DEUTSCHES
ÄRZTEBLATT
DIE ÜBERSICHT
CUP-Syndrom
Untersuchungsstrategien beim unbekannten Primärtumor
Michael Friedrich
Der unbekannte Primärtumor zeichnet sich durch eine pri- mär atypische Verteilung und ein atypisches Metastasie- rungsmuster aus. Beide Faktoren erschweren seine Auffin- dung erheblich. Die diagnostische Strategie zielt auf eine ex- akte Bestimmung der Tumorausdehung und das Herausfin- den der potentiell kurablen Tumoren ab. Das therapeutische Vorgehen ist beim kurablen Tumor, auch im disseminierten
Stadium, auf die Erzielung einer Vollremission gerichtet.
Definition
Das CUP-Syndrom (Carcinoma of Unknown Primary) liegt vor, wenn bei einem Patienten 1. die Manife- station einer malignen Neoplasie bioptisch zweifelsfrei gesichert ist und 2. durch Anamnese, körperliche Untersuchung und ein diagnosti- sches Untersuchungsprogramm, das sich am Allgemeinzustand des Pa- tienten und Ort der Metastase orien- tiert, der Primärtumor nicht gefun- den werden kann. Die Histologie muß zweifelsfrei Malignität nachwei- sen und darf in ihrer Art nicht zu einer primären Tumorentstehung am Ort des bioptischen Nachweises passen.
Diese Situation tritt in fünf bis zehn Prozent aller Patienten mit Tu- morerkrankung auf und erfordert ei- ne interdisziplinär abgestimmte Un- tersuchungsstrategie. Hierbei sind einige tumorbiologische Besonder- heiten des CUP-Syndroms zu be- rücksichtigen:
• Das atypische lokalisatori- sche Verteilungsmuster der beim CUP-Syndrom schließlich gefunde- nen Primärtumoren. Für supradia- phragmale Metastasen kommt die Lunge, für infradiaphragmale Filiae das Pankreas als wahrscheinlichste Primärtumorlokalisation in Betracht.
• Das atypische Metastasie- rungsmuster beim unbekannten Pri- märtumor. Während zum Beispiel beim klinisch bekannten Bronchial- karzinom in 30 bis 50 Prozent Kno- chenherde vorkommen, haben Pa- tienten mit CUP-Syndrom, bei denen autoptisch schließlich ein Bronchial- karzinom als Primärtumor gesichert wird, nur in vier Prozent Knochen- metastasen. Die biologischen Ursa- chen hierfür sind unbekannt.
Die weiteren tumorbiologischen Besonderheiten beim CUP-Syndrom hängen miteinander zusammen:
O Die geringe Tumorgröße des unbekannten Primärtumors zum Zeitpunkt der Feststellung des CUP- Syndroms im Vergleich zum klinisch manifesten Tumor.
• Das häufigere Vorkommen einer undifferenzierten Histologie mit biologisch aggressiverem Wachs- tumsverhalten des Tumors.
• Die frühere Metastasierung dieser Tumoren mit der Tendenz der Metastasen zu schnellerem Wachs- tum als der Ausgangstumor.
• Die relativ schlechten durch- schnittlichen Behandlungsmöglich- keiten der Tumorerkrankung beim CUP-Syndrom.
Diagnostische Strategie
Die mediane Überlebenszeit beim CUP-Syndrom beträgt nach Renner und Mitarbeitern zirka neun Monate und ist vergleichbar derjeni- gen beim metastasierten Mamma- karzinom oder kleinzelligen Bron- Röntgenabteilung (Chefarzt: Professor Dr.
med. Michael Friedrich) des Krankenhau- ses am Urban, Berlin
chialkarzinom. Das Hauptziel der diagnostischen Strategie beim CUP- Syndrom ist nicht die unbedingte Auffindung des Primärtumors um je- den Preis. Vielmehr wird von ihr er- wartet: 1. Die exakte Bestimmung der Tumorausdehnung (Metastasie- rung) und damit die Einordnung des Patienten in eine bestimmte Progno- sekategorie. 2. Das Herausfinden der potentiell kurablen Tumoren (extragonadaler Keimzelltumoren, Hodgkin- Non-Hodgkin-Lymphom und Trophoblasttumor) und der durch eine schonende Hormonthera- pie (Brust-, Prostata- und Endome- trium-Karzinom) oder hocheffektive Chemotherapie gut zu behandeln- den Tumoren (zum Beispiel kleinzel- liges Bronchialkarzinom). Diese ma- chen etwa 10 bis 15 Prozent der un- bekannten Primärtumoren aus.
Die Diagnostik muß zeitsparend und rational sein; Aufwand und Be- lastung für den Patienten müssen in vernünftiger Relation zu den Thera- piemöglichkeiten stehen. Die Vor- stellung, die primäre Tumorlokalisa- tion für eine effektive Therapie un- bedingt finden zu müssen, sowie die Unzulänglichkeiten der diagnosti- schen Verfahren dürfen keinesfalls zu einer sinnlosen Eskalation der Diagnostik führen. Man muß beim A-1190 (46) Dt. Ärztebl. 87, Heft 15, 12. April 1990
CUP-Syndrom damit rechnen, nur in zirka 15 Prozent den Primärtumor intra vitam finden zu können, zirka 50 Prozent werden post mortem aut- optisch geklärt und zirka 30 Prozent bleiben für immer im Dunkeln.
Als Ursachen für diese schlechte klinisch-diagnostische Effizienz müs- sen diskutiert werden: 1. intra vitam die immer noch fehlende Vollkom- menheit unserer gegenwärtigen kli- nischen Diagnoseverfahren, speziell der bildgebenden Verfahren, 2. in- travital wie postmortal die unzurei- chende standardmäßige makrosko- pisch-pathologische und histologi- sche Aufarbeitung des Biopsiemate- rials sowie der hohe Anteil undiffe- renzierter Tumoren.
So wurden in einer retrospekti- ven Therapiestudie zum CUP-Syn- drom von Rathmann und Mitarbei- tern bei insgesamt 84 Patienten durch bildgebende Verfahren nur in sechs Fällen, durch die Histologie in- tra vitam 11 mal die Primärtumor- diagnose gestellt. Weitere Gründe für das Nichtauffinden von Primär- tumoren können sein: 3. die klinisch unbemerkte Entfernung oder Zer- störung des Primärtumors durch Ex- zision/Verschorfung/Curettage sowie die Abschilferung/Abstoßung nekro- tischer Tumoren von der Haut oder der Darmschleimhaut und 4. eine spontane Tumorregression.
Das diagnostische Basisprogramm beim CUP-Syndrom besteht aus:
—Anamnese
—gründlicher körperlicher Un- tersuchung einschließlich Lymph- knotenstationen, Haut, Mamma, Prostata, Zervix, Rektum, Hoden
—Labordiagnostik (großes Blut- bild, Tumormarker, Hämokkult-Test und Urinzytologie)
—Röntgen-Thorax und Sono- graphie des Abdomens.
Bei der Erhebung der Anamnese sollte intensiv nach früheren „Ver- schorfungen"/Biopsien „harmloser Hautveränderungen", Entfernung
„benigner" Kolon-Polypen, Gebär- mutterhals-Dilatationen/Curettagen mit dem Ergebnis „kein Krebs", nach Prostatabiopsien, die „nur benigne Prostatahypertrophie" ergaben und jeglichen anderen chirurgischen Ein- griffen, bei denen Gewebe entfernt wurde, gefragt werden.
Das diagnostische Basispro- gramm soll den in der onkologischen Sprechstunde tätigen Arzt mit relativ einfachen Mitteln in die Lage verset- zen, das CUP-Syndrom im Sinne ei- ner limitierten umschriebenen oder einer disseminierten Tumorerkran- kung einzuordnen, den Ort der biop- tischen Entnahme festzulegen und gegebenenfalls aufwendigere weitere Diagnoseverfahren gezielt anzufor- dern. Hierbei sollte vor jeder zusätz- lichen Untersuchung geprüft wer- den, ob deren Ergebnis die Therapie beeinflußt und ob damit die Chance besteht, einen potentiell kurablen Tumor aus der überwiegenden Mehrzahl der prognostisch ungünsti- gen Tumorentitäten beim CUP-Syn- drom herauszufinden. Unspezifische Labortests, etwa die Bestimmung all- gemeiner Tumormarker wie des CEA sind für diese Fragestellung un- geeignet.
Die Prognose und die Behand- lungsmöglichkeiten sind wie bei den meisten anderen Tumorerkrankun- gen stark abhängig von der Lokalisa- tion und Ausdehnung der Metasta- sierung. An Hand des diagnostischen Basisprogramms kann der Patient ei- ner der drei Prognosegruppen zuge- ordnet werden:
C) lokal begrenzte Tumormani- festation (mediane Überlebenszeit 21 Monate)
disseminierte Tumorausbrei- tung (mediane Überlebenszeit 7 Mo- nate) und
C) infauste Prognose (mediane Überlebenszeit 2 Monate)
Bei lokal begrenzter Tumorma- nifestation engt die lymphonodale Metastasierung den Ursprungsort des Primärtumors meist mehr oder weniger ein. Bei der disseminierten Erkrankung tragen die bildgebenden Verfahren zur Primärtumorauffin- dung bei, sie sind jedoch in den mei- sten Fällen zu unspezifisch, so daß frühzeitig eine histologische Klärung folgen muß, da diese eine deutlich höhere Spezifität bezüglich der Tu- morentität besitzt.
Wird beim diagnostischen Basis- programm eine primär infauste Pro- gnose festgestellt, folgt keine weitere Diagnostik, sondern eine symptoma- tische Therapie (Analgesie, stabili- sierende/analgetische Bestrahlung
von Knochenherden, Linderung von Dyspnoe und Ileuszuständen).
Liegt eine disseminierte Tumor- ausdehnung vor, ist in jedem Falle die Biopsie obligat, da sie in einem Teil der Fälle die Tumorentität klärt und damit die Kurabilität bezie- hungsweise Therapiemöglichkeiten der Tumorerkrankung entscheidend mitbestimmt Die weiterführende Diagnostik mit bildgebenden Ver- fahren (Computertomographie des Thorax, des Abdomens, des Schä- dels, Knochenszintigraphie) richtet sich darüber hinaus nach der Meta- stasenlokalisation, der klinischen Symptomatik und individuellen Pa- tientenparametern wie Allgemeinzu- stand, Alter, Karnofsky-Index und Therapiewilligkeit des Patienten. Bei gutem AZ wird man eher zu einer weiterführenden Diagnostik und ag- gressiveren Therapie tendieren als bei schlechtem AZ.
Neben den bildgebenden Dia- gnoseverfahren können einige Tu- mormarker (Enzyme, Hormone, On- ko-fetale Antigene und andere Stoff- wechselprodukte) spezifische Hin- weise auf den primären Tumorsitz liefern:
—saure Prostata-Phosphatase (Prostata-Ca.)
—das Prostata-spezifische Anti- gen (PSA) (Prostata-Ca.)
—Kalzitonin (medulläres Schilddrüsen-Ca.)
—Thyreoglobulin (metastasie- rendes Schilddrüsen-Ca.)
—Lysozym (histiozytäres Lym- phom)
—alpha-Fetoprotein (Differen- zierung gonadaler und extragonada- ler Keimzelltumoren, hepatozellulä- res CA.)
—Ostradiol (Granulosazelltu- more)
Patienten mit lokal begrenzter Tumorausbreitung haben meist eine günstige Prognose und sind durch ei- ne lokale operativ/onkologische Kombinationsbehandlung potentiell kurabel. Sie erfordern eine differen- zierte Diagnostik.
Bei Verdacht auf eine solitäre Hirnmetastase sollte eine stereotak- tische Abklärung erfolgen und je nach Tumorentität und klinischer Symptomatik ein palliativer Thera- pieversuch unternommen werden, Dt. Ärztebl. 87, Heft 15, 12. April 1990 (47) A-1191
wobei die generell nicht günstige Prognose zu berücksichtigen ist.
Bei isoliertem Lungenherd wird dieser exstirpiert, was zugleich Teil einer lokalen Therapie darstellt. Ein vorgeschaltetes kranielles Compu- tertomogramm sollte Hirnmetasta- sen ausschließen.
Bei isoliertem Leberherd oder organbegrenzter Lebermetastasie- rung muß eine endoskopisch/radio- logische Abklärung des Gastrointe- stinaltrakts erfolgen.
Bei isoliertem Knochenherd (osteoplastisch/osteolytisch) ist das radiologische Bild nicht ausreichend spezifisch, um den Primärtumor an- zuzeigen. Vor einer operativ/onkolo- gischen Kombinationstherapie, in deren Verlauf die Histologie geklärt werden sollte, sind zusätzlich zum Basisprogramm ein kranielles CT und der Ausschluß einer monoklona- len Gammopathie (Myelom) erfor- derlich.
Bei lymphonodal begrenzter Manifestation sind die lymphogenen lokalen Metastasierungswege beson- ders zu berücksichtigen:
—zervikale Lymphknoten: Pri- märtumor im HNO-Bereich, kom- binierte radiologisch/endoskopisch/
HNO-ärztliche Abklärung
—supraklavikuläre Lymphkno- ten: je nach Histologie kommen un- ter anderem Lungenmalignome, Ösophagus- oder Magen-Ca., Mam- ma-Ca. und Hodentumoren in Be- tracht. Zur Basisdiagnostik kommt die Bronchoskopie, gastrointestinale Endoskopie, bei der Frau die Mam- mographie, beim Mann die Hoden- sonographie hinzu.
—axilläre Lymphknoten: bei Frauen mit Adeno-Ca-Manifestation in 50 Prozent, bei positivem Östro- gen/Progesteron-Rezeptorstatus in fast 100 Prozent auf Mamma-Ca.
hinweisend
—inguinale Lymphknoten: wei- sen meist eindeutig auf den Primär- tumor hin und treten deshalb beim CUP-Syndrom nur selten auf.
—supradiaphragmale Lymph- knoten insgesamt: Bronchial-Karzi- nom
—infradiaphragmale Lymphkno- ten insgesamt: Pankreas-Karzinom
Den entscheidenden Beitrag bei der Abklärung des CUP-Syndroms
leistet oft der Pathologe durch die Erbringung einer spezifischen Histo- logie. Mit lichtmikroskopischen Me- thoden ist allerdings meist nur eine grobe Gruppenzuordnung des unbe- kannten Primärtumors möglich, zum Beispiel durch:
—papilläre Tumorformationen, etwa in zervikalen Lymphknoten, die in erster Linie auf ein Schilddrüsen- Karzinom hindeuten, obwohl auch andere Ursprungsgebiete (Lunge, Ovar) in Frage kommen
—verschleimende Adeno-Karzi- nom-Metastasen, die auf den Ga- strointestinaltrakt, aber auch das Ovar hinweisen
—Siegelringzellen als Ausdruck eines Magen-Karzinom, aber auch zahlreicher anderer Organ-Karzino- me (Mamma, Dickdarm)
—Plattenepithel-Karzinom-Me- tastasen schließlich sind auch vom Pathologen oft nur unter Berück- sichtigung des Entnahmeortes hin- sichtlich des Primärtumors grob zu klassifizieren.
Im Einzelfall können spezifische Hinweise durch Zelleinschlüsse und/
oder Stoffwechselprodukte gewon- nen werden, zum Beispiel durch Psammomkörperchen in peritone- alen Metastasen als Hinweis auf ein seröses Adeno-Karzinom des Ovars, allerdings auch auf ein papilläres Schilddrüsen-Karzinom oder durch den Nachweis von Gallepigment in den Filiae eines hepatozellulären Karzinoms oder von Melanin in Me- lanommetastasen.
Die Elektronenmikroskopie, an die sich anfangs große Hoffnungen bezüglich dieser Fragestellung ge- knüpft haben, wird heute nur noch in wenigen Fällen eingesetzt, etwa zum Nachweis neurosekretorischer Gra- nula zum spezifischen Nachweis des alveolären Weichteil-Sarkoms.
Ein sprunghafter Fortschritt in der histologischen Differenzierung des CUP-Syndroms konnte durch die Immunhistologie erzielt werden. Im wesentlichen sind es drei Gruppen von Zellmarkern, die mittels poli- oder monoklonaler Antikörper in oder an den Zellen spezifisch nach- gewiesen werden können:
1. Intermediärfilamente 2. Oberflächenmarker
3. intrazytoplasmatische Marker
Intermediärfilamente kommen als sieben bis elfµ große Elemente des sogenannten Zytoskeletts in al- len Körperzellen in fünf gewebespe- zifischen Formen vor:
—epitheliales Zellsystem: Kera- tin
—mesenchymales Zellsystem:
Vimentin
—muskuläres Zellsystem: Des- min
—Glia-Zellsystem: GFAP = Gliafibrilläres saures 'Protein
—neuronales Zellsystem: Neu- rofilamente
Gegen diese gewebespezifischen Antigene sind monoklonale Antikör- per hergestellt worden. Die Expres- sion dieser Antigene des Ursprungs- gewebes bleibt auch in den meisten Tumorzellen erhalten, so daß eine spezifische Zuordnung von Tumoren zum Ursprungsgewebe möglich ist.
So sind zum Beispiel alle Karzinome keratinpositiv und, weniger spezi- fisch, auch positiv für das epitheliale Membranantigen, alle Nicht-Mus- kel-Sarkome, das heißt Tumoren mesenchymalen Ursprungs, Keratin- negativ und Vimentin-positiv, wäh- rend Muskel-Sarkome Desmin-posi- tiv und Muskel-Aktin-positiv sind.
Alle Gliome, zum Beispiel Astrozy- tome, Glioblastome, enthalten den GFAP-Marker und sind damit als Tumorgruppe zu erfassen, ebenso wie die Neuroblastome und Phäo- chromozytome durch die Neurofila- mente.
Wichtig für den die Biopsie vor- nehmenden Arzt ist die Rücksprache mit dem Pathologen über die Präpa- rataufarbeitung. So sind nicht alle immunhistochemischen Färbeme- thoden an formalin-fixiertem Mate- rial durchführbar. Zu den auch an formalin-fixiertem Material arbei- tenden Antikörpern zählt auch der- jenige gegen das Kil-Antigen in Hodgkin und den hochmalignen Kil- Lymphomen, die dadurch von undif- ferenzierten Karzinomen und ande- ren Lymphomen, wie T-Zell-Lym- phom spezifisch abgetrennt werden können.
Als weitere Beispiele für eine gewebespezifische Tumoridentifizie- rung sollen der S100-Antikörper ge- gen Melanomzellen und neuro-en- dokrine Karzinome, die Antikörper A-1192 (48) Dt. Ärztebl. 87, Heft 15, 12. April 1990
gegen Neurofilamente in der Diffe- renzierung kindlicher Tumoren so- wie die Antikörper gegen die intrazy- toplasmatische x-Expression gegen leichte Ketten zur Identifizierung des Plasmozytoms genannt werden.
Besonders durch Kombination ver- schiedener Marker gewinnt die im- munhistochemische Aussage eine bisher ungeahnte Spezifität. So zeichnet sich zum Beispiel das Karzi- noid durch die Marker-Kombination Keratin, Chromogranin, Synaptofu- sin und Serotonin aus, während das medulläre Schilddrüsen-Karzinom die spezifische Kombination Kalzito- nin und Thyreoglobulin besitzt. Das Prostata-Karzinom enthält das Pro- stata-spezifische Antigen PSA.
Innerhalb des Keratin-Antigen- Systems, das sich aus 20 verschiede- nen Polipeptiden zusammensetzt, sind Versuche zur Unterscheidung von Platten- und Zylinderepithel-ty- pischen Keratin-Komponenten ge- macht worden (Fischer, Altmanns- berger et al.). So enthält das Dick- darm-Karzinom kein Keratin 7, das hepatozelluläre Karzinom kein Ke- ratin 7 und 19. Mit monoklonalen Antikörpern gegen Keratin 7, 8, 18 und 19 gelingt die gewebespezifische Differentialdiagnose zwischen Gal- lengangs-Karzinom, Gallenblasen- Karzinom, Pankreas-Karzinom und Mamma-Karzinom.
Therapeutisches Vorgehen
Das therapeutische Vorgehen beim CUP-Syndrom wird maßgeblich von der Lokalisation und Ausdeh- nung der Tumorerkrankung entspre- chend den oben definierten Progno- segruppen bestimmt. In einzelnen Therapiestudien (Wildfang et al.
Rathmann et al.) zum CUP-Syndrom wird die oben erwähnte Prognose- gruppe 1 (primär begrenzte Tumor- manifestation) in zwei Untergruppen unterteilt:
—isolierte Organherde (Gehirn, Leber, Lunge, Knochen) ohne Lymphknoten-Filia und
— die primär lympho-nodale Metastasierung.
Innerhalb der einzelnen Progno- segruppen beim CUP-Syndrom be-
einflußt außer dem Allgemeinzu- stand und dem Karnofsky-Index we- der das Alter noch die Histologie die mediane Überlebenszeit, mit einer Ausnahme: das extragonadale Keim- zell-Syndrom, das oft in primär dis- seminiertem Stadium mit ausge- dehntem Mittellinien-Strukturenbe- fall (paraaortale Lymphknotenpake- te) und diffuser Lungenmetastasie- rung zur Diagnostik kommt, besitzt trotz fortgeschrittener Ausdehnung dank der modernen platinhaltigen Chemotherapie eine relativ günstige Prognose, die sich zumindest von der infausten Prognose der anderen dis- seminierten Tumormanifestationen deutlich unterscheidet.
Innerhalb der Gruppe 1 haben Patienten mit isolierter Organfilia ei- ne deutlich schlechtere Prognose (mediane Überlebenszeit: 14 Mona- te) als die Patienten mit primär lym- pho-nodaler Manifestation (mediane Überlebenszeit: 22 Monate). Letzte- re werden in der Regel kombiniert radikal-operativ und strahlenthera- peutisch in kurativer Absicht behan- delt, wobei das Bestrahlungsfeld das potentielle Ursprungsgebiet des Pri- märtumors möglichst voll mitein- schließen soll (speziell bei Hals- Kopf-Tumoren). Für beide Gruppen ist nach Strahlentherapie in kurati- ver Intention mit einer kompletten Remissionsrate von ca. 60 Prozent zu rechnen.
Bei Patienten mit CUP-Syndrom und disseminiertem Befall ist nach Ausschluß eines extragonadalen Keimzell-Syndroms ein Gespräch mit dem Patienten und den Angehö- rigen zu führen, in dem die Behand- lungschancen und -folgen einer ag- gressiven Chemotherapie dargelegt und die Therapiewilligkeit des Pa- tienten erfragt werden muß. Sind po- sitive Voraussetzungen für eine sol- che Therapie gegeben, so folgt beim CUP-Syndrom mit undifferenzierter Histologie sowie beim extragonada- len Keimzell-Syndrom eine Kombi- nations-Chemotherapie mit Cispla- tin, Ifosfamid, VP 16 (PIV-Schema).
In diesen Fällen einer angestrebten Kuration wird eine maximale Toxizi- tät der Chemotherapie mit vorüber- gehender Verschlechterung der Le- bensqualität in Kauf genommen Bei Adeno-Karzinomen unbekannter
Herkunft findet ein weniger aggres- sives FAM-Schema oder eine Mono- therapie mit 5-Fluorouracil oder Anthracyclinen Anwendung. Bei hormonabhängigen Tumoren (Mam- ma-Ca., Prostata-Ca.) wird das Spek- trum der Hormontherapie einge- setzt.
In der Gruppe mit primär disse- minierter Erkrankung erreicht die Strahlentherapie eine Remissionsra- te unter 20 Prozent, in der Gruppe mit infauster Prognose ist allenfalls eine Verschlechterung in 30 Prozent vorübergehend aufzuhalten.
Neben den erwähnten diagnosti- schen Problemen ergibt sich für den behandelnden Arzt beim CUP-Syn- drom aber noch ein anderer Aspekt:
er muß sich darauf einstellen, daß seine Entscheidung hinsichtlich Dia- gnostik- und Therapiebegrenzung seitens des Patienten und seiner An- gehörigen auf wenig Akzeptanz und Verständnis stoßen kann. Bei dem Kranken kann dadurch der Eindruck fachlicher Inkompetenz oder einer mangelnden Fürsorge entstehen.
Die Erhaltung oder Wiederherstel- lung einer möglichst hohen Lebens- qualität ist beim CUP-Syndrom im Hinblick auf die kurze Überlebens- zeit vorrangiges Ziel der diagnosti- schen Untersuchungsstrategie und allen therapeutischen Handelns.
Das Übersichtsreferat faßt Ergebnis- se einer wissenschaftlichen Sitzung auf dem 70. Deutschen Röntgenkongreß in Bremen zusammen. Allen beitragenden Rednern sei hiermit herzlich gedankt.
Literatur zu beziehen über den Verfasser
Anschrift des Verfassers:
Prof. Dr. med.
Michael Friedrich Chefarzt der Röntgenabteilung Krankenhaus am Urban Dieffenbachstraße 1 1000 Berlin 61
Dt. Ärztebl. 87, Heft 15, 12. April 1990 (51) A-1193