Chemotherapierte Patienten lebten im Median 7,6 Monate. Unter den in einer multivariaten Analyse geprüften Pro- gnosefaktoren (Geschlecht, Alter, Hi- stologie, Allgemeinzustand klassifiziert nach Karnofsky, Lokalisation der Me- tastasierung, Modus der Chemothera- pie) hatte der Karnofsky-Index den stärksten Einfluss. Bei Patienten mit disseminiertem Adenokarzinom beein- flusste die Art der Chemotherapie (mit/ohne Cisplatin; mit/ohne 5 Flu- orouracil; mit/ohne Anthrazyklin) nicht die Überlebenszeit. Dies hing möglicherweise aber auch mit den klei- nen Zahlen zusammen. Andererseits liefert selbst die neuere Literatur kei- nen Anhalt dafür, dass unter den zahl- losen, unterschiedlichen Chemothera- pie-Kombinationen, die bei CUP-Pa- tienten mit disseminiertem Adenokar- zinom untersucht worden sind, die eine der anderen an Effektivität überlegen ist. Das gilt auch für Kombinationsthe- rapien unter Einschluss von Taxanen (2, 9). Gegenwärtig kann für diese Pati- entengruppe nur festgestellt werden, dass eine Chemotherapie vertretbar ist, aber keine Standardtherapie benannt werden kann. Unstrittig ist hingegen, dass bei Patienten mit reduziertem All- gemeinzustand (Karnofsky-Index un- ter 70 Prozent) die Indikation zur Che- motherapie mit größter Zurückhaltung zu stellen ist (5, 12).

Innerhalb des CUP-Syndroms gibt es durch sorgfältige, Immunhistochemie- gestützte Histologie zu identifizieren- de Krankheitsbilder, die besonders er- wähnt werden müssen, weil solche Pati- enten von einer Therapie profitieren (1, 5, 10, 15). Hierzu gehören Frauen mit auf die Axilla beschränkter Lymphknoten-

metastasierung eines Adenokarzinoms, die auch dann wie Patientinnen mit Mammakarzinom zu behandeln sind, wenn der Rezeptorstatus für Östro- gen/Progesteron negativ ist. Zu dieser Kategorie gehören Patienten (vorwie- gend Männer) mit überwiegend media- stinalen oder retroperitonealen Tumor- manifestationen, deren Histologie zu- nächst als undifferenziertes Karzinom oder undifferenzierter maligner Tumor eingestuft wurde, die dann serologisch und immunhistochemisch als HCG- und AFP-positive Keimzelltumoren identi- fiziert und damit einer potenziell kurati- ven Therapie zugeführt werden können.

Zu diesen CUP-Krankheitsbildern mit therapeutischen Implikationen zählen auch die papilläre Peritonealmetastasie- rung bei Frauen und die PSA-positive Adenokarzinomatose der Lungen bei Männern, die mit oder ohne osteoblasti- sche Knochenmetastasierung einherge- hen kann. Frauen mit papillärer Perito- nealmetastasierung sollen wie Patien- tinnen mit Ovarialkarzinom, Männer mit PSA-positivem Adenokarzinom wie Patienten mit Prostatakarzinom thera- piert werden. Bei der papillären Perito- nealmetastasierung kann es sich auch um ein primäres Peritonealkarzinom handeln. Ohne den Anspruch auf Voll- ständigkeit zu erheben, ist noch auf eine weitere, auch zahlenmäßig bedeut- same Untergruppe zu verweisen, näm- lich Patienten (vorwiegend Männer) mit zervikaler Plattenepithelkarzinom-Me- tastase.

Diese Patienten profitieren oftmals langfristig von einer lokoregionalen Therapie („neck dissection“ plus Radia- tio) entsprechend den Richtlinien der Therapie von Patienten mit Kopf-Hals- Karzinomen.

Manuskript eingereicht: 28. 10. 2004, revidierte Fassung angenommen: 29. 11. 2004

Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2005; 102: A 904–907 [Heft 13]

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Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. med. Dieter Kurt Hossfeld Onkologische Schwerpunktpraxis Lerchenfeld 14

22081 Hamburg

E-Mail: d.hossfeld@uke.uni-hamburg.de M E D I Z I N

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