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Archiv "Atherosklerose: Neue Studie stützt die Infektionshypothese" (19.02.1999)

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ie Behandlung mit bestimm- ten Antibiotika scheint das Ri- siko eines Herzinfarktes zu verringern. Mit dieser Schlußfolgerung stützen US-Forscher jetzt die Idee, daß Infektionen eine bislang übersehene Rolle in der Entstehung von Infarkten spielen. Allerdings ist auch der neue Hinweis nur indirekt und rechtfertigt nach Meinung von Kardiologen noch nicht den Einsatz von Antibiotika zur Infarktprävention. Grundlage der Stu- die ist eine britische Datenbank, in der die vollständigen Krankenakten von etwa drei Millionen Patienten gespei- chert sind.

Eine Gruppe um Christoph Meier vom Boston University Medical Cen- ter hat sich aus diesem Register die Akten von über 3 300 Patienten her- ausgesucht, die zwischen 1992 und 1997 einen Herzinfarkt erlitten hat- ten. Anhand der Akten haben die Forscher analysiert, wie oft diese Pati- enten in den drei Jahren vor ihrem In- farkt wegen anderer Krankheiten mit verschiedenen Antibiotika behandelt worden waren (Journal of the Ameri- can Medical Association 1999; 281:

427). Zum Vergleich analysierten sie zudem die Krankenakten von über 13 000 Patienten, die in Alter und Ge- sundheitszustand den Herzinfarktpa- tienten glichen, aber keinen Infarkt erlitten hatten.

Die Gegenüberstellung ergab, daß die Gruppe der Herzinfarktopfer in den drei Jahren vor dem Infarkt signifikant seltener mit den Antibioti- ka Tetrazyklin und Chinolone behan- delt worden waren: So hatten nur 19 von 1 000 der Herzinfarktopfer Tetra- zyklin eingenommen, aber 34 von 1 000 herzgesunden Personen. „Unse- re Ergebnisse fügen sich gut in die

Vermutung, daß Infektionen in der Auslösung eines Herzinfarktes eine Rolle spielen“, schreiben auch Meier und seine Kollegen. Bei Erythromy- cin, Sulfonamiden, Penicillinen und Cephalosporinen fanden die US-For- scher keinen Unterschied.

Der Mikrobiologe Prof. Wolfgang Stille von der Universität Frankfurt hält den Hinweis auf Tetrazyklin und Chinolone nicht für Zufall: „Es ist auf- fällig, daß die in der Studie identifi-

zierten Antibiotika zu denen gehören, die gut gegen Chlamydia pneumoniae wirken.“ Dieser hartnäckige Erreger von Atemwegsinfektionen ist für Stille der Hauptangeklagte, seitdem der fin- nische Mikrobiologe Pekka Saikku und andere Ärzte das Bakterium wie- derholt in den Gefäßen von Herzkran- ken nachgewiesen haben. Tierversu- che bestätigten zudem, daß die Bakte- rien Gefäße infizieren können. Stille geht mit seiner Interpretation aller- dings weiter, für ihn ist die Studie „der Durchbruch für die Chlamydien-Hy- pothese“.

Auch der Kardiologe Prof. An- dreas Zeiher von der Universität Frankfurt zweifelt nicht mehr, daß In- fektionen das Herzinfarktrisiko beein- flussen können. „Dennoch“, so Zeiher,

„ändert sich durch die Studie akut gar nichts. Sie ist vor allem keine Recht- fertigung, außerhalb von wissen- schaftlichen Studien Antibiotika zur Therapie einzusetzen.“

Zeiher geht davon aus, daß In- fektionen eher in der letzten Phase

A-400 (28) Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 7, 19. Februar 1999

P O L I T I K MEDIZINREPORT

Atherosklerose

Neue Studie stützt die Infektionshypothese

Die Gruppe der Herzinfarktopfer war signifikant seltener mit Tetrazyklinen und Chinolonen – wirksam gegen das

Bakterium Chlamydia pneumoniae – behandelt worden.

D

DÄ:Eine US-Studie scheint die These zu be- stätigen, daß Antibiotika das Herzinfarktrisiko verringern. Taugt die Stu- die als Argument, nun ge- nerell Antibiotika zur In- farktprävention einzuset- zen?

Lüderitz: An mei- ner Skepsis ändert die Studie nichts. Ich glaube zwar, daß an der Infekti- onshypothese etwas dran ist, aber als Begründung für eine generelle Anti- biotikatherapie ist die Studie nicht geeignet.

DÄ: Liegt das an methodischen Mängeln?

Lüderitz: Nicht nur.

Solche retrospektiven Durchsichten von Kran- kenblättern sind immer mit Vorsicht zu genießen, weil die Akten nie alle relevanten Faktoren ent- halten. Beispielsweise wissen die Autoren nicht, wie viele der mehr als 16 000 Patienten wirklich

mit Chlamydia pneumo- niae oder anderen Erre- gern infiziert waren. Hin- zu kommt aber, daß sie ihre Analyse auf Patien- ten konzentriert haben, die nicht die üblichen Ri- sikofaktoren für einen Infarkt aufwiesen. Das heißt aber, daß die ge- fundenen Assoziationen nicht repräsentativ sind für Patienten mit einem erhöhten Infarktrisiko.

DÄ: Dennoch er- weist sich der Zusammen- hang zwischen Infektio-

nen und Infarkt als robu- ster, als viele ihm zuge- traut haben.

Lüderitz: Ja, das kann man sagen. Aller- dings gibt es nicht nur bestätigende, sondern auch einige negative Be- richte, die zeigen, daß nicht jede Form der Herzkrankheit mit Chla- mydien assoziiert ist. Ge- rade deshalb sind pro- spektive Therapiestudi- en eine Grundvorausset- zung, bevor Antibiotika generell verwendet wer- den sollten.

Fragen, welche Pa- tientengruppen von einer Therapie profitieren und welche Dosierungen nö- tig sind, erscheinen bei Antibiotika noch wichti- ger als bei anderen Medi- kamenten, weil eine falsch dosierte Behand- lung die Bildung von re- sistenten Stämmen be- günstigen und damit die Probleme für den Patien- ten sogar noch ver- größern könnte. kch N A C H G E F R A G T

Foto: privat

Prof. Dr. Berndt Lüderitz, Direktor der Medizinischen

Universitätsklinik Bonn

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vor einem Infarkt von Bedeutung sein können. Bei Patienten mit vorgeschä- digten Gefäßen könnten sie Entzün- dungen verstärken und etwa die Bil- dung von Thromben begünstigen. Die Gruppe um Meier hatte erst vor weni- gen Monaten in einer weiteren Aus- wertung der britischen Patienten-Da- tenbank ausgerechnet, daß offenbar in den ersten zehn Tagen nach einer frischen Atemwegsinfektion das Risi- ko für einen Infarkt deutlich ansteigt, sich in den Wochen danach aber schnell wieder normalisiert (Lancet 1999; 351: 1467).

Stille vertritt eine radikalere The- se: Er glaubt, daß Chlamydien alleine für die Mehrzahl der Infarkte verant- wortlich seien, weil sie über Jahre hin- weg die Gefäße infizieren und so die zugrundeliegende Krankheit verur- sachten: die Atherosklerose. Vom Ausgang dieses wissenschaftlichen Streites hängt auch ab, welche Bedeu- tung eine Behandlung mit Antibiotika für Herzkranke haben kann.

Denn wenn eine Gefahr eher von akuten Infektionen ausgeht, dann würden auch Antibiotika nur für eine kurze Phase Schutz bieten, bei der

nächsten Infektion müßte neu behan- delt werden. Zudem wären sie bei vi- ralen Infekten nutzlos, sofern die Sub- stanzen nicht weitere Wirkungen ha- ben.

Falls jedoch die Atherosklerose selbst, wie Stille glaubt, vor allem durch Chlamydien verursacht und in Gang gehalten würde, dann könnte eine Elimination der Bakterien Be- troffenen für einige Jahre Zeit ver- schaffen, solange sie sich nicht neu in- fizieren. „Um diese Frage zu klären, brauchen wir Studien, in denen Anti- biotika an Kranken mit unterschied- lichen Formen der Herzkrankheit erprobt werden“, sagt Prof. Hugo Katus von der Universität Lübeck, dessen Gruppe derzeit selbst kurz vor dem Abschluß einer Antibioti- ka-Studie an 300 Patienten steht.

Weltweit hätten zehn solcher Unter- suchungen bereits begonnen, sagt Stille.

Daß umfangreiche Studien nötig sind, um den Sinn einer Antibiotika- therapie abzuklären, zeigen auch die Ergebnisse erster kleinerer Erpro- bungen. Argentinische Kardiologen um Enrique Gurfinkel von der Fava-

loro Foundation in Buenos Aires hatten insgesamt 202 Patienten un- mittelbar nach einem akuten Koro- narsyndrom randomisiert: 102 nah- men einen Monat lang das gut gegen Chlamydien wirkende Antibiotikum Roxithromycin, weitere hundert ein Plazebo.

In den ersten 30 Tagen war das Ergebnis vielversprechend: Neun Pa- tienten aus der Plazebogruppe erlit- ten ein weiteres „schweres Ereignis“

(Ischämie, Infarkt, Tod), aber nur zwei der mit dem Antibiotikum be- handelten Patienten. In den folgen- den fünf Monaten verschob sich die- se Bilanz jedoch, wie Gurfinkel und Kollegen jetzt im European Heart Journal (1999; 20: 121) schildern. In dieser Zeit erlitten weitere fünf der mit Plazebo behandelten Patienten ein „Ereignis“, aber auch sechs der mit dem Antibiotika behandelten Pa- tienten. „Die Zahl der Patienten ist zu klein, um sichere Schlüsse ziehen zu können“, warnt Katus, „aber wenn der anfängliche Unterschied tatsächlich an dem Antibiotikum lag, dann scheint die Wirkung nicht unbe- grenzt anzuhalten.“ Klaus Koch

A-402

P O L I T I K MEDIZINREPORT

(30) Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 7, 19. Februar 1999 Gut durch Interventionsstudien belegt ist, daß Statine bei KHK-Patienten Morbidität wie auch Mortalität reduzie- ren. Dennoch erhalten nur rund 25 Prozent der in Frage kommenden Patienten eine solche Medikation. Meist wür- den als Rechtfertigung Kostengründe ins Feld geführt, doch sei dies nicht haltbar, meint Prof. Dr. Dr. Karl Lauterbach vom Institut für Gesundheitsökonomie und Klinische Epide- miologie der Universität zu Köln. Erhebungen des Institutes lassen vielmehr vermuten, daß mit einer routinemäßigen Verordnung von Statinen bei Risikopersonen langfristig er- hebliche Kosteneinsparungen möglich sind.

Lauterbach initiierte deshalb eine klinische Prüfung, die sogenannte Lipoguide-Studie (Long Term Effectiveness of Im- plementing a Cholesterol Lowering Guideline for Secondary Prevention of Coronary Heart Disease). Diese soll klären, ob die Behandlung nach evidenzbasierten Richtlinien, welche die generelle Verordnung eines Statins bei Patienten nach Herzin- farkt, Ballondilatation oder Bypass-Operation vorsieht, auf Dauer nicht nur Leben rettet, sondern auch Kosten spart.

An der Lipoguide-Studie, die von Bayer Vital finanziert wird, werden 750 Patienten mit angiographisch gesicherter KHK aus 45 allgemeinärztlichen Praxen teilnehmen. Sie werden konsekutiv in die Untersuchung aufgenommen und, je nach Praxis, einer von drei Behandlungsgruppen zugeord- net. Gruppe A umfaßt Ärzte und Patienten, die sehr intensiv betreut werden. So werden die Ärzte nach Lauterbach in vier Symposien in der Umsetzung der Leitlinien geschult, wobei

allerdings die amerikanischen Empfehlungen herangezogen werden. „Denn deutsche Leitlinien wurden zu dieser The- matik bislang noch nicht erarbeitet“, bedauert der Gesund- heitsökonom. Auch die Patienten werden dreimal in speziel- len Sitzungen geschult. Sie erhalten zusätzlich eine Patien- tenbroschüre zur Therapie der Dyslipoproteinämie.

In der Gruppe B erfolgt die Ärzteschulung nach dem gleichen Prinzip, die Patienten erhalten jedoch nur eine Pati- entenbroschüre, und in Gruppe C ist weder bei Ärzten noch bei Patienten eine Intervention geplant. Da Patienten der Gruppe A und B wahrscheinlich eher nach den Leitlinien the- rapiert werden, ein Statin erhalten und eher compliant sind, erwarten die Initiatoren der Studie eine deutliche Verände- rung des Risikoprofils, woraus sich die Folgen auf Morbidität und Mortalität hochrechnen lassen. Parallel zu den körperli- chen Untersuchungen und den Laborparametern werden zu- dem die verbrauchten Ressourcen bestimmt; diese Fakten werden zeigen, so Lauterbach, ob durch evidenzbasierte Me- dizin tatsächlich Kosten vermieden werden. Daß dies so sein könnte, deuten Voruntersuchungen des Kölner Institutes an:

Basierend auf den Daten der Interventionsstudien, welche ei- ne Risikoreduktion von 30 Prozent ergeben haben, hätten, so die ersten Hochrechnungen, bei konsequenter Verordnung ei- nes Statins an KHK-Patienten hierzulande in fünf Jahren rund 1,5 Milliarden DM gespart werden können. Ob diese Hoch- rechnung stimmt, soll nun Lipoguide zeigen. Die Ergebnisse werden für das Jahr 2000 erwartet. Christine Vetter

Lipoguide-Studie: Therapieleitlinien auf dem Prüfstand

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